Der APPJ PA1501A mit 6AD10 Rohr und andere China-Böller

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RoA
Inventar
#1 erstellt: 12. Jun 2019, 16:15
Hallo zusammen,

der Hype um den Dynavox VR-70 ist ja mittlerweile weitgehend verstummt, und mit einem aufgerufenem Preis von inzwischen >600€ dürfte er sich bei den meisten wohl auch ausgepreist haben (in den Anfangszeiten kostete er noch um die 250€). Dafür tummeln sich jetzt in der Bucht und den sonstigen Versendern preiswerte Kleinverstärker ab ca. 150€ aufwärts von Anbietern wie z.B. Nobsound, GemTune, APPJ, Douk und anderen, über die man im Netz und auch hier so gut wie nichts findet. Und damit stellt sich die Frage, was man von solchen Angeboten erwarten kann.

Ich fange mal mit dem PA 1501A von APPJ an, der nun seit über drei Jahren als Gadget und Brüllwürfel-Ersatz auf meinem Schreibtisch steht. Aufmerksam auf das Gerät wurde ich beim Schmökern auf Amazon und dachte mir, dass so ein kompaktes Teil vielleicht was sein könnte. Über APPJ konnte ich im Netz praktisch nichts in Erfahrung bringen, und auch die 6AD10 mußte ich erstmal ergooglen, denn dieser Röhrentyp war mir vollkommen unbekannt. Dabei stieß ich relativ schnell auf Compactrons, also Verbundröhren mit 12 Stiften, entwickelt vor über 50 Jahren für amerikanische Farbfernseher der 60er. Ein ziemlicher Exot also, hier alles andere als gängig, denn solche Fernseher waren in den 60ern nicht unbedingt ein Importschlager. Aber die Versorgungslage scheint auch hier noch ganz gut zu sein, jedenfalls ist sie bei den bekannten Röhrenhändlern für vergleichsweise kleines Geld zu haben. Es handelt sich dabei um ein System mit zwei Pentoden, so daß man mit einer Röhre schon einen Verstärker mit brauchbarer Leistung bauen kann, lt. Datenblatt 4,2 Watt bei bescheidenen 10% Klirrfaktor. Lt. den Eckdaten soll das Verstärkerchen 3,5 Watt leisten, bei 30-40KHz (+/- 1db), ohne Angabe des Klirr. Das entspricht leistungsmäßig schon fast einer EL84, wobei die 6AD10 ohne Zipfel und dem gedungenen Format besser aussieht, vor allem in Betrieb, denn letztere macht aufgrund der stärkeren Heizung mehr Licht. Da ich ansonsten kaum weitergehende Informationen im Netz über das 6AD10 Rohr oder den Anbieter APPJ finden konnte, habe ich ihn gekauft.

Geliefert wurde er in einem sehr stabilen Karton mit Hartschaum-Einlage, bereits eingesteckten Röhren, aber ohne Netz-Kabel, ohne Bedienungsanleitung, ohne Röhrenkäfig, dafür mit CE-Zeichen. Da könnte sich manch einer die Frage nach der Verkehrsfähigkeit stellen. Das Interface ist allerdings selbsterklärend: Ein nicht beschrifteter Lautstärke-Regler und ein rückseitig angebrachter Ein-/Aus-Schalter mit integrierter Glimmlampe, das war's. Der Verstärker hat nur einen Eingang, die Lautsprecher werden über Bananenbuchsen angeschlossen.

Die Eckdaten:
Tube: 6AD10
Ausgangsleistung: 3,5 W + 3,5 W an 8 Ohm
Frequenzgang: 30-40Khz (+/-1 dB)
Eingangsempfindlichkeit: 500 mV
Signal-Rauschabstand: -80 dB / 3.5W
Restrauschen <0,5 mV AC
Eingangswechselspannung: 100-250V AC
Leistungsaufnahme: 38W
Eingangsimpedanz: 10 kOhm
Ausgangsimpedanz: 8/6/4 Ohm (Japan Z11-EI48 * 24 Transformatoren)
Abmessungen: 160mm (B) x 134mm (d) x 125 mm (H)
Gewicht: 2,1 KG
Eingang: RCA Jacks
Output: Banana Jacks
AC: Standard IEC Jack mit Absicherung (2A Sicherung)

Bilder gibt es hier von mir erstmal keine, s. dazu den Link weiter unten oder hier ( https://www.audiogon...hannel-tube-amp-tube ) oder Tante Google, es gibt sogar diverse Videos bei youtube. Die Anfass-Qualität ist ordentlich. Das Gehäuse besteht aus Aluminium (anodisiert), die geschraubten Hutmuttern am Boden dienen gleichzeitig als Standfüsse (wegen Kratzer-Gefahr auf empfindlichen Untergründen empfiehlt sich eine Unterlage) und die Spaltmaße würden auch einen Herrn Winterkorn zufrieden stellen. Der Lautstärkesteller ist ebenfalls aus Aluminium und leicht geriffelt, wobei er am Rand einen leichten Grat hat, der die Anfass-Qualität beeinträchtigt und für Abzüge in der B-Note sorgt. Genauso wie der rückwärtig deplatziert angebrachte Schalter mit integrierter Kontroll-Leuchte. Ansonsten gibt es an der Haptik nichts zu meckern, das gilt auch für die Anschlüsse.

