Steven Spielbergs "München"

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Hüb'
Moderator
#1 erstellt: 20. Feb 2006, 10:41
Hi zusammen!

Habe den Film am Freitag gesehen.
Er hat mir sehr gut gefallen.
Spannende Inszenierung der Story, ohne dass für eine der beiden Seiten Partei ergriffen wird.
Schön auch, dass der Film gänzlich ohne den übichen Ami-Pathos auskommt.
Insgesamt aber recht harter Stoff.
Sehr gute Schauspieler!

Was meint Ihr zum neuen Spielberg?

Lieben Gruß

Hüb'

PS: IMHO sehr treffend: der Text unter Spiegel-Online:

"MÜNCHEN"

Spielberg im Schattenreich


Von Andreas Borcholte

Steven Spielberg wirft in seinem neuen Film "München" die Frage auf, wohin der Kampf gegen Terror führt, wenn man Gewalt mit Gegengewalt begegnet. Für sein bisher mutigstes und ambitioniertestes Werk wird der Hollywood-Regisseur zu Unrecht attackiert.

In Steven Spielbergs letztem Film, dem Science-Fiction-Spektakel "Krieg der Welten", geht die US-Armee mit ihrem ganzen Waffenarsenal gegen übermächtige Aliens vor - und muss am Ende doch einsehen, dass der brutale Einsatz der Streitmacht unnütz war. Die Außerirdischen sterben an einer Unverträglichkeit irdischer Bakterien - und die Welt ist gerettet.

"MÜNCHEN": ABSCHIED VOM EINDEUTIGEN

Solch wundersame Geschichten, die am Ende gut ausgehen, verfilmt Steven Spielberg gerne. In seinen Filmen kämpfen Menschen zumeist gegen eine Macht, die zunächst fremd und übermächtig erscheint, sich dann aber doch als verletzlich - menschlich - erweist. Natürlich besiegt Chief Brody am Ende von "Der weiße Hai" seine Angst vor dem Wasser und trifft das Monstrum an seiner schwächsten Stelle. Und natürlich findet Viktor Navorski in "The Terminal" selbst in der feindlichsten Umwelt, die man sich vorstellen kann, dem New Yorker Flughafen JFK, einen Ort der Wärme und Geborgenheit. Spielbergs Figuren, ob sie nun gegen Haie, Dinosaurier, Aliens, Nazis oder Sklaventreiber kämpfen, suchen stets nach Liebe und Heimat - und dürfen sie zumeist auch finden. Nicht umsonst genießt der 59-jährige Amerikaner den Ruf, der genialste Märchenerzähler Hollywoods zu sein.

Politische Provokationen

Das Unbehagen, das Spielbergs neuer Film "München" auslöst, liegt darin begründet, dass es diesmal nicht so einfach ist: Kein Feindbild ist klar umrissen, kein Happy End ist in Sicht - mit seinem ersten Polit-Thriller wagt sich der Regisseur auf für ihn unbekanntes Terrain. Kein Wunder, dass Spielberg im Interview mit dem SPIEGEL sagt, er sei "unendlich froh", dass er den Mut hatte, "München" zu machen. Denn er wagt sich nicht nur in ein neues Genre vor, er nimmt sich mit dem Konflikt zwischen Israel und Palästina auch noch eines Konfliks an, der emotional und politisch aufgeladen ist wie kein anderer.

Doch selbst Spielberg, der Regisseur von "Schindlers Liste" und Gründer der international renommierten Shoah Foundation muss sich harscher Kritik stellen: Er sei ein Verräter an der Sache Israels, ein blinder Pazifist, der Terrorismus und Terrorvergeltung gleich setze und sich noch dazu auf fragwürdige Quellen stütze, klagen namhafte Vertreter Israels.

Natürlich beruft sich der Filmemacher darauf, sein Recht als Geschichtenerzähler in Anspruch zu nehmen. "München" basiere zwar auf Fakten, sei am Ende aber doch ein fiktionales Werk. Tatsächlich erzählt Spielberg auf Basis des umstrittenen Buches "Die Rache ist unser" von George Jonas dessen Version der Geschichte der Ereignisse nach der Olympia-Geiselnahme durch die palästinensische Terrorgruppe "Schwarzer September" von 1972.

Abseits der diplomatischen Wege entscheidet sich die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir zu einer Vergeltungsmaßnahme, die den Terroristen klar machen soll, dass Anschläge auf israelische Bürger, wo auch immer in der Welt, nicht ungesühnt bleiben. Sie lässt ein von allen offiziellen Bindungen befreites Killer-Kommando zusammenstellen, das die vermeintlichen Hintermänner des Olympia-Attentats töten soll: "Diese Leute", sagt Meir, gespielt von Lynn Cohen, "haben geschworen, uns zu vernichten. Vergesst Frieden. Wir müssen ihnen zeigen, dass wir stark sind".

Im Folgenden darf sich der bisher unauffällige Mossad-Agent Avner Kauffman (Eric Bana) ein Viererteam aus Söldnern und Bombenspezialisten zusammensuchen und bekommt eine Liste mit zwölf Zielpersonen, die es zu eliminieren gilt. Eine klandestine Hetzjagd durch ganz Europa beginnt.

Fakten und Fiktion

Die dokumentarisch wirkende, mit Originalbildern versetzte Rekonstruktion des Olympia-Attentats, die den aufwühlenden Anfang des Films bildet, geht beinahe nahtlos über in eine zunächst konventionelle Thriller-Handlung. Man kann Spielberg vorwerfen, dass er die Grenzen zwischen Realität und Fiktion mit Montagen wie diesen arg strapaziert, aber letztlich nutzt er lediglich die Mittel, die das Genre bietet. Das kritische Polit-Kino der Siebziger wird hier ausgiebig zitiert: Costa-Gavras' "Z", Sidney Pollacks "Drei Tage des Condor" und Alan Pakulas "Parallax View" stehen hier ebenso Pate wie das grobkörnig-schmuddelige Kino der Rebellen des New Hollywood.

Neu ist nicht nur, dass Spielberg sich von der Hochglanz-Ästhetik löst, die viele seiner Filme dominiert, neu ist auch, dass er sein Sujet mit nie gekannter Brutalität bebildert. Drastischere Gewaltdarstellungen hat man beim sanften Pazifisten Spielberg bisher selten gesehen. Gleich zu Beginn des Films wird einem Mann in Großaufnahme durch die Wange geschossen. bei einem der Attentate, die Avner und seine Männer auf einen recht harmlos wirkenden palästinensischen Poeten verüben, vermischt sich dunkelrotes Blut mit einer Lache aus vergossener Milch. Das ewige Zusammenspiel von Tod und Neubeginn will Spielberg nach eigener Aussage mit Bildern wie diesen ausdrücken. Eine Fruchtbarkeits-Metaphorik, die er gegen Ende des Films ins fast Unerträgliche steigert, indem er einen leidenschaftlichen Geschlechtsakt zwischen Avner und seiner Frau mit den brutalen Szenen der Geiselexekutionen auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck mischt.

