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Brahms: Sinfonie Nr. 1 - Lieben Sie Brahms?

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Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 20. Feb 2004, 15:48
Brahms traute sich lange nicht an die Komposition einer Sinfonie, obwohl in dieser Gedanke ca 20 Jahre lang verfolgte. Zu groß erschien ihm Beethovens Vorbild, zugleich war ihm klar, daß man nicht mehr so komponieren konnte, wie Jahrzehnte zuvor.

Überliefert ist Brahms Bemerkung zu dem Thema:
"Mit einer Sinfonie ist heutzutage nicht zu spaßen"

Schließlich ringt er sich doch durch und vollendet 1876,
also schon 43 jährig, seine 1. Sinfonie, die am 4. November 1876 in Karlsruhe unter Paul Dessoff uraufgeführt wird.
Wenige Wochen später folgen dann die Aufführungen in Wien.
Die Aufnahme bei Publikum und Kritik war freundlich aber nicht enthusiastisch.

Sogar der Wiener Kritiker Eduard Hanslick, ein Brahms-Anhänger, hatte einiges an dieser Sinfonie auszusetzen, so etwa ihr Sprödigkeit.


Genau dies empfand ich vor 20 Jahren, als ich mich entschloß
über Beethoven und Schubert hinauszugehen, was ich vorher nicht tat. Heute erscheint mir dies unverständlich, ich habe mir gerade zur Einstimmung auf diesen Thread den ersten Satz angehört und fand ihn hervorragend und in keiner Weise "spröde"

Tja, wie ist Euer Umgang mit dieser Sinfonie, und welche Einspielungen habt ihr?

Die meinen folgen, wie meistens, später nach.

Gruß
aus der Wahlheimat von Brahms
Alfred
Albus
Inventar
#2 erstellt: 20. Feb 2004, 16:34
Tag,

von der 1. Brahms sind bei uns nur zwei Aufnahmen vorhanden. Eine ältere mit Wolfgang Sawallisch und den Wiener Sinfonikern, Philips, mono (aus der Zeit der ständigen Verbindung von Dirigent, Orchester und Plattenfirma). Und dann die noch ältere Aufnahme unter Bruno Walter, mit seinem Columbia Orchester, CBS.
Beide Aufnahmen sind viel gehört. Beide Deutungen fegen durch die massiv geführte Einleitung die Nebensachen aus dem Kopf.

Selten hört man (im NDR) eine sZt auch vom Pariser Publikum mit Ovationen bedankte Aufführung unter der Leitung von Lorin Maazel und dem NDR-Sinfonieorchester. Am Rundfunkgerät saß ich damals, ca. 1980, staunend, hörend, was die Kunst und die Künstler vermögen. Viel später erwähnte Lorin Maazel in einem Interview, gefragt nach seinen Pariser Eindrücken von der Reise und den Konzerten, insbesondere dem unerhörten Beifall im Salle Playel: "Sie hatten schon etwas Besonderes erwartet. Aber, nicht wahr, das hatten sie nicht erwartet!" Nach dieser Aufführung halte ich im Rundfunkprogramm ständig Ausschau, was nur für drei oder vier weitere Konzertaufnahmen gilt.

MfG
Albus


[Beitrag von Albus am 20. Feb 2004, 16:37 bearbeitet]
cr
Inventar
#3 erstellt: 20. Feb 2004, 16:37
Ich bevorzuge die schwergewichtige Aufführung unter Giulini (Los Angeles SO). Ferner hatte ich alle Brahms-Symphonien unter Solti auf LP (aber nicht auf CD nachgekauft) und habe noch die neueste Karajan und Bernstein.
Da ich eigentlich Bruckner vor Brahms schon viel hörte, war mir Brahmsens 1. nicht zu schwer.

Die 2. habe ich mit Karajan (neueste) und Giulini, die dritte mit Solti und die 4. mit C.Kleiber und Bernstein.
Die Wand-Einspielungen kenne ich aus dem Rundfunk, veranlaßten aber keinen Kauf-Impuls.
embe
Stammgast
#4 erstellt: 20. Feb 2004, 17:03
Hallo,
nicht gerade meine Lieblingsmusik aber trotzdem;
meine Brahms 1. Favoriten:
an erster Stelle...na...genau:
George Szell und die Cleveländer Sony, find ich TOP
Karajan mit den Wienern auf Decca, finde ich trotz vieler Einwände nicht schlecht.
Leider kenn ich die Klemperer Brahmsaufnahmen nicht, Schande über meine Asche!
Giulini auf DGG ist auch vorhanden, hat aber keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Ach noch was zum polarisieren, Thomas Sanderling mit dem Philharmonia O. hab ich als digitale Alternative
und finde die auch nicht schlecht. Hat jedenfalls nur 1 Euro gekostet das Viererset und da dachte ich...

Auf LP hab ich Böhm und Abbado auf DGG...und noch andere aber wie gesagt Brahms 1. ist nicht so mein Ding.
Die andern drei Sym. sind mir lieber.

Vielleicht hör ich mir die 1. heute abend doch mal wieder an...
Gruß
embe
Oliver67
Inventar
#5 erstellt: 20. Feb 2004, 17:05
Meine erste Begegnung hatte ich vor langer Zeit bei einem Münchenbesuch: spontan an der Abendkasse im Herkulessaal zwei Karten gekauft und die Münchener Symphoniker unter Runnicles gehört.

Ich und meine damalige Freundin waren angetan, vom Herkulessaal und erst recht von Brahms 1. Symphonie.

Einspielungen:

Berliner Philharmoniker, von Karajan
Deutsche Grammophon, 1987

Glanzvoll, ausladend, majestätisch

London Classical Players, Norrington
EMI, 1991

Straff, kernig, empfehlenswert


Berliner Philharmoniker, Furtwängler
Deutsche Grammophon, 1952 (Sender Freies Berlin, Titania Palast)

Mono, historisch, unvergleichlich,


Oliver
op111
Moderator
#6 erstellt: 20. Feb 2004, 19:31
Hallo Alfred,

Brahms' 1. gehört zu den ersten Werken, die ich je bewusst gehört habe. Ich hatte eine Decca LP mit Karajan und den Wiener Philharmonikern geliehen bekommen.

Spröde empfinde ich die Musik gar nicht. Ich mag nur nicht, wenn man dieses Werk so spielt, als wäre es von einem harmlosen gelangweilten Greis komponiert, der über die Melancholie des Unvermögens meditiert.

So machte etwa der unsägliche Celibidache mit dem SWR-Sinfonieorchester, das auch noch so präzise spielt wie ein Dorforchester aus der Heide nach durchzechter Nacht bei der ersten Probe. Wie schön, daß das auch noch bei der DG auf CD mit Priorität erscheint, statt Karl Böhms Aufnahme.

