Der Sinn des Lebens - oder: Kann mir mal einer eine watschen?

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ahebeisen
Stammgast
#1 erstellt: 13. Dez 2010, 08:16
Hallöchen,


ich starte hier mal einen Thread, um mit mir selbst ins Reine
zu kommen. Ich hoffe, Ihr seht mir das nach...

Ich bin ein Oholic.

Neben der Schokoladensucht, für die es wohl keine Selbsthilfe-
gruppe gibt à la "Die anonymen Schokoholicer" hab ich noch
eine Andere: Meine Arbeit

Ich bin folglich ein waschechter Workoholic.

In den letzten Monaten habe ich bemerkt, wie ich seelisch
immer mehr abgebaut habe. Bedingt durch meine 7-Tage-Woche,
durch den Streß mit den Fahrern und den Bäckern kann man mich
zur Zeit als waschechtes Wrack bezeichnen.

Ich hänge fast jede Nacht über der Kloschüssel und bete den
heiligen Jörg an. Eigentlich ist es eine Schande, mir etwas
gutes zum Essen vorzusetzen. Sicher, das kommt in der Haupt-
sache durch den Zwerchfellbruch, den ich hab; jedoch kommen
die Hust- und Kotzanfälle vermehrt dann, wenn ich mich auf-
rege.

Meine Frau leidet am Meisten darunter, weil ich sie jede
Nacht mit liebreizenden Geräuschen aus dem Bad aufwecke...

O Weia: Ich merke gerade, wie meine linke Hand am Zittern
ist.

Gestern hab ich dann den Abschuß gebracht. Ich und meine
Frau waren bei ihren Eltern zum Mittagessen zu Besuch und
wollten gerade gehen, als ich plötzlich einen stechenden
Schmerz in der Brust bekommen hatte. Mein linker Arm fühlte
sich an, als sei er eingeschlafen.

Ich hatte natürlich erst mal nichts gesagt. Man will ja
keine Pferde scheu machen.

Daheim angekommen, wurde es immer schlimmer. Meine Frau hatte
sich mit einer alten Freundin verabredet gehabt. Ich hatte
ihr noch viel Spaß gewünscht und mich dann auf das Sofa
gelegt in der Hoffnung, es würde sicher schnell besser.

Aber nein. Wieso sollte es auch.

Ca. eine dreiviertel Stunde später hatte ich gedacht: "Frag
mal wen aus dem Forum, ob ich nicht vielleicht doch mal nen
Arzt anrufen sollte, weil ich -sagen wir mal- familiär vor-
belastet bin." Alle meine männlichen Verwandten sind weit
vor 60 mit Herzinfarkten gestorben. Mein Vater war gerade
mal 4 Jahre älter, als ich, als er seinen ersten bekommen
hatte.

Stefan (Pinoccio) hatte mich dann aufgefordert, lieber mal
einen Arzt aufzusuchen. Danke erstmal...

Ich hatte daraufhin beim ärztlichen Notdienst angerufen, die
dann meinten, ich solle unbedingt sofort kommen. Meine
Schwägerin hat mich dann ins Krankenhaus gefahren.

Nachdem die dort erst mal gemeckert hatten, wieso ich bitte
schön keinen Krankenwagen gerufen hätte, wurde mir auch
mein erstes EKG für den Tag gemacht. Der Arzt machte kein
glückliches Gesicht, als er sich das Ding auf dem Monitor
betrachtete und meinte, daß es nicht OK sei.

Nach mehrfachem Nachfragen, was das denn nun zu bedeuten
hätte, erzählte er mir, daß es klar sei, daß ich einen
akuten Herzinfarkt hätte. Er verfrachtete mich auf einen
Rollstuhl und brachte mich auf eine andere Station.

Während dieser Fahrt sind bei mir ganz ehrlich die Tränen
wie Sturzbäche geflossen.

Und jetzt kommmt der eigentliche Hammer: Nicht weil ich
Angst um mich gehabt hätte, nicht weil ich mir Gedanken um
meine Frau gemacht hätte. NEIN: Weil ich mir gedacht hab:
"Was wird aus meiner Firma? - Ich muß doch wieder schaffen."

Nach weiteren Untersuchungen, und nachdem ich verkabelt und
an den Tropf gehängt worden war, wurde ich zur Intensivsta-
tion gemütlich gebettet geschoben.