Terroristen als Menschen

Diese Sexszene ist nicht nur Spielbergs erste in seinem bisherigen Schaffen, sie führt auch geradewegs zum Kern von "München". Denn Avner, der seine Frau und seine kleine Tochter im Zuge seiner Undercover-Tätigkeit nach Brooklyn auf neutrales Terrain ausgelagert hat, ist am Ende der Anschlagserie, die er im Auftrag seines Vaterlandes verüben muss, ein seelisches Wrack. Der lebensfrohe junge Mann, der zu Beginn des Films ein charmantes und selbstsicheres Lächeln vor sich her trägt, starrt nun selbst im Liebesakt angstvoll in einen Abgrund aus Unmoral, Angst und Sinnlosigkeit.

Spielbergs Film ist am stärksten, wenn er zeigt, dass Terroristen, so profan das klingt, auch nur Menschen sind. Denn Menschen, das ist der ideologische Vorwurf, der ihm gemacht wird, sind in "München" sowohl die israelischen Killer, als auch die gejagten Araber.

Spielberg entwirft die Welt der durch Paris, London, Athen und Amsterdam vagabundierenden Männer als eine Art Schattenreich, eine parallel zur politischen Realität existierende Unterwelt aus Informationsverkäufen, hinterhältigen Anschlägen und moralischen Untiefen, in der Kategorien wie Gut und Böse verwischen und in der es nur noch ums nackte Überleben geht - mit allen Mitteln. Spätestens als den israelischen Mördern klar wird, dass sie sich zur Rechtfertigung ihrer Taten nicht auf eine moralische Überlegenheit berufen können, wird man auch als Zuschauer in diesen Strudel der Ambivalenz hineingezogen. Hier ist Spielberg ganz der Kino-Virtuose, den man kennt und für seine suggestive Kraft schätzt.

Gesichter des Todes

Es gibt viele Schlüsselszenen in "München". Zum Beispiel ein nächtliches Gespräch zwischen Avner und einem arabischen Terroristen in einem Safehouse, einer Art entmilitarisierter Zone für politische Attentäter. Der PLO-Kämpfer hält den Israeli für einen europäischen Terroristen und erzählt ihm von seiner Motivation für den bewaffneten Kampf: die Sehnsucht, irgendwann in seine Heimat zurückkehren zu können. Die Suche nach Heimat, Familie, Sicherheit - universelle Themen, die nicht nur bestimmend für den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern sind, sondern auch zum großen narrativen Kanon Spielbergs gehören, seit er Filme macht.

So holzschnittartig und plakativ Momente wie diese auch sein mögen, sie verdeutlichen, worum es in "München" geht: Nicht um die Relativierung oder Bewertung israelischer und palästinensischer Taten, sondern um das Verständnis eines Konflikts auf menschlicher Ebene, der zumeist nur noch auf einem abstrakt-politischem Niveau analysiert wird. Die politische Botschaft Spielbergs ist dabei so banal wie unbefriedigend: Gewalt ist keine Lösung, denn sie zieht nur neue Gewalt nach sich.

Am Ende des Films - wenn sich Avner und sein Mossad-Kontaktmann ein letztes Mal zu einem unversöhnlichen Gespräch treffen, zeigt Spielberg im Hintergrund die Silhouette Manhattans mit dem - 1973 gerade fertig gestellten - World Trade Center.

Zwar bestreitet Spielberg in Interviews die politische Komponente dieser Szene, und doch kann man den Schluss ziehen, dass der als politisch liberal geltende Regisseur hier eine Parallele vom Terror der Siebziger zu den fragwürdigen Maßnahmen der US-Regierung im aktuellen Kampf gegen den Terrorismus zieht.

Aber man darf eben nicht den Fehler machen, "München" nur nach ideologischen Gesichtspunkten zu bewerten. Vielleicht sagt es eine Menge über den Dogmatismus und den Grad der politischen Verhärtung unserer Zeit aus, wenn einer der profiliertesten Filmemacher der westlichen Welt so viel Misstrauen und Hass erntet für einen Film, der schwierig und provokant ist und eben deshalb zu den mutigsten Arbeiten seiner Karriere zählt. In den Siebzigern hätte man - bei aller Rücksicht auf die Emotionalität des Themas und die bis heute unklare Faktenlage - über politisch engagiertes Hollywood-Kino wie dieses befreit gejubelt. Heute wartet man lieber auf brave Bakterien, die das vermeintlich Böse verjagen.


MÜNCHEN (USA 2005)
Originaltitel: Munich
Regie: Steven Spielberg
Buch: Tony Kushner, Eric Roth
Darsteller: Eric Bana, Geoffrey Rush, Mathieu Kassovitz, Daniel Craig, Hanns Zischler, Ciáran Hinds, Michael Lonsdale, Lynn Cohen
Produktion: DreamWorks SKG, Universal Pictures, Amblin Entertainment
Verleih: UIP
Länge: 164 Minuten
Start: 26. Januar 2006
Luca14
Stammgast
#2 erstellt: 20. Feb 2006, 12:55
Hi,

kann dir nur zustimmen. Hatte zunächst mit der Gewaltdarstellung Probleme (Hausboot!), mit etwas Abstand mich damit aber arrangiert.
Die Doku "Ein Tag im September" stellt im übrigen die perfekte Ergänzung dar...ähnlich intensiv und gnadenlos.

Schöne Woche

Jan
klaus_moers
Inventar
#3 erstellt: 21. Feb 2006, 01:20
Hallöchen,

auch ich habe den Film vor einigen Tagen gesehen und fand ihn gut. Er ist vielschichtig und regt zum Nachdenken an. Solche Filme mag ich. Obwohl die Protagonisten teilweise sehr naiv (vielleicht unrealistisch) dargestellt wurden.

EINZIG der Termin der Kinoveröffentlichung fand ich daneben. Wir haben schliesslich dieses Jahr die WM im Lande und manchmal fühlen sich die falschen Typen durch solche Erinnerungen angeregt. Ein Jahr später wäre besser gewesen.

