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Gute Aufnahmen in "deutscher" Orchesteraufstellung?

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hargi
Stammgast
#1 erstellt: 26. Okt 2006, 23:28
Hallo miteinander,

hat heute jemand das österreichische Nationalfeiertags-Konzert mit Harnoncourt und den Wienern auf 3sat gesehen+gehört? Eine wirklich großartige, packende und nuancierte Interpretation von Beethovens Siebter haben sie gegeben, wie ich finde.

Sehr schön: Harnoncourt hat nach der im 19. Jahrhundert in Deutschland üblichen Sitzordnung musizieren lassen, also die 2. Geigen rechts vorne, gegenüber den ersten etc.

So sind von einzelnen Orchestergruppen gespielte/wiederholte Phrasen wesentlich plastischer, deutlicher erkennbar, und vor allem dialogartiger zu hören. Manche Passagen schienen mir so erst ihren "Sinn" zu erhalten. Einige Dirigenten verwenden mittlerweile wieder diese "historische" Anordnung, aus obigen Gründen. Etwa Jonathan Nott mit den Bamberger Symphonikern auf Tudor, gelegentlich.

Meine Frage an die, die vielleicht mehr darüber wissen: Welche auch interpretatorisch richtig gute Einspielungen der deutschen Klassiker und Romantiker gibt es in hörens- und kaufenswerten Einspielungen mit historischer Aufstellung?

Danke und Grüße
Harald
Kreisler_jun.
Inventar
#2 erstellt: 27. Okt 2006, 09:31

hargi schrieb:
Sehr schön: Harnoncourt hat nach der im 19. Jahrhundert in Deutschland üblichen Sitzordnung musizieren lassen, also die 2. Geigen rechts vorne, gegenüber den ersten etc.


Leider macht er es nicht so bei den Beethoven-Aufnahmen mit dem Chamber ORchestra of Europe...



So sind von einzelnen Orchestergruppen gespielte/wiederholte Phrasen wesentlich plastischer, deutlicher erkennbar, und vor allem dialogartiger zu hören. Manche Passagen schienen mir so erst ihren "Sinn" zu erhalten. Einige Dirigenten verwenden mittlerweile wieder diese "historische" Anordnung, aus obigen Gründen. Etwa Jonathan Nott mit den Bamberger Symphonikern auf Tudor, gelegentlich.

Meine Frage an die, die vielleicht mehr darüber wissen: Welche auch interpretatorisch richtig gute Einspielungen der deutschen Klassiker und Romantiker gibt es in hörens- und kaufenswerten Einspielungen mit historischer Aufstellung?


Zwei Dirigenten, von denen es ziemlich viel gute Aufnahemn dieses Repertoires gibt und die meiner Erfahrung nach immer die deutsche Aufstellung verwendet haben, sind Klemperer und Gielen, z.B. Sinfonien von Beethoven, Brahms, Bruckner, Mahler, sowie einige von Schubert, Haydn und Mozart.
C. Kleiber hat in seiner DG-Aufnahme der 7. von Beethoven die Geigen einander gegenüber (u.a. weil es dort ein paar sehr deutliche Dialog/Echo-Passagen gibt), bei der 5. jedoch nicht...

viele Grüße

JK jr.
Laubandel
Ist häufiger hier
#3 erstellt: 27. Okt 2006, 09:41
Hallo Harald,

schön daß Du das ansprichst. Ich bin seit langem ein Fan der deutschen Orchesteraustellung und halte die heute meist übliche, die wohl in den 1910er Jahren zum ersten Mal in England ausprobiert wurde (muß ich meine Quelle checken), für eine bequeme Vereinfachung, bei der eine räumliche Dimension wegbricht, mit der die Komponisten v.a. im 19. Jh. gearbeitet haben; außerdem mögen meine Ohren die palettenartige Verteilung nach Tonhöhe von links nach rechts wegen der zu großen Asymmetrie nicht.

Von den älteren Herrschaften war es vor allem Kubelik, der mit seinem Bayerischen RundfunkSO eisern an der historischen Sitzordnung festhielt. Wie er es bei auswärtigen Dirigaten hielt, kann ich momentan nicht sagen. Sponatne fallen mir noch folgende Dirigenten ein: Michael Gielen, Georg Tintner, Chr. Thielemann, Bruckner mit Sinopoli, neuere Aufnahmen von Barenboim, Mahler mit Zander und Tilson Thomas, Brahms mit Mackerras, neuerdings auch Kent Nagano, Dritte Bruckner mit Jonathan Nott.

Gruß

laubandel
embe
Stammgast
#4 erstellt: 27. Okt 2006, 10:11
Hallo,
ich glaube es war Stokowski, der führte gar lustige
Experimente der Orchesteraufstellung durch.
Mit Aufkommen der Stereophonie wurde diese sog. amerikanische Aufstellung leider beibehalten.
Einziger Vorteil man kann sofort hören ob ein Tonkanal vertauscht wurde

Klemperer, Gielen, wurden schon genannt... Schuricht, Böhm,
Kempe, Ancerl, Knappertsbusch ... zwar nicht immer aber oft.
Jacobs bei Haydn, Herreweghe bei Bruckner, Nott wurde genannt...Ter Linden bei Mozart.

Abbado hat z.T. ne eigene Auffassung der Orchesteraufstellung,
zumindest auf Video gut erkennbar.
1. + 2. Geigen links bis mittig, Celli zart rechts bis mittig,
Bratschen scharf rechts. Bässe im Hintergrund rechts bis halb rechts...Holzbläser ziemlich mittig, tiefes Blech rechts,


Gruß
embe
hargi
Stammgast
#5 erstellt: 27. Okt 2006, 10:21

Laubandel schrieb:
ich halte die heute meist übliche, die wohl in den 1910er Jahren zum ersten Mal in England ausprobiert wurde (muß ich meine Quelle checken), für eine bequeme Vereinfachung, bei der eine räumliche Dimension wegbricht, mit der die Komponisten v.a. im 19. Jh. gearbeitet haben;


... und das finde ich wirklich höchst erstaunlich: seit über 30 Jahren ist man hinter der historischen Aufführungspraxis her, doch im 19. Jahrhundert scheinen die wenigsten historisch-Verfechter angekommen. Wieso hat sich in unserem Jahrhundert diese angelsächsische Praxis überhaupt durchgesetzt??

Die Kunst (im wahrsten Sinne des Wortes) besteht allerdings nun darin, historisches Aufführen mit, sagen wir mal, beseelten/inspirierten/wie auch immer Interpretationen zusammenzubekommen. Das heißt: die Konzentration auf die technischen Aspekte nicht in den Vordergrund zu stellen und sich nicht schon mit diesem Aspekt von Originalität zufrieden zu geben. So klangen frühe Originalinstrumentaufnahmen (60er, 70er) oft recht seelenlos und "technisch konzentriert". Heute ist das Pendel in die andere Richtung ausgeschlagen. (Ich finde das Telemann-Geschrubbe von Maurice Steger und der Akademie für Alte Musik (Harmonia Mundi France, 2006) einfach überzogen "fetzig".)

Aber das ist jetzt fast schon OT. Was ich sagen will: Wer aus dem genannten Kreis interpretiertEurer Meinung nach auch hörenswert? Soweit man das halt "objektiv" sagen kann.

In alter Sitzordnung halte ich Mackerras' Brahms-Sinfonien bei Telarc für interpretatorisch sehr schön. Sonst, wie gesagt, kenne ich wenig, werde aber auf die Genannten achten.


außerdem mögen meine Ohren die palettenartige Verteilung nach Tonhöhe von links nach rechts wegen der zu großen Asymmetrie nicht.


Genau. Die Linkslastigkeit finde ich bisweilen nicht nur unangemessen, sondern sogar anstrengend. Manchmal lege ich absichtlich eine Mono-Platte auf, um das rechte Ohr mal wieder miteinzubeziehen.

Grüße
Harald
Laubandel
Ist häufiger hier
#6 erstellt: 27. Okt 2006, 10:50
Harald, sag mal um welche Komponisten es Dir geht. Ich bin da ein bißchen spät-lastig und mein hauptsächlich gehörtes Repertoire geht auch schon ins XX. Jahrhundert rüber, auch wenn ich mir ab und an gern Schubert, Mendelssohn, Schumann, Berlioz gebe.
Herreweghe hat bekannt, bei Bruckner überhaupt nicht interpretieren zu wollen; ich finde seine Romantische hörenswert. Die neue MahlerSechste von Eschenbach mit dem Philadelphia Orchestra ist interpretatorisch und in der Orchesterleistung hervorragend und in deutscher Aufstellung musiziert, das gleiche kann man von Ivan Fischers Budapester Auferstehungssinfonie sagen.
Ein wichtiges Ingrediens für historische Aufführungspraxis des XIX. wäre ein gewisses Genialikertum, das hatten sie alle, ob sie nun Bülow, Nikisch, Weingartner oder Mahler hießen.
Ich bin gespannt, was noch geschrieben wird und verbleibe bis zum späten Abend

laubandel
Kreisler_jun.
Inventar
#7 erstellt: 27. Okt 2006, 12:41

hargi schrieb:

Laubandel schrieb:
ich halte die heute meist übliche, die wohl in den 1910er Jahren zum ersten Mal in England ausprobiert wurde (muß ich meine Quelle checken), für eine bequeme Vereinfachung, bei der eine räumliche Dimension wegbricht, mit der die Komponisten v.a. im 19. Jh. gearbeitet haben;


... und das finde ich wirklich höchst erstaunlich: seit über 30 Jahren ist man hinter der historischen Aufführungspraxis her, doch im 19. Jahrhundert scheinen die wenigsten historisch-Verfechter angekommen. Wieso hat sich in unserem Jahrhundert diese angelsächsische Praxis überhaupt durchgesetzt??


