Mussorgsky: Bilder einer Ausstellung in der Stokowski-Orchesterfassung

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teleton
Inventar
#1 erstellt: 06. Dez 2006, 14:01
Hallo Mussorgsky-Freunde,

bisher habe ich die Stokowsky´s Instrumentation der Bilder einer Ausstellung nicht sehr geschätzt, weil mir die alte Aufnahme unter Stokowsky´s dirigat mit dem LSO einfach zu grob, abgehackt und fremd erschien.

Es ist nun auch wirklich schwierig für eine Fassung und Aufnahme den Vergleich mit der Ravel-Fassung und der Aufnahme mit Solti/Chicago SO (Decca) positiv zu überstehen.

Doch was für eine Überraschung bietet diese Neuaufnahme mit dem Stokowsky-Schüler Jose Serebrier:
Ganz anders als Stokowsky, der auf Effekte setzt, bietet Serebrier Orchesterfarben an, die der Klavierfassung näher stehen, als ich es aus der Ravel-Fassung kenne.
Perfekt spielt das Bournemouth SO mit klanglichen Details, die man bei Stokowsky nicht mal ahnen kann.
Die Klangqaulität ist absolut aktuell - wüßte ich nicht das es eine NAXOS-CD ist, würde ich eine audiophile CD-Marke vermuten.

Mussorgsky: Bilder einer Ausstellung (Orch. Fass.)
(arr. Leopold Stokowski)
Mussorgsky / Stokowski: Eine Nacht auf dem kahlen Berge;
Entr'acte zu Akt IV von Chowanschtschina;
Symphonische Synthese aus Boris Godunov
+Tschaikowsky / Stokowski: Humoresque op. 10, 2; Solitude op. 73, 6
+Stokowski:Traditionelle slawische Weihnachtsmusik

Bournemouth SO, Serebrier
NAXOS, Aufnahme 2004 DDD

Für alle die der Stokowsky-Fasung der Bilder bisher skeptisch gegenüberstanden (ich auch) sei diese Neuaufnahme empfohlen.
Die Bilder einer Ausstellung werden hier nicht zum Showpiece, sondern man kann hier hören welch geschickter Instrumentator Stokowsky war und welche gute Orchesterfassung Stokowsky hinterlassen hat.
Sein ehemaliger Schüler macht dies möglich.

Auch die anderen Werke sind sehr schön und detailreich mit wunderbaren Orchesterfarben interpretiert.
Die Boris Godunow-Synthese von Stokowsky begeistert mich hier erstmals. In der Stokowsky-Aufnahme habe ich das Stück als nicht weiter hörenswert abgehakt.

Allerdings bekommt der Sinfonischen Dichtung Die Nacht auf dem Kahlen Berge in der Stokowsky-Instrumentation Stokowsky unerbittlicher und bombastischer Orchesterklang eher, als Serebriers Feingefühl. Hier ist Stokowsky´s alte Aufnahme, mit hohem Gänsehautfaktor doch vorzuziehen, weil er unerbittlich die wilden Klänge der Nacht adkB "raushaut".
Reiner_Klang
Stammgast
#2 erstellt: 06. Dez 2006, 16:49
Hallo Wolfgang,

vielen Dank für diesen Tip, der mich sehr interessiert. Ich hatte bisher von dieser Aufnahme noch nichts gehört und werde sie mir kurzfristig besorgen.

NAXOS macht in letzter Zeit eine inhaltliche Wandlung durch, aus der ich noch nicht wirklich schlau werde. Musikalisch und klangtechnisch hochwertige Aufnahmen versteckten sich ja schon immer in diesem Sortiment in einem Schilfmeer aus Niedrigpreis-Mäßigqualitäts-Aufnahmen. Jetzt verästelt sich dieses Sortiment immer mehr. Historische Aufnahmen von Spitzenmusikern neben unüberbietbar kitschigen Best-of-Megabockmist-Samplern, Hörbücher, Kinder-CDs, DVDs etc. etc.

Alles reichlich unübersichtlich und für mein Empfinden als Programm noch nicht wirklich ausgereift. Deshalb sind erfahrungsgestützte Tips im Moment mein ausschließlicher und einziger Kaufimpuls in Richtung NAXOS.

Sei bedankt und gegrüßt
vanrolf
Inventar
#3 erstellt: 06. Dez 2006, 17:01
Hallo Zusammen,

die von Wolfgang gezeigte Naxos-Aufnahme hat vor einem halben Jahr auch von Classics Today die höheren Weihen (10/10) erhalten:


Leopold Stokowski's transcriptions have been getting a lot of attention on disc lately. Most particularly, DG reluctantly released an excellent disc of Mussorgsky pieces featuring Oliver Knussen and the Cleveland Orchestra, magnificently played and very different in conception from Stokowski's own. That disc vindicated his work by showing convincingly that these arrangements can have a successful existence independently of the great old wizard himself. José Serebrier's interpretations, while not quite so radical in their emphasis on laser-like clarity of texture, achieve much the same sort of validation while preserving more of the physical excitement and cinematic flamboyance of the original recordings.


This isn't just a question of the exceptionally splashy and colorful use of heavy percussion at the end of A Night on Bare Mountain or Pictures at an Exhibition, impressive (and necessary) though that is. Serebrier, who worked as Stoki's assistant conductor at the American Symphony Orchestra for about five years, brings a keen ear for those luscious string sonorities that also give these editions much of their magic at lower dynamic levels. I'm thinking, for example, of the shimmering closing pages of the Boris Godunov Symphonic Synthesis, among other places. Serebrier also captures the tragic intensity of the Khovanshchina Entr'acte as well as Stokowski ever did: he's slower, darker, and heavier than Knussen, more raw and "Russian" sounding, as he also is in the terrifying Catacombs section of Pictures at an Exhibition.