Leichtgewichtig undramatisch, wie der sonst so geschätzte Günter Wand, mag ich das dann auch nicht. Über das Werk gibt's ja genug Informationen, die ich nicht wiederholen möchte.

Zurück zu Karajans 1.:
Die umwerfende Wucht (Decca LPs hatten auch unterhalb von 200Hz noch ordentlich Pegel, die der DG nicht) dieser Aufnahme war zunächst unvergleichlich, dagegen konnte keine andere bestehen, erst recht nicht die späteren HvKs auf DG.
Lange habe ich keine vergleichbare Aufnahme wahrgenommen, außer Stokowskis 1972 mit dem LSO (aus dem Jubiläumskonzert 60 Stoki beim LSO, leider noch nicht offiziell auf CD) und die ganz andere Klemperers.

Der Geschmack wandelt sich, heute höre ich am häufigsten
Carlo-Maria Giulini, L.A. Philharmonic, DG (Aufn. ca. 1980)
Leonard Bernstein, Wiener Philharmoniker, DG
(beide spielen alle Wiederholungen)
Leopold Stokowski, London Symphony O, Decca
Bruno Walter, Columbia S., Sony
und Arturo Toscanini, NBC S.O., RCA

Generell finde ich, daß man alle Wiederhungen spielen sollte, wie Giulini und Bernstein, auch wenn die erste dann ca 55 min dauert, da sonst die Proportionen der Sätze nicht stimmen.

Soltis Brahms soll ja auch noch bemerkenswert sein, ist mir leider immer entgangen.

Franz
sound67
Hat sich gelöscht
#7 erstellt: 20. Feb 2004, 20:01
Die Brahms-Symphonien sind für mich formale Höhepunkte der Gattung Symphonie, wobei ich nur mit der 3. nie wirklich was anfangen konnte. Die 1. hingegen ist eines meiner Lieblingswerke.

Meine Favoriten unter den Aufnahmen:

1. Arturo Toscanini, 1950s, NBC (RCA remastering) - damit versteht sich, dass Furtwängler hier nicht auf der Favoriten-Liste stehen wird
2. Wolfgang Sawallisch, LPO (EMI, die perfekte "deutsche" Aufnahme)
3. Sir Charles Mackerras, Scottish Chamber Orchestra (Telarc) - interessanter historisierender Ansatz)
4. Riccardo Muti, Philadelphia Orchestra (Philips, überhaupt ein sehr schöner Zyklus)
5. Günther Wand, RCA (die ältere, kompaktere Aufnahme)

Bottom of the barrel: Zubin Mehta/Israel Philharmonic (schreckliches Dirigat, unfähiges Orchester), Bernstein/Wiener Philharmoniker (Sentimentalität und Übertreibung, wo sie nicht hingehören).

Gruß, Thomas
Cliowa
Ist häufiger hier
#8 erstellt: 20. Feb 2004, 20:56
Ich habe die erste Symphonie von Brahms nie wirklich ganz gehört, nur einmal einen kurzen Ausschnitt im Radio.
Sehr gern höre ich dafür die 2 Klavierkonzerte, wovon mind. das 2. ja fast eine Symphonie ist.
Es gibt da ein CD-Set mit Harnoncourt von allen Brahms Sinfonien. Kennt das jemand?
Vielen Dank...Cliowa
embe
Stammgast
#9 erstellt: 21. Feb 2004, 01:54
Hallo,
so ich hab mal in meine Brahms 1. auf LP reingehört.
Favorit auf LP ist Karl Böhm mit den Berlinern auf DGG.
Hier ist nichts zäh oder schwerfällig, auch der Klang ist der Beste von meinen LPs
Dann Barbirolli mit den Wienern auf EMI, auch recht locker gespielt, Klang aber nur Durchschnitt.
Karajan mit den Wienern auf Decca, merklich langsamer aber noch ohne den späteren Parfümduft. Klanglich besser wie Barbirolli aber es geht noch besser. Hörbare Schnitte im Schlussatz.
Letzter ist James Levine mit Chicago Sym, alles irgendwie
farblos und schablonenhaft?, weiss nicht wie ich es beschreiben soll, der Klang ist für 1976 greulich, merkliche Panningeffekte und regelrechter Plasikklang.
Ormandy und das Philadelphia O. hab ich nicht mehr geschafft, hör ich ein andermal.
Gruß
embe
drbobo
Inventar
#10 erstellt: 28. Feb 2004, 01:24
Hallo,

zwar nicht die Erste, sondern die Vierte Symphonie behandelt eine Fernsehsendung mit und über die Symphonie aus der Dirigentenperspektive: Kurt Sanderling unterrichtet die 4. Symphonie: Sonntag, 29.2.2004 12:15 BR 3
op111
Moderator
#11 erstellt: 16. Mrz 2004, 15:55
Hallo zusammen,
nachdem ich feststellen konnte, daß die Diskussion um die Interpretation der Brahmssinfonien kontrovers verläuft, besonders Leonard Bernstein die Gemüter erhitzt, hier mal eine (heute selten zu findende) ausführliche Kritik eines m.E. zuverlässigen Kritikers aus der Zeit der Erstveröffentlichung.
Ich muß gestehen, daß die Vorstellung, Bernstein könnte Brahms auch nur halbwegs zutreffend interpretieren, mir damals grotesk erschien.
Zufällig habe ich dann mal in einem Blindvergleich Bernsteins Aufnahme kennen und schätzen gelernt und mußte mein Vorurteil revidieren.

Gruß
Franz

Johannes Brahms (1833?1897)
Symphonien Nr. 1?4; Akademische Festouvertüre; Haydn-Variationen; Tragische Ouvertüre
Wiener Philharmoniker, Dirigent Leonard Bernstein
DG 2741 023 Digital
Interpretation:7, Repertoirewert: 4, Klangqualität: 10


Die Wirkungsgeschichte von Brahms, dem nach Schönbergs Wort Fortschrittlichen, wird in ihren negativen Aspekten von zwei Schlagworten geprägt: Nietzsches Ausspruch von seiner ?Melancholie des Unvermögens? und dem in den fünfziger Jahren von dem damals nicht zu Unrecht populären Komiker Heinz Erhard gebrauchten Wort vom ?flotten Brahms?.