Klaus
zierroff
Ist häufiger hier
#4 erstellt: 21. Feb 2006, 17:53
Ich hab auch schon gesehnen fand ihn auch gut.
Aber wie schon klaus_moers gesagt hat:

EINZIG der Termin der Kinoveröffentlichung fand ich daneben. Wir haben schliesslich dieses Jahr die WM im Lande und manchmal fühlen sich die falschen Typen durch solche Erinnerungen angeregt. Ein Jahr später wäre besser gewesen.


Ich gehe dahin etwas weiter Spielberg war noch nie pro Deutschland eingestellt.Was sich auch in der Namesngebung wiederspiegelt."München" der Film handelt von München selbst nur wenige Augenbilcke.Die meiste Zeit die Entwicklung des einen zum Profiatentäter.
War der Termin vieleicht sogar extra so gewählt mit der skyline von NY MIT den twin-towers?
Zierroff
Martin_H
Stammgast
#5 erstellt: 24. Feb 2006, 23:06
Ich hab ihn neulich auch gesehen.
Ich fand ihn so halbwegs, die letzte halbe Stunde hätte man weglassen können, viel zu langatmig. Man merkt hier deutlich, dass Spielberg zwanghaft versucht, anspruchsvoll, tiefschürfend und künstlerisch zu wirken, was ich etwas peinlich fand. Naja schlecht war er nicht, aber auch nicht toll.


[Beitrag von Martin_H am 24. Feb 2006, 23:07 bearbeitet]
klaus_moers
Inventar
#6 erstellt: 24. Feb 2006, 23:39

Martin_H schrieb:
Ich hab ihn neulich auch gesehen.
Ich fand ihn so halbwegs, die letzte halbe Stunde hätte man weglassen können, viel zu langatmig. Man merkt hier deutlich, dass Spielberg zwanghaft versucht, anspruchsvoll, tiefschürfend und künstlerisch zu wirken, was ich etwas peinlich fand. Naja schlecht war er nicht, aber auch nicht toll.



Hallöchen,

also peinlich fand ich das nicht. Es gibt viel zu wenige anspruchsvolle Themen, die in Filmen behandelt werden. Da tut eine solche Thematik mal gut. Es werden doch sonst nur noch Konserven abgedreht, die keinen besonderen eigenständigen Inhalt mehr haben. Oft nur noch schnelle aufwändige technische Szenen, die keine Geschichten mehr erzählen können.


Etwas, dass ich beim dem Film nicht ganz verstanden haben - und vielleicht kann mir jemand dabei helfen - ist, warum hat der Hauptdarsteller immer diese Rückblicke gehabt. Es schien immer, als wäre er beim Attentat dabei gewesen. Und dann diese krasse Szene beim Sex mit den Rückblicken. Wo war der direkte Zusammenhang. Das habe ich nicht richtig verstanden.

grüsse,
Klaus
Martin_H
Stammgast
#7 erstellt: 25. Feb 2006, 02:13

klaus_moers schrieb:

also peinlich fand ich das nicht. Es gibt viel zu wenige anspruchsvolle Themen, die in Filmen behandelt werden.


Mit "peinlich" meinte ich, dass man beim Zuschauen gemerkt hat, dass Spielberg einen besonderen Eindruck von Anspruch erzeugen wollte. Gegen etwas anspruchsvollere Filme habe ich nichts, im Gegenteil, aber die sollten Leute machen, die mehr davon verstehen als Spielberg. Der sollte bei seinen Hollywood-Märchen bleiben m.E., die sind nämlich meistens echt toll.
Knegge
Stammgast
#8 erstellt: 25. Feb 2006, 14:56
Also ich hab "München" schon gleich nach Kinostart gesehen.
Ich fand ihn auch nicht schlecht, besonders woher er die ganzen alten Autos und Gegenstände her hatte
Eine Sache hat mich doch aber sehr gewundert:
Also Avne mit eine arabischen Terroristen in einem Safehouse redet und der sagt ,,Die Deutschen fühlen sich immer noch verantwortlich für die Juden und die Juden nutezn dies aus". (So in der Art war das, ich weiss es nicht mehr genau, schon zu lange her)
Hat mich doch sehr gewundert, da Spielberg ja meines Wissens nach zu den Juden steht.(Oder es selber einer ist, bin mir da nicht so sicher...)

Aber sonst fand ich den Film auch recht gut, hatte mir ihn ganz anders vorgestellt!
good.g
Hat sich gelöscht
#9 erstellt: 03. Mrz 2006, 18:24

Hat mich doch sehr gewundert, da Spielberg ja meines Wissens nach zu den Juden steht.(Oder es selber einer ist, bin mir da nicht so sicher...)


Zum Glück sind Regisseure im Allgemeinen ja nicht dazu verurteilt, der gleichen Meinung zu sein, wie die von ihnen auf die Leinwand gebrachten Charaktere.

Würde wohl auch zwangsläufig zu Schizphrenie führen, da doch recht häufig Figuren, die in einem Film auftreten, unterschiedlicher Meinung sind.



Klaus
klaus_moers
Inventar
#10 erstellt: 03. Mrz 2006, 18:43

Knegge schrieb:

Hat mich doch sehr gewundert, da Spielberg ja meines Wissens nach zu den Juden steht.(Oder es selber einer ist, bin mir da nicht so sicher...)



Er ist Jude!

EDIT (Hüb'): Habe nur den HF-Code bearbeitet...


[Beitrag von Hüb' am 04. Mrz 2006, 16:38 bearbeitet]
hohesZiel
Stammgast
#11 erstellt: 04. Mrz 2006, 03:46
Hallo,
habe den Film gestern abend gesehen und war zutiefst beeindruckt.

Allerdings auch aus der Erinnerung an ein persönliches Erlebnis im Zusammenhang mit München 1972. Ich will diesen teil auch kurz erwähnen.

Am Tage des Überfalls der PLO auf die israelischen Sportler befand ich mich nämlich als gerade mal 15 jähriger NAchwuchssportler zusammen mit rund 10 anderen jugendlichen, erfolgreichen Sportlern im D-Zug auf dem Weg zu den Spielen als gesponsorte Zuschauer. Wir sollten dort als Ansporn unsere Vorbilder in den verschiedenen Disziplinen von den Rängen aus verfolgen.

Noch im Zug erfuhren wir dann von den schrecklichen Geschehnissen und die Freude auf die bis zu diesem Zeitpunkt friedlichsten und offensten je stattgefundenen Olympischen Spielen wurde zu einer Fahrt in stille, trauernde, verzweifelte Menschenmassen, die noch nach einer Woche völlig gelähmt waren von den Ereignissen.