There's further icing on the cake that you won't find on the Knussen disc: the two lovely Tchaikovsky transcriptions (the Humoresque will be familiar to knowledgeable listeners from its use in Stravinsky's The Fairy's Kiss), and Stokowski's own Traditional Slavic Christmas Music, a setting where once again Serebrier shows himself able to conjure a truly authentic "Stokowski sound". Mind you, these aren't mere imitations. Serebrier's flexible approach to tempo and willingness to inject a jolt of extra electricity make something quite special out of the climaxes in A Night on Bare Mountain, and it's very clear that the Bournemouth Symphony Orchestra is having as much fun playing this music as you will have listening to it. The engineering stands among the best from this source as well. Spectacular, sensational, skirting the boundaries of "good taste"--this is the real deal. [6/17/2005]


--David Hurwitz




Damals habe ich diese CD zum ersten Mal registriert. Da ich aber ebenfalls gerne zusätzliche Tips habe, wird das Teil jetzt vielleicht auch für mich interessant.
Wen's interessiert: Von den Aufnahmen existieren auch Naxos-Ausgaben als Audio-DVD und Hybrid-SACD.

Gruß Rolf


[Beitrag von vanrolf am 06. Dez 2006, 17:05 bearbeitet]
op111
Moderator
#4 erstellt: 06. Dez 2006, 18:40
Hallo zusammen,
zunächst einmal vielen Dank für diesen Tip, Wolfgang!

Stokowskis Orchestration empfinde ich immer wieder als hörenswert, auch wenn sie uns etliche Teile der Klavierfassung vorenthält ( Tuilerien, Promenade vor Tuilerien, Limoges und die Promenade davor).
Überzeugender wirkt auf mich die Orchesterfassung von Vladimir Ashkenazy, die er für Decca eingespielt hat.

Die Rezensionen, speziell wenn der Autor Hurwitz heißt, nehme ich immer mit einem Körnchen Salz.

Benjamin G. Cohrs in Klassik Heute

kommt zur folgenden, eher durchschnittlichen Wertung:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität: 7
Gesamteindruck: 7

das Nachfolgeprojekt
Leopold Stokowski
Symphonic Transcriptions

J.S. Bach: Air D-Dur (aus: Overture (Suite) Nr. 3 D-Dur BWV 1068), Schafe können sicher weiden, Fuge g-Moll BWV 578, Komm, süßer Tod, Oster-Oratorium (Choral), Es ist vollbracht! Vergiß ja nichht dies Wort, Wir glauben all an einen Gott, Nun komm, der Heiden Heiland • L. Stokowski: Zwei alte liturgische Melodien • G.F. Händel: Pastorale (aus: Der Messias HWV 56) • H. Purcell: Dido's Lament (When I am laid in Earth - aus: Dido and Aeneas) • J.S. Bach: Passacaglia c-Moll BWV 582
Bournemouth Symphony Orchestra,
José Serebrier (Leitung)
Naxos 8.557883

mit dem selben Team fand mehr Gnade in seinen Ohren:
Künstlerische Qualität:10
Klangqualität:10
Gesamteindruck: 10

Daß künstlerische Qualität und Klangqualität auch in diesen Fällen so stark korreliert sind, finde ich gar nicht mehr erstaunlich.

Benjamin G. Cohrs in Klassik Heute

Eine Übersicht über Werk und Bearbeitungen gibt diese Seite des
Russischen Musikarchivs.

Gruß


[Beitrag von op111 am 06. Dez 2006, 20:39 bearbeitet]
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#5 erstellt: 07. Dez 2006, 04:46

Franz-J. schrieb:
Hallo zusammen,
Die Rezensionen, speziell wenn der Autor Hurwitz heißt, nehme ich immer mit einem Körnchen Salz.


Körnchen? Ich nehme das immer, d.h. wenn ich die überhaupt noch mal lese, mit einem riesigen Klumpen Salz...

Ich habe diese CD mit ähnlichem Programm:

amazon.de

Das interessant an dieser Aufnamhe ist, dass sie ziemlich analytisch ist (unterstützt durch den für Aufnahmen aus Cleveland typischen etwas trockenen, aber sehr definierten Klang, der wharscheinlich vor allem an der Halle liegt). Das ist wohl nicht unbedingt im Sinne des Erfinders, da Stokowski sehr viel mit Mischfarben und leichten "Verschmierungen" gearbeitet hat, erlaubt uns aber dafür sozudagen einen "Blick hinter die Kulissen" dieser Versionen.

Übrigens finde ich nach wie vor, auch wenn diese Meinung wahrscheinlich nicht so cool ist, dass von allen Fassungen, die ich bis jetzt gehört habe, die von Ravel immer noch am besten ist.
lydian
Stammgast
#6 erstellt: 07. Dez 2006, 11:40

M_on_the_loose schrieb:

Übrigens finde ich nach wie vor, auch wenn diese Meinung wahrscheinlich nicht so cool ist, dass von allen Fassungen, die ich bis jetzt gehört habe, die von Ravel immer noch am besten ist.


Welche Orchesterfassung die "beste" ist, darüber lässt sich sicher endlos debattieren. Dass die Ravel-Fassung einige eklatante Fehler aufweist, kann jedoch nicht bestritten werden.
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#7 erstellt: 07. Dez 2006, 12:18
Ich finde die Abweichungen, die von der Fassung, die Ravel als Vorlage benutzt hat, eigentlich nicht so eklatant. Auf jeden Fall entwertet das Ravels Arbeit und seine wunderbare Instrumentierung nicht. Man kann ja auch nicht sagen, dass alle Beethoven-Aufführungen von vor der neuen kritischen Ausgabe (die ja auch jede Menge Fehlerchen entdeckt hat) deshalb nicht mehr "gelten".
Mit gefällt die Ravel-Fassung einfach persönlich am besten. Ich hoffe, dass ist OK. Ein oft widerholtes Klischee ist, dass sie zu farbenfroh und brilliant sei, und das finde ich ziemlich witzig, weil das eigentlich nur auf dem Klischee basiert, dass russische Musik immer irgendwie "erdig" und "dunkel" sein muss. Dabei hat Ravel viele seiner Instrumentationstechniken vom Studium russischer Komponisten gelernt...
Aber letzen Endes geht es darum auch gar nicht so sehr. Ravel's Fassung ist ja kein "Rekonstruktionsversuch", sondern einfach nur eine Adaption der Musik vom Klavier für das Medium Orchester, wie "russisch" oder wir "Ravel" das jetzt ist, spielt für meine Begriffe eigentlich nicht so eine grosse Rolle.
lydian
Stammgast
#8 erstellt: 07. Dez 2006, 13:45

M_on_the_loose schrieb:
Mit gefällt die Ravel-Fassung einfach persönlich am besten. Ich hoffe, dass ist OK.


