Simulation PA Anlagen, welche Pegel sind nötig?

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Elektroninger
Neuling
#1 erstellt: 30. Jul 2025, 08:00
Hallo Forum ,

ich bin gerade dabei eine PA Anlage für eine Bar mit Ease Focus zu simulieren. Das klappt soweit ganz einfach, aber bezüglich der Interpretation der Ergebnisse, ob die erreichbare Lautstärke angemessen ist, habe ich leider zu wenig Erfahrung und konnte auch zu dem Punkt an dem ich hänge nichts finden.

Hier mal meine Vorgehensweise, bitte meldet euch bei Einwänden :

1. Bezüglich der notwendigen Schalldruck und Lautstärkepegel hätte ich mich jetzt mal an den Normen orientiert: Irgendwo steht das man einen maximalen Lautstärkepegel von 99dB, A bewertet, nicht überschreiten soll. Somit braucht es später auch nirgends mehr haben (finde ich). Eine "Reserve" kann vermutlich nicht schaden, aber da Ease Focus ja keinerlei Raumreflexionen berücksichtigt, wirds später ohnehin lauter.

2. Irgendwo ist auch ein Mindestlautstärkepegel, A bewertet, für Rock Bühnen definiert, das sind 90dB am Rand der Zuschauerflächen. 10dB Lautstärke mehr oder weniger wird als halb so laut empfunden. Wenn es also am Rand nur noch halb so laut ist als am lautesten Punkt, ist das nach meinem Empfinden auch in Ordnung, es schadet ja auch nichts wenn es ruhigere Plätze gibt. Leiser machen kann mann später ohnehin leicht.

3. Jetzt gehts um den Frequenzgang: Soweit ich das recherchiert habe, hat man bei Live Rock Musik usw. gerne im Bassbereich mindestens 6dB mehr gegenüber den Höhen. Hier sagt aber jeder was anderes, hängt logischerweise auch von Location und Genre ab.

4. Nun die Pegelverteilung im Bassbereich: Wenn ich mir nun den Direktschallpegel, unbewertet, bei 63Hz anschaue, was muss man hier erreichen? Wenn der Bass 6dB lauter sein soll als die Höhen, wären das ca 106dB SPL. Das kommt mir aber irgendwie etwas wenig vor. Vielleicht hab ich einen Denkfehler und mann muss noch den Einfluss der A Bewertungsfunktion hinzurechnen, was bei 63Hz ca 28dB wären. Dann wären es 133dB SPL. Das kommt mir etwas viel vor...


Also:

Welche Schallpegel haltet ihr für eine Kneipe mit 150qm und "gemischter" Bespielung, also Geburtstagsfeier mit DJ, Live Konzert kleinerer Rockbands mit echtem Schlagzeug, für auf jeden Fall genug, im Bass und Höhen Bereich? Es soll auf jeden Fall soweit ausreichend sein, das keiner mehr was dazu bauen muss, EDM ausgenommen

Viele Grüße,
Andi
the_flix
Inventar
#2 erstellt: 30. Jul 2025, 09:30
Das ist ein spannendes Thema.

Du beziehst dich sicher auf die DIN 15905-5 bzgl. der 99 dB. 2 Dinge sind hier zu beachten. Der A-bewertete Schalldruckpegel ist ein zeitliches Mittel über 30 min. Und wenn dem Publikum kein Gehörschutz zur Verfügung gestellt wird, liegt der Grenzwert bei 95 dB LAeq und nicht bei 99 dB LAeq. Für eine Bar (und im Prinzip für alles andere auch) ist das aus meiner Sicht der wesentlich erstrebenswertere maximale Pegelwert.

Von einem definierten Mindestpegel für Rock-Bühnen höre ich zum ersten Mal. Hast du dazu eine Quelle?

Ease Focus berechnet meines Wissens nach den maximalen Schalldruckpegel über die Empfindlichkeitskurve und die maximale RMS-Eingangsspannung für 1 min des Lautsprechers.
hier ab S.47
Gehen wir mal davon aus, dass es keinen wesentlichen Unterschied zwischen 1 min und 30 min gibt. Und auch dass die Freiheit, die Messdaten mit einem Rauschen mit 6 oder 12 dB Crestfaktor zu ermitteln, keine Auswirkung hat. Dann ist die Rechnung meiner Ansicht nach trotzdem nur für breitbandige Anregungen korrekt und nicht für einzelne Frequenzen. Bei denen kann die maximale Eingangsspannung anders aussehen, als bei breitbandiger Anregung. Somit sind die Simulationsergebnisse einzelner Frequenzen von Ease hier aus meiner Sicht zumindest fragwürdig.
Des Weiteren ist zu beachten, dass bei der ermittelten maximalen Eingangsspannung und dem daraus simulierten Schalldruckpegel bereits eine Veränderung des Frequenzgangs von 3 dB eintritt (siehe S. 269 im verlinkten Dokument). Diese Frequenzgangsverzerrung wird aber nach meinem Verständnis nicht im Simulationsergebnis abgebildet.