Deutschland hatte sich alle Mühe gegeben, nach den olympischen NAzi-Spielen 1936 und einem angezettelten 2. Weltkrieg mit Massenvernichtungslagern sich als geläutertes, friedfertiges Volk zu präsentieren, dies war innerhalb kürzester zeit von einem brüderlich-sportlichen Rausch mit hoher Anerkennung für Deutschland zu einem von den Palästinensern zu verantwortenden Blutrausch geworden.

Übrigens stimmt die Szene nicht, in der die Terroristen über einen sehr hohen Stahlzaun klettern müssen, es gab damals als Zeichen der Offenheit nur ein lächerlichen Drahtzaun um das Olympiadorf. Welche "Heldentat" , diesen lächerlichen, symbolischen zaun zu überklettern und mit AK-47 Sportler umzubringen.

Nicht einmal einen nenneswerten Zaun mussten die Terroristen überwinden, um ihre Taten zu begehen.

Nun zum Film:

Ich halte ihn für ein sehr, sehr vielschichtiges Meisterwerk.

Der Spiegel-Artikel ist völlig zutreffend.
Spielberg hat aufgezeigt, wie aberwitzig die primitiven Reflexe der Menschen sind, Konflikte immer mehr eskalieren zu lassen anstelle des Strebens nach einer inhaltlichen Lösung, welche die Ursachen und damit auch die unmenschlichen Folgen dauerhaft bekämpft.

ER befindet sich daher inhaltlich Seite an Seite mit Daniel Barenboim, dem jüdischen Dirigenten, der ein gemeinsames Jüdisch-palästinensisches Orchester gründete und daher ebenso wie Spielberg jetzt von jüdischen Fundamentalisten bedroht wurde.

Er schildert das bestialische Töten en detail( aber ohne den üblichen voyeristischen Touch, sondern um uns geopferte menschen nahezubringen) , er seziert die Organisation der immer schneller eskalierenden Racheaktionen beider Seite ( aber nur um deren hoffnungsloses Scheitern zu zeigen) , er schildert die scheinbaren Akteure auf beiden Seiten, die den naiven Bewunderern der jeweiligen Seite im Film als Helden erscheinen (die aber in Wirklichkeit nur instrumentalisierte "Idealisten" und einfach nur jämmerlich wirkende Marionetten sind - oder geschäftemachende Opportunisten ) in einem Spiel, dessen Hintermänner( und Frauen) nur erahnbar sind und man sieht diese "Helden" entweder physisch oder psychisch verrecken. Sie werden am Ende in jeder Beziehung von Jägern zu Gejagten.

Und darin liegt eine der enormen Stärken des Films. Der Bruch gewohnter Schwarz-Weiß-perspektiven. Ebenso unkalkulierbar wie die Sprengstoffdosis im Film sich zeigt, so ist die ewigdauernde Rache-/Vergeltungsstrategie auf beiden Seiten unkalkulierbar.

Völlig zutreffend wie anklagend sagt einer aus dem Killer-Team, daß für die Liquidierten inzwischen noch radikalere Führer nachgerückt sind und jeder Getöteten durch sechs neue Aktivisten erstezt wurde.

Spielberg schildert Opfer als Opfer, Opfer als Täter, Täter als Opfer und die wahren Hintermänner als die eigentlichen Täter. Er schildert nicht holzschnittartig Gut und Böse, er zerstört die übliche primitive US-Film-Leier von Schwarz und Weiß, vom überlegenen Film-Superman, der die Welt rettet.

es gibt im Film nur Menschen mit weißen Westen, auf denen unterschiedlich ausgeprägt schwarze und vor allem rote Flecken sind. Die ihre Hoffnungen haben, ihre Illusionen - und allesamt sind sie mißbraucht worden. Sie ergreifen vermeintlich Initiative und sind stark, wachsen über sich hinaus - und sind doch nur schwache, ohnmächtige Figuren: politisch wie persönlich. Und Supermann kämpft am Ende sogar sexuell gewissermaßen gegen seine eigene Frau, muss von ihr auch noch mitfühlend beschützt werden.
Supermann will in seine Mutter zurück.

Hier im Film ist das Gute Böse und das Böse gut, Verzweiflung wird Hass und aus Hass wird Verzweiflung. Denn genau so läuft es im Nahen Osten jeden Tag.

Der Film reiht viele Schlüsselszenen aneinander, die mich beeindruckt haben.

Die bereits genannte Diskussion zwischen Avner und einem Palästinenser in einem "SafeHouse" , eigentlich in Brechtscher Manier überhöht, surreal... aber nicht surrealer als der politische Wahnsinn, der Thema der Diskussion ist. Und ausgerechnet diese Killer sprechen wahrheiten aus. ImGegensatz zu denjenigen, die sie als übergeordnete Führer unsichtbar ins Verderben führen.

"München" ist so stark wie nur wenige engagierte Filme gegen den Wahnsinn unserer Welt.

Ich bin kein Cineast, erinnere mich aber nur an solche tollen und tief beeindruckenden Filme wie "Coming Home" , wie "Im Westen nichts Neues" , "Z" , (aber es gibt sicher noch mehr) die den Zuschauer wachrütteln.

Wer ein wenig die geschichte im Nahen Osten kennt, der hat in diesem Film sehr viele versteckte Hinweise wiedererkannt.

So zum Beispiel in den Szenen, wo ein älterer Mitkämpfer Avners den Mythos infrage stellt, nach welchem nur die Palästinneser Bomben und Terrorisieren. Er weist (mehr oder weniger direkt) in seinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Tuns darauf hin, daß mehrere israelische Ministerpräsidenten in den vierziger Jahren in zionistischen Terrorgruppen tätig waren und die englischen Besatzer aus Palästina herausbombten - genauso wie es später die PLO machte. Und er stellt die nicht zu beantwortende Frage: Wer ist nun schlecht, wer ist gut?? keiner so richtig..

Jene Engländer, welche im Nahen Osten bewußt geographisch Grenzen nach Längs- und Breitengraden zogen und damit sicher sein konnten, daß sich die daraus ergebenden blutigen Konflikte der betroffenen Völker den Druck von den Briten nehmen würden, haben damit den Grundstock für ewige Kriege gelegt.

Spielberg hat alle friedensverhindernden politischen Probleme dargestellt - bis hin zu wechselweisen Unterstützungen beider Gruppen durch die damaligen Supermächte, die kurzsichtige politische Ziele und langfristige geopolitische Strategien zu einem unüberwindbaren Morast vermischen.

Und er schildert die Lügen, mit denen politisch riskante Liquidierungen unliebsamer Aktivisten opportun mit denen der echter Planer vermengt wurden.