Weiß ich auch nicht genau, es hat offenbar auch gewisse Vorteile (z.B. wenn 1. u. 2. Violine zusammenspielen)



Aber das ist jetzt fast schon OT. Was ich sagen will: Wer aus dem genannten Kreis interpretiertEurer Meinung nach auch hörenswert? Soweit man das halt "objektiv" sagen kann.


Klempereres Aufnahemn haben Klassikerstatus. Gielen ist m.E sehr empfehlenswert, eher "objektiv" und nüchtern bei Mahler (Hänssler), bei Beethoven (EMI) vielleicht etwas rigide mit schnellen Tempi a la Leibowitz. IMO alle sehr hörenswert. Barenboims neuere Beethoven-Aufnahmen sind klaglich phantastisch, interpretatorisch eher "romantisch" einzuordnen.

viele Grüße

JK jr.
hargi
Stammgast
#8 erstellt: 28. Okt 2006, 00:01

Laubandel schrieb:
Harald, sag mal um welche Komponisten es Dir geht. Ich bin da ein bißchen spät-lastig und mein hauptsächlich gehörtes Repertoire geht auch schon ins XX. Jahrhundert rüber, auch wenn ich mir ab und an gern Schubert, Mendelssohn, Schumann, Berlioz gebe.

Was meine Interessen angeht: Fängt bei Haydn an und hört bei Berlioz auf. Grundsätzlich eher deutsch. Aber es soll keiner davon abgehalten werden, herausragende Aufnahmen mit dieser Aufstellung aus welcher Epoche/Nationalität auch immer zu empfehlen!

Grüße
Harald
antiphysis
Stammgast
#9 erstellt: 01. Nov 2006, 20:21
Auch Roger Norrington bevorzugt die deutsche Orchesteraufstellung (Beethoven, Berlioz, Mahler, Bruckner). Hinzu kommt der Verzicht auf Vibrato, was die Transparenz ungemein steigert.

Grüße
sound67-again
Gesperrt
#10 erstellt: 01. Nov 2006, 21:11
Na und? Hinzu kommt auch der Verzicht auf jede Interpretation. Was soll daran gut sein. z.B. Tchaikowsky (!!!!) ohne Virbato - die dümmste Idee, die sich denken lässt.

Außerdem: Ob die "deutsche Orchesteraufstellung" bei der Aufnahme irgendeine Rolle spielt, sei mal dahingestellt. Die Platzierung der Mikrophone hebt nämlich die Aufstellung ohnehin weitgehend auf.

Gruß, Thomas
Laubandel
Ist häufiger hier
#11 erstellt: 01. Nov 2006, 23:29
Guten Abend mal wieder,

vielleicht sollte man noch einmal ein paar Aspekte zur "deutschen" Orchesteraufstellung einstreuen. Der Name ist zwar eingebürgert, aber völlig irreführend, da es sich um den internationalen Standard vom Aufkommen öffentlicher Orchesterdarbietungen bis zumindest in die 1920er Jahre handelt. Man weiß das aus Abbildungen, Traktaten und Lexikographie und nicht zuletzt eben aus den Partituren der Meisterwerke, denn wozu sollte ein Komponist sich die Mühe machen, die zweiten Geigen flapsig gesagt mal über und mal unter den ersten spielen zu lassen, ihnen die Oberstuimme zu geben wenn die Ersten schweigen usf., wenn man das nachher räumlich nicht unterscheiden kann. Von daher ist es natürlich genausogut eine französische, böhmische, englische, russische Anordnung, wie es eine deutsche ist.
Beispiel gefällig?

Brahms, Erste Symphonie, Finale, das accelerando kurz bevor das Hornthema die langsame Einleitung beschließt: da kommt es zu einem aberwitzigen Wechselspiel der Figuren in den beiden Geigengruppen. Das muß wie ein Pingpongeffekt zwischen links und rechts pendeln.

Bruckner, Dritte Symphonie, Anfang: da sind die beiden Geigen im strengen Canon geführt. Sitzen sie hintereinander, ist nicht mehr zu entscheiden, wer nun was spielt, und man hört sich das nach der jeweils obenliegenden Stimme zurecht, das Ergebnis ist eine Art Sägezahnmuster. Auch später, im zweiten Thema, verheddern sich die Ohren im melodischen Kontrapunkt der doppelten Oberstime, wenn die räumliche Auffächerung unterschlagen wird.

Taschaikowsky, Pathetique, letzter Satz:
da wechseln die beiden oberen Stimmen Note für Note über Kreuz zwischen den ersten und zweiten Geigen. Schon mal gehört? Eine geradezu schizophrene Zerrisenheit ist da auskomponiert. Das wird nur deutlich bei Gegenüber-Position der beiden Violingruppen.

Es geht weiter, man findet Dutzende von Beispielen beim Übergang ins zwanzigste Jahrhundert, von Mahler bis Schostakowitsch, wo sich der Erfahrungshorizont der Komponisten in solchen Orchestrationsdetails niederschlägt.

Daß man davon abgerückt ist, hat vermutlich einen zweifachen Hintergrund: Erstens ist es spiel- und probentechnisch einfacher, weil die Streicheroberstimmen sich per Gehör koordinieren können. Das spart teure Probenzeit. Und wenn man ein bißchen Erfahrung im Hintergrundgeschehen der Orchester hat, lernt man, daß die zweiten Geigen darauf dringen, im Windschatten der zweiten zu spielen.
Der andere Beweggrund zielt auf einen wuchtigeren Tuttiklang, einerseits spielen so auch die zweiten Geiger mit der Schalldecke ins Publikum, andererseits klingt ein Geigenunisono in moderener Sitzordnung massiver, grundtöniger und in Gestalt einer Schallquelle, anstatt sich wie eine feine Lasur über das Gesamtorchester zu legen. Die selbe Tendenz führt leider dazu, auch andere Instrumentengruppen zu bündeln, z.B. bei mehr als vier Hörnern diese hintereinander sitzen zu lassen anstatt in einer Reihe hinter den Holzbläsern (so z.B. im Sitzplan des Gewandhausorchesters in Leipzig 1931).

Das Angesprochene läßt sich sehr gut anhand von Tonträgern nachvollziehen.

Grüße

laubandel
embe
Stammgast
#12 erstellt: 02. Nov 2006, 00:46
Hallo Thomas,
das versteh ich nicht ganz...



sound67-again schrieb:


Außerdem: Ob die "deutsche Orchesteraufstellung" bei der Aufnahme irgendeine Rolle spielt, sei mal dahingestellt. Die Platzierung der Mikrophone hebt nämlich die Aufstellung ohnehin weitgehend auf.

Gruß, Thomas


Wenn der Dirigent es für wünschenswert hält diese alte Orchesteraufstellung zu nutzen, meinst du der Toning
setzt sich darüber hinweg?
Der könnte natürlich mit Multimiking auch die Flöten links aussen spielen lassen...bei Beethoven z.B.

Oder meinst du die Aufstellung lässt sich, egal wie,nachträglich realisieren?
Das wäre natürlich pfusching

Da muss ich an den Ring von Solti denken, da wurden
Aufnahmen aus div. Räumlichkeiten munter zusammengemischt.
Oder Hary Janos mit Kertesz....
Über Kopfhörer nicht zu ertragen

Gruß
embe
Khampan
Ist häufiger hier
#13 erstellt: 02. Nov 2006, 00:55
Hallo Laubandel,

danke! Absolut gut beschrieben.


Mein lieber Thomas,
über die Bemerkung

Ob die "deutsche Orchesteraufstellung" bei der Aufnahme irgendeine Rolle spielt, sei mal dahingestellt. Die Platzierung der Mikrophone hebt nämlich die Aufstellung ohnehin weitgehend auf.

solltest du erst noch mal nachdenken.

Richtiger ist: zusätzlich zu den von Laubandel genannten Aspekten gibt es - aus der Perspektive des Zuhörers - noch klangliche Unterschiede, die von der Tontechnik weitgehend nivelliert werden können, sofern beabsichtigt:

- Die 2. Geigen klingen bei der amerikanischen A. etwa gleich wie die 1. Geigen; bei der deutschen A. hört sie der Zuhörer dagegen von hinten, was einen etwas runderen, weicheren Klang bewirkt. Dieser Effekt war den Komponisten bekannt, also bei der Instrumentierung berücksichtigt.
- Celli und Kontrabässe hört der Zuhörer bei der amerikanischen A. von der Seite, was extrem ungünstig ist. Besonders die Kontrabässe drehen ihre Instrumente häufig sogar etwas nach hinten weg. Bei der deutschen A. hört man beide von vorne, dadurch wesentlich direkter, sanglicher und präziser.

