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Der Chefentwickler der AUDIOGRADE Ardora im Interview
Gestern ist bereits eine News über die AUDIOGRADE Ardora Lautsprecher aus Aachen im News-Bereich erschienen. Nach der Produktvorstellung folgt nun ein Interview mit dem Chefentwickler der AUDIOGRADE Ardora Wolfram Szentiks:
Kann man die Entstehung der Ardora als lebenslange Suche nach dem perfekten Klangerlebnis bezeichnen?
Sicherlich. Man kann nicht eines Tages aufwachen und beschließen, dass man jetzt einen besonders guten Lautsprecher baut. Man muss schon sehr früh den Drang verspüren, einen Lautsprecher zu entwickeln und diesen noch perfektionieren zu wollen. Auf Befehl lässt sich das jedenfalls nicht umsetzen – man macht viele Ansätze, beginnt viele Entwicklungen und verwirft diese auch wieder. Letztlich ist das wie das Zusammensetzen eines Puzzles bis man an dem Punkt angelangt ist, an dem man für sich selbst den perfekten Lautsprecher gebaut hat. Wenn dieser dann einem breiten Publikum auch noch gefällt, dann ist man wirklich am Ziel.
Können Sie in drei Sätzen die Unterschiede der Ardora zu anderen Lautsprechern zusammenfassen?
Der wesentlichste Unterschied ist der Offensichtlichste: Die Ardora ist ein Lautsprecher, der nicht aus Holz, sondern aus einem hochdichten Kunststoffmaterial gegossen wird. Holz ist ein Material, das z. B. für Musikinstrumente genutzt wird. Es ist leicht zu verarbeiten, lässt sich leicht in Form bringen und wird daher auch gerne im Lautsprecherbau verwendet. Ideal ist es dafür allerdings nicht. Wir brauchen ein Material, welches den Schall innerhalb der geschlossenen Wände hält und was sich nur schwer zu Vibrationen anregen lässt. Dazu benötigen wir ein hochdichtes und hochfestes Material, von dem Holz sehr weit entfernt ist. Deswegen ging mein Versuch in die komplett andere Richtung. Während meiner Entwicklungsarbeiten bin ich dann auf das hochfeste Polyurethan Material gestoßen, was eine Dichte von fast 2to/m3 aufweist und somit fast 4 Mal dichter als Holz ist. Die Festigkeit (E-Modul) des verwendeten Polyurethans liegt in der Nähe der Festigkeit von Aluminium.
Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass ein Lautsprecher meist aus mehreren Holzteilen zusammengeleimt wird, was ihn instabil macht. Deswegen war die Vorgabe für die Ardora, ein Gehäuse zu entwickeln, das aus hochfestem, dichten Material am Stück gegossen wird. Die Ardora, inklusive aller Hohlräume, wird komplett aus einem Stück gegossen. Nach dem Guss erfolgt eine Nachbearbeitung und Fräsung. Aber der komplette Körper, dieses monolithische Gefäß, wird aus einem Stück hergestellt, was dem Gehäuse eine unvergleichlich hohe Stabilität und Härte verleiht. Natürlich wird der Lautsprecher dadurch ein bißchen unhandlich – die 125kg sieht man ihm nicht auf Anhieb an – und auch das ist ein wesentlicher Unterschied zu anderen Lautsprechern.
Wie war es für Sie als Einzelperson möglich, alle wissenschaftlichen Disziplinen, die für die Konstruktion eines solchen Lautsprechers notwendig waren, zu vereinen?
Ganz alleine war ich nicht. Ich bin natürlich der Antrieb dieser Entwicklung und suche nach der Umsetzung meiner Vision. Meine Tätigkeit in der CNC-Technik in der Vergangenheit und das Elektrotechnik Studium an der RWTH Aachen helfen natürlich, ein gewisses Basiswissen zu schaffen. Über Kontakte aus diesen Bereichen habe ich ein tolles Team bilden können und habe auch Leute im Hintergrund, die extrem wichtige Arbeit leisten. Mein Freund Frank Methfessel findet immer geniale Lösungen bei mechanischen oder fertigungstechnischen Fragestellungen. Mit ihm habe ich viel getüftelt, viele Versuche und viele Fehlversuche erlebt und unsere Entwicklung immer mehr verfeinern können. Bei solch einem Projekt ist ein Dialog notwendig, da man nicht alleine alle diese Probleme lösen kann. Auf der Entwicklungsseite haben mich Prof. Dr. Anselm Goertz und Dr. Michael Makarski vom IFAA unterstützt. Hier wurden die Waveguides entwickelt und die Messungen durchgeführt.