Auf dem Weg dahin sind mir dann auch noch meine wütend drein-
blickende Schwägerin: "Ich hätte Dich gar nicht fahren
dürfen!" und meine Frau über den Weg gelaufen. Ich wollte
das Ganze mit ein paar Witzchen auflockern - ging in die
Hose...

Auf der Intensivstation bin ich vor Erschöpfung immer wieder
eingeschlafen. Dennoch: Ich wollte da raus und hab mit denen
direkt einen Deal gemacht. Sollte es doch kein Herzinfarkt
gewesen sein, wollte ich unbedingt nach Hause. Die restli-
chen Untersuchungen konnte man ja schließlich auch ambulant
machen.

Mittlerweile (gegen 20 Uhr) war meine Frau zu mir ans Bett
gekommen. Meine Schwägerin war auch noch da und meinte zum
Abschied, ich sollte es nicht wagen, irgend einen Wisch zu
unterschreiben, daß ich auf eigene Verantwortung das Kran-
kenhaus verlassen wollte.

Die Stunden verstrichen. Meine Frau und ich wurden immer
müder. Mittlerweile waren auch fast alle Lampen in der
Intensivstation ausgelösccht. Endlich, so gegen 1:30Uhr
Nachts (also vor 4,5 Stunden) bekamen wir die erlösende
Nachricht, daß es wohl doch kein Herzinfarkt war.

Nachdem ich entkabelt und entbraunült worden war, habe ich
mich so schnell, wie noch nie angezogen.

Kurz nach 2 waren wir endlich daheim. Der Anrufbeantworter
hat wie wild geblinkt. Mehrere Leute wollten unbedingt
wissen, was los ist.

Wir sind dann aber fast direkt (ich hab erst noch eine Ziga-
rette gebraucht) ins Bett. Meine Frau hat das Schimpfen
wegen den Dingern eigentlich schon aufgegeben. Sie raucht
nämlich nicht...

Nach zwei Stunden Schlaf bin ich wieder aufgestanden, weil
ich mir folgende Gedanken gerade mache:

Kann das wirklich ein schönes Leben sein?
Keine freien Tage, kein Wochenende, keinen Urlaub. Ein Leben
nur für die Arbeit. (selbst wenn ich nicht arbeite, meine
Gedanken drehen sich fast nur darum. - Und diese Gedanken
sind zumeist nicht angenehm...)

Was tue ich mir, meiner Frau und unserer Ehe eigentlich
damit an?

Da sitze ich nun und bin am Grübeln. Wie komme ich da wieder
raus?

Mein erster Gedanke war: Schreib's Dir mal von der Seele
und da isses.


Kommentare und Vorschläge erwünscht.


P.S.:

Guten Morgen erst mal
pinoccio
Hat sich gelöscht
#2 erstellt: 13. Dez 2010, 14:54
Hallo Ahebeisen

Zunächst... Glück, dass es kein Infarkt war. Aber der Käs' ist anscheinend noch nicht durch.

Es ist für Außenstehende freilich schwierig, dir gute Tipps zu geben, weil man deinen individuellen Fall nicht kennt und auch kein Arzt ist und die Geschichte sollte daher von DIR mit einem Fachmann gemeinsam erörtert werden. Dennoch mag ich ein paar Worte verlieren, weil mir an deinem Bericht etwas aufgefallen ist, was ich als sehr bedenklich einstufen würde. Sehs mir nach, wenns fordernd rüberkommt, es soll nämlich fordernd und drängend rüberkommen...

Du schreibst:


Ich bin folglich ein waschechter Workoholic.

In den letzten Monaten habe ich bemerkt, wie ich seelisch
immer mehr abgebaut habe. Bedingt durch meine 7-Tage-Woche,
durch den Streß mit den Fahrern und den Bäckern kann man mich
zur Zeit als waschechtes Wrack bezeichnen.



Und jetzt kommmt der eigentliche Hammer: Nicht weil ich
Angst um mich gehabt hätte, nicht weil ich mir Gedanken um
meine Frau gemacht hätte. NEIN: Weil ich mir gedacht hab:
"Was wird aus meiner Firma? - Ich muß doch wieder schaffen."


