Horrorerlebnis im Tessin

Unser Erlebnis ist so unfassbar, daß ich es unbedingt mit Euch teilen möchte. Denn es kann jeden treffen, der auf gute Bewertungung von Plattformen vertraut.

Hintergrund: wir suchten eine preiswerte Übernachtungsmöglichkeit in der Schweiz, um meine hochbetagte Tante in Locarno zu besuchen. 100,- Sfr. im Doppelzimmer für zwei Personen klang annehmbar, in der Regel werden doppelt so hohe Preise im Juni verlangt. Fotos mit einer tollen Aussicht auf den See versprachen Entspannung pur. Die Bewertungen überschlugen sich: "XY ist ein fantastischer Gastgeber, der seine Gäste gerne bekocht" oder "Traumhafte Lage inmitten eines Weinberges"

Daß ein Anbieter auf dieser Plattform selbst entscheiden kann, welche Bewertungen er freigibt, wussten wir zum Zeitpunkt der Buchung noch nicht. Von Deutschland aus schlossen wir den Deal telefonisch ab, um die hohe Provision einzusparen. Mit anderen Worten: Wir buchten direkt. Am Telefon machte der junge Mann einen sympathischen Eindruck, "dutste" jeden sofort, Zahlung vor Ort, es gab keinen Grund misstrauisch zu werden.

Nach unserer Fahrt über den Gotthard erreichten wir Minusio, wo zunächst eine längere Suche begann, nirgends war irgend etwas angeschrieben. Wir schickten XY also eine WhatsApp und baten um Hilfe. Antwort: Er wäre gerade beim Baden am See und in ein paar Stunden zurück sein. Wir sollten vor einer beschriebenen Garage eine Treppe hinunter gehen, dort wäre das Haus und er würde die Türe offen lassen.

Als wir die Stelle endlich gefunden hatten nahmen wir unser Gepäck und mussten bei glühender Hitze ohne Schatten erst mal über 250 provisorische Stufen den steilen Weinberg hinunterklettern. Endlich "angekommen" erwartete uns ein romantisches Winzerhäuschen mit wunderschöner Aussichtsterasse. Aber: Alles verschlossen, keiner da. Eine erneute WhatsApp-Nachricht an XY blieb unbeantwortet. Also warteten wir unter einem Baum bis jemand kommt. Tatsächlich kämpfte sich etwas später ein alter Winzer von unten kommend den Berg hinauf. Wir sprachen ihn an, er konnte kaum deutsch. Seine Antwort: "NIx diese Haus..... alte Haus unten....... "

Also nahmen wir erneut unser Gepäck und kraxelten weitere 200 Stufen den Abhang zwischen den Reeben hinunter. Was uns dann aber erwartete, dürfte selbst die anspruchslosesten Gemüter erschaudern lassen. Eine regelrechte Ruine, auf dem Fußboden lagen (im Innen - und Außenbereich) überall schmutzige Kleidungsstücke, Gerümpel, Abfälle und kaputtes Kinderspielzeug herum (obwohl es nirgends Kinder gab). Noch bevor wir überlegen konnten, ob wir über die fast 500 Stufen die Flucht zurück ergreifen sollten, begrüßte uns XY: In Badehose, komplett verschwitzt, mit fetttriefenden Haaren, voller Hautekzemen, die Beine, Hände und das halbe Gesicht mit irgend einer Jod-Tinktur eingeschmiert. "Ob wir etwas essen wollen" fragte er uns. Wir lehnten dankend ab und wollten in unser Zimmer. Der Weg führte uns über eine stinkende, völlig verwarloste Küche, schlauchwegig durch weitere, vergleichbare Räume in unsere Unterkunft. Überflüssig zu erwähnen, daß auch hier überall privater Unrat herum lag. Der einzige Kleiderschrank war nicht benutzbar, da vollgestopft mit der Schmutzwäsche von XY.

Plötzlich rief XY: "Das Essen ist fertig"...... obwohl wir doch abgelehnt hatten. Auf einem klebrigen, dreckigen Tisch stand eine Kanne mit Wasser, darin irgendwelches Unkraut. Wir sollten ihm helfen, die Salat-Teller an den Tisch zu bringen. Wie gesagt: wir wollten aus nachvollziehbaren Gründen da nichts essen oder trinken. Um nicht unhöflich zu erscheinen, würgten wir uns dennoch mit gaaaaanz langen Zähnen die Blätter in den Hals, während er ein dreckvergrautes (unverpacktes, blank daliegendes) Stück Käse in seine pappigen Hände mit schwarzen Fingernägel nahm und uns entgegenstreckte: "Wollt Ihr Käse ?"

Anschließend nahm er unsere Teller, schmierte mit Küchenrolle darin herum und schaufelte irgend eine klebrige Pampe hinein. Das war uns dann entgültig zuviel und wir gaben zu erkennen, am nächsten Morgen ganz früh abreisen zu müssen. Kein Problem meinte er, wir sollen Ihn wecken, er würde "im Garten" schlafen. Also legten wir uns in Straßenkleidung auf unser "Ekelbett".

Als die Sonne aufging lag XY tatsächlich im Freien, fast nackt, nur eine uringetränkte Unterhose bedeckte das Allernötigste. Wir wollten wissen, wie wir das Gepäck denn nun den steilen Berg hinauf transportieren sollten. "Mittm Bähnli"...... damit meinte er eine Reebenbahn. Wir könnten ebenfalls mit fahren. Für alle, die sich unter einer Reebenbahn nicht all zu viel vorstellen können: Das ist eine Stange auf Hochstelzen, über die zwei Loren tuckeln. Hier mal ein Vergleichsfoto: https://upload.wikim...rackbahn_Mosel_1.jpg

Da meine Frau weder in diesem Gefährt den Weg nach oben bestreiten, noch sich erneut über den Stufenparkur quälen wollte, spazierte sie den kompletten Weinberg zu Fuß nach unten bis an die nächste Straße. XY versprach mir, von oben aus den Weg zur unten liegenden Straße zu erklären.
Knatternd bewegte sich das ungewöhnliche Gefährt mit mir zwischen den holzwurmigen Bordwänden Richtung Weinbergspitze.

Während ich - oben endlich angekommen - unser Gepäck im Kofferraum verstaute, quetschte sich XY ungefragt mit Säcken und Eimern voller Altglas ungefragt auf den Beifahrersitz unseres Kleinwagens..... ich sollte ihn zum nächsten Entsorgungspunkt fahren.

Heutzutage bescheren wohl die meisten Almhütten ein besseres Gefühl.