Selbstverständlich, darum geht es mir nicht. Übrigens empfinde ich die Ashkenazy-Fassung noch um einiges farbenprächtiger. Hinweisen möchte ich jedoch darauf, dass die Fehler der Ravel-Fassung weitaus ohrenfälliger sind als die der verschiedenen Ausgaben der Beethoven-Sinfonien. Wahrscheinlich ist Ravel von einer sehr unzulänglichen Ausgabe der Originalfassung ausgegangen. Ich glaube nämlich nicht, dass der Franzose ansonsten so krasse Änderungen vorgenommen hätte. Dazu muss man wissen, dass Mussorgskys Werk zur damaligen Zeit vor Allem im Westen recht unbekannt war; von nicht wenigen wurde der Zyklus als unspielbar angesehen. Erst mit der Verbreitung von Ravels Orchesterfassung fand auch das Original mehr Gehör. Die Abweichungen müssen jedem auffallen, der auch nur einmal das Original hört. Hier nur die zwei krassesten:

"Bydlo" setzt bei Mussorgsky fortissimo ein; ein crescendo wie bei Ravel ist nicht vorgesehen. Wenn man so will, hat Ravel hier aus einem Bild einen bewegten Film gemacht.

Die Promenade vor dem "Limoges"- Bild fehlt bei Ravel vollkommen! Leider hat sich diese Praxis schon so weit etabliert, dass selbst gestandene Pianisten wie Michail Pletnev in ihren Darbietungen der "Bilder" diese Promenade streichen. (Aber das hat ja Tradition: Was wurde den Partituren von Mussorgsky von seinen Bearbeitern nicht alles angetan.....)

NB: Ich bezeichne mich als ausgesprochenen Ravel-Fan und besitze auch mindestens 20 verschiedene Aufnahmen seiner Version der "Bilder". Für mich ist die Ashkenazy-Version jedoch mit deutlichem Abstand die stimmigste.
teleton
Inventar
#9 erstellt: 07. Dez 2006, 14:33
Danke für die interessanten Antworten, die auch für mich einige neue Tipps enthielten, sowie den LINKS zu den Kritiken von B.Chors und Hurwitz mit dem Salz :

1. Der TIPP von Franz J. zu einer weiteren NAXOS-CD mit Stokowsky-Trankriptionen, die noch besser sein soll. Diese CD steht auf meinem Kaufwunschzettel.

2. Der TIPP von lydian zur Ashkenazy-Fassung, die ich noch nicht kenne. An anderer Stelle habe ich auch schon positives darüber gehört. Auch diese Decca-CD steht als wunsch nun offen.
toto_el_bosse
Stammgast
#10 erstellt: 07. Dez 2006, 14:40

teleton schrieb:
(...)Diese CD steht auf meinem Kaufwunschzettel.(...)Auch diese Decca-CD steht als wunsch nun offen.

Dieses Forum mit seinen div. Empfehlungen und die "Wunschzettel-Funktion" der Online-Versender bilden eine unheilvolle Allianz: knappe zwei Monatsgehälter habe ich dort noch als Wünsche stehen...

Grüßle, Toto.


[Beitrag von toto_el_bosse am 07. Dez 2006, 14:40 bearbeitet]
JohnD
Stammgast
#11 erstellt: 07. Dez 2006, 15:16

lydian schrieb:

NB: Ich bezeichne mich als ausgesprochenen Ravel-Fan und besitze auch mindestens 20 verschiedene Aufnahmen seiner Version der "Bilder".


"Eine Aufnahme ist keine Musik. Ein Plattenspieler ist kein Musikinstrument." (John Cage)

Wieso 20 Aufnahmen desselben Stücks? Ich bin schockiert.
vanrolf
Inventar
#12 erstellt: 07. Dez 2006, 15:32
Franz-J. schrieb:

Die Rezensionen, speziell wenn der Autor Hurwitz heißt, nehme ich immer mit einem Körnchen Salz.


Hallo zusammen,

...aber lesen tust Du sie auch, Franz.
Ich meine auch mich zu erinnern, daß von Dir eine Zeitlang ebenfalls gehäuft Verweise auf Hurwitz kamen, womit ich nicht das geringste Problem habe.
Zugegeben, ich besitze einige CDs, die mir gefallen und auch bei ihm gut wegkamen, aber vielleicht wäre zu dieser "Institution" von Classic Today ohnehin mal ein extra-thread fällig.
Rezensionen sind (wie übrigens jeder Beitrag hier) letztlich nur ein Meinungsbild, sie sollten nie zur unfehlbaren Inspirationsquelle für Neuanschaffungen werden. Schließlich versammeln wir uns hier zur Abwägung verschiedener Positionen. Wie bereits von mir gesagt:


Da ich aber ebenfalls gerne zusätzliche Tips habe,...


Salz nehme ich übrigens auch gerne. Aber wirklich nur zum Tequila.

In diesem Sinne
op111
Moderator
#13 erstellt: 07. Dez 2006, 15:53
Hallo zusammen,

teleton schrieb:
2. Der TIPP von lydian zur Ashkenazy-Fassung, die ich noch nicht kenne. An anderer Stelle habe ich auch schon positives darüber gehört. Auch diese Decca-CD steht als wunsch nun offen.


neben dieser preiswerten Wiederveröffentlichung (Serie: Decca "The Originals" s.u. -) ist auch noch die Erstausgabe zum Vollpreis im Handel, also Vorsicht!
Inwieweit die beiden Ausgaben sich im Klang unterscheiden, entzieht sich meiner Kenntnis. Hoffentlich wurde nicht mal wieder grundlos der Pegel angehoben/komprimiert.

Mussorgsky: Pictures at an Exhibition
Vladimir Ashkenazy, Philharmonia Orchestra, Vladimir Ashkenazy
1 CD | DDD | Decca 289 475 7717
Int. Release: Aug. 2006


Die Suche in "The Originals" auf der Decca-Website findet die CD nicht.