Wie lange hat die Entwicklung bis zur Marktreife gedauert?
Die AUDIOGRADE AG wurde 2010 gegründet. Zu dem Zeitpunkt stellte die Thematik des Gießens keine unlösbare Aufgabe mehr für uns dar. Das war soweit die Theorie – die Praxis war, dass wir noch ein Jahr gebraucht haben, den Gießprozess in den Griff zu bekommen. Vor der Gründung der AUDIOGRADE AG habe ich etwa 8 Jahre experimentiert. Die reine wissenschaftliche Entwicklung an der Ardora bis zum Stand heute, der Serienreife, hat gute 2 Jahre gedauert.
In der HiFi-Branche werden High-End Klangerlebnisse häufig mit sehr kostenintensiven Komponenten verknüpft, z. B. Kabel mit Goldanteil, deren Wirkung fraglich ist. Wie können Sie den hohen Preis (passiv: €27.500, aktiv: €43.500) der AUDIOGRADE Ardora vor diesem Hintergrund rechtfertigen?
Auf jeden Fall nicht mit Goldanteilen in Spulen, das steht fest. Bei diesen Ansichten bin ich nur zum Teil dabei. Die Entwicklung und die Fabrikation der Ardora besteht zu 90% aus Physik, die übrigen 10% werden tatsächlich per Emotionen und sonstigem Tuning eingebracht. Ich hatte vorhin bereits das Material angesprochen: 1 Liter des Polyurethan Materials kostet ca. €14. Wir vergießen im Rohguss etwa 130 Liter. Als Vorbereitung für den Gießprozess werden etwa 4 Arbeitstage benötigt, um ganz spezielle Styropor-Formen zu schneiden und diese zu beschichten. Nach dem Gießprozess müssen diese als nächster Arbeitsschritt vollständig vernichtet werden. An diesem Punkt haben wir ein rohes Gehäuse, das dann mit einer speziell für die Ardora entwickelten CNC-Fräsmaschine bearbeitet wird und rund 20 Liter Material entfernt. Aus dem Gegenwert des Materials, was wir wieder wegfräsen, bauen manche Hersteller ganze Gehäuse. Nach 9 Tagen Arbeitsaufwand werden die Grobgehäuse lackiert. Zudem werden hier die feinsten Chassis verbaut, die derzeit erhältlich sind: Keramik Chassis von Accuton/ Thiel und Partner. Auf Wunsch integrieren wir natürlich auch Diamant Kalotten, wenn man es etwas auf die Spitze treiben möchte. Außerdem natürlich die restlichen Bauteile, die notwendig und wichtig sind, d.h. der übliche Anteil an Goldkabeln und Steckern bewegt sich im normalen Rahmen und macht an den Fertigungskosten der Ardora keinen hohen Prozentsatz aus. Die hohen Kosten liegen tatsächlich an dem extrem aufwändig gefertigten Gehäuse, was zunächst einen Grundpreis setzt, der diesen Paarpreis notwendig macht.
Die AUDIOGRADE Ardora hat es bisher lediglich als passives Lautsprecherpaar gegeben. Nun ist auch eine aktive Version auf dem Markt – worin bestehen die Unterschiede?