Als ich in den Anfang der ersten Symphonie unter Leonard Bernsteins Leitung hineinhörte, fiel mir das böse Nietzsche-Wort sofort ein, und es setzte sich immer fester in mir fest. Als ich dann (die Sache zog sich über Tage hin) die Platten aufmerksamer hörte, auch die Partituren zu Hilfe holte, wurde ich "Lennie" trotz seiner manchmal unerträglich melancholischen Zieh-und-Drück-Dramaturgie immer dankbarer dafür, daß er nicht einen so flotten Brahms eingespielt hat, wie ihn die DG in ihrer monumentalen Brahms-Edition mit Herbert von Karajan wiederveröffentlicht hat. Gerade im Vergleich mit Karajan muß man Bernstein eine andere Dimension des Zugangs zu Brahms bescheinigen (wie HvK ja auch bei den letzten Osterfestspielen von seinem schieren Unternehmerschwung abgegangen ist, ohne dabei allerdings die Selbstgefährdung eines Bernstein in Kauf zu nehmen).

Um es mit einer Äußerlichkeit zu sagen: Diese Gesamtaufnahme ist die bislang längste und langsamste (lang ist sie auch deshalb, weil Bernstein die Kopfsatz-Expositionen wiederholt), langweilig ist sie aber selten, weil Lennie eine in solcher Konsequenz von mir noch nie gehörte Melancholie in die Werke pumpt.

Wenn man den Anfang der Dritten hört, fehlt da jeder Aufschwung (sogar das Seitenthema scheint festzukleben), so daß man ? einmal auf den Gesamtbogen der Symphonie bezogen, die aufgeregte Abgehacktheit gar nicht versteht, mit der Bernstein das Finale angeht; erst wenn das Kopfmotiv des ersten Satzes wieder erscheint und rhythmisch völlig amorph versinkt, begreift man etwas von jener Darstellungsmelancholie, wie sie Susan Sontag in ihrem schönen Aufsatz über Walter Benjamin formuliert hat: als Neigung "des Melancholikers, seine innere Erstarrung nach außen zu projizieren als die Unveränderbarkeit des Unglücks, das übermächtig und den Dingen gleich empfunden wird". Es ist eben nicht so, daß Bernstein nur langsam dirigiert und oft die Musik völlig zum Stocken bringt: Er läßt mit solcher Intensität und oft frappierenden Detailgenauigkeit musizieren (Karajans Aufnahme ist davon um Welten entfernt!), daß die Musik eine ganz besondere Qualität bekommt. Es ist die des ständig drohenden Weltuntergangs, und angesichts der herrschenden Katastrophalität in unserer Welt, wo die mächtigsten Politiker an offenbar zerebralem Meteorismus leiden (nichts als Knallkörper im Kopf haben), kann ich keinem Künstler verargen, daß er in seiner Kunstausübung Trauerarbeit leistet.

Das heißt nicht, daß ich Bernsteins Interpretation gut oder gar richtig finde; die Temporelationen von Trio und Scherzo in der Ersten sind m.E. verfehlt, die Pizzikati vor dem Choral im Finale derselben Symphonie schlingern auf eine schon groteske Weise daher, die Phrasenenden im dritten Satz der Zweiten werden derart zerdehnt, daß das Metrum dabei verlorengeht (während ich das endlos langsame Dialogisieren zwischen Holz und Blech im langsamen Satz dieser Symphonie als eine bewegende Meditation über das Vergehen von Zeit empfunden habe): Aber allen Einwänden zum Trotz kann ich dieser Interpretation meinen Respekt nicht versagen ? sie wirkt auf mich (trotz des Medienverbunds, in dem sie angeboten wird: mit TV-Ausstrahlungen zwischen Weihnachten 1983 und Neujahr) sozusagen autobiographisch vermittelt. Natürlich nicht durch die Autobiographie von Brahms, sondern die Bernsteins.
Das erhellt dann letztlich auch manch unerklärlichen Zug. So finde ich im zweiten Satz der Vierten den geheimen Marschrhythmus zu Beginn wunderbar getroffen (mit irre schönen Sechzehntel-Luftpausen der ersten Geigen), aber warum Bernstein nach dem triolischen Aufschwung die Musik quasi anhält und damit das blühende Violoncello-Seitenthema platt auf den Boden drückt, ist mir einfach schleierhaft. Dabei weicht Bernsteins Auffassung von der Vierten noch am wenigsten von dem Brahms-Bild ab, an das ich gewöhnt bin. Der erste Satz ist fast in der Manier, die eben keine Manier ist, von Carlos Kleiber gespielt, und nur an der Nahtstelle beim Einsatz der Reprise merkt man, daß Kleiber doch tiefer in der Struktur (nicht der Gefühlswelt) dieser Symphonie steckt: Die gegen den hier von Brahms zerstörten Sinn des Sonatenhauptsatzschemas mühselig beginnende Neuformierung des Kopfthemas geht bei Bernstein eine Spur zu glatt über die Bühne (aber wieder: ein himmelweiter Unterschied zu Karajan, der für die Bedeutung der Stelle überhaupt keinen Sinn hat).

Klangtechnisch sind die Aufnahmen wohl das Optimum dessen, was man von einem Mitschnitt erwarten kann: nicht nur frei von Nebengeräuschen, sondern auch von einer natürlichen Ausgewogenheit und Durchsichtigkeit, daß manches Detail in ungewohntem Licht erscheint (ganz im Sinne von Bernsteins Detailwut). ...

Sehr lesenswert im Beiheft der Kassette ... ist Bernsteins verbales Bekenntnis zu Brahms. Es läßt sich mit jenem Wort zusammenfassen, das Hermann Hesse im ?Steppenwolf? Mozart in den Mund legt: Mit seiner Erlösung habe es noch eine gute Weile Zeit ?Lennie jedenfalls hütet sich davor, Brahms als einen gängigen Markenartikel in den Musikbetrieb zu füttern.

Fazit: wer einen flotten Brahms sucht, wird ihn bei Bernstein nicht finden; wer aber das Vermögen der Melancholie kennenlernen will, wird sich in klanglichen Wechselbädern wiederfinden. Das kann seinen Reiz haben.
Ulrich Schreiber, HiFi-Stereophonie 10/1983

----
April 2004
Deutsche Grammophon
Series:Collectors Edition
Int. Release:April 2004
5 CD 474 930-2
Leonard Bernstein
BRAHMS: Complete Symphonies - Orchestral Works - Concertos
Wiener Philharmoniker / Leonard Bernstein


[Beitrag von op111 am 16. Mrz 2004, 15:57 bearbeitet]
sound67
Hat sich gelöscht
#12 erstellt: 16. Mrz 2004, 16:18
Der entscheidende Satz der Kritik ist aber dieser:


Um es mit einer Äußerlichkeit zu sagen: Diese Gesamtaufnahme ist die bislang längste und langsamste (lang ist sie auch deshalb, weil Bernstein die Kopfsatz-Expositionen wiederholt), langweilig ist sie aber selten, weil Lennie eine in solcher Konsequenz von mir noch nie gehörte Melancholie in die Werke pumpt.