Der einzige, der von diesen Klangfarbenunterschieden nichts hört, ist der Dirigent. Denn die Musiker sitzen bei beiden Aufstellungen jeweils so, daß sie den Dirigenten ansehen... könnten.
Das erklärt ein wenig, warum die amerikanische A. bei Dirigenten rasch an Beliebtheit gewinnen konnte. Für eine nach technischer Perfektion strebende Generation bedeutete es eine gewaltige Arbeitserleichterung bei verhältnismäßig geringen klanglichem Unterschied (aus der Perspektive des Dirigenten sind die 1. und 2. Geigen auch nebeneinandersitzend noch ausreichend getrennt zu orten. Was kümmern ihn schon die Zuhörer...).

Das Rad zurückzudrehen ist immer schwieriger. Aber es tut sich was, und ich freue mich, daß man mit Hilfe solcher Foren wie diesem die Dinge vielleicht sogar etwas beschleunigen kann.

Gruß, Khampan
sound67-again
Gesperrt
#14 erstellt: 02. Nov 2006, 10:39

embe schrieb:
Wenn der Dirigent es für wünschenswert hält diese alte Orchesteraufstellung zu nutzen, meinst du der Toning setzt sich darüber hinweg?


Ich habe bisher noch keine einzige Aufnahme gehört, in der die Trennung der Violinen bei einer Aufnahme einen nennenswerten Effekt gehabt hätte. Transparenz wird auf ganz andere Weise erzielt - der erste Schritt ist meist schlichte eine Reduzierung des Streicherapparats. Sechs erste Geigen klingen nun mal "transparenter" als 12.

Auch ist es IMHO Einbildung, dass dem in den meisten Konzerten so wäre. Dazu ist der Saalklang fast immer zu diffus.

Beispiel: Bei dem speziellen Diffusschall in der hervorragenden Kölner Philharmonie hat eine Teilung gar keinen Effekt.

Gruß, Thomas


[Beitrag von sound67-again am 02. Nov 2006, 10:41 bearbeitet]
embe
Stammgast
#15 erstellt: 02. Nov 2006, 12:04
Hallo Thomas,


sound67-again schrieb:

Ich habe bisher noch keine einzige Aufnahme gehört, in der die Trennung der Violinen bei einer Aufnahme einen nennenswerten Effekt gehabt hätte. Transparenz wird auf ganz andere Weise erzielt - der erste Schritt ist meist schlichte eine Reduzierung des Streicherapparats. Sechs erste Geigen klingen nun mal "transparenter" als 12.




das ist schade. Hör mal Klemperer mit der 9. Mahler und vergleiche z.B. mit Chailly, Solti oder Giulini...
wenn dir da im Ländler keine Unterschiede auffallen...

Um Transparenz gehts mir ja nicht, eher um diese Art räumliches komponieren. Hier fällt mir das krass auf.

Ist wohl, wie so oft, Geschmackssache

Im Konzert hört man diese Teilung wirklich nur in den 1. Reihen...

Dafür hamwa ja die CD und Kopfhörer

Gruß
embe
Kreisler_jun.
Inventar
#16 erstellt: 02. Nov 2006, 12:39

embe schrieb:
Hallo Thomas,


sound67-again schrieb:

Ich habe bisher noch keine einzige Aufnahme gehört, in der die Trennung der Violinen bei einer Aufnahme einen nennenswerten Effekt gehabt hätte. Transparenz wird auf ganz andere Weise erzielt - der erste Schritt ist meist schlichte eine Reduzierung des Streicherapparats. Sechs erste Geigen klingen nun mal "transparenter" als 12.


das ist schade. Hör mal Klemperer mit der 9. Mahler und vergleiche z.B. mit Chailly, Solti oder Giulini...
wenn dir da im Ländler keine Unterschiede auffallen...

Um Transparenz gehts mir ja nicht, eher um diese Art räumliches komponieren. Hier fällt mir das krass auf.


Das ist völlig problemlos hörbar. Auch der Anfang von Mahler 2. unter Klemperer ist ein gutes Bsp.: Die tiefen Streicher sind nicht alle rechtsaußen angehäuft
Aber es geht tatsächlich nicht in erster Linie um Transparenz, obwohl selbstverständlich die 2. Geigen durch die räuml. Trennung meist besser herauskommen.
Effekt, wo sich erst u. 2. Geigen Motive "zuwerfen" sind bei Beethoven (viell. auch schon Mozart und Haydn) gar nicht selten (u.a im Finale der 7. Sinf., daher hat C. Kleiber hier die Violinen gegenüber). Dieser Effekt geht völlig verloren, wenn alle auf einer Seite sitzen.

Auch "Verfolgungsjagden" der Streichergruppen, wie zB der Beginn der Coda der Leonore III dürften wesentlich effektiver in der alten Sitzordnung kommen.

Sogar für Streichquartette gilt, dass eine Sitzordungen mit den Violinen gegenüber (oder wenigstens die Bratsche gegenüber der 1. Vl. Vorteile haben kann, weil selbst bei dieser Minimalbesetzung die Mittelstimmen manchmal drohen unterzugehen.

viele Grüße

JK jr.
Khampan
Ist häufiger hier
#17 erstellt: 02. Nov 2006, 13:22

sound67-again schrieb:
Ich habe bisher noch keine einzige Aufnahme gehört, in der die Trennung der Violinen bei einer Aufnahme einen nennenswerten Effekt gehabt hätte. Transparenz wird auf ganz andere Weise erzielt - der erste Schritt ist meist schlichte eine Reduzierung des Streicherapparats. Sechs erste Geigen klingen nun mal "transparenter" als 12.

du willst es noch immer nicht verstehen. Es geht nicht in erster Linie um Transparenz.
Daß du vielleicht noch nicht die schlagenden Beispiele gehört hast, mag daran liegen, daß es noch zu wenige gibt.


Beispiel: Bei dem speziellen Diffusschall in der hervorragenden Kölner Philharmonie hat eine Teilung gar keinen Effekt.

Speziell an der Kölner Ph. ist vor allem ein Mangel an Diffusschall. Negativ hervorragend, ja, das kann jeder musikalisch bewanderte Akustiker bestätigen.
Gerade weil man in der Kölner Ph. auf den hinteren Plätzen noch sehr direkt alles verfolgen kann, wäre dort ein links/rechts-Effekt besser hörbar als in einem diffuseren (halligeren) Saal, wobei der erschwerende Umstand zu berücksichtigen wäre, daß die nach hinten spielenden zweiten Geigen kaum (wie in einem normalen Saal) über Rückwand und Decke zum Publikum hin reflektiert werden würden, also relativ verloren wären.

Ist aber alles Nebensache, verglichen zu den gestrigen Postings von Laubandel und mir.

Gruß, Khampan


[Beitrag von Khampan am 02. Nov 2006, 16:01 bearbeitet]
SirVival
Hat sich gelöscht
#18 erstellt: 02. Nov 2006, 17:16
Hi,

die sog. deutsche Aufteilung hat einen gravierenden Nachteil, der mit der Geigenhaltung zusammenhängt. Gegriffen wird mit der linken, gestrichen mit der rechten Hand. Das bewirkt, dass die f-Löcher auf der linken Seite ins Auditorium zeigen, auf der rechten dagegen ins Orchester. Mit anderen Worten, es entsteht eine Imbalanz in der Lautstärke der 1. und 2. Geigen. Die letzteren klingen etwas gedämpfter.

Eure Hörerfahrung mit Ping-Pong-Effekten zwischen diesen beiden Instrumentengruppen und was sonst noch geschildert wird, halte ich schlichtweg für eine Art Mystifikation einer obsoleten Orchestersitzordnung. Die Durchhörbarkeit und Auffächerung des Klangs ist bei der "amerikanischen" Aufstellung durchweg besser.

Beispiel Tschaikowsky, Scherzo pizzicato aus der 4. Sinfonie, wenn die gezupften Töne von den Geigen, über die Bratschen zu den Bässen und zurück wandern, einmalig. Aber schließlich ist alles wie auch dieses eine Frage des Geschmacks und sollte nicht in eine weltanschauliche Grundsatzdebatte ausarten, wie das hier so oft der Fall ist.

Gruß
sound67-again
Gesperrt
#19 erstellt: 02. Nov 2006, 18:59

SirVival schrieb:

Eure Hörerfahrung mit Ping-Pong-Effekten zwischen diesen beiden Instrumentengruppen und was sonst noch geschildert wird, halte ich schlichtweg für eine Art Mystifikation einer obsoleten Orchestersitzordnung.