Ich halte es auch nicht für sinnvoll, ein System "auf Kante" auszulegen. Jeder Lautsprecher klingt besser, wenn er nicht auf Anschlag läuft. Außerdem lebt er dann länger. Headroom ist eine tolle, aber auch fiese Sache. Man bezahlt für einen Maximalpegel, den man nie ausnutzt. In Dezibel ausgedrückt scheinen die Zahlen nicht groß, technisch (linear) gesehen sind aber z.B. 6 dB Headroom haben oder nicht haben ein gewaltiger Unterschied.

Im Bass ist es nicht sinnvoll, A-bewertete Pegel zu betrachten. C- oder Z-bewertet (keine Filterung) ist anzuwenden. 6 dB mehr Bass ist noch sehr gemäßigt. Meine letzte Messung auf einem Live-Konzert lag so bei 92 dB LAeq und 118 dB Cpk am FOH. Ein Teil des Unterschieds kommt durch die peak-Messung statt des zeitlichen Mittels in Kombination mit der hohen Dynamik von Live-Signalen. Aber es zeigt die grundsätzliche Tendenz.

Deine Anforderung "Rockband mit echtem Schlagzeug" ist nicht ohne, gerade in einem kleinen Raum. Ein motiviert gespieltes Schlagzeug kann sehr laut werden. Direk vor der Bühne sind die 99 dB LAeq damit oft nicht mehr einzuhalten (und die 95 dB erst recht nicht), vollkommen egal, was die PA macht. Wenn du dann will, das Vocals und anderes, das auf die PA angewiesen ist, noch darüber zu hören ist, hast du gar keine andere Wahl, als ein System zu verbauen, dass dementsprechende Schalldruckpegel generieren kann.
Die Raumakustik, insbesondere auf der Bühne, entscheidet hier über Sieg oder Niederlage. Breitbandige Absorption ist das einzige Mittel, sofern man das Drumset nicht ganz einbauen will.

Zusammengefasst und unter der Berücksichtung der Simulationsmethode von Ease Focus und dem Thema Headroom sehe ich ein A-bewertes Simulationsergebnis irgendwo zwischen 103 und 106 dB und ein Z-bewertetes Simulationsergebnis von ca. 10 dB mehr als einen sinnvollen Startpunkt. Wie schon gesagt, geht es nachher nicht darum, diese Pegel dauerhaft zu fahren, sondern darum, ein betriebssicheres System zu erhalten, das nicht am Kotzpunkt gefahren werden muss.

Ich persönlich simuliere so was gerne mit ArrayCalc. Die Funktion HeadroomCalc kann den Schalldruckpegel mit verschiedenen Bewertungen an mehreren Punkten unter Berücksichtigung der tatsächlichen Lautsprecherlimiter und unter Verwendung beliebiger Audiosignale simulieren. Logischerweise geht das nur mit d&b Lautsprechern. Aber man kann sich so einen Eindruck verschaffen, was mit welcher Systemgröße erzielbar ist und wie groß die Unterschiede zwischen den Bewertungen sind.
stoneeh
Inventar
#3 erstellt: 30. Jul 2025, 14:40

Elektroninger (Beitrag #1) schrieb:
1. Bezüglich der notwendigen Schalldruck und Lautstärkepegel hätte ich mich jetzt mal an den Normen orientiert: Irgendwo steht das man einen maximalen Lautstärkepegel von 99dB, A bewertet, nicht überschreiten soll. Somit braucht es später auch nirgends mehr haben (finde ich). Eine "Reserve" kann vermutlich nicht schaden, aber da Ease Focus ja keinerlei Raumreflexionen berücksichtigt, wirds später ohnehin lauter.


Zur richtigen Interpretation: A-Bewertung (Pegelbewertung entsprechend der menschlichen Hörempfindlichkeit) zieht im Bassbereich ~20, 30 dB ab. Ebenfalls ist der genannte Wert ein Leq Wert, d.h. ein Langzeitmittel. Unbewertet, Kurzzeitmittel, entspricht dieser Wert ca. 120-130 dB SPL. Die 99 dB wirken für den Laien, der das liest, also evtl. zuerst mal wenig beeindruckend, ist aber tatsächlich ein ganz schönes Pfund.

Mehr brauchst du also auf gar keinen Fall einplanen; abgesehen davon dass du es nicht darfst - der genannte Maximalwert ist in Deutschland afaik gesetzlich bindend.


Elektroninger (Beitrag #1) schrieb:
2. Irgendwo ist auch ein Mindestlautstärkepegel, A bewertet, für Rock Bühnen definiert, das sind 90dB am Rand der Zuschauerflächen. 10dB Lautstärke mehr oder weniger wird als halb so laut empfunden. Wenn es also am Rand nur noch halb so laut ist als am lautesten Punkt, ist das nach meinem Empfinden auch in Ordnung, es schadet ja auch nichts wenn es ruhigere Plätze gibt. Leiser machen kann mann später ohnehin leicht.


Minimalpegel bei Konzert ist immer noch saulaut. Weiß nicht, ob das deine Absicht ist (siehe später).