Stokowskis Aufnahmen
sind hierzulande anscheinend schwer zu bekommen.

Auf dem Grabbeltisch gab es folgende CD mit entzückendem Cover aus einer Vorläuferserie der "Eloquence"
amazon.de
Bilder einer Ausstellung: Fassung f. Orch.
+Romeo und Julia, Fantasie-Ouvertüre Peter I. Tschaikowsky
+Preludes I: Nr. 10 La cathedrale engloutie Claude Debussy
New Philharmonia Orchestra London
Leopold Stokowski

Auf einer brit. Universal/Decca CD 443898-2 (Phase 4) erschienen um 2002
waren die Bilder gekoppelt mit
Skrjabin op. 54 (Le Poeme de l'extase)
und der Feuervogel Suite

Ältere Aufnahmen sind auf spez. Labels (Cala, Dutton etc.) in immer anderen Kombinationen zu finden:
193? Philadelphia Orchestra (Ravel)
1939 Philadelphia Orchestra
1962 Philadelphia Orchestra
1963 BBC Symphony Orchestra

Weitere Aufnahmen der Stokowski-Bearbeitung:

New Zealand Symphony Orchestra
James Sedares
Koch

BBC Phil.
Matthias Bamert
Chandos

Gruß


[Beitrag von op111 am 07. Dez 2006, 15:56 bearbeitet]
op111
Moderator
#14 erstellt: 07. Dez 2006, 16:09
Hallo Rolf,

vanrolf schrieb:
...aber lesen tust Du sie auch, Franz.
Ich meine auch mich zu erinnern, daß von Dir eine Zeitlang ebenfalls gehäuft Verweise auf Hurwitz kamen, womit ich nicht das geringste Problem habe.

aber klar. Ich bekenne mich schldig.
Unterhaltsam, amüsant und oft witzig und pointiert verfasst sind einige von Hurwitz' Kritiken schon.
Und ich lache gern.
Was ich da manchmal auf Deutsch lesen kann, ist genauso subjektiv, aber nicht halb so witzig formuliert.
Ich will auch gar nicht behaupten, daß Hurwitz nur um des Effekts willen oder ohne jede Kenntnis willkürlich wertet.


vanrolf schrieb:
Zugegeben, ich besitze einige CDs, die mir gefallen und auch bei ihm gut wegkamen, aber vielleicht wäre zu dieser "Institution" von Classic Today ohnehin mal ein extra-thread fällig.


Etwa so: eine Aufnahme kontroverse Rezensionen, oder Hurwitz' und wie er die CD hörte.

Bei Gelegenheit schaue ich mal nach Material.

Gruß


[Beitrag von op111 am 07. Dez 2006, 16:12 bearbeitet]
lydian
Stammgast
#15 erstellt: 07. Dez 2006, 16:14

JohnD schrieb:

Wieso 20 Aufnahmen desselben Stücks? Ich bin schockiert.


Das tut mir aber leid.
Nun, ich habe eine große Schwäche für diese Musik, und das seit meinem 12. Lebensjahr -da ist allerhand zusammen gekommen.
Trotzdem machen diese 20 Aufnahmen nur ca. 0,004% meiner Tonträgersammlung aus.


[Beitrag von lydian am 07. Dez 2006, 16:15 bearbeitet]
lydian
Stammgast
#16 erstellt: 07. Dez 2006, 16:16

lydian schrieb:

JohnD schrieb:

Wieso 20 Aufnahmen desselben Stücks? Ich bin schockiert.


Das tut mir aber leid.
Nun, ich habe eine große Schwäche für diese Musik, und das seit meinem 12. Lebensjahr -da ist allerhand zusammen gekommen.
Trotzdem machen diese 20 Aufnahmen nur ca. 0,004% meiner Tonträgersammlung aus.


PS: Es sind eher 25 oder 30 - muss doch mal zählen.....
op111
Moderator
#17 erstellt: 07. Dez 2006, 16:21

JohnD schrieb:

lydian schrieb:

NB: Ich bezeichne mich als ausgesprochenen Ravel-Fan und besitze auch mindestens 20 verschiedene Aufnahmen seiner Version der "Bilder".
Wieso 20 Aufnahmen desselben Stücks? Ich bin schockiert.


ich bin auch schockiert, ich habe von der Ravel-Fassung nur 10 und das reicht mir vollauf, für heute jedenfalls

Für die nicht Stokowski-Fassungen

Russisches Musikarchiv schrieb:
Bearbeitungen für Orchester:
Tuschmalow (1886, nur 7 Bilder)
Henry Wood (1915, nur eine „Promenade")
Maurice Ravel (1922)
Leo Funtek (1922)
Guiseppe Becce (1922, für Salonorchester)
Leonidas Leonardi (1924)
Lucien Cailliet (1937)
Leopold Stokowski (1938, ohne „Tuileries" und „Der Marktplatz von Limoges")
Walter Goehr (1942)
Sergej Gortschakow (1955)
Lawrence Leonard (1977, für Klavier und Orchester)
Wladimir Ashkenazy (1982)
Thomas Wilbrandt (1992)

Weitere Bearbeitungen:
Guiseppe Becce (Klaviertrio, 1930)
Keith Emerson, Greg Lake und Carl Palmer (Rockgruppe, 1971)
Isao Tomita (Synthesizer, 1975)
Oskar Gottfried Blarr (Orgel, 1976)
Wallisch (2 Gitarren, 1970er Jahre)
Arthur Willis (Orgel, 1970er Jahre)
Elgar Howarth (Blasorchester, 1978)
Kazuhito Yamashita (Gitarre, 1981)
Reginald Haché (2 Klaviere, 1982)
Jean Guillou (Orgel, 1980er Jahre)
Wilhelm Plate (44 Pianisten an 44 Flügeln und einem präpariertem Klavier, 1993)
Elmar Rothe (3 Gitarren, 1995)
und weitere Bearbeitungen (ohne nähere Angaben) für Jazzband, Akkordeonorchester, traditionelle chinesische Instrumente

gibt es weitere Threads:
Hier
und hier

Gruss


[Beitrag von op111 am 07. Dez 2006, 16:25 bearbeitet]
op111
Moderator
#18 erstellt: 07. Dez 2006, 16:31

lydian schrieb:
"Bydlo" setzt bei Mussorgsky fortissimo ein; ein crescendo wie bei Ravel ist nicht vorgesehen. Wenn man so will, hat Ravel hier aus einem Bild einen bewegten Film gemacht.


