Rauschen einer Schaltung abschätzen

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dukenuke
Schaut ab und zu mal vorbei
#1 erstellt: 27. Jun 2014, 09:10
Vorweg, ich erwarte natürlich von niemandem hier eine elektrotechnik Vorlesung,
aber vielleicht hat ja jemand einen Link zu einer, oder kann ein gutes Buch empfehlen

Meine Frage: wie kann ich den aus dem Schaltplan das eigenrauschen einer Schaltung abschätzen?
Also dass noch Rauschen durch Einstreuungen hinzu kommt ist mir klar, aber es geht mir erst mal um das Rauschen, dass die Schaltung selbst verursacht.

zum Kontext:
Ich versuche gerade einen MM Phono Preamp zu bauen und die normale Kathodenschaltung rauscht einfach nur alles zu in der Simulation, kann also nicht an Einstreuungen liegen
ESELman
Stammgast
#2 erstellt: 27. Jun 2014, 10:55
Hi,

das Rauschen lässt sich nur grob qualitativ abschätzen.
Wichtige Punkte sind die Eingangs- bzw. Quellimpedanz, das verstärkende Bauteil und der Verstärkungfaktor.
Bezogen auf einen MM-RIAA bedeutet das, das eine frequenzabhängige und mit der Frequenz steigende Quellimpedanz (Tonabnehmer) vorliegt.
Ein AudioTechnica AT-95E z.B: hat folgende Ersatzwerte: 410Ohm + 400mH.
Typischerweise befinden sich MMs bei ~3kOhm @1kHz.
Der Verstärkereingang sollte aus einem Bauteil bestehen, das möglichst ein Rauschminimum in diesem Impedanzwert aufweist.
Wobei der Minimalbereich auch von dem eingestellten Arbeitspunkt abhängt.
Für niederimpedante Quellen sind Bauteile mit niedrigem Rauschspannungswert ´en´ und höherem Ruhestrom vorteilhaft (bipolare Technik, Trioden), für hohe Impedanzen dominieren der Rauschstromwert ´in´ und niedrigere Ruheströme.
Phono-MM ist gerade so dazwischen.
Als grobe Richtwerte sollten en-Werte 5nV/sqr(Hz) und in-Werte von 2pa/sqr(Hz) nicht überschritten werden.
Dieses Rauschen verhält sich linear über der Frequenz.
Zu diesem Rauschen addiert sich das 1/f-Rauschen, das einen Anstieg zu tiefen Frequenzen zeigt.
Der Schnittpunkt der beiden Rauschkurven wird als 1/f Frequenz bezeichnet und kann -sofern im Datenblatt nicht angegeben- aus den Rauschspannungs- und Rauschstromkurven abgeschätzt werden.
1/f sollte möglichst unter 100Hz liegen.
Es gibt z.B. einige Video-OPAmps mit beeindruckend niedrigen en-Werten, die aber für rauscharmes Audio untauglich sind, weil die 1/f Frequnez viel zu hoch liegt.
Ich persönlich präferiere JFETs oder OPAmps mit JFET-Eingang, die mittlerweile im Spannungsrauschen ausreichend niedrig sind und im Stromrauschen viel niedriger sind als bipolare.

Der nächste wichtige Punkt betrifft die Verstärkung.
Grob gilt: Signal-Verstärkungsfaktor ~ Rausch-Verstärkungsfaktor.
Weiter gilt: Bei mehrstufigen Aufbauten soviel Verstärkung wie möglich in die erste Stufe legen.
Für die mit steigender Frequenz fallende RIAA-Vorschrift würde dies bedeuten, das soviel Entzerrung wie möglich möglicht weit ´nach vorne´ gelegt sein sollte, da z.B. eine lineare erste Verstärkerstufe auch hochfrequentes Rauschen aufweist (durch die RIAAA-Vorverzerrung), das anschließend erst weggefiltert würde.
Für MM-RIAAs allerdings ist dieser Punkt nicht von besonderer Bedeutung, da die Erzielung eines ausreichenden Rauschabstandes unproblematisch ist.
Für MCs kann es eine Rolle spielen, aber eine PlatINA zeigt beispielhaft, das selbst für lowoutput MCs eine lineare Eingangsstufe kein praxisrelevanter Nachteil sein muss.

Die Bandbreite spielt für das Rauschen eine enorme Rolle da sie mit Ihrer Wurzel ins Rauschen eingeht.
Je geringer die Bandbreite, desto geringer der Rauschwert.
Für RIAAs mit ihrem fallenden Verstärkungsverlauf ist es daher nicht einfach die ´effektive´ Rauschbandbreite zu ermitteln.
Ginge man nach der klassischen -3dB-Regel, wäre die Bandbreite gerade mal 30Hz (20Hz-50Hz).
Da RIAA jedoch auf 1kHz referenziert ist, ist eine Rauschbandbreite von ~2kHz praxisnäher.

Mit den hervorgebenen drei Punkten lässt sich eine grobe Einschätzung bezgl. des Rauschverhaltens abschätzen.
Genauere Aussagen verlangen nach Berechnung, evtl. Simulation.

"Rauschen in Transistorschaltungen" als Suchbegriff gibt schon auf der ersten Seite googelige Treffer in ausreichender Menge

DerESELman
dukenuke
Schaut ab und zu mal vorbei
#3 erstellt: 27. Jun 2014, 12:41
Wow vielen Dank für deine audführliche Antwort.
Das muss ich jetzt erst mal verarbeiten
audiophilanthrop
Inventar
#4 erstellt: 27. Jun 2014, 13:36
Kathodenschaltung? Klingt nach Röhren - Spannungsrauschdichte extraordinaire. Wenn du mit Röhricht wirklich rauscharme Schaltungen hinkriegen willst, brauchst du i.d.R. Eingangsübertrager - 1:3 sollte noch machbar sein, die dürften aber bei den benötigten Impedanzwerten nicht ganz unaufwendig werden. Anodendrossel (oder L-Simulation) wäre auch gut, damit du einigermaßen Anodenstrom auf die Beine stellst - ansonsten darfst du mit Ub = 250 V oder so ankommen. Und im Eingang brauchst du genug Ia, damit das Rauschen minimiert wird. (Eine gute Lownoise-Röhre kommt dann so auf 10-20 nV/sqrt(Hz).) Ohne Kathodenbypass geht auch nix.

Wenn du mal anfangen willst, das Rauschen zu studieren, schnapp dir 'nen Opamp. Für Impedanzwerte im Bereich Phono-MM ist z.B. ein NE5534A schwer zu schlagen. Eine recht gute Erklärung zum Thema Rauschen gibt das Datenblatt zum AD797 her. Zum Rumspielen mit Werten kann man dann einen Rauschrechner verwenden. Sowas gips auch als Exceltabelle.

Noch vor dem Opamp sollte man vielleicht das Thema Widerstandsrauschen angehen.
DieterK1
Stammgast
#5 erstellt: 27. Jun 2014, 17:24
DB
Inventar
#6 erstellt: 28. Jun 2014, 10:47
Hallo,

Deiner Aussage nach willst Du also einen röhrenbestückten Phonoentzerrer bauen, richtig?
Dafür ist es nur wichtig, daß das Rauschen des Entzerrers unter dem Rillenrauschen der Schallplatte liegt, was die Anforderung bei einem MM-Abtaster nun nicht so besonders hoch legt.
Ansonsten wird das Rauschen durch zwei Dinge maßgeblich beeinflußt: das Eigenrauschen der aktiven Bauelemente und das Rauschen der ohmschen Widerstände, hier ganz besonders der Widerstände rings um die erste Stufe.


MfG
DB
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