Bei aller Emotionalität im Augenblick des akuten Verdachts auf Herzinfarkt, ich würde sofort auf die Bremse treten, wenn ich solche Gedanken in dieser Situation gehabt hätte. Ich hätte an schöne Dinge gedacht, die ich nicht mehr erleben darf. Dein Körper hat dir bereits eine feste Watschen gegeben und die solltest tunlichst ernst nehmen. Du ruinierst, wenn du so weiter machst wie von dir beschrieben, mE nicht nur deine körperliche Gesundheit, sondern auch emotional-mentale Verfassung. Vom deinem persönlichen Umfeld wie z.B. Familie die du dann mit in den Abgrund führst ganz zu schweigen. Die Schmerzen sind wahrscheinlich nicht auf körperliche Beeinträchtigungen zurückzuführen (auch wenn sie eine biologische Ursache haben mögen) sondern vlt. vom Grund her auf deine mentale Verfassung, die dein Leben anscheinend nur noch bestimmt und somit wieder zu körperlichen Beeinträchtigungen und ungesunder Lebensweise führen. Sozusagen eine selbstzündene Spirale nach unten.

Hilfreich könnte das sein: http://de.wikipedia.org/wiki/Burnout-Syndrom wenngleich das sicher sehr individuell ist. Aber du solltest es mMn aufmerksam durchlesen. Es muss nicht zutreffen, könnte aber imho den/deinen Blick verschärfen und andere Dinge ans Tageslicht holen.

Ich würde dir dringend anraten deinen Hausarzt aufzusuchen, damit er dich gründlich untersucht und mit dem du deine mentale Verfassung auch sehr offen besprichst. Zudem scheint es wichtig, die notwendige Distanz zur Arbeit wieder einzuhalten oder langfristig zu schaffen, um ihr aus einem neuen (eigentlich dann ursprünglichen!) Blickwinkel zu begegnen und möglicherweise unrealistische Vorstellungen oder eben dadurch ungeeignete Prozesse und Tätigkeiten zu korrigieren. Die Aufmerksamkeit gezielt von dem Belastungsbereich weglenken. Dies ist aber kein Prozess, der durch ein paar Tage Urlaub abgegolten wäre, sondern den man höchstens dadurch gedanklich anstoßen kann.

Und.. als durch die Verwandtschaft Vorbelasteter dringend die Schokolade absetzen, auch wenns schwerfällt, weil sie event. kurzfristig "Genusserholung" verschafft.

Ich wünsche dir das du aus dieser Spirale schnellstmöglich wieder rauskommst.

Gruss
Stefan


[Beitrag von pinoccio am 13. Dez 2010, 14:58 bearbeitet]
ahebeisen
Stammgast
#3 erstellt: 14. Dez 2010, 06:32
Hallo Stefan,


danke für Deine Antwort!

Ich habe gestern den ganzen Tag wie platt daheim auf dem
Sofa gelegen. Ich war aber sowas von hibbelig, daß kein
Gedanke an ausruhen war.

Ich war dennoch wie Matsch und habe mich noch nicht einmal
dazu aufraffen können, beim Krankenhaus anzurufen, um nach-
zufragen, welche Untersuchungen denn nun noch anstehen.
(Das erste EKG und die Blutwerte waren ja doch auffällig)

Lustiger Weise war mein Blutdruck auf der Intensivstation
ständig zu niedrig, so daß ich dauernd gepiepst hab.
(62 zu irgendwas - kurzfristig auch unter 60)


Wahrscheinlich hast Du Recht mit dem Burn-Out-Syndrom.
Wenn ich da aber lese

Das Wichtigste ist jetzt, sich für einige Zeit "auszuklinken", um Körper und Geist ein bisschen Ruhe zu verschaffen.

könnte ich glatt heulen. Wie um alles in der Welt soll ich
denn sowas machen?

Ich traue mich ja noch nicht einmal ein einziges Wochenende
mit meiner Frau wegzufahren, weil es sich gezeigt hat, daß
praktisch jedesmal etwas schief läuft.

Gerade jetzt im Winter ist es besonders schlimm. Wenn es hier
schneit, dann ist zumeist die Kacke am Dampfen. Ich habe
Touren, die in die entlegensten Käffer über Berg und Tal und
durch Wälder führen. (ich habe einen Backwarenlieferservice
und beliefere Privathaushalte)


Ich denke, ein riesen Problem bei mir ist auch, daß mein
Büro bei mir daheim ist. Selbst außerhalb der Geschäfts-
zeiten höre ich mein Geschäftstelefon, wenn es bimmelt.
Und dieses Bimmeln hat zumeist nichts Gutes zu heißen:
Das bedeutet nämlich meistens: "Wo bleibt meine Ware?!"