Macht das nicht Mehta in seiner alten Decca-Aufnahme der Ravel-Fassung (vor 1970) auch so?
Ich habe eine alte LP mit Klavier- (Ashkenazy) und Orchesterfassung, je auf einer Seite, und das Tor natürlich innen .


[Beitrag von op111 am 07. Dez 2006, 16:37 bearbeitet]
toto_el_bosse
Stammgast
#19 erstellt: 07. Dez 2006, 16:52

lydian schrieb:
Trotzdem machen diese 20 Aufnahmen nur ca. 0,004% meiner Tonträgersammlung aus.

Dann muttu ja Plattenladen haben, bei ´ner halben Million Tonträger...
lydian
Stammgast
#20 erstellt: 07. Dez 2006, 17:01
Mathe war noch nie meine Stärke. Zieht drei Nullen ab. Das kommt davon, wenn man neben der Arbeit schnell was schreibt.


[Beitrag von lydian am 07. Dez 2006, 17:02 bearbeitet]
Reiner_Klang
Stammgast
#21 erstellt: 07. Dez 2006, 17:37

lydian schrieb:
:hail Mathe war noch nie meine Stärke. Zieht drei Nullen ab. Das kommt davon, wenn man neben der Arbeit schnell was schreibt. :Y


Meine grenzenlos ehrfurchtsvolle Starre weicht dem Triumph: Wenn drei Nullen wegsollen --> 4%, macht bei 20 Platten dann eine Sammlung von 500!

Da hab sogar ich mehr!
lydian
Stammgast
#22 erstellt: 07. Dez 2006, 17:44
Die 3 Nullen war eine zuviel. Ich schreib nix mehr neben der Arbeit!!!!

Wir sollten zum Thema zurück kehren........
toto_el_bosse
Stammgast
#23 erstellt: 07. Dez 2006, 17:48


[Beitrag von toto_el_bosse am 07. Dez 2006, 17:49 bearbeitet]
op111
Moderator
#24 erstellt: 07. Dez 2006, 17:51

lydian schrieb:
Wir sollten zum Thema zurückkehren........

Ich bitte auch darum, was sind schon Zahlen!
Reiner_Klang
Stammgast
#25 erstellt: 07. Dez 2006, 18:15

Franz-J. schrieb:
Ich bitte auch darum, was sind schon Zahlen! :)


Dazu sage ich nur Gödel - Escher - Bach....
teleton
Inventar
#26 erstellt: 08. Dez 2006, 10:31
Hallo Franz J.

ich habe mit inzwischen bei amazon die Ashkenazy-Mussorgsky-Decca-CD in der Originalfaasung von Decca und nicht in der Originals-Serie für einen Superpreis bestellt.

Ich hatte auch bedenken, die Originals-CD zu nehmen, da die Kritiken der normalen Decca-CD so gut sind, mit maximaler Klangbewertung, dass ich mich für diese entschieden habe.

Ich werde von meinen Eindrücken zur Ashkenazy-Fassung berichten.
Auch von der Klavierfassung unter Ashkenazy´s Händen erwarte ich mir eine noch bessere Interpretation, als meine Philips-CD mit Brendel.
Diese CD ist die Ravel-Fassung mit Previn gekoppelt - eine Aufnahme, die ich nie wieder hören möchte .
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#27 erstellt: 08. Dez 2006, 11:25


Wie jetzt, ich dachte, Du bist auf dem Super-TOP-DSD-Remastering-Trip? Was bedeutet "maximale Klangbewertung"? Wenn irgendein Kritiker die volle Punktzahl abfährt, heisst das objektiv, dass es besser nicht mehr geht?

Umgekehrt heisst es natürlich nicht, dass diese sog. Remasterings unbedingt hörbare Verbesserungen erzielen. Aber bis jetzt war ich mit dem, was auf "The Originals" angeboten wurde, im allgemeinen recht zufrieden.



lydian schrieb:

M_on_the_loose schrieb:
Mit gefällt die Ravel-Fassung einfach persönlich am besten. Ich hoffe, dass ist OK.


Selbstverständlich, darum geht es mir nicht. Übrigens empfinde ich die Ashkenazy-Fassung noch um einiges farbenprächtiger.


Echt jetzt? Ich habe die Ashkenazy-Fassung auch mal vor sehr langer Zeit gehört, fand das nichsodoll und have das mehr oder weniger komplett aus meinem Gedächtnis gelöscht. Daher kann ich mich an praktisch nichts mehr erinnern, und dazu auch keine Meinung abgeben. Das heisst, ich könnte natürlich eine Meinung erfinden, oder einfach von irgendeiner Kritik übernehmen. Ich habe oft den Eindruck, dass viele Postings in solchen Foren auf dieser Basis zustande gekommen sind. Das finde ich aber albern...


Ich kann mich aber noch deutlich daran erinnern, dass Ashkenazy in seinem Kommentar betont, dass ihm andere Fassungen zu farbig sind, er die Musik als dunkler und düsterer empfindet, und daher diese Fassung erstellt hat.
Daher bin ich jetzt etwas überrascht, dass Du hier von "farbenprächtiger" sprichst.
Ich bin aber immer für neue (oder neubewertete alte) Ideen zu haben, also würde ich mir das gerne nochmal anhören, daher werde ich mir die CD wahrscheinlich doch noch gönnen. Ich hoffe, Du meinst das wirklich so und das ist nicht nur so eine "Ich weiss was was Du nicht weisst" Meinung wie man sie leider sehr häufig antrifft, sonst gibt's Haue



lydian schrieb:

Die Abweichungen müssen jedem auffallen, der auch nur einmal das Original hört. Hier nur die zwei krassesten:

"Bydlo" setzt bei Mussorgsky fortissimo ein; ein crescendo wie bei Ravel ist nicht vorgesehen. Wenn man so will, hat Ravel hier aus einem Bild einen bewegten Film gemacht.

Die Promenade vor dem "Limoges"- Bild fehlt bei Ravel vollkommen!