Sprich: Ein manipulativer, in-das-Werk-hinein-interpretierender Ansatz ==> verfehlt!

Darum auch die schlechte Bewertung.

Gruß, Thomas
op111
Moderator
#13 erstellt: 16. Mrz 2004, 16:34

Sprich: Ein manipulativer, in-das-Werk-hinein-interpretierender Ansatz ==> verfehlt!
Darum auch die schlechte Bewertung.


Aber Thomas,
wo sind denn die Interpreten und deren Aufnahmen, die nicht manipulieren, die genau Wissen wie eine richtige Interpretation klingt und das auch erreichen?
(Celibidache, der ja im alleinigen Besitz der Wahrheit war, mal ausgenommen.)

Nebenbei: So schlecht ist 7 von 10 gar nicht, eher gut für damalige Verhältnisse, als mit den 10en nicht um sich geschmissen wurde.
Die 0 war auch nicht selten. Bei Lennie hätte ich eher einen Wert um 4-5 erwartet, den Karajan oft unterschritt.

Gruß
Franz
drbobo
Inventar
#14 erstellt: 16. Mrz 2004, 17:35

Sprich: Ein manipulativer, in-das-Werk-hinein-interpretierender Ansatz ==> verfehlt!

Darum auch die schlechte Bewertung.

Gruß, Thomas


Hallo,

zu einer oberlehrerhaften Bemerkung möchte ich mich nicht hinreissen lassen, dazu fehlt mir zumindestens die Kompetenz.

Werke zu interpretieren, hat für mich immer etwas mit Kunst zu tun und deren Bewertung ist absolut subjektiv.
Kunst kann vielleicht einen nicht berühren, abstossen, langweilen usw., ob einen Verfehlung möglich ist?

Langsamkeit hat in unserer Zeit eine besondere Bedeutung und wenn Susanna in einem anderen Thread geschrieben hat, dass sie symphonische Musik zu "komplex" findet, kann ich das gut nachvollziehen,
Daher gefällt mir persönlich auch mit am Besten die Aufnahme von Celibidace aus den 90gern. Natürlich nicht technisch perfekt da einfach mitgeschnitten, aber durchgehend analytisch. Ein Vergleich mit anderen Aufnahmen fällt mir schwer. Natürlich ist die Aufnahme mit Wand effektvoller, mit Sawallisch "perfekt". "Perfekt", ein künstlerisches Attribut? Meiner Ansicht nach eine Beschreibung die auf einen Handwerker passt.
sound67
Hat sich gelöscht
#15 erstellt: 16. Mrz 2004, 17:47

Werke zu interpretieren, hat für mich immer etwas mit Kunst zu tun und deren Bewertung ist absolut subjektiv.
Kunst kann vielleicht einen nicht berühren, abstossen, langweilen usw., ob einen Verfehlung möglich ist?


Ja, wenn der Ansatz falsch ist. Egal, welche Kulturwissenschaft man studiert, die erste Regel ist immer: Interpretieren AUS DEM WERK HERAUS, nicht in das Werk hinein.

Letzteres entspricht zwar Bernsteins eigener Philiosophie (das Werk bei jeder Aufführung quasi neu erschaffen), aber gerade dass hat IMHo dazu geführt, dass viele seiner Interpretationen dem nahe kommen, was man in der Schauspielerei als outrieren oder chargieren bezeichnet.

Gruß, Thomas
op111
Moderator
#16 erstellt: 16. Mrz 2004, 17:49
drbobo schrieb:
zu einer oberlehrerhaften Bemerkung möchte ich mich nicht hinreissen lassen, ...

Werke zu interpretieren, hat für mich immer etwas mit Kunst zu tun und deren Bewertung ist absolut subjektiv.
Kunst kann vielleicht einen nicht berühren, abstossen, langweilen usw., ob einen Verfehlung möglich ist?


Das sehe ich ähnlich.
Mit diesen apodiktischen Pauschalurteilen und letzten Wahrheiten kann ich nichts anfangen.

Langweilen ist in meiner Wahrnehmung eine Verfehlung.


"Perfekt", ein künstlerisches Attribut? Meiner Ansicht nach eine Beschreibung die auf einen Handwerker passt.

Die Frage bei diesen Schlagworten ist, in welcher Hinsicht trifft das Attribut zu? Pauschal "perfekt" sagt mir nichts.

Gruß
Franz
drbobo
Inventar
#17 erstellt: 16. Mrz 2004, 17:54
Hallo Franz,

auch ich kann mit perfekt eben nur "einwandfrei ausgeführt" verbinden, das Zitat "perfekte deutsche Aufnahme" stammt von Thomas/sound 67 weiter oben.
op111
Moderator
#18 erstellt: 16. Mrz 2004, 18:01

auch ich kann mit perfekt eben nur "einwandfrei ausgeführt" verbinden, das Zitat "perfekte deutsche Aufnahme" stammt von Thomas/sound 67 weiter oben.


Hallo drbobo,

ich weiß nicht was Thomas mit "perfekte deutsche Aufnahme"
meint. Es ist ja heute manchmal etwas schwierig noch einen spez. Stil zu finden.
Vielleicht bei der Staatskapelle Berlin, dem Gewandhausorchester?

Auf den deutschen Stil a.a.O. (bei Beethoven) bezogen habe ich mal auf meine Nachfrage im Thread eine zufriedenstellende Erklärung erhalten. Bernsteins Stil ist's jedenfalls sicher nicht.

Bei der handwerklich perfekten Ausführung entzünden sich immer die Gemüter an Furtwängler. Handwerklich perfekt, weil genau so wie gewollt, oder schlampig.

Gruß
Franz


[Beitrag von op111 am 16. Mrz 2004, 18:14 bearbeitet]
sound67
Hat sich gelöscht
#19 erstellt: 16. Mrz 2004, 18:13

Langweilen ist in meiner Wahrnehmung eine Verfehlung.


Wer meint, in ein Werk hineininterpretieren zu müssen, der sollte lieber ein eigenes, neues schreiben. Notentreue ist eine wichtige Eigenschaft für einen Dirigenten - darauf hat z.B. Wand immer wieder zu Recht Wert gelegt. Ebenso rhythmische Disziplin (v.a. Toscanini!). Die Musik darf doch wohl für sich selbst sprechen, ohne "Nachbesserungen" und erfundene Betonungen durch den Dirigenten?

