Hervorragende Booklet-Texte

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Nac93
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 12. Apr 2011, 18:21
Hallo!

Die Idee zu solch einem Thread ist mir gekommen, als ich heute die Begleitnotizen zu Liszt's Klavierbearbeitung der Symphonie Fantastique (Idil Biret, Naxos) las. Abgesehen von der fantastischen CD fand ich diesen Text höchst spannend und amüsant zu lesen - fast schon wie eine Kurzgeschichte (deutsche Version von Cris Posslac), auch wenn diese sich eher auf die Orchesterversion als die Klavierfassung bezieht... aber bei so einem Supertext ist das egal !

Ich lese oft die Begleitnotizen, bevor ich eine neue CD in den Player einlege, aber recht viele sind doch ziemlich langatmig und trocken geschrieben, verstricken sich in musikalische Analysen etc... aber wenn dann ab und zu solch ein "Schätzchen" wie bei der Liszt/Berlioz CD auftaucht, bereitet mir das Hören umso mehr Spaß!

Ein paar Ausschnitte aus diesem Text:
...Zweiter Satz: Ein Ball...Kristallne Lüster werfen ihr gleißendes Licht. Strahlende Menschen vor hohen Spiegelwänden. Der Raum weitet sich zu einer schwungvollen Szenerie. Ein Walzer wird angestimmt...Aber da ist SIE wieder. Mitten im bunten Treiben sieht er Ihr Anlitz. Fern von ihm. Unerreichbar... Eine Geistererscheinung? Unmöglich, wieder zum unbeschwerten Vergügen zurückzukehren.

...Wie ein hämisches, wüstes "Kreuzigt Ihn!" brüllen die Blechbläser Rache...Sie wollen Blut...Der Henker steht bereit. Doch ehe das Fallbeil heruntergkracht, narrt den Unglücklichen ein neuer Spuk: Zart und leidenschaftlich singt die Stimme der Klarinette die geliebte Melodie...

...Hohle Grabesstimmen röhren das Dies Irae der Hölle...Ein letzter Tanz geht los, ein Strudel, ein Rondeau des Satans, getanzt vom Tod und Teufel... Hinein mit ihm [ins Grab], huhu, haha, die Liebste, die ist auch schon da. Der Vorgang fällt schnell.


Kennt Ihr einige Begleittexte, die sich aufgrund des Schreibstils, der Qualität etc. ebenfalls in Euer Gedächtnis eingeprägt haben? Mir fallen da auf die Schnelle noch drei andere ein: Zum einen bei den Schostakowitsch Präludien und Fugen von Scherbakov, wo ein kurzer treffender Kommentar zu jedem Stück abgegeben wird und bei Rachmaninoff's Klavierkonzerten mit dem Komponisten am Klavier von RCA ( ...ein weiterer Zug, nämlich Humor. Es mag von einem Pokergesicht stammen, aber in einem Moment wie dem letzten piano in der Paganini-Rhapsodie ist er unverkennbar, wie jemand, der eine Kerze zwischen Duamen und Zeigefinger löscht und dabei schelmisch grinst ).
Ebenfalls gelungen finde ich das Begleitheft zu den Beethoven-Streichquartetten vom Gewandhaus-Quartett, wo jedes Quartett ausführlich beschrieben wird und musiktheoretisches sich mit detaillierten Beschreibungen abwechselt.

So, es gibt sicherlich noch viele andere gute, aber noch viel mehr langweilige Booklets. Ich freue mich auf Eure Berichte!

PS: Ich hoffe mal, dass es nicht schon solch einen Thread gibt... wenn ja, bitte ich um Verzeihung.
Kings.Singer
Inventar
#2 erstellt: 12. Apr 2011, 19:39
Hallo Nac93,

ich gebe dir recht: Der Text ist (zumindest in den von dir zitierten Ausschnitten) sehr plakativ und blumig geschrieben. Von wegen "kristallne Lüster" usw.
Aber bei der Symphonie Fantastique fällt das nun auch nicht gerade schwer, handelt es sich hier doch um Programmusik (wenn ich nicht irre war Berlioz sogar einer derjenigen, der der Programmusik ihren erfolgreichen Weg entscheidend geebnet haben). Man muss Überschrift und Musik nur addieren und das Gemälde so ausgestalten.

Versuchen wir's mal bei der Alpensymphonie von Strauss:
Erster Part, Nacht. Ein ruhiger Einsteig, die Welt ist still. Mensch, Natur und Tier erholen sich von den Strapazen des Tages. Der Blick geht hinein in die Wälder am Fuße des Berges: Behäbig beginnt ein Bär seinen Tag. Er öffnet die Augen und bewegt sich träge auf eine Lichtung. Er blickt gen Himmel, doch noch versteckt sich die aufgehende Sonne hinter dem diffusen Schleier des Morgengrauens. Ein leichter Wind durchzieht das sonst so lebhafte Blattgestöber.
Die ersten Vögel beginnen zaghaft zu zwitschern als plötzlich die ersten Sonnenstrahlen hindurchbrechen... Und dann geht es ganz schnell: Die Welt erwacht und die prächtigen Berge erstrahlen in ihrem vollen majestätischen Antlitz!



Aber nicht dass dieser Text die Qualität deines Liszt/Berlioz-Beispiels hätte...

Sowas lässt sich sicherlich sehr schön lesen zur Einstimmung in ein Werk und das geht wesentlich flüssiger und weniger trocken, wenn man sich nicht in wissenschaftlichen Detailanalysen verliert.
Aber irgendwie sind doch diese Analysen das Salz in der Suppe und an ihnen messe ich nach dem Lesen wie gut ich einen Booklet-Text letztendlich bewerte.

Sehr schön finde ich die Texte von Reinhard Göbel. Seinen Aufsatz zur Missa Salisburgensis von Biber (enthalten in der DGG Veröffentlichung) habe ich förmlich verschlungen.

Viele Grüße,
Alexander.
Nac93
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 13. Apr 2011, 13:47
Hallo Alexander,

Natürlich bilden Analysen das Fundament eines guten Booklet-Textes. Aber ich finde man sollte eine goldene Mitte zwischen Analysen und "plakativen" Texten finden. Schließlich dient (zumindest für mich) solch ein Booklet als Einführung in ein Werk, welches ich noch nicht oft gehört habe - und philosophische Detailanalysen versalzen mir dann doch allzuoft die Suppe (wahrscheinlich liegt es auch an meinen mittelmäßigen musiktheoretischen Kenntnissen). Nun gut, wenn ich ein Stück schon sehr lange kenne (z.B die Beethoven-Klaviersonaten oder Tschaikowsky's Sinfonien) lese ich auch gerne Analysen, da diese mir oft den Horizont noch ein Stückchen erweitern und Aspekte eröffnen, die mir beim "reinen" Hören noch nicht aufgefallen sind.

Um nochmal kurz auf Liszt/Berlioz Beispiel zurückzukommen: Sicherlich ist es nicht schwer zu dieser Musik einen Text zu verfassen, wie du schon erwähnst. Und er besitzt auch nicht tiefe wissenschaftliche Qualität. Dennoch hat mir das Lesen viel Spaß bereitet...

Wie gesagt sollte ein gutes Booklet wohl den Mittelweg einschlagen und Analysen in einer ansprechenden Art und Weise verpacken. Leider kenne ich keine Texte von Reinhard Goebel, würde mich aber freuen, wenn du vielleicht ein paar Stellen zitieren könntest!
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