* Der größte/bedeutendste deutsche Komponist des 20. Jahrhunderts

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FabianJ
Inventar
#1 erstellt: 18. Dez 2013, 19:11
Während man die Frage nach dem größten deutschen Komponisten des 19. Jahrhunderts noch relativ leicht auf wenige Kandidaten wie z. B. Johannes Brahms, Richard Wagner und natürlich Ludwig van Beethoven eingrenzen kann, erscheint mir das beim letzten Jahrhundert schon deutlich schwerer.

Man wird die Antwort auf diese Frage wohl kaum objektiv auf nur einen Kandidaten eingrenzen können, aber vielleicht hat der eine oder andere von euch ein, zwei Kandidaten, die er ganz subjektiv höher einschätzt als alle anderen und kann dies auch begründen.

Was ist für euch der größte Komponist des deutschsprachigen Raums (=Deutschland, Österreich, Schweiz) im 20. Jahrhundert?

Mit freundlichem Gruß
Fabian
Martin2
Inventar
#2 erstellt: 18. Dez 2013, 19:41
Na ja, ich hörte gerade mal wieder die "Vier letzen Lieder" von Richard Strauss, diesmal mit der la Casa unter Böhm, die Franz empfahl, und das ist eine so phantastische Musik, daß ich nur Richard Strauss sagen kann, was zugegebenermaßen nicht sehr originell ist und was auch Widerspruch hervorrufen wird.

Ja, wer denn sonst? Hindemith vielleicht, aber Hindemith ist für mich ein durchaus geschätzter, aber kaum gehörter Komponist. Karl Amadeus Hartmann? Na ja, ein Kandidat sicherlich, aber auch ihn höre ich selten. Pfitzner? Also der gehört bei aller Liebe nicht in die erste Kategorie. Die Wiener Schule war österreichisch, nicht deutsch. Max Reger? Ja, das wäre eventuell ein ernstzunehmender Kandidat, Reger wird mich noch länger beschäftigen.

Also ich bleibe bei Richard Strauss.

Gruß
Martin
Hörbert
Inventar
#3 erstellt: 19. Dez 2013, 11:37
Hallo!


Ich denke mal deine Frage läßt sich so gar nicht beantworten. zum einen ist der Begriff "Der größte/bedeutendste deutsche Komponist des 20. Jahrhunderts" zu eng gefasst da es sich hier eher um kulturelle Einflußgrenzen handelt als um territorale Grenzen.

Zum anderen gab es wie schon in 19.- so auch im 20.-Jahrhundert unterschiedliche Strömungen und Schulen deren Verfechter selbstredend den jeweiligen Hauptvertretern dieses Attibut zuerkennen würden.

Und zum dritten hatten und haben nicht immer die bekanntesten Vertreter einer Richtung/Strömung auch den größten und nachhaltigsten Einfluß auf diese selbst. So hat z.B. der weitgehend unbekannte Ludwig Thuille einen mindestens genau so großen Einfluß auf die neudeutsche Richtung gehabt wie z.B. R. Strauss.

MFG Günther
AdrianTuttisolo
Neuling
#4 erstellt: 06. Feb 2014, 18:57
Da Du ja vom deutschsprachigen Raum redest und Dich nicht auf Deutschland begrenzt:
Eindeutig Schönberg. Sein Einfluss ist unverkennbar und zwar auf dutzende, sehr bedeutende Nachfolgekomponisten. So war er Lehrer bedeutender Komponisten wie Webern oder John Cage, die wiederum ganze Generationen beeinflusst haben (wie z.B. Webern die serielle Schule). Selbst auf Antagonisten übte er einen ungeheuren Einfluss aus, man denke nur an die Übernahme der Zwölftontechnik durch Strawinsky oder den Einfluss des Pierrot Lunaire, zumindest im Hinblick auf die orchestralen Mittel (solistisch besetztes "Neue Musik Ensemble"), sogar auf französische Komponisten wie Ravel.
Das Einführen einer konstruktiv-technischen Ordnung der Tonhöhen kann auch gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, ist es - zwar in gänzlich anderen und stark divergierenden Weisen, aber dennoch - weiterhin aktuell. Auch das Sich-Entfernen von bzw. der anschließende Bruch mit der Tonalität ist ihm zu verdanken.
Solch eine hohe musikgeschichtliche Bedeutung kann man Hindemith, Hartmann, Reger oder Strauss sicherlich nicht zuschieben, was auch daran liegt, dass sie nicht die gleiche Radikalität wie Schönberg an den Tag legten, andererseits - zumindest und dies ganz deutlich bei Strauss - am Ende einer Epoche standen, somit keine Neuerer, geschweige denn Revolutionäre waren.
Grüße
Klassikkonsument
Inventar
#5 erstellt: 06. Feb 2014, 20:33