Bernsteins übertriebene Gestik und sein sentimentaler Ansatz bei vielen Werken, gerade in den späten Jahren (ganz schlimm seine 9. von Dvorák auf DGG, oder das bis zur Unkenntlichkeit zerdehnte Barber-Adagio), machen vieles von ihm IMHO nicht goutierbar.

Gruß, Thomas
drbobo
Inventar
#20 erstellt: 16. Mrz 2004, 18:19
Hallo Thomas,

ich glaube Toscanini und Wand wären nicht begeistert, wenn man Ihnen lediglich das Wackeln mit dem Taktstock und Disziplinieren der Musiker, auch gut im Takt zu spielen als Aufgabe übertragen würde. Musik ist eben keine 1:1 Wiedergabe von Noten, vielmehr sind Noten der verzweifelte Versuch (ebenso wie Platten/CD's) Musik zu erfassen und weiterzugeben.
op111
Moderator
#21 erstellt: 16. Mrz 2004, 18:20
Hallo Thomas,

(v.a. Toscanini!). Die Musik darf doch wohl für sich selbst sprechen, ohne "Nachbesserungen" und erfundene Betonungen durch den Dirigenten?


Weit gefehlt,
hör dir mal Toscaninis Aufnahmen genau mit der Partitur vor Augen an.
Gerade AT führte Brahms mit Instrumentierungsretuschen auf.
Seine Auffassung vom Werk war durchaus gravierenden Veränderungen unterworfen.
Im Übrigen fühlte sich Furtwängler zutiefst und zuerst dem Willen des Komponisten verpflichtet.

Aber was solls, ich möchte jedenfalls bei einer neuen Aufführung / CD gern das Werk neu erleben, nicht eine erstarrte Replik, ein Abziehbild *einer* Musterinterpretation von Gottes Gnaden.

Gruß
Franz


[Beitrag von op111 am 16. Mrz 2004, 18:25 bearbeitet]
sound67
Hat sich gelöscht
#22 erstellt: 16. Mrz 2004, 18:30

Aber was solls, ich möchte jedenfalls bei einer neuen Aufführung / CD gern das Werk neu erleben, nicht eine erstarrte Replik, ein Abziehbild *einer* Musterinterpretation von Gottes Gnaden.


Dann nenne es nur nicht Brahms 1., sondern Bernsteins 1.

@drbobo


Musik ist eben keine 1:1 Wiedergabe von Noten, vielmehr sind Noten der verzweifelte Versuch


Deine Meinung. Notentexte sind wie Literatur - man muss sie nur lesen können.


Gruß, Thomas


[Beitrag von sound67 am 16. Mrz 2004, 18:38 bearbeitet]
Susanna
Hat sich gelöscht
#23 erstellt: 16. Mrz 2004, 18:35
drbobo schrieb:

...und wenn Susanna in einem anderen Thread geschrieben hat, dass sie symphonische Musik zu "komplex" findet, kann ich das gut nachvollziehen,


Hallo,

nur eine kleine Berichtigung: In dem angeführten Thread habe ich folgendes geschrieben:

"Als Klassikanfängerin hatte ich tatsächlich leichteren Zugang bei sinfonischen Werken mit und ohne Solisten. Es kam mir damals nur auf den Gesamtklang an. Heute sind mir gerade die Einzelstimmen wichtig, und die kann man, wie Du ja auch schreibst, in Kammermusik bes. gut verfolgen, (wenn man´s denn kann). Inzwischen möchte ich natürlich auch ein sinfonisches Werk gern analytisch hören, und das fällt mir manchmal heute noch schwer, gerade bei neueren Werken. Es kommt aber auch auf die Hörgewohnheiten an, denke ich."

Nachzulesen unter http://www.hifi-forum.de/viewthread-68-98-2.html vom 06. 03. 04

Gruß,
Susanna


[Beitrag von Susanna am 16. Mrz 2004, 18:37 bearbeitet]
drbobo
Inventar
#24 erstellt: 16. Mrz 2004, 18:36
Halllo Thomas,


Notentexte sind wie Literatur - man muss sie nur lesen können.



Welche Instrumente spielst du?
sound67
Hat sich gelöscht
#25 erstellt: 16. Mrz 2004, 18:38
Wieso? Willst Du auf das olle Argument hinaus, dass nur "Musiker" Musik verstehen?

Gruß, Thomas
op111
Moderator
#26 erstellt: 16. Mrz 2004, 18:53
Hallo Thomas,

Notentexte sind wie Literatur - man muss sie nur lesen können.

diesen Konflikt gab es schon vor
Bernstein/Karajan und vor
Toscanini/Furtwängler u.a. polaren Auffassungen, der ist uralt.

Direkte Frage: Wer hat denn nun die letzte Wahrheit über die richtige Interpretation, Toscanini, du oder wer sonst?
Wo kann man sie erfahren?

Vielleicht ist alles viel schwieriger oder ganz einfach.
Celibidache hat mal in einem Interview gesagt, die anderen produzierten nur Unmusik.


Gruß
Franz
drbobo
Inventar
#27 erstellt: 16. Mrz 2004, 18:54
Hallo,

Nein, ich bin davon ausgegangen, dass du mehrere spielst, da du ja auch welche verkaufst, ausserdem kann ich mich in der Beziehung auch nicht mit Ruhm bekleckern, da ich zwar das ein oder andere Instrument "bedienen" kann, aber von Beherrschen kann keine Rede sein.


[Beitrag von drbobo am 16. Mrz 2004, 18:56 bearbeitet]
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#28 erstellt: 16. Mrz 2004, 18:55
Kaum verlässt man auf ein paar Stunden den Computer, da ist hier was los.


Letzteres entspricht zwar Bernsteins eigener Philiosophie (das Werk bei jeder Aufführung quasi neu erschaffen), aber gerade dass hat IMHo dazu geführt, dass viele seiner Interpretationen dem nahe kommen, was man in der Schauspielerei als outrieren oder chargieren bezeichnet
.

Das ist, wie so vieles, eines Sache des Standpunktes.
Wenn ich mich an meine Kindheit *bewusst* erinnere, dann wird mir klar, wie sich das Werteverhältnis, und jenes des emotionellen Ausdrucks verändert hat.
Als in den frühen 60ern J.F. Kennedy ermordet wurde, gab es als Ausdruck der Trauer eine 3 minütige Sendepause im österreichischen Hörfunk. Danach wurde ernste Musik gespielt.
Kann sich heute jemand noch so was vorstellen ? Wohl kaum.
Die Menschen waren einst "theatralischer" als heute, was sich sicher auch in etlichen Interpretationen niederschlug.
Erst die neueste Zeit hat sich angemaßt, Richter über alles und jeden zu sein, Normungen zu schaffen, Wertungen einerseits abzuschaffen, und andere zu er- schaffen.
Was heute von vielen als outrieren empfunden wird, war früher fast Umgangston.