Dann habe ich noch ein Geschäfts-"Privat"-Telefon. Dies
ist nur für die Fahrer. Dieses Telefon trage ich mehr oder
weniger 24 Stunden, 7 Tage die Woche mit mir rum. -
Lacht nicht, aber selbst, wenn ich aufs Klo gehe, nehme
ich das Teil mit.

Die Tage, an denen die meisten Menschen ausruhen, sind für
mich die Schlimmsten: Samstag und Sonntag.
Am Wochenende wird am meisten bestellt und geht folglich
auch am meisten schief.

Der einzige Zeitraum in der Woche, den ich zum Ausruhen
für mich habe, ist Sonntag zwischen 12 und 18 Uhr.


Ich denke, der erste Schritt wird sein, daß ich mich mal
nach einem anderen Telefon umsehe, das ich leichter auf
lautlos schalten kann. Das muß allerdings ein Funktelefon
sein. Oder ich schaue nach einer anderen Telefonanlage,
die das für mich übernimmt.

Eventuell gehe ich dann hin und schaue mich nach einem
kleinen Büro um. ...das kostet halt wieder Geld; deshalb
favorisiere ich erst mal den Schritt mit dem Telefon.

Aaaandererseits: Hätte ich ein externes Büro, so könnte
ich auch jemanden einstellen, der mich mal im Büro ersetzt.
In meinem Privathaus mag ich da niemanden haben.

(Mein Tag beginnt nachts um 1 Uhr und endet unter der Woche
oft erst nach 20 Uhr. Das ist auf die Dauer schon anstrengend.)


Ich weiß: Ich muß jetzt etwas tun. Und wenn es nur meiner
Frau zuliebe ist. Der Wiki-Artikel war ein kleiner Schlag
ins Kontor, weil ich doch in dem ein oder anderen Punkt
mich wiederentdeckt hab...


Liebe Grüße

Achim
Chester2010
Stammgast
#4 erstellt: 15. Dez 2010, 16:28
Hi,

als ich deinen Beitrag las fühlte ich mich irgendwie zurückversetzt. Mein Vater machte sich anfang der 90´er auch Selbständig, auch bei uns zu Hause.

Stress pur, die Kunden standen bei uns auf der Treppe und warteten auf ihrem Termin. Dazu war er jeden Tag nach der Arbeit an unserem Haus am werkeln, auch das ganze WE.

Fazit: Herzinfarkt mit 36 Jahren, Intensivstation, Reanimation.

Als ich damals vom Fussball kam war keiner mehr da, mein kleiner Bruder war bei den Großeltern, meine Mutter im KH.

Dann kam der Anruf von der Familie, was passiert war.

Glaub mir, das willst du dir, deiner Frau, evtl. deinen Kindern nicht antun. Das ist die Arbeit nicht wert...

Dank der schnellen Hilfe meiner Mutter und der Medizinischen Technik lebt er heute noch.

Das was er seit dem an Tabletten nimmt würde mir als Frühstück reichen.

Deine Kunden, Familie und Freunde werden dich unterstützen. Tritt kürzer, zur Not frage Freunde ob sie dir nicht helfen können.

Erst an sich denken, dann an die "Kunden"

Wege, Mittel und Kompromisse lassen sich immer finden.


Gruß
carlos_bln
Stammgast
#5 erstellt: 22. Dez 2010, 20:09
Hallo, ich hoffe Dir geht es momentan etwas besser.

Bitte verstehe das Folgende nicht falsch, es ist keinerlei Wertung oder so!!!

Wie sich das liest, hast Du wirklich ein echtes Suchtproblem, denn das Merkmal dazu ist, dass Du es nicht schaffst, Dich einzuschränken, obwohl Dir Dein Verstand sagt, dass es höchste Zeit dazu ist. Auch das hibbelig sein, ohne Arbeit spricht wohl dafür. Weiß Deine Frau, wie es um Dich steht, oder hast Du zusätzlich die Belastung, Deiner Familie die heile Welt vorzuspielen?

