Audiophiles Gelaber und wie sich Leute davon beeinflussen lassen.

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DOSORDIE
Inventar
#1 erstellt: 28. Okt 2018, 11:34
Ich habe eben mal wieder „Wien bei Nacht“ von Rainhard Fendrich aus dem Plattenschrank geholt. Da musste ich daran denken, wie ich Anfang der 2000er längst angefangen hatte, Platten zu sammeln (da war ich 14/15), dass Platten nicht besser klingen als Digital, wurde mir schnell bewusst, aber ich habe bis heute Spaß an Analogtechnik und meine Sammlung wird stetig größer.

Während die anderen in meinem Alter also Eminem und Missy Elliot hörten, fing ich an die Discografie von Rainhard Fendrich und weirde DDR Sachen auf Vinyl zu kaufen. Mein damals bester Kumpel hatte einen Vater mit Restek Endstufen, Boxen bis an die Decke und Sony High End CD Player im Wert eines Kleinwagens im Keller. Ich habe das nie verstanden. Die Boxen waren natürlich super, aber was der da mit seinen Kabeln und Playern mehr hören sollte als wir, erschloss sich mir nicht so ganz. Welche Dynamik eine gute Aufnahme haben kann, zeigte sich mir dann, als er mir ein Stück von der Animals von Pink Floyd vorführte, als die Drums einsetzten, bin ich zusammengezuckt.

Ich bin mir sicher, dass sich das mit meinem damaligen Fisher Verstärker mit 2x100 Watt RMS und meinem günstigen JVC CD Player an den selben Boxen genau so angehört hätte, aber er hat natürlich sämtliche Voodoo Vorkehrungen a la Kabel für 300 Euro, die gerade so von der Box zur Endstufe reichten und Richtungspfeile hatten genau eingehalten. Die Endstufen mussten auch immer an bleiben, damit sie nicht kalt wurden, weil sich das sonst negativ auf den Klang auswirkte.

Nachdem er sich nun schon eine riesige CD Sammlung angeschafft hatte in der jede CD natürlich mindestens 4 von 5 Ohren in der Stereo haben musste wollte er in die nächste Dimension und kaufte sich plötzlich einen Plattenspieler, irgendein Mega teures Teil von Kenwood, der war aber damals auch gebraucht, an das System erinnere ich mich nicht mehr, ich weiß nur, dass es bei mir als Teenie keine besonders grossen finanziellen Möglichkeiten gab. Mit einem Technics SL Q3 konnte ich wirklich mehr als zufrieden sein, mit dem daran montierten AT 95E eher weniger. Er erzählte mir dann auch, dass so Technics Plattenspieler wie ich ihn habe eher was für Discotheken sind weil sie nicht so hoch auflösen und son Quatsch.

Jedenfalls hatte er anfangs kaum Platten und ich hatte schon Einige, ich hab ihm dann welche ausgeliehen. Unter anderem auch Wien bei Nacht von Rainhard Fendrich, weil die auch in der Innenrille auf meinem billigen AT 95 E noch recht sauber klang. Außerdem „Irgendwo in Deutschland“ von Wolf Maahn. Ohne dass ich das wusste galt die wohl in der Stereo mal als Referenz, für ihn gefundenes Fressen. Er führte mir dann, als er die Platte einige Tage gehört hatte „Uhh Mädchen“ vor und das klang schon besser als bei mir zuhause, aber eben doch irgendwie unperfekt und nach Verzerrungen einer Schallplatte, ich weiß noch, dass ich ihm gesagt habe, dass der Sound der Wahnsinn war um ihn nicht zu enttäuschen, aber ich war irgendwie verglichen mit dem Pink Floyd Erlebnis gar nicht so von den Socken. Ich muss dazu sagen, dass ich mir die Platte 2002 im Jahr meiner Abschlussfahrt als Teenie gekauft habe und das dann meine persönliche Sommerplatte war. Ich finde sie bis heute ganz toll, aber eine klangliche Referenz kann ich da irgendwie nicht sehen. Sie ist ok abgemischt, aber selbst mit dem Feinschliff den ich jetzt habe klingt sie in der Innenrille etwas Rough, weil gerade da die lautesten dynamiklosesten Stücke sind, rein klanglich würde ich die CD vorziehen.

Die Fendrich Platte hat er mir dann zurück gegeben mir dem Kommentar „Das ist mal was zum so hören, aber klanglich nicht so anspruchsvoll.“, wahrscheinlich steht die Platte nicht in der Stereo oder hat nur 3 Ohren. Ich finde die Platte hervorragend und würde ihr 5 Ohren geben. Bei „Es is scho all‘s vorbei“ ist am Anfang eine Nachrichtensprecherin aus dem Fernseher zu
hören, sie kommt aus einem leicht halligen Wohnzimmer, dann gähnt derjenige im Fernsehsessel und steht auf, es sind Schritte zu hören. Da kams schon vor, dass ich mich erschrocken umgedreht habe, weil ich dachte, das passiert grad um mich herum, vor Allem in der Stadt über Kopfhörer.

Ich sehe Platten als Sammlerobjekte an, die Spaß machen, technisch aber nicht als audiophiles Medium und ziehe qualitativ Digital immer vor - logisch dass wir hier nicht von digitalen Anrufbeantwortern aus den frühen 90ern sprechen und einen gewissen Standard voraussetzen. Auch mit Komprimierung und Datenreduktion habe ich keine Probleme, wenn’s gut gemacht ist.

Natürlich gibt’s Reissues und Remasters, die komplett daneben sind und die Platte dann besser klingt, was aber nicht am Medium sondern an einem Unfähigen Tontechniker liegt. Die Fendrich Sachen klingen jedenfalls Digital noch viel besser. Mittlerweile habe ich Bose QC 35 Kopfhörer. Ich bin insgesamt kein Fan von der Marke, aber die Kopfhörer begeistern mich jeden Tag aufs Neue. Als der Kauf an stand, standen Bose und Sony sich gegenüber. Die Sonys mögen klanglich besser sein, ich fand sie optisch und haptisch aber unattraktiv und letztendlich sprach dann für die Bose der unfassbar bequeme Sitz. So bequeme Kopfhörer habe ich noch nie besessen und die neuen Sony haben da nachgearbeitet, finde ich aber immernoch nicht ganz so bequem.

Der Punkt ist jedenfalls, dass ich mir auf Spotify neulich mal wieder alte Fendrich Alben auf dem Kopfhörer angehört habe und mich das total umgehauen hat. Da ist so eine derartige Dynamik drin, Punch in den Drums, es klingt hervorragend. Zum Ende der 80er wird’s dann zu überbrilliant und in den 90ern dann langweilig. Die Alben sind auf jeden Fall noch analog gemastert und das hört man nicht. Ich finds echt schade, was es heutzutage für Möglichkeiten noch viel bessere Aufnahmen zu machen brauche ich nicht zu erzählen, aber häufig ist das für mich dann unhörbar, weil Autotune und eigenartig angewendete Filter und Noise Gates Alles kaputt machen.

Irgendwo in Deutschland bleibt zwar nach wie vor musikalisch ein Highlight, ist jetzt aber auch Digital klanglich keine herausragende Produktion - finde ich, natürlich aber auch nicht schlecht.

Was ich sagen will: Scheisst auf das audiophile Geschwafel und hört mal auf eure Ohren.

LG Tobi


[Beitrag von DOSORDIE am 28. Okt 2018, 11:39 bearbeitet]
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