Auch verstehe ich den Terminus: "aus dem Werk heraus interpretieren" nicht, bzw will ihn nicht verstehen.
Speziell in vergangenen Zeiten, also in jenen, wo diese Werke entstanden, war man mit Interpretationen alles andere als zimperlich. Daß man gerade in unserer Zeit, wo Musiktheater durch Regie und Inszenierung oft bis zu Unkenntlichkeit entstellt wird, bei Orchesterwerken auf "Werktreue" pocht wundert mich sehr. Ich empfinde die sogenannte Werktreue zumeist eher als "nüchtern"

Und damit sind wir wieder bei Bewertungen:
Franz hat völlig recht, wenn er darauf hinweist, daß 7 Punkte für eine Einspielung ein eher überdurchschnittlicher Wert war. Neun oder zehn Punkte gab es nur in Ausnahmefällen. Ungeachtet dessen vergab Fonoforum, ich erinnere mich dieser Tatsache aus bestimmten Gründen ganz genau, einen (damals) selten vergebenen Stern für diese Aufnahme. Ich habe sie mir damals aus diesem Grund gekauft, weil ich mit der Karajan-Aufnahme nicht zufrieden war, sie war mir zu wenig "wienerisch".

Ich habe im Laufe der Jahre so viele "Kritikermeinungen",
selbsternannte und von andern ernannte "Experten", "Pultgrößen" und "Insider" kommen und gehen gesehen, erlebt wie deren unantastbare Meinungen, von der nächsten "Expertengeneration" zerpflückt, verdammt und lächerlich gemacht wurde, sodaß ich zu dem Entschluss gekommen bin, Wertungen nur mit äussester Vorsicht, und unter Hinweis des subjektiven Eindrucks abzugeben, aus Erfahrung wohl wissen, daß auch der eigene Geschmack Schwankungen unterworfen ist....

Gruß
aus Wien
Alfred
drbobo
Inventar
#29 erstellt: 16. Mrz 2004, 18:58

daß auch der eigene Geschmack Schwankungen unterworfen ist....


...oh ja, man denke nur an die Fotos aus den Siebzigern, meine Pop-Platten aus den 80gern.....
sound67
Hat sich gelöscht
#30 erstellt: 16. Mrz 2004, 18:59

Direkte Frage: Wer hat denn nun die letzte Wahrheit über die richtige Interpretation, Toscanini, du oder wer sonst?


Immer der Komponist.


Wo kann man sie erfahren?


In der Partitur.


Vielleicht ist alles viel schwieriger oder ganz einfach.


Ganz einfach.


Celibidache hat mal in einem Interview gesagt, die anderen produzierten nur Unmusik.


Das konnte er als Unmensch auch so formulieren.

Aber Du hast Recht: Zwischen z.B. Wand auf der einen und Bernstein/Furtwängler auf der anderen Seite ist eine unüberbrückbare Kluft. Und eben deshalb sind Eure "Urteile" genauso *apodiktisch* wie die anderen Seite. Ihr gebt es nur nicht zu.

Gruß, Thomas
drbobo
Inventar
#31 erstellt: 16. Mrz 2004, 19:08
Hallo?

wie war das jetzt mit den Instrumenten, interessiert mich wirklich brennend..
sound67
Hat sich gelöscht
#32 erstellt: 16. Mrz 2004, 19:14
Ich *lasse* spielen. Aus meiner Zeit als Schreiberling kenne ich verschiedene Musiker aus den hiesigen Sinfonieorchestern, die das besser können, als ich es je könnte.

Ich höre zu und diskutiere die Qualitäten der Instrumente mit ihnen.

Gruß, Thomas


[Beitrag von sound67 am 16. Mrz 2004, 19:16 bearbeitet]
op111
Moderator
#33 erstellt: 16. Mrz 2004, 19:15


Direkte Frage: Wer hat denn nun die letzte Wahrheit über die richtige Interpretation, Toscanini, du oder wer sonst?
Immer der Komponist.

Wo kann man sie erfahren?
In der Partitur.

Vielleicht ist alles viel schwieriger oder ganz einfach.
Ganz einfach.

Darum kommen ja auch alle immer zum selben Ergebnis, besonders schön festzustellen an Komponisten die eigene Werke spielen/dirigieren.
Ich wußte nicht, daß Bernstein keine Noten lesen konnte.


Celibidache hat mal in einem Interview gesagt, die anderen produzierten nur Unmusik.

Das konnte er als Unmensch auch so formulieren. ;)


Aber Thomas,
bitte nicht so beleidigt sein.

Aber Du hast Recht: Zwischen z.B. Wand auf der einen und Bernstein/Furtwängler auf der anderen Seite ist eine unüberbrückbare Kluft. Und eben deshalb sind Eure "Urteile" genauso *apodiktisch* wie die anderen Seite. Ihr gebt es nur nicht zu.

Hab ich nicht behauptet, ganz im Gegenteil, diese unüberbrückbare Kluft und der Irrglaube, nur einer habe Recht! und darum ginge es, existiert nur im (Beton-)Kopf einiger Schwarz-weiß-Seher und Fans.
Das Werk existiert in *allen* Interpretationen. Jeder Interpret beleuchtet nur andere Aspekte. Deshalb habe ich ja so unterschiedliche Aufnahmen empfohlen.

Gruß
Franz
sound67
Hat sich gelöscht
#34 erstellt: 16. Mrz 2004, 19:19


Das konnte er als Unmensch auch so formulieren. ;)


Aber Thomas,
bitte nicht so beleidigt sein.


Ich bin von Celi nicht beleidigt, dafür aber diverse Musiker, die unter ihm spielen mussten oder Dirigat studiert haben.

Gruß, Thomas
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#35 erstellt: 16. Mrz 2004, 19:34


Direkte Frage: Wer hat denn nun die letzte Wahrheit über die richtige Interpretation, Toscanini, du oder wer sonst?


Immer der Komponist
.


Wo kann man sie erfahren?

In der Partitur
.


Der angeblich "allwissende" Herbert von Karajan hatte diesbezüglich offenbar eine andere Meinung.

Auf die Frage: "Was steht denn eigentlich in der Partitur ?"
erwiderte er (Zitat aus dem Gedächnis):

"Nur das Notwendigste. Alles andere muß der Interpret erahnen"
Er lässt sich dann noch weiter über das Umsetzen von Dynamik- und Tempovorschriften aus, und wie subjektiv man das auslegen kann.....