Eben. Durchhörbarkeit iust der richtige Begriff. Was den Ping-Pong-Effekt angeht: Einbildung ist auch eine Bildung. Es stimmt einfach nicht - und nicht wenige Orchester, die ich gehört habe, spielen mit der "deutschen" Anordnung - "not that it matters much".

Das mit den f-Löchern ist übrigens ein guter Punkt.

Gruß, Thomas
Laubandel
Ist häufiger hier
#20 erstellt: 02. Nov 2006, 19:03

SirVival schrieb:


die sog. deutsche Aufteilung hat einen gravierenden Nachteil, der mit der Geigenhaltung zusammenhängt. Gegriffen wird mit der linken, gestrichen mit der rechten Hand. Das bewirkt, dass die f-Löcher auf der linken Seite ins Auditorium zeigen, auf der rechten dagegen ins Orchester. Mit anderen Worten, es entsteht eine Imbalanz in der Lautstärke der 1. und 2. Geigen. Die letzteren klingen etwas gedämpfter.

Gruß


Der Unterschied ist allerdings nach meinen Hörerfahrungen weniger gravierend als derjenige, der durch das Verdecktwerden durch die davorsitzenden Ersten Geigen versursacht wird. Die leichte Imbalance ist mir lieber als die durch die völlige Abwesenheit der Geigen auf der rechten Seite. Toscanini, als man ihn überreden wollte, die amerikanische A. zu versuchen protestierte mit dem Satz, "das sind die beiden Flügel, mit denen ich fliege". (Und dann ist er mono im Trichter gelandet gg)

Mit Mystifikation hat das gar nichts zu tun und mit Weltanschauung auch nicht, nur mit stetigem Vergleich der unterschiedlichen Lösungen und dem Verlangen, mit Klarheit und Tiefenschärfe realisiert zu hören, was die Partitur vorgibt.

Zum Scherzo pizzicato: die bewußte Stelle ist doch auch wunderschön, wenn sie als links/rechts Echo realisiert wird, und eventuell, wie einst in Wien üblich, bei den Bässen im Zentrum landet (also quasi spiralförmig reinläuft). Dann kommt auch der Effekt besser raus, daß im Takt 3 und 4 die Melodiestimme zwischen ersten und zweiten Ggen hin- und hergeworfen wird. Das ist in nuce das was im bereits erwähnten Finale der Pathetique geschieht.

Obsolet? Keinesfalls, hätte man zu Lebzeiten unserer Komponisten die leichter handzuhabende am.A. haben wollen, man hätte es mit Leichtigkeit realisieren können. Aber dann sähen die Partituren der Meister durchwegs anders aus. Wie schon gesagt, da sehe ich keinen Fortschritt am Werk, sondern eher einen Verfall und ein Einknicken vor der Bequemlichkeit. In der Zeit von unser aller Hörenlernen war es allerdings stets die dominante Variante, und liebgewordene Gewohnheiten sind in der Regel stärker als neue Einsichten.

Im Bayreuther Orchestergraben (ich meine den Wagnerschen und nicht den markgräflichen) ist die Gruppierung (in bezug auf die Geigen) bis heute fest erhalten, als Sir Georg Solti bei seinem 1983er Ring dort versuchte, alles nach seiner gewohnten amerikanischen Sitzordnung umzubauen, war das Ergebnis katastrophal, die Kritiker waren sich einig, daß der Zauber weg war.(er ließ soviel ich weiß allerdings auch den Schalldeckel entfernen, und die Sänger waren alle heiser bis zur Premiere.)


Fröhliche Grüße

laubandel
Laubandel
Ist häufiger hier
#21 erstellt: 02. Nov 2006, 19:14

sound67-again schrieb:

embe schrieb:
Wenn der Dirigent es für wünschenswert hält diese alte Orchesteraufstellung zu nutzen, meinst du der Toning setzt sich darüber hinweg?


Transparenz wird auf ganz andere Weise erzielt - der erste Schritt ist meist schlichte eine Reduzierung des Streicherapparats. Sechs erste Geigen klingen nun mal "transparenter" als 12.



Das wird ja von den historischen Aufführungspraktikern so gemacht, tendenziell auch bei Werken des XIX. Jahrhunderts, und da geht es, soweit es sich um die konservative Linie handelt, auch gut (Brahms ungewohnt aber hervorragend). Aber auf Dein bevorzugtes Repertoire angewandt: Elgars beide Symphonien kann man so nicht machen. Minimum 14er Besetzung, würde ich sagen.

laubandel


[Beitrag von Laubandel am 02. Nov 2006, 20:34 bearbeitet]
SirVival
Hat sich gelöscht
#22 erstellt: 03. Nov 2006, 15:14
Hi,

aus dem Saulus wird gelegentlich der Paulus. Schaut und hört doch mal unter http://www.hfm-detmo...en/aufstellungen.htm

Danach bin ich zu der Auffassung gelangt, dass für die Aufführung eines Musikstücks nur die Orchester-Aufstellung infrage kommt, für die der Komponist gewerkelt hat, was sicherlich nicht in allen Fällen machbar, in den meisten jedoch die deutsche sein dürfte. Mit den Violinen auf beiden Seiten klingts halt schöner, ich geb's zu.

Gruß
Khampan
Ist häufiger hier
#23 erstellt: 03. Nov 2006, 18:40
Hallo SirVival

sehr guter Link, danke. Ein direkter Hörvergleich sagt doch mehr als tausend Worte...

Hiermit möchte ich mich auch noch für meinen unfreundlichen Beitrag von gestern (inzwischen gelöscht) entschuldigen.

Das Beispiel aus dem 2. Satz von Beethovens 7. Sinfonie ist sehr interessant, es war mir noch gar nicht bewußt (ich höre dieses Werk allerdings seit Jahr und Tag in der deutschen Aufstellung (Kleiber, Norrington)). Daß ein Komponist das Ungleichgewicht zwischen 1. und 2. Geige auf diese Weise ausnutzt, hatten wir in unserer hitzigen Debatte noch gar nicht angesprochen.

Khampan
sound67-again
Gesperrt
#24 erstellt: 03. Nov 2006, 20:56

SirVival schrieb:
Hi,

aus dem Saulus wird gelegentlich der Paulus. Schaut und hört doch mal unter http://www.hfm-detmo...en/aufstellungen.htm


Danke für den Link. Was mir hier allerdings fehlt sind Angaben zur Mikrofonierung bei diesen Aufnahmen. Das spielt auch eine große Rolle. Die Beispiele beschränken sich auch auf Wiener Klassik - ob die Unterschiede bei einer Schumann-Sinfonie, geschweige den kolossalen spätromantischen Werken überhaupt noch so zum Tragen kommt, sei mal dahingestellt (ich habe zumindest keinen Beleg dafür gefunden in meinen Aufnahmen, auch nicht dort, wo unterschiedliche Aufstellungen benutzt wurden. Hingegen hat die Dimensionierung oft einen entscheidenden Einfluss.

Ob allerdings was das "Ungleichgewicht" zwischen ersten und zweiten Geigen zum Tragen kommt? Vielleicht bei einer 6-4 Besetzung, aber bei 14-12?

Geigen strahlen übrigens Klang nach oben (durch die f-Löcher) und zur Seite ab, nicht aber nach unten (siehe z.B. Abstrahldiagramme in Thomas Görne, "Mikrofone in Theorie und Praxis", 7.Auflage, Aachen 2004, Seite 214
embe
Stammgast
#25 erstellt: 04. Nov 2006, 01:36
Hallo,
das freut mich aber jetzt, diese Ehrlichkeit

Werde mir nachher auch mal so einen Vergleich gönnen.
Bruckner vielleicht...mal hören...

Gruß
embe
embe
Stammgast
#26 erstellt: 04. Nov 2006, 02:39
Hallo,
so, nach Bruckners Scherzo und dem Anfang des 4. Satzes der 2. Sym.
finde ich bestätigt, es klingt wirklich aufregender in der deutschen Aufstellung.
Gehört hab ich Tintner, Skrowaczewski und Inbal.
Bei Tintner hört man das Wechselspiel der Geigen exemplarisch. Klanglich etwas hell geraten... Deutsche A.
Bei Skrowaczewski ist das eher ein Gewurschtel, trotz guter Aufnahmetechnik, warm und voluminös
Inbal hat die schlechteste Aufnahmetechnik, alles etwas sumpfig. Beide amerikanische A.

Jetzt ist die Studien Sym dran.
Erst Roshdestwensky, seltsamer synthetischer Klang mit Zoomeffekten auf einzelne Instrumente. Nicht amerikanisch aber auch keine deutsche A. irgendwo dazwischen.
Bei Tintner ist wieder alles übersichtlicher... zu Beginn des 1. Satzes richtig schöne Effekte, auch der Klang ist gut. Deutsch.
Bei Skrowaczewski spielen die Geigen linkslastig wie ein Klumpen 1. Satz Anfang... der Klang ist wieder luxuriös.
Amerikanisch.
Bei Inbal wieder eher dröhnig und hallig...kompakter Geigenblock, viele Nebengeräusche, mitbrummender Inbal
Amerikanisch.