Die letzte, wieder einmal unglaublich starke Schlüsselszene, die vor den Türmen des WTC spielt, zeigt, daß die Hintermänner auf beiden Seiten nicht einmal mehr proforma für ihre eigene Schicksalsgemeinschaft sprechen können: jüdische Traditionen und kultur ist dem Führungsoffizier von Avner fremd und schlicht und ergreifend egal. Es geht nicht um nahöstliche Schicksalsgemeinschaften, es geht um blanke Machtpolitik der jeweiligen Cliquen.

Spielbergs Film ist gut getimed:

Er kommt zu einem zeitpunkt, wo allmählich die Dummheit und Verlogenheit der angeblichen "Kriege gegen Terror" sogar in den USA infrage gestellt wird und wo sowohl auf israelischer als auch auf palästinensischer seite die "normale Bevölkerung" die Schnauze vom Sterben für fragwürdige nationale Ziele gestrichen voll hat.

kein Wunder, daß dieser wahre Film von denjenigen als echte gefahr erlebt wird, die die nationalen Killer der NAtionen an ihrem Marionettenfaden führen.

der Ärger, den sich Steven Spielberg mit dem Film ans Rever geheftet hat, sollte er wie einen Orden tragen.
Ochiudo
Ist häufiger hier
#12 erstellt: 19. Mrz 2006, 17:23

Martin_H schrieb:
Ich hab ihn neulich auch gesehen.
Ich fand ihn so halbwegs, die letzte halbe Stunde hätte man weglassen können, viel zu langatmig. Man merkt hier deutlich, dass Spielberg zwanghaft versucht, anspruchsvoll, tiefschürfend und künstlerisch zu wirken, was ich etwas peinlich fand. Naja schlecht war er nicht, aber auch nicht toll.



Mit Spielbergs ziemlich armseeligem versuch, tiefsinnig zu wirken hast du völlig recht. Ich für meinen Teil fand den Film überraschend gut (was vielleicht an meinen niederigen Erwartungen an Spielberg-filmen liegt). Ein Journalist der Zeitschrift CINEMA schrieb mal in einem Artikel, ein Blockbuster sei ein Film, der gezielt auf Kassenerfolg ausgelegt sei, und dies würde durch das Einbinden der drei Elemente Action, Romanze als neben-plot und Jugendfreie Erotik erreicht. Spielberg hat diese drei Elemente in den Film (wie in jedes seiner Werke) mal wieder so richtig reingeprügelt, obwohl man gut auf sie hätte verzichten können. Sämtliche(!) Sexszenen waren überflüssig (Die Frau im Hausboot hätte ruhig normale Kleidung tragen können), dazu war der Film oft unnötig blutig (Zerfetzter Arm am ventilator nach der Hotelbett-Bombenexplosion!!!) und es war ein Maß an Schiessereien enthalten, das jede Glaubwürdigkeit und Realitätsnähe zunichte machte. Hätte sich Spielberg mehr darauf konzentriert, einen guten Film zu machen als Geld zu verdienen, wäre München vielleicht sein bestes Werk geworden. Wirklich schade.
Ochiudo
Ist häufiger hier
#13 erstellt: 19. Mrz 2006, 17:48

Martin_H schrieb:

klaus_moers schrieb:

also peinlich fand ich das nicht. Es gibt viel zu wenige anspruchsvolle Themen, die in Filmen behandelt werden.


Gegen etwas anspruchsvollere Filme habe ich nichts, im Gegenteil, aber die sollten Leute machen, die mehr davon verstehen als Spielberg.


@ Klaus moers: Es gibt mehr als genug Anspruchsvolle Filme, die sind nur (leider!!!) meist viel weniger Erfolgreich, weil der durchschnittliche Kinobesucher unterhalten und nicht zum Nachdenken angeregt werden will. Wenn du Anspruchsvolle Filme suchst, guck dir mal n Paar Independent-Streifen an. Auch Asien (hauptsächlich Korea und Japan) bietet einiges an Filmen mit Anspruch. Zum Thema Rassenhass/Faschismus gibt es auch ziemlich bekannte Filme, z.B. Napola oder American History X.
Ebenfalls zum Grundthema Hass (wenn auch auf einer eher privaten Ebene): Sympathy for Mr. Vengeance und OldBoy, beide vom Regiesseur Park Chan-Wook. Sogar aus Hollywood kommt ab und an (wenn auch ziemlich selten) ein Film mit Anspruch: Siehe den oben schon erwähnten American History X oder Fight Club.

Battle Royale ist auch mal n Blick wert.
Zwei Klassiker: Trainspotting und A Clockwork Orange. Alles richtig krasse, nicht leicht zu verdauende Filme, und damit habe ich nur die bekanntesten genannt. Noch mal in einem Satz: Wenn du Qualitative Filme sehen willst, suchst du im Mainstream Kino an der falschen Stelle. Hier im Forum gibt es genug Leute, die dir Weiterhelfen können, mach einfach nen "Suche gute Independent Movies"-Thread auf.

@ Martin_H: Grade das finde ich an München so bedauerlich: Spielberg hätte durchaus die Fähigkeit, wirklich, wirklich gute Filme zu produzieren (oder hätte es zumindest gehabt, als er noch en Bisschen jünger war), aber er will halt lieber Geld verdienen....


[Beitrag von Ochiudo am 19. Mrz 2006, 17:50 bearbeitet]
hohesZiel
Stammgast
#14 erstellt: 19. Mrz 2006, 20:01
@ Ochiudo

deine Kritik finde ich relativ oberflächlich. Also erfüllt sie genau diejenigen Kritikpunkte, welche Du vor Dir herträgst.

Ich vermute mal, daß Du noch nie Foto- und Filmdokumentationen von Sprenstoff-Attentaten gesehen hast, sonst würdest Du den abgerissenen Arm nicht als Kritikpunkt, sondern als Hinweis auf die brutale Realität sehen.

Interessant auch, daß Du nur Bilder und keine Dialoge kritisierst. Oder die Anlage von Szenen. DAS spricht eigentlich für sich und gegen Deine Kritik.

Ich kann mich nur an 2 "Sex"-Szenen erinnern. Und die waren alles andere als vulgär. Sie dienten einem "übergeordneten" Zweck.
Die erste stand im Kontrast zu der in der folgenden Szene an den Protagonisten gestellten Forderung, die schwangere Frau und damit den familiären Bezugspunkt, einen Teil seiner geliebten Identität für so etwas abstarktes wie "Rettung des VAterlandes" aufzugeben, ja sogar in gewisser Art zu verraten.

Die zweite bestand darin, die gescheiterete Rückkehr in den Schoß der Familie darzustellen. Auch das war nicht vulgär, es war ästhestisch und nicht voyeuristisch.