Ich weiss, dass Bydlo eigentlich ff beginnt, aber das stört mich nicht im geringsten. Um ehrlich zu sein, finde ich das auch wesentlich besser, weil das sonst schnell etwas zu repetitiv wird. Ich glaube, dass bei Mussorgsky die Bilder bereits "verfilmt" sind, Musik findet ja nun mal auf der zeitlichen Ebene statt, obwohl Ravel natürlich hier noch ein paar "Einstellungen" des gleichen Motivs hinzugefügt hat. Ich finde das ziemlich klasse, wie der Karren so langsam ankommt, vorbeizieht, und dann verschwindet.

Warum die eine Promenade fehlt, weiss ich auch nicht genau. Ich glaube, dass die in Ravel's Edition nicht fehlte, dass er das aber ein bisschen zu hartnäckig wiederholt fand. Ich kann mich aber nicht mehr genau erinnern, ob das so stimmt.


lydian schrieb:
NB: Ich bezeichne mich als ausgesprochenen Ravel-Fan und besitze auch mindestens 20 verschiedene Aufnahmen seiner Version der "Bilder". Für mich ist die Ashkenazy-Version jedoch mit deutlichem Abstand die stimmigste.


So viele habe ich nicht, ich glaube, ich habe 6 oder 7, aber wesentlich mehr Aufnahmen mal gehört. Und oft im Konzert gehört und gespielt. Das Stück wird ja beinahe ständig im Konzert gespielt. Ich habe mir das mittlerweile auch ein bisschen überhört. Neulich hatte ich die Gelegenheit, mir das im Konzert mit Salonen und LAP anzuhören, musste dann aber feststellen, dass ich darauf keine Lust hatte. Ich habe es erst letztes Jahr oder so mit Gergiev und LAP gehört. Das war sehr prima, aber ich dürste z.Zt. selten nach der Musik.
Wenn doch mal, greife ich normalerweise zu der Aufnahme mit NYP und Sinopoli auf DG. Die finde ich in jeder Hinsicht herausragend.

Welche Aufnahmen hörst Du am liebsten?
lydian
Stammgast
#28 erstellt: 08. Dez 2006, 15:34

M_on_the_loose schrieb:

Ich kann mich aber noch deutlich daran erinnern, dass Ashkenazy in seinem Kommentar betont, dass ihm andere Fassungen zu farbig sind, er die Musik als dunkler und düsterer empfindet, und daher diese Fassung erstellt hat.
Daher bin ich jetzt etwas überrascht, dass Du hier von "farbenprächtiger" sprichst.


Ashkenazy sprach davon (Interviev in einem Film von Christopher Nupen), dass er mit der bei Mussorgsky oft zu findenden Vortragsbezeichnung "in modo russico" andere Klangfarben assoziiert als Ravel sie gefunden hat. Auch davon,dass Ravel bei seiner Bearbeitung wohl von einer "rotten copy" ausgegangen sei. Die einzige Bearbeitung, die er vollkommen stimmig fände, seien die Küken, auch, weil man da nichts falsch machen könne. Insgesamt empfinde er die Instrumentierung als zu französisch und nicht russisch genug.

Als wesentlich farbenprächtiger empfinde ich beispielsweise "Tuileries" und sogar das "Große Tor", wo sich das Orchester, anders als bei Ravel, am Ende eben nicht überschlagen muss, um noch eine Steigerung zu erzielen. Auch die Assoziationen an Kirchenglocken und die Musik in der russisch-orthodoxen Liturgie erscheint mir von Ashkanazy deutlich besser realisiert.
"Catacombae" malt Ashkenazy deutlich dunkler und unheimlicher; "Schmuyle" zeichnet er als schüchternen, verängstigten Menschen, nicht wie Ravel als quengelige Nervensäge. Hier kam mir übrigens die Frage, ob er als russischer Jude (ich weiß über seine Religion nichts, aber der Name deutet halt sehr darauf hin) die Charakterisierung Schmuyles durch Ravel als beleidigend empfand.


M_on_the_loose schrieb:

Ich finde das ziemlich klasse, wie der Karren so langsam ankommt, vorbeizieht, und dann verschwindet.


Das ist richtig, das hat was. Nur hat es der Komponist halt anders notiert.


M_on_the_loose schrieb:

Warum die eine Promenade fehlt, weiss ich auch nicht genau. Ich glaube, dass die in Ravel's Edition nicht fehlte, dass er das aber ein bisschen zu hartnäckig wiederholt fand. Ich kann mich aber nicht mehr genau erinnern, ob das so stimmt.


Sollte das der Grund gewesen sein, hätte Ravel eine der früheren Promenaden eliminieren müssen. Während sie am Anfang noch regelmäßig ertönt, erscheint die Melodie im weiteren Verlauf (in Ravels Bearbeitung) nur noch in den Bildern (Cum mortuis in lingua mortua, Das große Tor von Kiev). Die Streichung der Promenade vor dem Limoges-Bild ezeugt aus meiner Sicht ein Ungleichgewicht.


M_on_the_loose schrieb:

Welche Aufnahmen hörst Du am liebsten?


Giulini höre ich sehr gerne; auch - als Kontrapunkt - Toscanini, der die Bilder eher holzschnittartig zeichnet. Schon an diesen beiden magst Du erkennen, dass ich keinen ausgeprägten Favoriten habe. Ich liebe die Abwechslung und höre so auch die Versionen von Gortschakov, Funtek etc.
Der Audiophile in mir mag das Reissue der Reiner-LP von 1957.


[Beitrag von lydian am 08. Dez 2006, 15:36 bearbeitet]
op111
Moderator
#29 erstellt: 11. Dez 2006, 19:42
Hallo zusammen,

lydian schrieb:
Ashkenazy sprach davon (Interviev in einem Film von Christopher Nupen), dass er mit der bei Mussorgsky oft zu findenden Vortragsbezeichnung "in modo russico" andere Klangfarben assoziiert als Ravel sie gefunden hat.

@lydian: ich erinnere mich kaum noch an jenen Film. Ich meine aber, Ashkenazy hat aus Lizenz-/Kostengründen die Funtek-Instrumentation dirigiert, von der es ja auch nicht allzuviele Aufnahmen gibt.