Das Gerät hat keinen Trafo, sondern ein integriertes Schaltnetzteil, was zusammen mit den kleinen Übertragern die kompakte Bauform von lediglich ca. 13,5*13,5cm Grundfläche bei gerade mal 12cm Höhe und einem Gewicht von gerade mal 2,1 KG ermöglicht. Die Leistungsaufnahme liegt bei niedrigen gemessenen ca. 38 Watt. Trotzdem wird das Gerät gleichmäßig warm, je nach Umgebungstemperatur und Betriebsdauer über 40 Grad.

Kann man damit Spass haben? Ja, man kann. Das Gerät funktioniert out of the Box und ist ein Blickfang. Kein Rauschen, kein Brummen, auch nicht mit dem Ohr an der Membran, egal bei welchem Pegel. Das war schon mal die erste Überraschung, immerhin handelt es sich um einen Class A Verstärker mit Schaltnetzteil. Gleichlauf-Unterschiede oder Übersprechen sind bei meinem Exemplar kein hörbares Thema. Der Verstärker kann an den angeschlossenen Regal-Lautsprechern recht laut, es fehlt nichts und für den vorgesehenen Einsatzzweck ist er auch mehr als laut genug, ohne störend zu zerren. Damit kann man tatsächlich das ganze Haus beschallen. Wenn man ihn in die Sättigung treibt, quittiert er das mit Röhren-typischen Klirr. Aufgrund der relativ geringen Leistung hat man bei diesem Kistchen prinzip-bedingt auch eher Röhrenklang als bei potenten Gegentaktern mit der 10-fachen Leistung.

Ich habe das Gerät bislang nicht geöffnet und auch nicht durchgemessen, und habe es auch nicht vor, solange nichts Konkretes anliegt. Messtechnisch würde ich erwarten, daß daß man irgendwas um 2-3 Watt bei moderatem Klirr rausholen kann. Mehr wäre bei den kleinen Übertragern eher unrealistisch, und den angegebenen linealglatten Frequenzgang von 30-40KHz (+/- 1db) würde ich auch nicht erwarten, vor allem nicht an den Frequenzgangenden bei Vollaussteuerung. Vermutlich würde man pegelabhängige Gleichlautschwankungen und jenseits von 50 bzw. 15.000 Hertz deutlich abfallende Pegel messen, wobei rein nach Gehör fehlt nichts. Die vielfach beschworene untere Grenzfrequenz von 20Hz als Qualitätsmerkmal halte ich eh für witzlos, weil es erstens kaum Aufnahmen mit derart tiefen Pegeln gibt, jedenfalls nicht in meinem Repertoire, und zweitens ist dieses Verstärkerchen ganz bestimmt nicht dazu bestimmt, mannshohe Passiv-Boxen anzutreiben, die solche Pegel wiedergeben können. Praktisch fallen alle Regalboxen um 100 Hz ab und erreichen den -3db-Punkt bestenfalls um 60Hz. Und für Frequenzen über 17KHz bin ich persönlich eh nicht mehr empfänglich, abgesehen davon kommen solch hohe Obertöne allenfalls in homöopathischen Dosen vor, die im restlichen Getöse untergehen.

Mittlerweile hat sich das Gerät international zu einer Art Geheimtip entwickelt, im Netz finden sich etliche Reviews, und vor einiger Zeit habe ich auf dieser Seite einen recht ausführlichen Review mit Bildern und Messungen gefunden, die die Eckdaten überraschenderweise im Wesentlichen bestätigen: https://retrovoltage...ereo-tube-amplifier/ .

Meßtechnisch schlägt sich der Kleine demnach wacker und besser als ursprünglich erwartet. Der Abfall im Tiefpass jenseits von 40Hz spielt bei Regal-Boxen wie schon geschrieben nicht wirklich eine Rolle, und wer mehr will, ist mit einem aktiven Sub eh besser bedient. Die Bilder vom Innenleben dokumentieren ansonsten eine ordentliche Verarbeitung mit Standard-Bauteilen, z.T. in SMD-Bauweise.

Nun stellt sich manchem vielleicht die Frage, ob man nicht mit einem kleinen Digital-Verstärker für 50 Euro (oder darunter) das Gleiche (oder mehr) erreichen kann. Aus technischer Sicht kann man die Frage natürlich nur mit einem klaren "Ja" beantworten, aber dann hat man eben keine Röhre, die ebenfalls fast überall hin passt und durchaus auch ein kleiner Eyecatcher ist. Als Zweitgerät auch für hochwertigere Klein-Lautsprecher, gerne mit höherem Wirkungsgrad, oder als preiswerter Einstieg in die Röhrenwelt ist zumindest dieses Gerät mit um die 200 Euro fair bepreist und meiner Ansicht nach auch jeden Cent wert. Wer mit solch einem Eintakter liebäugelt, sollte sich allerdings bewußt sein, daß aufgrund der überschaubaren Leistung beim Wirkungsgrad der anzutreibenden Lautsprecher jedes Dezibel zählt und extrem basslastiges Material bei hohen Lautstärken nicht zwingend seine Domäne sind.
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