Fazit, deutsche A. macht mich mehr an.
Macht richtig Spass dieses Vergleichen

Gruß
embe
Khampan
Ist häufiger hier
#27 erstellt: 04. Nov 2006, 03:10

sound67-again schrieb:
Die Beispiele beschränken sich auch auf Wiener Klassik - ob die Unterschiede bei einer Schumann-Sinfonie, geschweige den kolossalen spätromantischen Werken überhaupt noch so zum Tragen kommt, sei mal dahingestellt

eben genau das kann ich unbedingt und uneingeschränkt bejahen. Ein paar Beispiele:

Schumann 2. Sinfonie mit Thielemann, Philharmonia Orchestra London:
aberwitzige Wechselspiele vor allem im 4. Satz, die man sonst überhaupt nicht mitkriegt. Leider ist die Aufnahme klanglich nicht so prickelnd, auch interpretatorisch nur Mittelklasse (Thielemanns plötzliche albernen Ritardandi v.a. 1. Satz stören mich ziemlich).
Die Gardiner-Einspielung steht noch auf meiner Wunschliste, sie müßte die Effekte genauso deutlich machen.

Mahler 1. Sinfonie, Dohnanyi mit NDR Sinfonieorchester live vom diesjährigen Schl-Holstein Musikfest. Ein schlagender Beweis, vom NDR perfekt aufgezeichnet.

Mahler 2. Sinfonie, Norrington mit Stuttgarter RSO, live 2006, dto.

Bruckner mit Gielen, egal welche Sinfonie.

Man hört in jedem Werk -zig neue Stimmführungen und Wechselspiele, die sonst schnöde untergehen.
Mir ist noch kein einziges Beispiel in deutscher Sitzordnung untergekommen, in dem ich weniger als ein Dutzend Aha-Erlebnisse gehabt hätte.


sound67-again schrieb:
Ob allerdings was das "Ungleichgewicht" zwischen ersten und zweiten Geigen zum Tragen kommt? Vielleicht bei einer 6-4 Besetzung, aber bei 14-12?

Geigen strahlen übrigens Klang nach oben (durch die f-Löcher) und zur Seite ab, nicht aber nach unten (siehe z.B. Abstrahldiagramme in Thomas Görne, "Mikrofone in Theorie und Praxis", 7.Auflage, Aachen 2004, Seite 214

Mit "Ungleichgewicht" meinte ich eben gerade, daß die 2. Violinen (rechtssitzend und vom Zuhörer weg gerichtet) weniger direkt/brilliant klingen. Brauchen sie auch nicht. Irgendwer muß halt rechts sitzen, im Fall der Celli ist der Verlust ungleich größer. Außerdem wußten die Komponisten von diesem Ungleichgewicht, sie haben dafür instrumentiert.
Zu den f-Löchern: die vielleicht wichtigere Funktion ist, die Geigendecke (=oberer Teil des Resonsanzkörpers) zum ausgewogenen Mitschwingen bei möchlichst vielen Frequenzen zu verhelfen. Sonst würde es ein kreisrundes Loch wie bei der Gitarre und Laute ebenso tun (nur dann sollte man von einem Schallloch sprechen). Was direkt an Schall aus den Löchern herauskommt, ist v.a. die Hohlraumresonanz (Helmholtz-Resonanz). Diese liegt bei der Geige bei ca. 270 Herz, eine Frequenz, die sie noch relativ kugelförmig abstrahlt. Die Bündelung in Richtung gerade nach oben (weil senkrecht zum Resonanzkörper, nicht weil die f-Löcher zufällig auch nach oben zeigen) nimmt wie bei jedem Schallerzeuger zu hohen Frequenzen hin zu. Eben deswegen klingt die Geige von hinten weniger brilliant, aber sie ist nicht schalltot.

Gruß, Khampan
Khampan
Ist häufiger hier
#28 erstellt: 12. Nov 2006, 17:05
Weitere empfehlenswerte Aufnahmen mit deutscher Aufstellung:

Beethoven Sinfonien mit Gardiner
wie überhaupt vermutlich alle Aufnahmen mit Gardiner (ebenso wie der schon genannte Norrington), zum Beispiel:
Schumann Sinfonien mit Gardiner - Nr. 1+4 gibts aktuell bei jpc für 5,99. Wer nicht die sehr teure Gesamteinspielung berappen will, kann hier bedenkenlos zugreifen.

Ein Jammer daß Harnoncourt mit HIP nicht so konsequent ist. Seine Beethoven Sinfonien gäbe es nämlich aktuell zum Sonderpreis, aber für die amerikanische Aufstellung kriegt die Teldec von mir nix, ich bin da konsequenter.

Wer kann was zu anderen Harnoncourt Aufnahmen sagen, etwa Brahms (Sinfonien, Konzerte) und Bruckner?

Gruß, Khampan
Laubandel
Ist häufiger hier
#29 erstellt: 13. Nov 2006, 00:00
Harnoncourts Brahms habe ich leider nicht hier, ich fand damals beim Erscheinen probehörend im Laden den Klang zu streicherlastig (Einleitung der Ersten, wo die Holzbläser einen gleichwertigen Kontrapunkt zu den Violinen spielen und bei NH im traditionellen Sinn an die Wand gespielt wurden. Aber muß ich mal wieder testen).

Dafür: Dvořák, deutsche Sitzordnung, sehr schön hörbar z.B. in der Siebten - überhaupt sind das feine Interpretationen.

Bei Bruckner auch durchgehend, zu diesen aufnahmen komme ich trotz mancher übermächtig eigenwilliger Tempoentschiedungen immer wieder zurück.

Bei etwas mehr Zeit werde ich weitere Beispiele beitragen.

Grüße

laubandel
Kreisler_jun.
Inventar
#30 erstellt: 13. Nov 2006, 02:13

Khampan schrieb:
Weitere empfehlenswerte Aufnahmen mit deutscher Aufstellung:

Wer kann was zu anderen Harnoncourt Aufnahmen sagen, etwa Brahms (Sinfonien, Konzerte) und Bruckner?


Kein Brahms, kein Bruckner (da weiß ich es nicht), aber meines Wissens alle Mozart u. Haydn-Aufnahmen von NH mit dem Concentus Musicus, NICHT die mit dem Concertgebouw (frage mich, warum eigentlich nicht, ob sich Orcheser oder Produzent seinerzeit durchgesetzt haben...?)

Mahler u. Bruckner mit Klemperer oder Gielen wurde wohl schon erwähnt.

viele Grüße

JK jr.
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#31 erstellt: 15. Nov 2006, 14:34

sound67-again schrieb:

Ich habe bisher noch keine einzige Aufnahme gehört, in der die Trennung der Violinen bei einer Aufnahme einen nennenswerten Effekt gehabt hätte.


Aha! Du hast Dir also die 6.Tschaikowsky mit Norrington nicht mal komplett angehört. Oder etwa überhaupt nicht? Ist eher wahrscheinlich...
Der Effekt, den die Trennung der Geigen da hat, ist ziemlich drastisch, weil die Melodienoten des Themas am Anfang des letzten Satzes zwischen erster und zweiter Geige hin- un herwandern. Nur eines von vielen Beispielen.


sound67-again schrieb:
Transparenz wird auf ganz andere Weise erzielt - der erste Schritt ist meist schlichte eine Reduzierung des Streicherapparats. Sechs erste Geigen klingen nun mal "transparenter" als 12.

Besser: Reduzierung oder genauere Dosierung des unkontrollierten, diffusen Vibratos. Das muss nicht ganz weg, aber je weniger Vibrato, umso klarer ist der Gruppenklang, ganz besonders wenn die Damen und Herren alle individuell unterschiedlich vibrieren.
Deshalb klingen solche Orchester wie die WP, TschP oder SD nämlich so voll und gleichzeitig definiert: weil in solchen Orchestern die Streicher mit einer sehr einheitlichen Klangkultur spielen.
Die Norrington-Aufnahme demonstriert sehr eindrucksvoll, wie klangvoll und gleichzeitig transparent Streichergruppen auch ohne Vibrato klingen können. Natürlich müssen diese dann noch genauer als sonst intonieren, weil das Vibrato nämlich auch leichte Intonationstrübungen kunstvoll verschmiert.
Auch wenn diese Aufnahme keine "ideale" Interpretation ist, Du solltest Dir die wirklich doch mal anhören, anstatt einfach nur Hurwitz nachzuplappern. Man kann einiges davon lernen, und es tut auch gar nicht weh. Ehrlich!


Laubandel schrieb:
Guten Abend mal wieder,
vielleicht sollte man noch einmal ein paar Aspekte zur "deutschen" Orchesteraufstellung einstreuen. Der Name ist zwar eingebürgert, aber völlig irreführend, da es sich um den internationalen Standard vom Aufkommen öffentlicher Orchesterdarbietungen bis zumindest in die 1920er Jahre handelt.