Gruß


[Beitrag von op111 am 11. Dez 2006, 19:42 bearbeitet]
lydian
Stammgast
#30 erstellt: 11. Dez 2006, 20:06

Franz-J. schrieb:
@lydian: ich erinnere mich kaum noch an jenen Film. Ich meine aber, Ashkenazy hat aus Lizenz-/Kostengründen die Funtek-Instrumentation dirigiert, von der es ja auch nicht allzuviele Aufnahmen gibt.


Das ist in Bezug auf die Verfilmung einer Aufführung der Orchesterfassung richtig; Kostengründe gaben den Ausschlag für die Funtek-Fassung (die ich nicht so gelungen finde). Trotzdem drehte sich das Gespräch um die Ravel-Fassung und die enthaltenen Fehler. Das weiß ich noch genau, habe die Sendung damals auch aufgezeichnet.

Muss, wenn ich zu Hause bin, nochmals in Ashkenazys Biographie nachlesen. Ich meine mich zu erinnern, dass er die Auseinandersetzung mit dem Werk anlässlich des Films zum Anlass nahm, eine eigene Instrumentation zu bewerkstelligen. Von seiner Fassung war im Film überhaupt nicht die Rede.
op111
Moderator
#31 erstellt: 11. Dez 2006, 20:15
Ich habe den Film im deutschen Fernsehen geschaut und meine es war zur Zeit der CD-Veröffentlichung, es kann aber sein, daß dieser Zeitpunkt nur aus PR-Gründen gewählt wurde.
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#32 erstellt: 12. Dez 2006, 10:55
Ich kann mich an den Film auch noch ganz dunkel erinnern, aber wirklich nur ganz dunkel. Genauso wie Ashkenazys Kommentare im Begleitheft, die auch erst durch die Erwähnungen hier wieder aus den Tiefen meines Hirns hochgestiegen sind.
Ich glaube, dass ich mit dem, was ich am Anfang hier gesagt habe, nämlich dass es dieses komische Klischee gibt, dass die Ravel-Fassung zu "französisch" und "brilliant" für "russische Musik" sei, mich unbewusst auf diese Äusserungen bezogen habe.
Ich finde das ein bisschen komisch. Ashkenazy weiss sicher wovon er spricht, und er kennt sich offensichtlich im Bereich russische Musik auch sehr gut aus, trotzdem finde ich das sehr seltsam, was er so zu dem Thema erzählt. Sehr klischeehaft - und im Prinzip auch ziemlich falsch. Erstmal ist Ravel's Instrumentierung überhaupt nicht besonders "französisch", sondern eine sehr individuelle Palette und Technik, die sehr viel dem Studium russischer Musik, vor allem der Werke von Rimsky-Korsakov (oder Rimskij-Korssakow, wenn Ihr wollt), verdankt. Und, wie man am Beispiel R-K, aber auch einiger anderer russischer Komponisten sehen kann, ist es eigentlich Unsinn, zu behaupten, russische Musik sei immer "dunkel" und "erdig", und übrigens sehen viele der originalen "Kartinki" auch nicht besonders dunkel aus. Ich finde es jedenfalls etwas seltsam, wenn solche Klischees undifferenziert verbreitet werden, besonders von russischen Künstlern, die das eigentlich besser und differenzierter sehen sollten.



Das ist richtig, das hat was. Nur hat es der Komponist halt anders notiert.


Na, ja...äh...der Komponist hat das ganze Stück völlig anders notiert, nämlich für Klavier, nicht für Orchester. Jede Orchesterfassung ist eine ziemlich massive Adaptierung, ich glaube, das spielt keine Rolle, wenn der Bearbeiter Details wie den Dynamikverlauf ändert, wenn er der Ansicht ist, dass das für das "Instrument" grosses Orchester effektiver ist. Wenn man das so puristisch sieht, muss man eigentlich jede Bearbeitung ablehnen und beim Klavier-Original bleiben.


Der Audiophile in mir mag das Reissue der Reiner-LP von 1957.


Wieso der Audiophile? Ich finde diese RCA-Aufnahmen aus den 50ern ziemlich gut - *für die Zeit der Aufnahme*, obwohl selbst zu der Zeit manche Labels schon wesentlich besser klingende Aufnahmen hingekriegt haben - aber irgendwie "audiophil" finde ich die überhaupt nicht. RCA haben aber die Einschränkungen der damaligen Technik sehr clever benutzt, und durch gezieltes Highlighting und Scharfzeichnen hier und da recht geschickt ein ansprechendes, "aufregendes" Klangbild erzielt, aber im grossen und ganzen finde ich nicht, dass das so toll klingt.

Allerdings habe ich mir gerade die Aufnahme von "Daphnis et Chloé" mit Munch/BSO (1955) zugelegt, und die klingt in der Tat immer noch recht frisch - natürlich handelt es sich hier um ein anderes Orchester und einen anderen Dirigenten, aber das gleich Label zur gleichen Zeit, wahrscheinlich mit dem gleichen Equipment (und dem gleichen Aufnahmeteam?).


[Beitrag von M_on_the_loose am 12. Dez 2006, 11:14 bearbeitet]
lydian
Stammgast
#33 erstellt: 12. Dez 2006, 14:50

M_on_the_loose schrieb:

Erstmal ist Ravel's Instrumentierung überhaupt nicht besonders "französisch", sondern eine sehr individuelle Palette und Technik, die sehr viel dem Studium russischer Musik, vor allem der Werke von Rimsky-Korsakov (oder Rimskij-Korssakow, wenn Ihr wollt), verdankt.



Ich erinnere mich an ein Statement von Ashkenazy im Beiheft seiner Aufnahme zentraler Debussy-Werke mit dem Cleveland Orchestra. Da schreibt er explizit, dass die Klangfarben der so genannten französischen "Impressionisten" ohne die Vorbilder der russischen Komponisten, insbesondere R-K, nicht denkbar seien.