Es ist auf jeden Fall ein Schritt in eine richtige Richtung, sich seine Krankheit (Sucht kommt ja von siech, was krank bedeuetet!) einzugestehen und Leute zu suchen, die immer ein offenes Ohr für Dich haben. Auch der Austausch mit Leidensgenossen kann helfen, neue Strategien gegen die Sucht zu entwickeln. Es gibt sicher eine Selbsthilfegruppe in Deiner Umgebung,- vielleicht guckst Du da mal vorbei, wenn es nicht passt , gehst Du halt wieder.

Das Auslagern des Büros und das Einstellen eines entlastenden Mitarbeiters ist wohl unumgänglich.

ALLES GUTE für Dich und versuch dennoch das Fest zu genießen und wenigstens an den Feiertagen mal ganz auf die Arbeit oder Gedanken daran zu verzichten,- vielleicht ist es ja grade jetzt eine Chance, zu sagen, dass das neue Jahr anders strukturiert wird?! Es gibt soviel Anderes, als immer nur arbeiten, Du verpasst zu viel von Deinem Leben dabei.

Gruß aus Berlin...


[Beitrag von carlos_bln am 22. Dez 2010, 20:26 bearbeitet]
RoA
Inventar
#6 erstellt: 22. Dez 2010, 22:10

carlos_bln schrieb:
Das Auslagern des Büros und das Einstellen eines entlastenden Mitarbeiters ist wohl unumgänglich.


Problematisch an dem Vorschlag könnte sein, daß die Situation es einfach nicht hergibt. Aus tatsächlichen Gründen.
carlos_bln
Stammgast
#7 erstellt: 23. Dez 2010, 01:37

RoA schrieb:

carlos_bln schrieb:
Das Auslagern des Büros und das Einstellen eines entlastenden Mitarbeiters ist wohl unumgänglich.


Problematisch an dem Vorschlag könnte sein, daß die Situation es einfach nicht hergibt. Aus tatsächlichen Gründen. :.

Vorschlag stammt vom TE selbst ,- ist sicher teurer, aber auch gesünder!
ahebeisen
Stammgast
#8 erstellt: 23. Dez 2010, 03:48
Guten Morgen,


ich sitze hier gerade bei meiner 4. Tasse Kaffee, den man
mir auch verbieten wollte, und bin so am Grübeln.

Ich fühle mich schon wieder besser. Die Luftnotanfälle, die
ich noch eine Woche lang hatte, sind jetzt auch weg.
(Eigentlich ist das schlecht, weil ich so auf den Gedanken
kommen könnte, doch so weiterzumachen, wie bisher)



carlos_bln schrieb:
Es gibt soviel Anderes, als immer nur arbeiten, Du verpasst zu viel von Deinem Leben dabei.

Gruß aus Berlin...



mmmmh. - Du hast ja Recht.

Ich glaube zwar nicht, daß das ein Suchtproblem ist, sondern
vielmehr ein Problem des Deligierens.

Ich traue mich nicht dazu.

Nach dem Motto: "Willst Du, daß es richtig gemacht wird, dann
machs lieber selber!"


Das Problem hatte ich früher auch schon, als ich noch Ange-
stellter und Leiter einer EDV-Abteilung war. Da hat mir das
aber die Erfahrung gezeigt, daß ich die Ansprüche, die ich
an mich selbst gestellt hatte, nicht an andere stellen konnte.
Wenn etwas schnell und gut erledigt werden sollte, so mußte
ich das selbst tun.
Wo andere mehrere Tage gebraucht haben, habe ich einen halben
Tag gebraucht.

Bsp.: Ich hatte mal für das Versandhandelsunternehmen, in
dem ich gearbeitet hatte, ein "Paketprogramm" erstellt.
Das hat sich die Daten über den Barcode der Rechnung aus
dem Warenwirtschafts-Prg gezogen, die Daten der Waage sich
geholt, die Aufkleber für GLS, DPD, etc. gedruckt und
schlußendlich die gesamten Daten wieder an das Waren-
wirtschaftsprogramm übermittelt.
Ich habe alleine hierfür weniger als 2 Monate benö-
tig. Nebenbei hatte ich noch 60 Arbeitsstationen und 7
Server zu versorgen.