Stimmt ganz genau. Ich habe bis jetzt keine Abbildung eines Orchesters vor ca. 1920 gesehen (oder kann mich nicht daran erinnern), bei der es anders war. Russische Orchester haben diese Sitzordnung im wesentlichen, aber nicht immer, beibehalten, und auch heute noch ist es bei den meisten der Standard:
http://www.philharmonia.spb.ru/img/zkr.jpg
Die traditionelle Aufstellung hat eine ganze Reihe Vorteile, die im grossen und ganzen hier schon angesprochen worden sind. Der Klang ist wirklich wesentlich offener, weniger "blended".
Ich finde es sehr gut, dass diese Aufstellung wieder im kommen ist. Ihr habt auch schon eine ganze Reihe von Aufnahmen genannt, die diese Aufstellung benutzen. Die Mahler Symphonien mit Sinopoli benutzen sie übrigens auch, und auch die Alpensinfonie mit Thielemann. Bei der letzteren sind die Kontrabässe in einer Reihe hinter dem Orchester, und das gibt dem Klang ein sehr reiches Bassfundament, dass nicht so komplett mit den Celli gemischt ist. T-man hat auch das eine Mal, also ich ihn live gesehen habe, in Berlin, diese Aufstellung benutzt (allerdings mit den Bässen auf einer Seite, hinter den ersten Geigen). Auch Kleiber, als ich ihn 1984 mit den BP gesehen habe (hier wieder mit den Bässen in einer Reihe hinter den Bläsern).
Khampan
Ist häufiger hier
#32 erstellt: 15. Nov 2006, 20:32
Mir ist noch eine Idee gekommen, warum sich die unsinnige amerikanische Aufstellung so leicht einbürgen konnte:

MONO

Für eine Mono-Aufnahme spielt die Aufstellung in der Tat praktisch keine Rolle. Ebenso für Hörer, die sich bewußt nicht von einem schönen stereofonen Klang ein Beschlag nehmen lassen wollen. Das gibt's ja, und ist auch in Ordnung, wenn man das als nicht relevant für die musikalische Aussage ansieht.
Allerdings ist festzustellen, daß die Komponisten des 19. Jahrhunderts ein überraschend weit entwickeltes (sozusagen) stereofones Bewußtsein hatten.

Gruß, Khampan
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#33 erstellt: 16. Nov 2006, 04:12

Khampan schrieb:
Mir ist noch eine Idee gekommen, warum sich die unsinnige amerikanische Aufstellung so leicht einbürgen konnte:

MONO

Für eine Mono-Aufnahme spielt die Aufstellung in der Tat praktisch keine Rolle.


Du bist damit wahrscheinlich auf der richtigen Spur. Es gibt einige Anzeichen dafür, dass die abgewandelte Orchesteraufstellung u.a. auch deshalb eingeführt wurde, weil der "klarer organisierte" Klang des Orchester so einfacher und "sauberer" von der damaligen Aufnahmetechnik eingefangen werden konnte. Zumindestens fallen die neue Aufstellung und die weitere Verbreitung von Schallplatten- und Radioaufnahmen zeitlich etwa zusammen. Ich habe darüber vor vielen Jahren mal einen sehr interessanten Artikel gelesen. Leider kann ich mich im Moment nicht genau genug erinnern, um präzise Details beizusteuern. Vielleicht kann ich den Artikel noch irgendwo finden.
Laubandel
Ist häufiger hier
#34 erstellt: 16. Nov 2006, 21:08
Also...

Harnoncourts Brahms ist defintiv in deutscher Sitzordnung. Habe gerade die Erste durch, ziemlich spannende Sache, auch wenn mir der Anfang zu zahm ist und der erste Satz insgesamt zu schwerfällig. Dafür ein wirkungsvoller Zug ins Finale. (Mackerras bringts für mich aber mehr.)

Hier ist übrigens noch ein sehr schöner Beethoven in HIP:



(auf SACD)

Der ist natürlich auch antiphonisch aufgestellt.

Grüße

laubandel
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#35 erstellt: 17. Nov 2006, 03:43

Laubandel schrieb:

Harnoncourts Brahms ist defintiv in deutscher Sitzordnung. Habe gerade die Erste durch, ziemlich spannende Sache, auch wenn mir der Anfang zu zahm ist und der erste Satz insgesamt zu schwerfällig. Dafür ein wirkungsvoller Zug ins Finale. (Mackerras bringts für mich aber mehr.)


Stimmt, ich erinnere mich jetzt. Ich war in einigen der Konzerte, als die Brahms-Sinfonien aufgenommen wurden.
Von dem Mackerras-Zyklus war ich zunächst ein bisschen enttäuscht, aber ich werde mir diese Aufnahme bald wieder mit frischem Ohr anhören.
Ich habe auch einen Zyklus in kleiner Orchesterbesetzung (Harnoncourt's in Berlin war übrigens nicht so "klein", eher mittelgross) mit Berglund und dem COE, aber ich bin bis jetzt noch nicht so dazu gekommen, mir das konzentriert anzuhören.
Khampan
Ist häufiger hier
#36 erstellt: 17. Nov 2006, 14:02
Danke für die Infos zu Harnoncourts Brahms-Sinfonien. Da es die auch zum Weihnachtssonderpreis von 15,49 gibt, steht damit ein Weihnachtsgeschenk fest.
Aus den Hörbeispielen bei jpc kann man überraschenderweise sogar die "antiphonische" Aufstellung (geniale Bezeichnung von Laubandel) dezent heraushören, ebenso eine fabelhafte Aufnahmequalität erahnen. Also selbst wenn die Interpretation an manchen Stellen etwas strittig sein sollte, wird's ein sicherer Hochgenuß. Man kann ja wohl auch davon ausgehen, daß die Wiederholungen gespielt werden.

Für die CD mit den Konzerten op. 77 und 102 (Harnoncourt, Kremer, Hagen, Concertgebouw O.) scheint das gleiche zu gelten. Brauche ich wegen op. 102.

Gruß, Khampan
Laubandel
Ist häufiger hier
#37 erstellt: 17. Nov 2006, 15:41

Khampan schrieb:
"antiphonische" Aufstellung (geniale Bezeichnung von Laubandel)


ist nicht auf meinem Mist gewachsen, kann man aber verschiedentlich so lesen, hauptsächlch in den englischsprachigen Komponistenforen.

Grüße

laubandel


[Beitrag von Laubandel am 17. Nov 2006, 15:43 bearbeitet]
Khampan
Ist häufiger hier
#38 erstellt: 17. Nov 2006, 17:31
@Laubandel,

trotzdem danke, war mir neu (in diesem Zusammenhang).
Wo treibst du dich den überall rum? Kannst du vielleicht mal das eine oder andere empfehlen (geht auch per PN)?
Bin zwar kein Komponist, aber für vieles offen.

Gruß, Khampan
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#39 erstellt: 17. Nov 2006, 19:46
Das Thema "antiphonale" Aufstellung wird auch in dieser Kritik angesprochen, zu der Franz-J. in einem anderen Thread gelinkt hat:
http://www.klassik-h....php?group=head_fr_1

Irgendwie klappt das mit dem Link nicht so richtig.

Hier:

Karel Ancerl und der Tschechischen Philharmonie gelang 1966 eine der intensivsten, zugleich „böhmischsten“ Einspielungen von Mahlers neunter Sinfonie. Sie ähnelt in Klangeindruck, Akkuratesse, Eleganz und Schlankheit der Phrasierung den legendären historischen Einspielungen unter Bruno Walter und Mitropoulos, übertrifft diese aber noch an emotionaler Intensität, auch wenn Ancerl dem finalen Adagio nicht den letzten Tropfen abringen mochte wie Leonard Bernstein in dem legendären Live-Mitschnitt mit den Berliner Philharmonikern. Zudem fehlt der grotesken Burleske (Tr. 3) hier – anders als bei Bernstein – das letzte bisschen Rücksichtslosigkeit. Und schließlich finde ich es bedauerlich, daß Ancerl auf die traditionelle antiphonale Teilung der Violinen verzichtet hatte, zu der sich immerhin sogar James Levine in seinem jüngst bei Oehms vorgelegten Live-Mitschnitt mit den Münchner Philharmonikern bekannt hat. In der Neunten ist dies besonders wichtig, weil Mahler diese Aufteilung zur Verdeutlichung einer Dramaturgie nutzt: Die ersten drei Sätze beginnen die Melodie in den zweiten Violinen, während erst im Anfangsthema des Finale beide Geigengruppen unisono zusammengeführt werden – ein Symbol für verkehrte Welt und Utopie.

Andererseits gelang es Ancerl jedoch auf einzigartige Weise, die Bedrohlichkeit der jenseitigen Welt herauszustellen. Man höre, wie im Kopfsatz das Unheil in die Welt bricht (Tr. 1, ca. 6’11). Die Pauken klingen mit ihrem Thema wie ein Negativ-Image der Gralsglocken; die Streicher spielen die Seufzer „tot“ ohne Vibrato; die Posaunen kommen mit tödlichem Nachdruck (6’52); die Baßklarinette murmelt böse (7’04). Derart realisierte Details von Mahlers fragiler, psychologisch anmutender Instrumentation machen die Aufnahme unglaublich spannend, Ancerls Musizieren läßt einen bis zur letzten Minute nicht los. Toningenieur Stanislav Sykora gelang hier mit dem 24Bit-Remastering unter Mithilfe des CEDAR-Restaurations-Systems ein kleines Wunder: Die Aufnahme klingt sehr präsent und natürlich.