Elektroninger (Beitrag #1) schrieb:
3. Jetzt gehts um den Frequenzgang: Soweit ich das recherchiert habe, hat man bei Live Rock Musik usw. gerne im Bassbereich mindestens 6dB mehr gegenüber den Höhen. Hier sagt aber jeder was anderes, hängt logischerweise auch von Location und Genre ab.


Auch bei dem Punkt muss man etwas ins Detail gehen, und zwischen Verhalten von Lautsprechern bei Kleinsignal (leise) und Großsignal (laut) differenzieren. Sagen wir, ein Lautsprecher misst sich bei Kleinsignal linear. Dieser Lautsprecher wird dann, wenn man ihn Richtung seinem Limit betreibt (Großsignal), unter Kompressionseffekten leiden, die der Erfahrung nach meist im Bass am schwerwiegendsten sind, und unter Klirr, welcher an vielfachen der fundamentalen Frequenz stattfindet. D.h. bei Großsignal spielt der Lautsprecher nicht mehr linear, und das Klangbild verschiebt sich ins mitten- und höhenlastige. Das ist, was man gerne am Klangregler / EQ durch Bassanhebung ausgleicht. Allerdings ist das bei PAs, die man für eine gewisse Beschallungsaufgabe sehr groß dimensioniert, d.h. so, dass man sie nie nahe des Limits betreiben muss, nicht notwendig, und diese klingen auch ohne zusätzliche Bassanhebung druckvoll.

Als weiteren notwendigen Kontext gibt's zu bedenken, dass Musik bereits stark basslastig ist. Das muss man grundsätzlich nicht noch mit zusätzlicher Bassanhebung per EQ addieren. Hier eine Analyse des üblichen Frequenzspektrums von Musik, aus Long-term Average Spectrum in Popular Music and its Relation to the Level of the Percussion, AES, 2017:

Statistique SPL


Elektroninger (Beitrag #1) schrieb:
Welche Schallpegel haltet ihr für eine Kneipe mit 150qm und "gemischter" Bespielung, also Geburtstagsfeier mit DJ, Live Konzert kleinerer Rockbands mit echtem Schlagzeug, für auf jeden Fall genug, im Bass und Höhen Bereich? Es soll auf jeden Fall soweit ausreichend sein, das keiner mehr was dazu bauen muss, EDM ausgenommen ;)


Ich würde mich, wie Anfang des Posts schon angedeutet, an einem Kurzzeitmittel orientieren. Das ist sowohl das, das den in der Praxis empfundenen Schalldruckpegel am besten widerspiegelt, als auch das, was die meisten DB-Meter standardmäßig messen.

Orientierungswerte, für Geburtstagsfeier in ner Kneipe? 110 dB LZF (unbewertetes Kurzzeitmittel).. was dann so auf ~80-85 dB LAeq rauskommt. Dein Szenario hat ja ganz andere Anforderungen wie Club, Rave oder Konzert, wo man sich nicht mehr unterhalten kann und der Bass enorm drückt. 10, 20 dB weniger als das ist auch noch laut.

Die PA selbst wählt man gerne mit etwas Headroom.. weil's betriebssicherer ist, und, wie vorhin dargelegt, zu eine saubereren, souveräneren Wiedergabe führt. Rechne also für die Bemessung der PA auf den im letzten Absatz genannten Wert 10 dB oben drauf. Selbst das sollte dann aber mit einem stinknormalen 2.4 System (ich denke an zwei 12" Tops, vier 18" BR Subs) für den Mainfloor gehn.


Insg., während Planung und Vorbereitung ja gut ist, schießt du für diese Aufgabe mit deiner Simu mMn wohl eher mit Kanonen auf Spatzen. Einfach bisschen Forum lesen, was üblicherweise für diese Flächen gestellt wird, oder einfach mal auf ein paar Parties und Feste gehen und sehen was da steht und was die Menge an Material so leistet hätte schon gereicht. Darüber hinaus sind Berechnungen bzw. Simulationen nicht trivial, und eher für Experten bestimmt. Bei Laien schleichen sich gerne Bedienungs- bzw. Berechnungsfehler ein, die sie dann erst wieder zu falschen Ergebnissen bzw. Schlüssen führen. Da wärst du mit ein bisschen einfacher Recherche wahrscheinlich näher an der Wahrheit dran.

Was du so oder so machen solltest ist mal bei ein paar Verleihern anklopfen, und testweise 1, 2 Systeme mieten, dass du eigene Erfahrungen gewinnen kannst. Das hilft dir mehr wie ne Simu.

Und schlussendlich sind Max. SPL und Frequenzgang nicht die einzigen ausschlaggebenden Punkte. Priorität muss auch auf sinnvoller Schallverteilung liegen. Es gibt bei zu einer beschallenden Location üblicherweise den Dancefloor, wo es lauter sein soll, und dann den Barbereich u.ä., wo man's normalerweise ruhiger haben will. Etc. Das musst du auch bedenken.
Elektroninger
Neuling
#4 erstellt: 31. Jul 2025, 20:41
Hi,
vielen Dank für eure ausführlichen Antworten!

Das deckt glaube ich alles ab was ich wissen wollte.

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