Die Szene im Hausboot sehe ich ebenfalls anders.

körperliches Verlangen wird seit den Anfägen von Geheimdiensten als Falle benutzt. Die (sehr hübsche) Frau hatte ihre körperlichen Vorzüge geschäftsmäßig in den mörderischen Dienst der geheimdienste gestellt (Einer der israelis musste dafür mit seinem Leben zahlen) und wollte genau das in der Szene mit der anderen Seite ebenfalls.

Der brutale Mord an der Frau, die selber brutal gemordet hatte, steht m.E. für die schreckliche innere Logik der Politik der Eskalation, die "schönes" stets im angeblichen Namen höherer Notwendigkeiten vernichtet.

der getötete Körper dieser Frau steht für die vielen Menschen, die sinnlos dem Killerwahn anheimfallen, egal, ob Täter oder Opfer.

Ich persönlich finde eigentlich alle Filme schlimm und demagogisch, wo Menschen "sauber" umbebracht werden.
Zumeist handelt es sich dabei um Propagandafilme der US-Filmindustrie, die auf subtile Art menschen anderer Überzeugung/Religion/Herkunft als weniger schützneswürdig bschreiben. So wie die vielen Ureinwohner Nordamerikas, die in den Western immer lustig zusammengeschossen werden und sauber vom Pferd fallen.

DIESE Filme sind enthemmend. "München" ist genau das gegenteil:
Er beschreibt u.a., wie die Auftragskiller erst mal ihre natürlichen Hemmungen überwinden müssen, andere Menschen zutöten. Und wie sie eben am Ende NICHT mehr zwischen zu tötenden und zu erhaltenden Leben unterscheiden können.

Zum Beispiel in den Diskussionsszenen der Killerkommandos.

Sorry - aber Du hast den Film nicht verstanden.

Für mich ist er ähnlich eindrucksvoll wie "Im Westen nichts Neues" oder "Die Brücke" .

Während jedoch letztere den konkreten Wahnsinn auf Sodatenebene schildern, geht "München" weiter und stellt bohrende Fragen nach den dahinterstehenden politischen Interessen auf beiden Seiten und schildert mitfühlend die seiote der Opfer.
Und zeigt, daß letztlich ALLE verlieren, wenn der Automatismus der Eskalation nicht endlich beendet wird.

Ein großes Werk!


Gruss
hohesZiel

PS: Die Qualität von Filmen ist völlig unabhängig davon, ob sie sich "independent" schimpfen oder nicht. Und auch davon, ob sie viel geld kosten/einspielen oder nicht.
Die Kriterien für gute Filme sind andere.

ZUgegeben, die meisten Kassenschlager sind primitiv und sinnleer. Aber Gottseidank haben auch gelegentlich gute Filme Erfolg. So wie "München" .


[Beitrag von hohesZiel am 19. Mrz 2006, 20:06 bearbeitet]
Ochiudo
Ist häufiger hier
#15 erstellt: 19. Mrz 2006, 22:21
Ich bin ehrlich beeindruckt. Da weiss einer, wovon er spricht. Trotzdem Stimme ich nicht mit dir überein. Also der Reihe nach (ich habe mir erlaubt, stellenweise zu kürzen):


hohesZiel schrieb:

@ Ochiudo
Ich vermute mal, daß Du noch nie Foto- und Filmdokumentationen von Sprenstoff-Attentaten gesehen hast, sonst würdest Du den abgerissenen Arm nicht als Kritikpunkt, sondern als Hinweis auf die brutale Realität sehen.

Doch, habe ich. Da gab es keine vollständigen Gliedmassen mehr, die an ebenso unlogischerweise vollständig erhaltenen und funktionierenden Ventilatoren hingen. Genaueres zu dem Punkt später.


hohesZiel schrieb:

Interessant auch, daß Du nur Bilder und keine Dialoge kritisierst. Oder die Anlage von Szenen. DAS spricht eigentlich für sich und gegen Deine Kritik.

Tut es überhaupt nicht. Ich Kritisiere nur die Bilder, Weil die Dialoge und Szenenanlagen des Filmes meiner meinung nach wunderbar sind. Eine Ausnahme bilden die Rückblenden, die am Anfang des Filmes sehr zusammenhanglos eingebaut sind und eher verwirren. Erst im nachhinein wird ihr Sinn deutlich. Ich habe einfach nur nichts daran auszusetzen.
Meine Kritik an dem Film klingt vielleicht negativer, als sie sein soll, da ich nur auf die Dinge eingehe, die mir negativ aufgefallen sind. Ich halte München durchaus nicht für einen schlechten Film. Ich sage nur, das er noch sehr viel besser hätte werden können, wenn Spielberg auf gewisse Dinge verzichtet hätte.


hohesZiel schrieb:

Ich kann mich nur an 2 "Sex"-Szenen erinnern. Und die waren alles andere als vulgär. Sie dienten einem "übergeordneten" Zweck.
Die erste stand im Kontrast zu der in der folgenden Szene an den Protagonisten gestellten Forderung, die schwangere Frau und damit den familiären Bezugspunkt, einen Teil seiner geliebten Identität für so etwas abstarktes wie "Rettung des Vaterlandes" aufzugeben, ja sogar in gewisser Art zu verraten.

Meiner Meinung nach reicht eine hochschwangere Frau völlig aus, um den Familiären Bezugspunkt zu veranschaulichen. Dafür muss er Sie nicht vögeln.


hohesZiel schrieb:

Die zweite bestand darin, die gescheiterete Rückkehr in den Schoß der Familie darzustellen. Auch das war nicht vulgär, es war ästhestisch und nicht voyeuristisch.

Ich habe nie behauptet, es wäre vulgär und voyeuristisch. Ich finde nur das es eine sehr plumpe Darstellungsweise ist.
Wobei diese noch die sinnvollste der Sexszenen dieses Filmes ist.


hohesZiel schrieb:

Die Szene im Hausboot sehe ich ebenfalls anders.
körperliches Verlangen wird seit den Anfägen von Geheimdiensten als Falle benutzt. Die (sehr hübsche) Frau hatte ihre körperlichen Vorzüge geschäftsmäßig in den mörderischen Dienst der geheimdienste gestellt (Einer der israelis musste dafür mit seinem Leben zahlen) und wollte genau das in der Szene mit der anderen Seite ebenfalls.

Der brutale Mord an der Frau, die selber brutal gemordet hatte, steht m.E. für die schreckliche innere Logik der Politik der Eskalation, die "schönes" stets im angeblichen Namen höherer Notwendigkeiten vernichtet.