[Beitrag von M_on_the_loose am 17. Nov 2006, 19:53 bearbeitet]
Khampan
Ist häufiger hier
#40 erstellt: 17. Nov 2006, 20:50
wow, das wolln wir hier als neuen Aspekt nochmal extra festhalten.

traditionelle antiphonale Teilung der Violinen ...
In der Neunten ist dies besonders wichtig, weil Mahler diese Aufteilung zur Verdeutlichung einer Dramaturgie nutzt: Die ersten drei Sätze beginnen die Melodie in den zweiten Violinen, während erst im Anfangsthema des Finale beide Geigengruppen unisono zusammengeführt werden – ein Symbol für verkehrte Welt und Utopie.


Bisher hat mich die 9. Mahler weniger stark gepackt als die Nummern 6, 8, 10, 5, 2. Allerdings habe ich sie noch nie "richtig" gehört. Allmählich bekomme ich das Gefühl, daß uns allen noch ein paar Entdeckungen bevorstehen.

Dank an M_on_the_loose fürs Reinkopieren!
Da kennt sich ein Rezensent ja sehr gut aus, wüßte schon gern wer das ist.
Mit dem Verlinken klappt es vieleicht besser, wenn du die Adresszeile (oben im Browser) kopierst, statt mit Rechtsklick irgendwo auf der Webseite nach einer Adresse zu suchen. Eine Garantie gibt's aber nur, wenn man es vorher ausprobiert: zu kopierende Adresse in die Adresszeile, ENTER, schaun ob's funzt.

Gruß, Khampan
Khampan
Ist häufiger hier
#41 erstellt: 17. Nov 2006, 21:01
gerade gesehen. Ben Cohrs ist der Rezensent, da ist ja alles klar.Hier gehts lang.
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#42 erstellt: 18. Nov 2006, 05:40

Khampan schrieb:

Mit dem Verlinken klappt es vieleicht besser, wenn du die Adresszeile (oben im Browser) kopierst, statt mit Rechtsklick irgendwo auf der Webseite nach einer Adresse zu suchen.


Habe ich gemacht, hat aber trotzdem nicht geklappt. Nochmal zum Üben als reinen Text:
http://www.klassik-h...nstler&Suchwort=8631

Und mit dem URL-Knopf im Antwortfenster (so habe ich das zuerst gemacht):

http://www.klassik-h...nstler&Suchwort=8631

Häh? Wieso klappt das jetzt mit dem URL-Knopf, aber vorher nicht? Wahrscheinlich bin ich einfach zu doof dazu...


[Beitrag von M_on_the_loose am 18. Nov 2006, 05:43 bearbeitet]
Khampan
Ist häufiger hier
#43 erstellt: 20. Nov 2006, 12:31
Im Thread zu "Mein Vaterland" ist folgende Diskussion entstanden, die hier gut reinpaßt (hervorhebungen von mir):

Laubandel schrieb:
ein hübsches Detail möchte ich noch erwähnen, das die Aufnahmen von Norrington und Harnoncourt realisieren: am Anfang von "Vyšehrad" gibt es ja diese Harfenkadenz, die im Wechsel zwischen zwei Harfen gespielt werden soll. Beide Aufnahmen postieren nun auch die Harfen antiphonisch, links und rechts des Orchesters. Konnte ich bei den beiden anderen Aufnahmen in meinem Schrank (Kubelik 1990, Inbal) nicht ausmachen, geht auch nicht auf spezielle Angaben in der Partitur zurück. Aber vielleicht gibt's das anderswo noch?


Khampan schrieb:
ich erinnere mich undeutlich, daß auch Berlioz in der Sinfonie fantastique die Harfen antiphonisch aufgestellt hat. Allerdings finde ich dazu ebenfalls keinen Hinweis in der Partitur, es gibt aber eine Skizze zur Orchesteraufstellung, der Gardiner bei seiner Einspielung gefolgt ist.
Vielleicht kann das mal jemand verifizieren.


M_on_the_loose schrieb:
Ich dachte, dass das in der Partitur beschrieben ist. Ist da nicht irgendwo ein Hinweis, auch darauf, dass die Pauken auf gegenüberliegenden Seiten des Orchesters aufzustellen sind? Ich habe die Partitur nicht in greifbarer Nähe.


Nee, in der Partitur der Sinfonie fantastique steht nichts, es war auch nicht üblich daß solche Aufstellungsdetails reingeschrieben werden, zumal wenn sie sich eigentlich von selber verstehen ... steht ja auch nirgends daß die Violinen antiphonisch sitzen müssen.

Gruß, Khampan
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#44 erstellt: 20. Nov 2006, 13:20
Berlioz hat *so einiges* gemacht, was zu seiner Zeit überhaupt nicht im allgemeinen üblich war. Z.B., zwei Paukensätze zu haben. An ein paar Stellen in der Partitur (z.B. am Anfang des 4. Satzes) finden sich daher auch, kaum überraschend, Textbeiträge von ihm, die aufführungspraktische Details erläutern. Und sogar Tips für den Dirigenten, wie er mit dem Orchester proben soll... Auch eine extra Oboe und Englishhorn hinter der Szene zu haben oder das ganze dramatisch mit dem Orchester hinter einem Vorhang aufzuführen, war nicht gerade besonders üblich. Da ist also nichts mit ;).
Man kann die Dinge nicht alle so einfach über einen Kamm scheren und als gegeben annehmen, wie Du manchmal anzunehmen scheinst (siehe den Janácek-Sinfonietta-Thread) ;).
Allerdings findet sich tatsächlich kein Hinweis auf die Aufstellung in der Partitur, zumindest nicht in der, die ich online eingesehen habe (http://www.dlib.indiana.edu/variations/scores/bhs9470/large/index.html).
Es kann sein, dass ich mal eine Partitur gesehen habe, in der die Aufstellung im Vorwort der Herausgeber angesprochen wurde. Auf jeden Fall bin ich mir ziemlich sicher, den Aufstellungsplan an solcher Stelle mal gesehen zu haben. Aber das ist schon lange her, und ich kann mich nicht mehr erinnern, welche Ausgabe das war, und offensichtlich handelte es sich dabei um Anmerkungen des Herausgebers, nicht um eine von Berlioz' *vielen* Anmerkungen in der Partitur.
AladdinWunderlampe
Stammgast
#45 erstellt: 20. Nov 2006, 13:54
Liebe Orchesterdialogisten,

zwar findet sich in der Partitur der Symphonie fantastique kein Hinweis auf die Orchesteraufstellung; aber in Berlioz' Instrumentationslehre habe ich die folgende Partie gefunden:

"Hier ist der Ort, auf die Wichtigkeit der verschiedenen Punkte aufmerksam zu machen, wovon die Töne ausgehen. Gewisse Orchesterstimmen sind vom Komponisten bestimmt, sich zu fragen und zu antworten, nun tritt diese Absicht nur dann klar und schön hervor, wenn die Gruppen, zwischen welchen diese Art von Zweigespräch stattfindet, in gehöriger Entfernung von einander stehen. Der Komponist muss also in seiner Partitur für sie die Stelle angeben, die er für zweckmäßig hält.
Was z. B. die kleinen und grossen Trommeln, die Becken und die Pauken betrifft, so können sie, wenn sie nach dem gewöhnlichen Verfahren nur gewisse Rhythmen auf einmal anzuschlagen haben, vereint bleiben; führen sie aber einen dialogartigen Rhythmus aus, dessen Bruchstücke von den grossen Trommeln und Becken einerseits, und von den Pauken und kleinen Trommeln andrerseits wechselweise geschlagen werden, so wird die Wirkung ohne Zweifel ungleich besser, interessanter, schöner sein, wenn man die beiden Schlaginstrumenten-Massen an den beiden Enden des Orchesters, und folglich in ziemlicher Entfernung von einander aufstellt. Hieraus folgt, dass die beständige Einförmigkeit der Ausführungsmassen eines der grössten Hindernisse für das Entstehen denkwürdiger grosser und wahrhaft neuer Werke ist." [Hector Berlioz: Die moderne Instrumentation und Orchestration, Berlin, o. J., S. 264].

Die Symphonie fantastique wurde am 5. Dezember 1830 von Francois-Antoine Habeneck im alten Saal des Pariser Conservatoires uraufgeführt. Die von Habeneck in seinen Konzerten allgemein bevorzugte Sitzordung ist in einer Skizze überliefert (vgl. A. Elwart "Histoire de la Société des Concerts du Conservatoire imérial de musique", Paris 1864; auch wiedergegeben im Booklet zur CD-Einspielung von John Eliot Gardiner). Wie zu erwarten, sind dort die 1. und 2. Violinen deutlich getrennt links und rechts vom Dirigenten positioniert. Über die Frage der Harfen gibt die Skizze jedoch keinen Aufschluss, da nur hier nur eine Harfe eingetragen ist; auch die Pauken sind nur auf der Mittelachse positioniert.