In derselben Zeit hat ein Freund von mir (der bei der
Post als Programmierer saß) es gerade mal geschafft, die
Übermittlung der Daten von der Waage an das Programm zu
realisieren. (die hatten ein ähnliches Tool erstellt)

Resultat war, daß ich auch damals bereits 7 Tage die Woche
gearbeitet hab. Ich habe mir sogar einen Zugang von daheim
in die Firma eingerichtet...


Ähnlich läufts heute.

Davon muß ich dringend wegkommen. Ich muß das Alltagsge-
schäft von mir fernhalten.
Ich habe zwar einen Cheffahrer und mehrere Springer.
So wie ich das gerne hätte, funktionierts aber dennoch
nicht.

Ich werde über die Festtage mir nochmal Gedanken machen,
wie ich die Sachen ändere. Wahrscheinlich werde ich mir
meine Mitarbeiter auch mal danach ins Gespräch nehmen.

Und ja: Ich schaue mal, obs nicht doch irgendwo ein preis-
wertes kleines Bürochen für mich gibt.
Tricoboleros
Hat sich gelöscht
#9 erstellt: 23. Dez 2010, 09:51
Guten Morgen,

ich habe auch mehrere Jahre ein eigenes Geschäft geführt. Arbeitszeit 7 Tage die Woche, jeden Abend bis 22 Uhr und länger. Sonntags Buchhaltung. Meine Frau habe ich gar nicht mehr wahr genommen. Immer nur ans Geschäft gedacht. Sogar an unserem Hochzeitstag wollte ich nach der Trauung am liebsten sofort wieder in den Laden.

Dann passierte es. Wahnsinniges Stechen in der Brust, ich konnte nicht mehr atmen. Es war, als ob ich ertrinken würde. Klar, Notaufnahme. Blutdruck 210/170. Alles deutete auf einen Infarkt.

Stundenlange Untersuchungen aber die Ärtzte konnten nichts feststellen. Dieser Anfall dauerte ca eine Stunde lang. Danach zum Herzspezialisten. Der stellte dann eine Verstopfung der Kranzgefässe fest. Ich sollte eigentlich eine Katheter Untersuchung bekommen, habe ich aber bis heute nicht machen lassen aus Angst, bei dem Eingriff könnte der Infarkt ausgelöst werden.

Jedenfalls habe sich diese Anfälle gehäuft, so ca einmal im Monat. Das sind Panikattacken gewesen. Seit 2,5 Jahren habe ich jetzt kein Geschäft mehr und nur einmal wieder eine Attacke bekommen. Leider habe ich aber auch seit der Geschäftsaufgabe keinen anderen Job mehr finden können und keinerlei Einkommen. Ich werde mir daher wieder etwas aufbauen müssen, da ich auf meine Bewerbungen nicht eine Zusage bekommen habe.

Damit gehts dann wieder von vorne los.

Also, du bist nicht alleine. Aber wenn es irgendwie geht, mußt du Verantwortung abgeben und dir feste freie Zeiten für die Familie einbauen. Sonst ist deine Frau eines Tages vielleicht weg und dann merkst du erst, dass sich das alles gar nicht elohnt hat.

Alles Gute
ahebeisen
Stammgast
#10 erstellt: 23. Dez 2010, 10:24

stoffels-freetime schrieb:
Immer nur ans Geschäft gedacht. Sogar an unserem Hochzeitstag wollte ich nach der Trauung am liebsten sofort wieder in den Laden.


Huch. Woher kenne ich das?

Als wir in 2007 geheiratet hatten, war ich am Morgen noch
arbeiten. Die Flitterwoche mußte ich nach 3 Tagen abbrechen,
weil in der Firma einiges schief gelaufen ist.



stoffels-freetime schrieb:

Also, du bist nicht alleine. Aber wenn es irgendwie geht, mußt du Verantwortung abgeben und dir feste freie Zeiten für die Familie einbauen. Sonst ist deine Frau eines Tages vielleicht weg und dann merkst du erst, dass sich das alles gar nicht elohnt hat.


Ich denke auch, daß das sein muß. Einer der ersten Schritte
wird jetzt wohl auch sein, daß ich nicht mehr 24 Stunden,
7 Tage die Woche für die Fahrer erreichbar sein werde.
DAS nimmt mir auch einiges an Druck weg. Ich denke nicht,
daß es normal ist, selbst auf die Toilette immer dieses
blöde Telefon mitzunehmen, weil ja einer der Fahrer sich
mit einer Hiobsbotschaft melden könnte...
carlos_bln
Stammgast
#11 erstellt: 23. Dez 2010, 21:09

ahebeisen schrieb:


...