Der Interpretationsansatz ist an sich richtig, aber du hast mich falsch verstanden. Ich meinte nicht, das die szene gestrichen werden sollte, lediglich, das die Frau nicht völlig nackt hätte sein müssen. Um die von dir beschriebene Wirkung zu erzielen, hätte leichte bekleidung, von mir aus auch unterwäsche, völlig ausgereicht. Ich mag einfach lieber Filme, die subtiler vorgehen. Eine blutüberströmte, splitternackte Frau ist einfach ein Wink mit dem Zaunpfahl, dessen Grobheit mich stört. Mit deiner interpretation der Szene liegst du schon richtig, dem habe ich aber auch nie wiedersprochen.


hohesZiel schrieb:

Sorry - aber Du hast den Film nicht verstanden.

Das einzige an deiner Kritik, was ich dir übel nehme. Mir so etwas, aufgrund eines einzige Posts, der sich sehr partiell(!) auf einige(!) Aspekte des Films bezog, zu unterstellen, ist verdammt dreist.


hohesZiel schrieb:

Für mich ist er ähnlich eindrucksvoll wie "Im Westen nichts Neues" oder "Die Brücke".

Die Brücke habe ich leider noch nicht gesehen. Ich hoffe, das du dich mit "Im Westen nichts Neues" auf die erste (Schwarz/Weiss) Verfilmung beziehst. Hast du dir mal überlegt, warum dieser Film so Eindrucksvoll, tiefgehend und aufwühlend ist? Mitunter deshalb, weil den Machern damals noch nicht die Mittel zur Verfügung standen, Arme an Ventilatoren Kreisen zu lassen. Dadurch, das die Brutalität eben nicht so offensichtlich ist, bleibt sie der Fantasie des zuschauers überlassen und erzielt so eine umso höhere Wirkung. In OldBoy (falls Du den noch nicht gesehen haben solltest, hol es nach. Auch wenn du mir in keinem anderen Punkt zustimmst wird sich das auf alle Fälle lohnen!) gibt es eine Szene, in der sich jemand die eigene Zung mit einer Schere abschneidet. Wirklich sehen kann man nur, wie sich der Griff der Schere schliesst und ist gerade deshalb umso brutaler. Würde man in einer solchen Szene tatsächlich das Zerschneiden der Zunge zeigen, (was heute durchaus möglich wäre) würde der Zuschauer damit nur von der Last befreit, sich den Vorgang vorstellen zu müssen. Brutalität in Filmen gewinnt an Wirkung, je mehr davon der Fantasie des Zuschauers überlassen bleibt. Das ist auch der Grund dafür, dass das BUCH "Im Westen nichts Neues" sogar die geniale Erstverfilmung mühelos in den Schatten stellt. Je mehr gezeigt wird, desto mehr wird das Filmschauen zum passiven Vorgang. Wird man hingegen vom Film gezwungen, eine aktivere Rolle einzunehmen und sich die Dinge selbst vorzustellen, entfaltet sich eine sehr viel größere Wirkung.
Pure, ufassbar brutale Gewalt in Bildern darzustellen ist etwas, woran Regiesseure noch Jahrzehnte lang scheitern werden, solange sie versuchen, sie wirklich zu zeigen.

Alleine aus diesem Grund bin ich dagegen, das Gewalt in Filmen so explizit dargestellt wird. München hätte einfach eine noch größere Wirkung haben können. Wenn du glaubst, "München" würde mit seiner Gewaltdarstellung nicht zur Verrohung (oder mit deinen Worten: "Enthemmung") des Zuschauers beitragen, liegst du falsch. Die Gleichung "Ekelerregenste Darstellung = bestmöglicher Effekt" geht einfach nicht auf, was in Hollywood leider noch fast niemand zu verstanden haben scheint, was viele unbekannte Regiesseure jedoch beherzigen und damit großartige Filme schaffen.


hohesZiel schrieb:

Ein großes Werk!

Jedem seine Meinung. Meiner Meinung ist "München" größer als viele andere, aber noch lange nicht eines der größten.



hohesZiel schrieb:

PS: Die Qualität von Filmen ist völlig unabhängig davon, ob sie sich "independent" schimpfen oder nicht. Und auch davon, ob sie viel geld kosten/einspielen oder nicht.
Die Kriterien für gute Filme sind andere. (...)

Ich habe auch nicht versucht, Kriterien für gute Filme aufzustellen, sondern wollte lediglich eine Empfehlung aussprechen, wo man nach solchen suchen sollte. Natürlich ist "Independent" noch lange keine Garantie für einen guten Film, Sowie "Mainstream" keine Garantie für einen schlechten Film ist. Nur kommen sie im "Mainstream"-Bereich erfahrungsgemäß häufiger vor.

mfg, Philipp

PS: Ich habe zu dem Zeitpunkt des Anschlags kannten sich meine Eltern noch nicht einmal, du hingegen hast ihn aus einer krassen Nähe erlebt und damit eine viel emotionalere Basis als ich... Vielleicht ist der Grund, das mich "München" nicht vom Hocker reisst einfach der, das meine Betrachtungsweise zu nüchtern ist.
(Der Absatz dient auch einem höheren Zweck, er stellt nämlich ein Friedensangebot dar und soll meine wohlwollende Einstellung zum Ausdruck bringen. Nur um einmal ganze wie Spielberg mit dem Zaunpfahl gewunken zu haben.


EDIT HÜB': HF-Code gefixt...


[Beitrag von Hüb' am 19. Mrz 2006, 23:58 bearbeitet]
Ochiudo
Ist häufiger hier
#16 erstellt: 19. Mrz 2006, 22:26
Warum zum Geier funktionieren die Zitate nicht????
klaus_moers
Inventar
#17 erstellt: 20. Mrz 2006, 00:09
Guten Abend...

@Ochiudo
Also, erstmal vielen Dank für die freundlichen Empfehlungen an Ochiudo. Fast alle dieser Filme habe ich schon gesehen.

@hohesZiel und @Ochiudo

Ich denke jeder empfindet Qualität und Anspruch sehr unterschiedlich. Jeder reflektiert anders, und das ist auch gut so.
Sicherlich hat Ochiudo einen etwas belehrenden Tonfall. Auch er sprach mich an, als man mir in qualitativer Hinsicht weiterhelfen müsste. Was er nicht weisst, ist - dass ich schon sehr viele Filme gesehen habe.
Und ob Ochiudo den Film nicht verstanden hat, bezweifel ich. Er fühlt sich einfach von manchen Szenen nicht angesprochen. Das ist auch ok. Ich habe auch einige Szenen nicht verstanden, aber den Film schon.