Ashkenazy zu seiner Bearbeitung der Bilder:

"Ich bewundere die Orchestrierung Ravels überaus und finde, daß es ein fantastisches Werk ist. Es hat aber meiner Meinung nach sehr wenig von Mussorgsky. Man braucht nur Boris Godunow in der Originalfassung hören, um zu verstehen, was ich meine. [...]
Ravel war wahrscheinlich selbst ein zu großes Genie, und ich vermute, dass er irgendwo ganz in seinem Inneren ein bißchen auf Mussorgsky herabsah, der kein ausgebildeter Musiker, sondern ein Amateur war. [...] Er hatte niemals Orchestrierung studiert und besaß sehr wenig Kenntnisse in Harmonielehre und Kontrapunkt - so muß er diesem geschliffenen Genie Ravel ziemlich primitiv vorgekommen sein.
Ravel änderte vieles am Notentext, einschließlich der Dynamik, und baute alle Fehler der ersten Klavierausgabe ein. Er versuchte niemals, das Manuskript oder ein Faksimile einzusehen [...]

Jedenfalls will ich nicht mit Ravel wetteifern - ich weiß, daß ich das gar nicht könnte. Wenn ich aber ein bißchen mehr von Mussorgsky offenbart habe, würde mich das freuen. Das ist alles, was ich beabsichtige."


in:
Jasper Parrot
Vladimir Ashkenazy
Zürich 1987


[Beitrag von lydian am 12. Dez 2006, 14:51 bearbeitet]
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#34 erstellt: 12. Dez 2006, 17:50

lydian schrieb:

M_on_the_loose schrieb:

Erstmal ist Ravel's Instrumentierung überhaupt nicht besonders "französisch", sondern eine sehr individuelle Palette und Technik, die sehr viel dem Studium russischer Musik, vor allem der Werke von Rimsky-Korsakov (oder Rimskij-Korssakow, wenn Ihr wollt), verdankt.



Ich erinnere mich an ein Statement von Ashkenazy im Beiheft seiner Aufnahme zentraler Debussy-Werke mit dem Cleveland Orchestra. Da schreibt er explizit, dass die Klangfarben der so genannten französischen "Impressionisten" ohne die Vorbilder der russischen Komponisten, insbesondere R-K, nicht denkbar seien.


Jetzt also wieder anders herum. Es sieht ein bisschen so aus, als ob olle Vladimir ziemlich unreflektiert losplaudert, je nachdem, was ihm gerade so in den Sinn kommt...
Ob der Einfluss bei Debussy auch so deutlich ist, weiss ich nicht. Spontan würde ich das eigentlich eher bezweifeln, aber ich habe darüber noch nie nachgedacht.


lydian schrieb:

Ashkenazy zu seiner Bearbeitung der Bilder:

"Ich bewundere die Orchestrierung Ravels überaus und finde, daß es ein fantastisches Werk ist. Es hat aber meiner Meinung nach sehr wenig von Mussorgsky. Man braucht nur Boris Godunow in der Originalfassung hören, um zu verstehen, was ich meine. [...]
Ravel war wahrscheinlich selbst ein zu großes Genie, und ich vermute, dass er irgendwo ganz in seinem Inneren ein bißchen auf Mussorgsky herabsah, der kein ausgebildeter Musiker, sondern ein Amateur war. [...] Er hatte niemals Orchestrierung studiert und besaß sehr wenig Kenntnisse in Harmonielehre und Kontrapunkt - so muß er diesem geschliffenen Genie Ravel ziemlich primitiv vorgekommen sein.
Ravel änderte vieles am Notentext, einschließlich der Dynamik, und baute alle Fehler der ersten Klavierausgabe ein. Er versuchte niemals, das Manuskript oder ein Faksimile einzusehen [...]

Jedenfalls will ich nicht mit Ravel wetteifern - ich weiß, daß ich das gar nicht könnte. Wenn ich aber ein bißchen mehr von Mussorgsky offenbart habe, würde mich das freuen. Das ist alles, was ich beabsichtige."


in:
Jasper Parrot
Vladimir Ashkenazy
Zürich 1987


Auch das finde ich wenig überzeugend und reflektiert. Ich weiss genauso wenig wie Ashkenazy, was Ravel so von Mussorgskys Fähigkeiten gehalten hat. Ravel hat sich ja im allgemeinen sehr wenig, und wenn, dann oft abwehrend und kryptisch über seine eigene Arbeit geäussert ("Ansermet hält Boléro für ein Meisterwerk - ich kann nicht verstehen, warum"). Ich würde aber eher spekulieren, dass ein Komponist, der so stark an allen möglichen, nicht unbedingt akademisch ausgereiften Musikstilen (z.B. auch Jazz) interessiert war, wahrscheinlich eher nicht auf ein so offensichtlich Genie wie Mussorgsky herabgesehen hat, und dass er die Dynamikänderungen eher deshalb gemacht hat, weil er fand, dass das so für das vom Klavier völlig unterschiedliche Medium Orchester eher geeignet ist. Aber wie gesagt, genauso nur Spekulation meinerseits.
Ob es damals überhaupt Faksimiles des Autographs gab, wage ich aber zu bezweifeln. Ravel hat wahrscheinlich den Notentext, so wie er ihm vorlag oder vielleicht von Koussevitzky gegeben wurde, einfach als Vorlage genommen und losgearbeitet. Eine musikwissenschaftlich möglichst genaue Rekonstruktion eines mutmasslichen Orchesteroriginals von Mussorgsky (das es ja nie gab) was sowieso nie Sinn der Übung.
Man muss auch bedenken, dass Mussorgsky selber seine Stücke auch nicht als heilige Offenbarungen angesehen und daher kontinuierlich daran herumgebastelt hat.
Wo er aber mal tatsächlich mal ein Orchesterwerk mehr oder weniger vollendet hat, z.B. bei der orchestralen Fassung von "Nacht auf dem kahlen Berge", zeigt er sich aber durchaus als ziemlich unkonventionellen und farbenfrohen Orchestrierer. Da ist von durchgehender russischer "Erdigkeit" eigentlich nicht viel zu sehen.

Was mich aber auch noch interessieren würde, das wurde ja schon erwähnt, was ist eigentlich mit der Überschreibung "in modo russico" gemeint? Dass das wie oben gesagt besonders viel mit Klangfarben zu tun hat, finde ich nicht unbedingt zwinglich überzeugend. Was könnte das sonst noch bedeuten?
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