Gruß
Alfred
drbobo
Inventar
#36 erstellt: 16. Mrz 2004, 19:42

Ich *lasse* spielen. Aus meiner Zeit als Schreiberling kenne ich verschiedene Musiker aus den hiesigen Sinfonieorchestern, die das besser können, als ich es je könnte.

Ich höre zu und diskutiere die Qualitäten der Instrumente mit ihnen.

Gruß, Thomas


Hmm,
vielleicht kommt doch daher der Gedanke, eine Interpretation von Notentexten sei nicht notwendig, sondern könne wie Literatur gelesen werden.
Ich möchte Dir ganz gewiss nicht die Kompetenz "Musik zu verstehen", - wie du es selbst oben ausgedrückt hast - , absprechen. Ich möchte nur verstehen, wie man auf die von mir überhaupt nicht nachvollziehbare Meinung kommmt, Noten wären so eindeutig wie Buchstaben. Selbst beim Vorlesen, oder auch beim lediglichen Lesen (um deinen Vergleich aufzugreifen), besteht doch (es sei denn es handelt sich um die Bild-Zeitung) eine grosser Interpretationsspielraum.
op111
Moderator
#37 erstellt: 16. Mrz 2004, 19:44
Hallo Alfred.
Ähnlich wie Karajan hat sich auch Celibidache geäußert und dann aber 2 Sätze später das Gegenteil gesagt.
Da kann man sich die Aussage dann aussuchen.
Gutes Zitat, ganz schön schlau der Herbie.

Gruß
drbobo
Inventar
#38 erstellt: 16. Mrz 2004, 19:47

drbobo schrieb:

...und wenn Susanna in einem anderen Thread geschrieben hat, dass sie symphonische Musik zu "komplex" findet, kann ich das gut nachvollziehen,


Hallo,

nur eine kleine Berichtigung: In dem angeführten Thread habe ich folgendes geschrieben:

"Als Klassikanfängerin hatte ich tatsächlich leichteren Zugang bei sinfonischen Werken mit und ohne Solisten. Es kam mir damals nur auf den Gesamtklang an. Heute sind mir gerade die Einzelstimmen wichtig, und die kann man, wie Du ja auch schreibst, in Kammermusik bes. gut verfolgen, (wenn man´s denn kann). Inzwischen möchte ich natürlich auch ein sinfonisches Werk gern analytisch hören, und das fällt mir manchmal heute noch schwer, gerade bei neueren Werken. Es kommt aber auch auf die Hörgewohnheiten an, denke ich."

Nachzulesen unter http://www.hifi-forum.de/viewthread-68-98-2.html vom 06. 03. 04

Gruß,
Susanna


tschuldigung, war so aus dem Gedächtnis zitiert, hatte nicht nachgesehen. Wer nur so drüberliest, könnte falsche Schlüsse ziehen, ich wollte eben aber die Wichtigkeit der Interpretation hervorheben, die anlalytisches Hören erst möglich macht.
Auf Wunsch ändere ich auch noch den Passus im obigen Beitrag, PM genügt

sound67
Hat sich gelöscht
#39 erstellt: 16. Mrz 2004, 19:47


Ich möchte Dir ganz gewiss nicht die Kompetenz "Musik zu verstehen", - wie du es selbst oben ausgedrückt hast - , absprechen. Ich möchte nur verstehen, wie man auf die von mir überhaupt nicht nachvollziehbare Meinung kommmt, Noten wären so eindeutig wie Buchstaben.


Dennoch gibt es *richtige* und *falsche* Interpretationen von Literatur. Und man muss kein Schriftsteller seinb, um die richtige zu erkennen. Oft steht das eher im Weg (siehe Thomas Mann).

Gruß, Thomas
walter_f.
Hat sich gelöscht
#40 erstellt: 16. Mrz 2004, 19:47
Soeben bei JPC gefunden:

Brahms

Symphonien Nr. 1-4
+Tragische Ouvertüre op. 81
Philharmonia Orchestra, Thomas Sanderling
*** Restmenge zum Sonderpreis ***
4 CDs
EUR 2,99

Kritik:
B. G.Coors in FonoForum 1 / 98: "Thomas Sanderling hat von seinem Vater Kurt nicht nur das Dirigiertalent, sondern offenbar auch das Dirigiertemperament geerbt. Da ist dieselbe enorme innere Spannung, bei der sich jede einzelne Note optimal entfalten kann, und diese äußerste Intensität und Ausdrucksstärke. Bei Thomas Sanderling kommt vielleicht noch ein besonderes Gespür dafür hinzu, wie Musik sich im Klangraum entfaltet, in einer Ausprägung, wie ich sie sonst bislang nur bei Celibidache gehört habe."

Kenne die Aufnahmen nicht, aber für 2,99...

Grüsse
Walter
op111
Moderator
#41 erstellt: 16. Mrz 2004, 19:54
Walter schrieb:
Soeben bei JPC gefunden:
Symphonien Nr. 1-4
+Tragische Ouvertüre op. 81
Philharmonia Orchestra, Thomas Sanderling
*** Restmenge zum Sonderpreis ***
4 CDs
EUR 2,99
Kenne die Aufnahmen nicht, aber für 2,99...

Hallo Walter,
du wirst lachen, aber ich habe diese Aufnahme vor Jahren für DM 4,95 bei 2001 gekauft und es nicht bereut. Die Aufnahmetechnik ist etwas hallig und diffus (Rundfunk). Musikalisch ein sehr milder pastoser Brahms, Richtung Celi, aber nicht völlig spannungslos.

Gruß
Franz
sound67
Hat sich gelöscht
#42 erstellt: 16. Mrz 2004, 19:54
Diese Interpretation wird schon seit Jahren bei 2001 verhökert. Ist eine Digitalaufnahme aus den 90ern.

Von "Spannung" kann da gar keine Rede sein. Die Musik dümpelt vor sich hin, sie wird sehr sauber gespielt, aber Sanderling macht die Konturen der Werke platt. Mit einem Wort: breiig.

Thomas
drbobo
Inventar
#43 erstellt: 16. Mrz 2004, 19:54
Hallo


Dennoch gibt es *richtige* und *falsche* Interpretationen von Literatur.


Ich behaupte genau das Gegenteil, jeder kann und darf jede Art von Kunst interpretieren, Kunst möchte genau dieses auslösen.
Ob es einem gefällt, ist etwas völlig anderes. Richtig und falsch sind aber m.E. in diesem Zusammenhang nicht zu gebrauchen.