AdrianTuttisolo (Beitrag #4) schrieb:

Eindeutig Schönberg. [...] oder den Einfluss des Pierrot Lunaire, zumindest im Hinblick auf die orchestralen Mittel (solistisch besetztes "Neue Musik Ensemble"), sogar auf französische Komponisten wie Ravel.


An welches Werk von Ravel dachtest du dabei?


Auch das Sich-Entfernen von bzw. der anschließende Bruch mit der Tonalität ist ihm zu verdanken.


Die Emanzipation der Dissonanz und der Beginn einer zunehmenden Entfernung von der Tonalität wird im Allgemeinen ja Wagner zugeschrieben.
In dieser Tradition standen auch Komponisten wie Strauss und Pfitzner, die sich später als konservativ positionierten.


andererseits - zumindest und dies ganz deutlich bei Strauss - am Ende einer Epoche standen, somit keine Neuerer, geschweige denn Revolutionäre waren.


Schwer zu sagen. Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang des 20. kann man ihn schon zu den Neuerern zählen. So soll Strauss bei der ersten Aufführung von Mahlers Zweiter begeistert gesagt haben, dass es keine Grenzen des musikalischen Audrucks gebe.
Schönbergs Streichsextett Verklärte Nacht, das ein konservatives Gremium noch wegen zu kühner Harmonik abgelehnt hatte, fand er ja auch noch gut. Und empfahl wohl daraufhin Schönberg, sich mal den "Pelleas"-Stoff vorzunehmen. Erst mit dem Pierrot lunaire war für Strauss Schluss.

Wenn man also retrospektiv Wagners Neuerungen als Beginn und die Atonalität als Ziel einer Entwicklung interpretiert, so sind Leute wie Strauss, Pfitzner, Zemlinsky oder der frühe Schönberg eine Art "missing links".


Solch eine hohe musikgeschichtliche Bedeutung kann man Hindemith, Hartmann, Reger oder Strauss sicherlich nicht zuschieben, was auch daran liegt, dass sie nicht die gleiche Radikalität wie Schönberg an den Tag legten


Mit einer Hierarchisierung im Sinne einer Top-Ten-Liste ist das so eine Sache. Die haben sich ja alle gegenseitig rezipiert, und ein Einfluss kann sich ja nicht nur in einer Übernahme, sondern auch in einer bewussten Abgrenzung zeigen.
Mit so einer wohl dialektischen Betrachtungsweise muss man natürlich vorsichtig sein, weil damit leicht jedes künstlerische Programm unterschiedslos in den einen Topf der musikalischen Entwicklung geschmissen werden kann.
Jedenfalls kann man im Falle von Schönberg wohl sagen, dass seine Entwicklung z.B. ohne Reger nicht denkbar wäre. Ich denke da vor allem an das 1. Streichquartett op. 7, das "offiziell" noch in d-moll steht.

Dann muss man auch noch berücksichtigen, dass es verschiedene Richtungen gab. Z.B. Hindemith, der eben ein anderes Verständnis von Musik vertreten hat, so dass man ihn nicht einfach mit dem Verständnis der Schönberg-Schule kritisieren kann. Großen Einfluss hat er auch ausgeübt.
Und die 3. Klaviersonate von Ernst Krenek, in der wohl die Zwölftontechnik weiterentwickelt wird, erscheint mir als Mischung von Schönberg und Hindemith. Aber vielleicht liegt das auch einfach daran, dass ich davon nur die Aufnahme von Glenn Gould kenne.