Ich glaube zwar nicht, daß das ein Suchtproblem ist, sondern
vielmehr ein Problem des Deligierens.

...


War nur das Erste, woran ich gedacht hatte, bei dem, was ich las. Bedenke aber, dass jeder Süchtige sich dagegen sträubt, es sich selbst einzugestehen, süchtig zu sein - ist das erstmal getan, geht der Weg dann oft in die richtige Richtung.

Auch dass Du jetzt sagst, dass Du, wo es Dir besser geht, daran denkst, so weiter zu machen wie bisher , gibt mir da zu denken!

Alles Geld der Welt bringt DIR nichts, wenn DU tot bist!

Unabhängig von allem dem:
Ein schönes Weihnachtsfest für Dich und Deine Familie....


[Beitrag von carlos_bln am 23. Dez 2010, 21:10 bearbeitet]
ahebeisen
Stammgast
#12 erstellt: 26. Jan 2011, 20:25
Ich krame den Thread mal wieder vor, weil ich mich nochmal
für die aufmunternden Worte bedanken wollte.

Heute Nachmittag habe ich endlich die noch ausstehenden Un-
tersuchungen durchführen lassen. (ich hatte mich ja mitten
in der Nacht entlassen lassen, so daß die nicht durchgeführt
werden konnten)

Es war doch ein Infarkt.

Und, da wohl die vordere Herzwand oder sowas schlecht durch-
blutet ist, bekomme ich einen Katheter gesetzt mit so nem
Stand.

Ich muß das nun erst mal verdauen...


Grüße

Achim
pinoccio
Hat sich gelöscht
#13 erstellt: 26. Jan 2011, 20:48
Hi Achim

Hoppla...

....aber gut, dass du die Untersuchung hast machen lassen. Durch meinen alten Herren (2 Infarkte) hab ich mitbekommen, dass man solche Eingriffe eigentlich auch als Routine sehen kann.

Lass mal den Kopf nicht hängen.

Gruss
Stefan
ahebeisen
Stammgast
#14 erstellt: 27. Jan 2011, 07:34
Hallo Stefan,

das Dumme ist, ich hab jetzt ehlend Angst.

Und: Je länger ich darüber nachdenke, umso wahnsinniger werde
ich...

(Ich glaub, ich häng doch an meinem bisschen Leben. Mein Vater
ist immerhin 58 geworden. Die anderen Männer haben sich alle mit
ca. 50 von uns wegen Herzinfarkten verabschiedet.
Ich bin zwar "erst" 40 und sollte demnach noch ein paar Jährchen
haben, bin zugleich aber auch derjenige, der am Frühesten in
meiner Familie mit dieser Unsitte begonnen hat.)

Kennt jemand vielleicht eine Selbsthilfegruppe für Infarkt-
Patienten im Internet? - ich find nix...


[Beitrag von ahebeisen am 27. Jan 2011, 07:36 bearbeitet]
ViSa69
Inventar
#15 erstellt: 27. Jan 2011, 21:29
Ich bin zwar nicht selbstständig, kann aber gut nachempfinden was du / ihr durchgemacht habt.

Als die große Krise war sind Sie bei uns in der Firma auch mit der Säge durchgegangen und haben versucht die Leute aus dem Unternehmen zu kicken.

Ich wurde neun mal(!) zum "Auflösungsgespräch" geladen und jedesmal wurde der Ton härter. Zwischenzeitlich hatte ich mir Anwaltlichen Beistand geholt der mir sagte wenn ich nochmal reingerufen werde soll eine eine Anzeige wegen Mobbing in die Wege leiten. Das hatte ich denen so gesagt und dann war Gott sei Dank Ruhe.

Möchte auch nicht zu sehr ins detail gehen, aber ich habe u.A. ein Haus was grade mal ca. zur Hälfte abbezahlt ist.

Tja, was soll ich sagen ... der Druck vom AG, die Bank sizt einem im Nacken und der Familiensegen hing schief.

Resultat: Schlafstörungen, Herzbeutel stark vergrößert und Bluthochdruck. Herzlichen Dank auch ... bin ebenfalls reichlich bedient.