Und man muss kein Schriftsteller seinb, um die richtige zu erkennen. Oft steht das eher im Weg (siehe Thomas Mann)


Natürlich musss man kein Schriftsteller sein um Literatur zu interpretieren, kein Musiker für Musik usw.
Es kann unter Umständen hilfreich sein, Grundbegriffe aus diesem Bereich zu kennen, für eine echte Einordnung allerdings sollten schon fundierte Kenntnisse vorhanden sein.
Beispiel: Wenn mir ein Stück mit klassischer Chinesischer Musik vorgespielt wird, kann ich dessen Qualität kaum beurteilen.
sound67
Hat sich gelöscht
#44 erstellt: 16. Mrz 2004, 19:59
Man kann auch nur Musiktheorie und -geschichte studieren, ohne sich fürs Spielen zu interessieren.

Alles, auch die Kunst, unterliegt Maßsstäben und Einordnungen. Nicht bis ins letzte Detail, aber in vielen entscheidenden Punkten sind die Merkmale auch *objektiv* les- und kategoriesierbar.

Gruß, Thomas
Le_Canadien
Ist häufiger hier
#45 erstellt: 19. Mrz 2004, 05:05
ich kenne jetzt drei einspielungen von brahms' erster. karajan + die berliner, bernstein + die wiener, haitink und die amsterdamer (is doch amsterdam, oder?) und die haitink einspielung gefaellt mir mit abstand am besten! der kauf der 4cds (siehe anderer thread) hat sich absolut gelohnt
Thomas228
Stammgast
#46 erstellt: 17. Jul 2007, 19:44
Liebe Brahms-Freunde,

soeben habe ich die erste Sinfonie von Brahms zwei Mal hintereinander gehört: zunächst dirigiert von Karajan:


http://www.jpc.de/jp.../classic/rsk/hitlist

dann dirigiert von Kurt Sanderling:


http://www.jpc.de/jp.../classic/rsk/hitlist

Bis vor einiger Zeit habe ich die Karajan-Einspielung für eine gute Aufnahme gehalten (Achtung, es gibt meherere Aufnahmen Karajans). Ich habe sie jedenfalls deutlich öfter, also lieber gehört als die Aufnahme Bersteins mit den Wienern, mit der ich die Sinfonie kennengelernt habe.

Vor etwa einem Jahr kaufte ich mir Mackerras Zyklus. Ich war begeistert. Karajan und Bernstein blieben fortan im Schrank.

Und dann kam Sanderling! Es mag sein, dass die Spielkultur der "Wunderharfe" großen Einfluß hat. Gleichviel, so schön, so warm, so voller Menschlichkeit (ja, schlagt ruhig auf mich ein, weil ich zur Beschreibung absoluter Musik einen außermusikalischen Begriff gebrauche, ist mir egal) habe ich diese Sinfonie noch nicht gehört. Wunderbar!

Die Brillanz der Aufnahme Karajans, der I. Harden lt. Zitat auf der jpc-Seite perfekte Orchesterkultur und ein Spiel, das kaum schöner umd homogener vorstellbar sei, attestiert hat (heute würde er das wohl nicht mehr behaupten), wirkt im Vergleich technokratisch, leer und kalt.

Viele Grüße,
Thomas
Joachim49
Inventar
#47 erstellt: 17. Jul 2007, 20:52

Thomas228 schrieb:
Liebe Brahms-Freunde,

soeben habe ich die erste Sinfonie von Brahms zwei Mal hintereinander gehört:

Viele Grüße,
Thomas


Lieber Brahmsfreund,
ich bin ein leidenschaftlicher Anhänger der 1. Brahmssymphonie und habe wahrscheinlich so ca 15 Aufnahmen, allerdings weder Karajan noch Sanderling. Du solltest (trotz der mono-Aufnahme) unbedingt einmal probieren die New Yorker Aufnahmen mit Bruno Walter zu hören, oder Dohnanyi's Aufnahme mit Cleveland. Das sind für mich die Favoriten. Bernstein hatte glaube ich nie das richtige feeling für Brahms, den würde ich auch im Schrank lassen. Ganz toll fand ich auch Kubelik und Chicago aus den frühen 50er Jahren, aber das gab's nie auf CD. (Man kann es via operashare downloaden).
Grüsse
Joachim
Hüb'
Moderator
#48 erstellt: 17. Jul 2007, 21:01
Wenn's stereo sein soll, bliebe auch noch Walters Einspielung mit dem extra für ihn gegründeten Columbia SO.

Grüße

Frank
Thomas228
Stammgast
#49 erstellt: 17. Jul 2007, 22:36
Hallo Joachim, hallo Hüb`,

wie ich sehe, seid ihr der Sammelleidenschaft verfallen.

Da schreibe ich, wie großartig mir die Kurt Sanderling-Aufnahme gefallen hat, und ihr habt nichts Besseres zu tun, als mir eine andere Aufnahme zu empfehlen .

Mit dem größten Verständnis für dieses abnorme Verhalten sage ich euch: Ich bin auch so einer! Auf meinem Einkaufszettel stehen derzeit noch die Gesamtaufnahmen von Toscanini und Chailly, Klemperer habe ich im Hinterkopf. Wenn ich die alle gekauft und natürlich auch gehört habe, sehe ich weiter.

Normal ist das allerdings nicht. Normal wäre, die Sanderlig-CD erst einmal in Ruhe zu genießen und erst dann zu weitern Aufnahmen zu greifen, wenn ich von der genug habe. Normale posten aber auch nicht in Klassik-Foren.

Grad fällt mir ein: Hat Teleton nich Solti empfohlen? Aber den empfiehlt er ja so gut wie immer

Von Walter besitze ich mit dem Columbia O. übrigens die Sinfonien 2 und 3. Würde ich auch empfehlen, ist aber der falsche Thread.

Und warum ist Abbado eigentlich so teuer?

Zu Kurt Sanderling noch ein Hinweis: Auch von ihm gibt es verschiedene Aufnahmen; es sollte die mit der Staatskapelle sein)

Viele Grüße
Thomas
Joachim49
Inventar
#50 erstellt: 17. Jul 2007, 22:47

Thomas228 schrieb:
Auf meinem Einkaufszettel stehen derzeit noch die Gesamtaufnahmen von Toscanini und Chailly, Klemperer habe ich im Hinterkopf. Wenn ich die alle gekauft und natürlich auch gehört habe, sehe ich weiter.
:prost

Dann schreib gleich noch Szell-Cleveland dazu! Abbado habe ich in Brahms nie so recht geschätzt (bewundern tu ich seinen Mahler)
Freundliche Grüsse
Joachim
Hüb'
Moderator
#51 erstellt: 18. Jul 2007, 06:39

Thomas228 schrieb:
Grad fällt mir ein: Hat Teleton nich Solti empfohlen? Aber den empfiehlt er ja so gut wie immer

Nein, dass war Bernstein.
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