Grüsse,
Klaus
Ochiudo
Ist häufiger hier
#18 erstellt: 20. Mrz 2006, 13:29
hab ich echt einen so belehrenden Tonfall??? *staun* Vielleicht sollte ich meinen Schreibstil überarbeiten... war keineswegs so beabsichtigt.

Danke für den Hinweis @ Klaus

PS: sorry, das ich dich so missverstanden habe, aber wenn jemand einen satz wie "Es gibt viel zu wenig gute filme" postet, klingt das halt nicht unbedingt danach als hätte man es mit einem film-fan zu tun... ich bin halt der meinung das es viel zu viele gute filme gibt (zumindest mehr als ich in meinem leben werde sehen können) wenn es noch n paar Filme gibt, die du für sehenswert und anspruchsvoll hälst, nenn sie mir bitte! (<--Kann nie genug kriegen..)

cu, Philipp


PPS: meine fresse, heute hab ichs aber mit dem HF code....


[Beitrag von Ochiudo am 20. Mrz 2006, 13:31 bearbeitet]
Ochiudo
Ist häufiger hier
#19 erstellt: 20. Mrz 2006, 13:32
Danke an Hüb fürs bearbeiten ,
irgendwie krieg ichs heute net auf die reihe
hohesZiel
Stammgast
#20 erstellt: 14. Sep 2006, 19:01
Kurze Ergänzung:

der Film mit Kirk Douglas, dessen Titel ich nicht mehr erinnerte, ist dieser hier:

http://www.dvd-sucht.de/movie.php?id=741

Pfade des Ruhms

Einer der besten Antikriegsfilme, durch den sinnlosen Irakkrieg und zuvor den Vietnamkrieg zu trauriger, erneuter und ewigdauernder erneuter Aktualität gekommen.

Dieser Kriegsfilm war wegen seiner schonungslosen Darstellung tatsächlicher Ereignisse mehrere jahrzehnte in Frankreich verboten, wo man ja bekanntlich bis heute jede kritische öffentliche offizielle Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte vermeidet. Er ist aber allgemeingültig für die hemmungslosen und menschenverachtenden Schachbrett-Kriege dieser Erde.

Im Internet habe ich unter:

http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_98/49/27a.htm

eine gute Zusammenfassung der damaligen Ereignisse gefunden, welche ich weiter unten als zitat bringe.

Stanley Kubrick hat damals mit diesem Film endgültig und mehr als begründet seinen Ruhm als Regisseur zementiert.

Diesen Film kann ich nur als filmische Meisterleistung jedem dringend ans Herz legen.



Eigentlich hätte die Rehabilitierung der 1917 erschossenen Soldaten selbst hartgesottenen Armeefans keine Probleme bereiten müssen. Denn die damals meuternden Soldaten waren keine Gegner von Krieg und Militär. Vielmehr fanden die ersten Meutereien in Elitebataillonen statt, deren Mitglieder durchaus bereit waren, an der Front ihr Leben aufs Spiel zu setzen, nicht aber, sich durch offenkundig sinnlose Befehle verheizen zu lassen.

Im April 1917 hatte General Nivelle im Stellungskrieg der Schützengräben eine Offensive befohlen, welche die Linien der kämpfenden Parteien um keinen Meter verrückte, aber 250 000 Soldaten das Leben kostete. Als Reaktion darauf hatten Soldaten der Infanterie zu meutern begonnen, die, so der Historiker Albert Londres, "bereit waren zu sterben, aber nicht bereit waren zum Selbstmord".

Ein Angehöriger eines damals erschossenen Soldaten konnte aus Anlaß der jüngsten Debatte immerhin in den 20 Uhr-Nachrichten des öffentlichen Fernsehens sagen, General Nivelle sei es, der damals die Kugel verdient gehabt hätte.

Auf 30 000 bis 40 000 wird die Zahl der Soldaten geschätzt, die die Befehle verweigerten, meuterten oder desertierten. Erst im Verlauf der Meuterei wurden auch Sympathien für die russische Revolution, deren erster Akt im Februar 1917 begonnen hatte, geäußert. 49 Soldaten wurden schließlich erschossen, um "ein Exempel zu statuieren" - ihnen gilt der jüngste Rehabilitierungsvorschlag durch Jospin. Hunderte weitere Soldaten wurden zu insgesamt 1 400 Jahre Zwangsarbeit verurteilt, das hieß: Steineklopfen in der algerischen Wüste. Der Mann, der im Juni 1917 die Erschießung der 49 anordnen ließ, war kein anderer als Philippe Pétain, der spätere Kopf des Vichy-Kollaborationsregimes.

Die Ereignisse im Ersten Weltkrieg waren bis vor kurzem ein Tabuthema, dies aus zwei Gründen: Zum einen darf man nicht vergessen, daß der Erste Weltkrieg für Frankreich einen tieferen Einschnitt darstellt als für das damalige Deutsche Reich, das den Krieg fernab seines Staatsgebiets führte. Zum zweiten hatte diese historische Ausgangslage in der Zwischenkriegszeit zur Folge, daß eine pazifistische Grundströmung in den dreißiger Jahren von links bis rechts fast zum politischen Allgemeingut geworden war, welche die französische Politik für die von Hitlerdeutschland ausgehenden Gefahren blind machte.

Auch daher rührt die breite Zustimmung zum Münchener Abkommen 1938: Infolge des nazideutschen Überfalls und der Besetzung ganz Frankreichs war es dem Gaullismus nach 1944 leichtgefallen, die gesamte französische Nationalgeschichte mit einem Tabu zu belegen, das verhinderte, Frankreichs Rolle in Frage zu stellen oder zwischen den unterschiedlichen Ausgangssituationen im Ersten und im Zweiten Weltkrieg zu differenzieren.

Die Wirkungsmacht dieses Tabus läßt sich u.a. daran ablesen, daß über 18 Jahre hinweg, zwischen 1958 bis 1976, der mit dem Thema Gehorsamsverweigerung befaßte Film "Sentiers de la gloire" ("Pfade des Ruhms") von Stanley Kubrick in Frankreich von der Zensur unterdrückt wurde. Nachdem der Film zunächst in Brüssel gezeigt worden war, übte das französische Außenministerium Druck aus, um den Film auch in Belgien verbieten zu lassen - allerdings vergeblich. Und erst in jüngerer Zeit konnte in Filmen wie "Capitaine Conan" von Bertrand Tavernier (1996) und "Le Pantalon" von Yves Boisset Kritik an der inneren Verfaßtheit der französischen Armee zwischen 1914 und 1918 geübt werden.


Gruß

hohesZiel


[Beitrag von hohesZiel am 14. Sep 2006, 19:51 bearbeitet]
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