Im Moment siehts gut aus ... aber der Schaden, körperlich wie auch Seelisch, bleibt.

Auch ich sitze manchmal rum und frage mich ob es das Wert war bzw. ist ...

Just my 2 cents ...

Gruß,
ViSa69
Grimpf
Inventar
#16 erstellt: 27. Jan 2011, 21:36
ahebeisen, rauchst denn noch ?
ahebeisen
Stammgast
#17 erstellt: 28. Jan 2011, 05:06
Ja - ich rauche noch.

Ich werde mir wohl wieder Zyban verschreiben lassen.
Das Zeugs ist prima. Damit habe ich schon mal ein Jahr lang
nicht geraucht...

Zur Zeit warte ich darauf, daß mein Hausarzt die Ergebnisse
der Untersuchung bekommt.

Ich werde mit ihm dann durchgehen, wie ich was alles ändern
kann.

Ich versuche jetzt, den Infarkt positiv zu sehen. Wenn ich es
durch diesen Warnschuß schaffe, mein Leben neu zu ordnen,
dann hatte er wenigstens etwas Gutes...

(und mein Frauchen wird sich auch freuen)
pinoccio
Hat sich gelöscht
#18 erstellt: 28. Jan 2011, 16:04
Hi Achim

Der Hausarzt ist mMn die erste Adresse.


ahebeisen schrieb:
Ich versuche jetzt, den Infarkt positiv zu sehen. Wenn ich es durch diesen Warnschuß schaffe, mein Leben neu zu ordnen, dann hatte er wenigstens etwas Gutes..


So scheint es auch oftmals zu sein. Ich kann das zumindest von meinem alten Herrn berichten bzw. auch von denjenigen die sich damals ebenfalls in Reha usw. befunden haben.

Es kann auch eine Chance sein, um die Lebensqualität zu erhöhen.

Leider, so muss man mE auch sagen, erreicht diese Erkenntnis manche erst nach dem zweiten Infarkt, weil sie nach "Reparatur" des ersten Infarkt wieder "mehr Power und Leistung" feststellten. So wars z.B. auch bei meinem alten Herrn...

Gruss
Stefan


[Beitrag von pinoccio am 28. Jan 2011, 16:08 bearbeitet]
ahebeisen
Stammgast
#19 erstellt: 28. Jan 2011, 17:42

pinoccio schrieb:
.... weil sie nach "Reparatur" des ersten Infarkt wieder "mehr Power und Leistung" feststellten....



Hallo Stefan,

ich hatte mich die ganze letzte Zeit so gewundert, warum ich
so ehlend schlapp und müde war und am Liebsten immer ge-
schlafen hätte.

Ich bin ja mal gespannt, wie sich die OP auswirkt.


Was bei der ganzen Sache so im Nachhinein betrachtet er-
schreckend ist, ist die Tatsache, daß im ersten Krankenhaus
die Ärztin zum Schluß gemeint hatte, es sei kein Infarkt.

Diese Woche war ich in einem anderen Krankenhaus bei einem
Kardiologen, der wohl hier in meiner Gegend eine Koryphäe
ist.


Grüße

Achim
Grimpf
Inventar
#20 erstellt: 29. Jan 2011, 10:45

ahebeisen schrieb:
Ja - ich rauche noch.

Ich werde mir wohl wieder Zyban verschreiben lassen.
Das Zeugs ist prima. Damit habe ich schon mal ein Jahr lang
nicht geraucht...



Genau - 1 Jahr aufgehört, sogut ist das Zeug

Nein "Spass" bei Seite: Ich habe auch geraucht und ohne das ich Krankheitsbedingt aufhören "musste", aufgehört. Deswegen kann ich immer und zu jedem aus eigener Erfahrung sagen, das es geht! Ohne Pillen, ohne Aufkleber etc.

Und ganz ehrlich ? Das Wort Herzinfarkt sollte eigentlich die beste Pille zum aufhören sein.

Zum Thema Artzt:

Leider traurig aber wahr. Das beste was man machen kann ist, dass man pauschal immer zwei Meinungen einholt, denke ich, wobei beim Thema "Herzinfarkt" ist es schon traurig genug. Denn es wird zu 80% so sein, dass sich die Meinungen teilen.
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