Dass Berlioz die genaue Aufstellung der Harfen und Pauken in der Partitur nicht nennt, würde zwar gemäß seinen Ausführungen in der Instrumentationslehre darauf hindeuten, dass er hier keine besonderen Effekte im Sinn hatte; trotzdem scheint die Partie nicht nur die Komponisten, sondern auch die Interpreten einzuladen, nichts als naturgesetzlich gegeben hinzunehmen und daher auch mit der Orchesteraufstellung zu experimentieren, um das für das jeweilige Werk angemessenste Resultat zu erzeugen.


Herzliche Grüße
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 20. Nov 2006, 14:04 bearbeitet]
embe
Stammgast
#46 erstellt: 20. Nov 2006, 13:58
Hallo,
Otto Klemperer hat die Phantastique
in der antiphonalen Aufstellung gemacht. EMI.
Sehr hörenswert

Desweiteren hab ich gestern im TV gesehen
Christoph Dohnanyi lässt das NDR SO auch antiphonal sitzen.
Bei den Cleveland CD Aufnahmen Telarc/Decca hör ich nix raus
scheint die amerikanische Orchesteraufstellung zu sein.

Norrington mit den Stuttgartern auch bei Tschaikowsky 6. Sym.
antiphonal.

Auf DVD Antiphonales am Wochenende:
Gielen mit Beethoven 4. Sym
Harnoncourt mit Haydn Sym. 93

Gruß
embe
Khampan
Ist häufiger hier
#47 erstellt: 20. Nov 2006, 14:04
Hallo M
in meiner Eulenburg Studienpartitur steht auch zum Anfang 4. Satz nichts. Also möglich, daß die etwas simplifiziert. Aber ich erinnere mich auch deutlich, im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Gardiners Aufnahme die Aufstellungsskizze der Uraufführung gesehen zu haben. Ich hab die CD nicht, möglicherweise ist die Skizze sogar im Booklet abgedruckt.

Mein sollte lediglich darauf hinweisen, daß (wie früher schon mal erwähnt) die alten Komponisten überraschend stark auf "Stereo"effekte aus waren - mehr als manche leidenschaftlichen Monohörer es wahrhaben wollen (jetzt vereinfache ich wieder mal, zugegeben). Und daß man zwei Pauker oder zwei Harfen antiphonisch aufstellen sollte, hätte ein Komponist u.U. schon als selbstverständlich voraussetzen können, in einer Zeit wo manchmal sogar die Kontabässe in zwei Hälften geteilt wuden. Alles andere was Berlioz noch so erfunden hat, mußte logischerweise, wie das Programm der Sinfonie, irgendwo aufgeschrieben werden.

Auf welche meiner Bemerkungen zur Sinfonietta du angespielt hast, ist mir nicht klar (vielleicht daß mir manches zu wenig tschechisch ist?). Sollte sich eigentlich von selber verstehen, daß alles aus meinem persönlichen Gefühl heraus geschrieben ist, also ein gedachtes IMHO zu ergänzen ist, auch wenn meine meist sehr direkte Wortwahl etwas anderes auszudrücken scheint.

Außerdem versuche ich oft bewußt zu provozieren, damit's hier nicht zu langweilig wird.

Gruß, Khampan


[Beitrag von Khampan am 20. Nov 2006, 14:07 bearbeitet]
AladdinWunderlampe
Stammgast
#48 erstellt: 20. Nov 2006, 14:17
Hallo Khampan,

in meiner Eulenburg-Partitur stehen jede Menge Berlioz'scher Fußnoten - unter anderem zu einer schwierigen Streicherpartie im ersten Satz (S. 3, T. 17), zur Verdopplung der Holzbläser im 4. Satz (S. 105, Flötenstimme), zur Aufstellung der großen Trommel, zu den Schlägeln und zur Ausführung des Glockenparts (S. 134-135). Allerdings betrifft keine davon die Positionierung der Harfe oder der Pauken.

Wie bereits gesagt, betrifft die bei Gardiner wiedergegebene Skizze nicht speziell die Uraufführung der Symphonie fantastique, sondern die bei Habeneck übliche Orchesteraufstellung. Über die in Frage stehenden "unüblichen" Instrumentationsdetails der Berliozschen Partitur (Position der Harfen und Pauken) gibt sie daher leider gerade keinen Aufschluss.


Herzliche Grüße
Aladdin
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#49 erstellt: 20. Nov 2006, 14:39

embe schrieb:

Desweiteren hab ich gestern im TV gesehen
Christoph Dohnanyi lässt das NDR SO auch antiphonal sitzen.
Bei den Cleveland CD Aufnahmen Telarc/Decca hör ich nix raus
scheint die amerikanische Orchesteraufstellung zu sein.


Dohnanyi scheint sich da nicht so recht entscheiden zu wollen, oder vielleicht ist er erst später dazu übergegangen. Ich habe ihn mal in Berlin mit dem Cleveland Orchestra gesehen, da war das Orchester "richtig" aufgestellt (getrennte Geigen, Kontrabässe und Celli links). Bei vielen Aufnahmen mit diesem Team ist das aber nicht so.
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#50 erstellt: 20. Nov 2006, 14:39

Khampan schrieb:
Hallo M
in meiner Eulenburg Studienpartitur steht auch zum Anfang 4. Satz nichts. Also möglich, daß die etwas simplifiziert. Aber ich erinnere mich auch deutlich, im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Gardiners Aufnahme die Aufstellungsskizze der Uraufführung gesehen zu haben. Ich hab die CD nicht, möglicherweise ist die Skizze sogar im Booklet abgedruckt.


Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass ich irgendwo mal eine Abbildung der Aufstellung konkret für die Sf, nicht nur allgemein für Habeneck's Orchester gesehen habe. Aber ich kann mich wirklich nicht mehr erinnern, wo. Ich habe das mal gegoogelt, aber keine entsprechende Abbildung gefunden.

Allerdings diesen Artikel, der die Aufstellung im Detail beschreibt. Bevor Ihr aber auf den Link klickt, muss ich Euch warnen: Der Artikel bezieht sich auf eine Norrington-Aufnahme, und da manche Leute auf ihn allergisch reagieren, ist es vielleicht besser, wenn dies nicht auf den Link klicken, wenn doch, dann nur auf eigene Gefahr!
Hier:
http://www.omm.de/cds/klassik/HS-symphonie-fantastique.html

Die Partitur, die ich zu Rate gezogen habe, kannst Du online hier ankieken:
http://www.dlib.indi...470/large/index.html


Khampan schrieb:
Auf welche meiner Bemerkungen zur Sinfonietta du angespielt hast, ist mir nicht klar (vielleicht daß mir manches zu wenig tschechisch ist?).

Genau, das fand ich ziemlich hohl. Und völlig unbegründet. Aber dazu wollte ich eigentlich nichts sagen, damit's nich wieder Tränen gibt. Die Bemerkung oben ist mir nur so beim Tippen rausgerutscht. Schulligung.
Laubandel
Ist häufiger hier
#51 erstellt: 20. Nov 2006, 14:48
Hallo Aladdin,

wenn Du keine ganz ganz alte Eulenburg Partitur hast, dann ist das ja eine getreue Wiedergabe der Berlioz GA. Da dürfte kaum mehr an autorisierten Bemerkungen zu holen sein. Ich gucke trotzdem mal bei meiner nächsten Expedition in die Stadt im Laufe der Woche in die große GA,ob da nicht noch ein Materialien-Anhang drin ist.

Grüße

laubandel


AladdinWunderlampe schrieb:
Hallo Khampan,

in meiner Eulenburg-Partitur stehen jede Menge Berlioz'scher Fußnoten - unter anderem zu einer schwierigen Streicherpartie im ersten Satz (S. 3, T. 17), zur Verdopplung der Holzbläser im 4. Satz (S. 105, Flötenstimme), zur Aufstellung der großen Trommel, zu den Schlägeln und zur Ausführung des Glockenparts (S. 134-135). Allerdings betrifft keine davon die Positionierung der Harfe oder der Pauken.

Wie bereits gesagt, betrifft die bei Gardiner wiedergegebene Skizze nicht speziell die Uraufführung der Symphonie fantastique, sondern die bei Habeneck übliche Orchesteraufstellung. Über die in Frage stehenden "unüblichen" Instrumentationsdetails der Berliozschen Partitur (Position der Harfen und Pauken) gibt sie daher leider gerade keinen Aufschluss.


Herzliche Grüße
Aladdin
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Andy2211 am 05.12.2008  –  Letzte Antwort am 05.12.2008  –  23 Beiträge
empfehlenswerte Aufnahmen der "großen" Violinkonzerte
Chris_G am 24.07.2005  –  Letzte Antwort am 24.07.2005  –  8 Beiträge
Berlioz: Was taugten Inbals Aufnahmen auf Brilliant?
Martin2 am 09.03.2007  –  Letzte Antwort am 16.03.2007  –  17 Beiträge

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