[Beitrag von Klassikkonsument am 06. Feb 2014, 20:39 bearbeitet]
AdrianTuttisolo
Neuling
#6 erstellt: 13. Mrz 2014, 16:06
Beeinflusst wurde Ravel z.B. in seinen "Trois poèmes de Stéphane Mallarmé" vom Schönberg´schen Ensemblielied (obschon es auch in dieser Gattung Vorläufer gab), insbesondere vom Pierrot, dessen Einfluss ja immens war.
Obschon Wagner sich von der Tonalität entfernte, so war es doch eindeutig Schönberg, dem der radikale Bruch zuzuschreiben ist - der bei ihm übrigens reflexiv geschah. Überdies war Wagner ja kein Komponist des 20. Jahrhunderts.
Ich verstehe Deinen Punkt, jedoch sind - zumindest für mich - Komponisten wie Strauss, Pfitzner, Zemlinsky eindeutig spätromantische Komponisten, während Schönberg, der ja auch in dieser Tradition stand - was man übrigens bis zum Ende seines Lebens an seinen Werken hört - die Romantik überwand. Die gegenseitige Einflussnahme kann natürlich hier nicht geleugnet werden. Und obgleich es verschiedene Richtungen gab, so übte in der Folge doch die eine bestimmte einen größeren Einfluss aus, denn: wie viele Nachkriegskomponisten, die die Musikgeschichte nachhaltig beeinflusst haben, sahen sich in der Nachfolge z.B. Hindemiths bzw. knüpften musikalisch an ihn an?
Klassikkonsument
Inventar
#7 erstellt: 13. Mrz 2014, 23:36

AdrianTuttisolo (Beitrag #6) schrieb:
Beeinflusst wurde Ravel z.B. in seinen "Trois poèmes de Stéphane Mallarmé" vom Schönberg´schen Ensemblielied (obschon es auch in dieser Gattung Vorläufer gab), insbesondere vom Pierrot, dessen Einfluss ja immens war.


Ah, interessant, die kenne ich noch gar nicht.
op111
Moderator
#8 erstellt: 14. Mrz 2014, 13:30
Hallo zusammen,
in älteren Biografien wird häufig der Einfluß Strawinskys auf Ravels "Poemes" angesprochen - Schoenberg als von beiden komplett getrennt beschrieben.
Meist werden Strawinskys "Drei japanische Lieder" für Sopran, 2 Flöten, 2 Klarinetten, Klavier und Streichquartett [1912/13] als Modell genannt, die auch die gleiche Besetzung aufweisen.
Erst neuere Darstellungen nennen einen direkten Einfluß des Pierrot auf Strawinsky und Ravel, ich meine mich zu erinnern, daß M. Stegemanns rororo-Monografie darauf hinweist..
Alff_Orden
Ist häufiger hier
#9 erstellt: 21. Jul 2014, 22:13
Genau, Schönberg! Der hat fast alles vorgemacht, was bis heute komponiert wird ... man höre nur "Erwartung"! Aber vielleicht sollte man doch unterscheiden zwischen erster Hälfte (Schönberg) und zweiter Hälfte (Ligeti, Ferneyhough, Feldman usw. usf.) ...
Fischreiher
Neuling
#10 erstellt: 04. Apr 2015, 16:33
Engelbert Humperdinck (1854-1921)

Hänsel und Gretel

Charles Martin Loeffler (1861-1935), wanderte in die USA aus

Memories of My Childhood
driesvds-1
Stammgast
#11 erstellt: 20. Apr 2015, 23:48
für mich: Stockhausen.

nicht alles gefällt mir, aber z.B. "Gruppen" ist schon ziemlich genial.

braucht aber ein geübtes Ohr und man muss viele Stücke aber entweder live, oder über ein gutes hifi System hören.
Hörbert
Inventar
#12 erstellt: 21. Apr 2015, 08:21
Hallo!

@driesvds-1

Wieso ausgerechnet Karlheinz Stockhausen und nich Hans Werner Henze oder Bernd Alois Zimmermann?

Oder auch Dieter Schnebel u.s.w.?

M.E. hat Stockhausen nicht mehr geleistet als die obengenannten Komponisten.

MFG Günther
driesvds-1
Stammgast
#13 erstellt: 21. Apr 2015, 09:01
Stockhausen war sehr vielseitig - z.B. auch Richtung Elektronika und etwas das mann jetzt "Noice", "Soundscapes" oder "Drones" nennt.

Für mich - persönlich - war er ein Visionär Richtung neue Klänge und Experimente - viel mehr also als "nur" ein Komponist.

Seine Wirkung und Einfluss war also breit und nachhaltig. Sein hoher Bekanntheitsgrad - auch im Ausland - kommt noch dazu.

Alles nur meine persönliche Meinung.
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