Eine Besonderheit und eindeutige Zielsetzung bei der Entwicklung der Ardora war, gleichzeitig einen passiven und aktiven Lautsprecher zu konstruieren. Das Besondere daran ist auch, dass sich der passive Lautsprecher im Nachhinein zu einem aktiven umwandeln lässt. Im Hohlraum der Ardora befindet sich eine vollständige Passivweiche, die den kompletten Raum in Anspruch nimmt. Der geringe Raum war der Grund für die verzögerte Marktreife der aktiven Ardora, da in diese kleine Lücke im Gehäuse 4 Endstufen mit 300 Watt Leistung untergebracht werden müssen. Zudem müssen Mechanik und Thermik angepasst werden. Die Ardora hat zu allem Überfluss eine rechte und eine linke Seite, sodass alles spiegelbildlich hergestellt werden muss. Beginnend ab der Steckerleiste sind die passiven und aktiven Ardora komplett identisch. Wir nutzen die Aktiv-Elektronik, um ein für mich unnützes Maß an Aufwand in Passiv-Lautsprechern zu vermeiden. Natürlich gibt es Hersteller, auch im High-End Bereich, die Goldspulen verwenden. Der Aufwand wird aber exorbitant hoch. Spulen kosten gerne weit über €1.000 und diesen Schritt möchte ich einfach nicht mitgehen. An dieser Stelle für eine minimale Verbesserung derartige Aufwände zu treiben, ist meines Erachtens nicht sinnvoll. Viel sinnvoller ist es da, das passive Konzept bis zu einer gewissen Position auszureizen und einen guten Status Quo zu erreichen, der vom Kosten-Nutzen-Aufwand her vertretbar ist. Dann wird die komplette Passiv-Elektronik durch die Aktiv-Elektronik ersetzt. Bei der Elektronik setzen wir natürlich nur das Feinste ein: hier kommt die Controller-Elektronik von Four-Audio zum Einsatz, d.h., dass sich im Gehäuse eine hochintelligente Rechenplatine befindet, die sich mit dem Messsystem Monkey-Forest koppeln lässt. Jeder Aktiv-Lautsprecher wird vor Ort beim Kunden aufgestellt und eingemessen. So kann jede Wohnraumsituation berücksichtigt werden, um Probleme im Raum ausgleichen zu können. Am Hörplatz kann so ein perfekter Frequenzgang eingestellt oder, wenn der Kunde besondere Wünsche hat, entsprechende Set-Ups programmiert werden. So etwas kann man nur mit Aktiv-Technik umsetzen. Ich halte die Aktiv-Technik auch für die überlegene Technik bei Lautsprechern, auch wenn ihr Marktanteil derzeit nur bei 6-8% liegt. Ohne die Einkaufspreise ins Utopische zu steigern, bietet die Aktivtechnik den Ansatz der konzeptionellen Verbesserung, um die Wiedergabe für anspruchsvollste Hörer weiter zu perfektionieren. Wenn man sieht, dass man hier nicht in die utopischen hohen Einkaufspreise steigen muss, sondern von der konzeptionellen Seite verbessern kann, dann ist das die Konsequenz, einen Aktiv-Lautsprecher zu bauen.
In welchen deutschen Städten können HiFi-Forum User die AUDIOGRADE Lautsprecher Probe hören?
Wir produzieren aktuell mit Hochdruck und liefern die Ardora aus. Die ersten Testberichte wurden mit einer sehr guten Bewertung veröffentlicht. Es sind außerdem noch ein paar in Arbeit, von denen wir wissen, dass die Ardora Lautsprecher auch dort nicht schlecht abgeschnitten haben. Der Aktivlautsprecher wird zunächst bei Christoph Zingel in Essen, später in Berlin zu hören sein. Die Passiv-Variante wird dann in Bonn und Mannheim vorführbereit sein. Für Dresden und Frankfurt beginnt die Planung gerade erst. Nach den HiFi-Tagen werden die Ardora auf jeden Fall auch in Hamburg zu hören sein.
Können Sie den Klang Ihres eigenen Autoradios noch ertragen?
Sehr gut sogar! Das ist mit Essen vergleichbar: Wenn ich jeden Tag Kaviar essen würde, hätte dies auch irgendwann seinen Reiz verloren. Es macht häufig Spaß, irgendeinen alten Song im Auto zu hören und ihn danach Zuhause ein weiteres Mal auf den Ardora zu genießen.
Vielen Dank für das interessante Interview, Herr Szentiks.
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