Problem mit mörderischer Impedanz

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selbstbauen
Inventar
#1 erstellt: 03. Okt 2014, 18:58
Hallo zusammen,

meine 6C33C treiben Elektrostaten. Aktive Ankopplung, einer für den dynamischen Bass, einer für den ESL ab 200 Hz.

Bei hohen Tönen mit hohem Pegel verzerrt der ESL. Der Grund dürfte in der extrem niedrigen Impedanz liegen. Meine Übertrager haben einen 4-Ohm-Anschluss. Zur besseren Anpassung ist bereits ein 2 Ohm Widerstand in die Signalleitung eingefügt worden.

So sieht das Anschlusschema der Elektrostaten aus. Die LRC-Glieder sind zur Raumanpassung und zum besseren Übergang zum Tieftöner. Die angegebenen Impedanzen sind durch Verhältnissrechnung gegenüber einem 10 Ohm-Widerstand gemessen. Dass das Ganze bei 20 kHz unter den Wert des DC-Widerstands rutscht ist Folge von Toleranzen und Anschlusswiderständen.

Anschlusschema ESL

Meine Frage: Welche Maßnahme würdet ihr anraten, um eine verzerrungsfreie Wiedergabe auch bei hohen Frequenzen zu ermöglichen?

Der Umstieg auf einen Transistorverstärker ist zumindest bei moderatem Preis nicht möglich, weil die auf keinen Fall weniger als 1 Ohm Last meistern. Meine M4 gehen bei Zimmerlautstärke ins Klipping.

Ich habe bereits bei Welter nachgefragt, ob sie mir einen 2-Ohm-Übertrager wickeln können. Überlegt habe ich auch den 2-Ohm-Widerstand zu vergößern und mit einer Spule zu überbrücken.

Was tun?

Gruß
sb
pragmatiker
Administrator
#2 erstellt: 04. Okt 2014, 18:33
Servus selbstbauen,

um da was genaueres sagen zu können, müßte man erstmal den echten Impedanzverlauf des Elektrostaten kennen --> vielleicht mal mit geeigneter Hardware und entsprechenden PC-Programmen messen.

Wenn die Impedanz wirklich an Teilen des Frequenzgangs im Niederohm-Keller sein sollte, dann ist der eingeschlagene Weg, den Ausgangsübertrager an die Niederohmigkeit des Lautsprechers anzupassen, sicher nicht ganz falsch. Aber, wie gesagt: Ohne Kenntnis des Impedanzverlaufs tappt man im Dunklen.

Was dann auch noch interessant wäre, das ist der Wirkungsgrad des Elektrostaten. Nicht, daß da gar nicht die Impedanz die erste Geige spielt, sondern der Leistungshunger dieses Lautsprechers, dem der Verstärker vielleicht nicht gewachsen ist........

Grüße

Herbert
selbstbauen
Inventar
#3 erstellt: 06. Okt 2014, 00:19
Hallo Herbert,

der Hersteller gibt folgende Werte an:

Sensitivity
90dB/2.83 volts/meter
Impedance
Nominal: 4 ohms; Minimum: 1.2 ohms

Das bezieht sich aber auf den passiven Lautsprecher. Die 1,2 Ohm veringern sich deutlich ohne die Bauteile im Signalweg. Deshalb ist bereits der 2 Ohm Widerstand dazu gekommen.

Bislang läuft der Amp ohne Gegenkopplung. Davon verspreche ich mir auch nichts.

Ein Elektrostat ist ja vergleichbar mit einer kapazitiven Last. Er ist eigentlich ein riesiger Kondensator, der zu höheren Frequenzen stärker leitet. Der Hochspannungstrafo überträgt die zu hohen Frequenzen absinkende Impedanz auf die Primärseite.

Kennst du einen Weg, das zu kompensieren?

Gruß
sb
DB
Inventar
#4 erstellt: 06. Okt 2014, 17:55
Hallo,

die sinkende Impedanz des Lautsprechers führt dazu, daß der Verstärker bei hohen Frequenzen nahezu kurzgeschlossen wird. Das führt selbstverständlich zu Verzerrungen.
Was Du brauchst ist sowas, wobei R1 durch den Lautsprecher gebildet wird. R2 ist ein kleiner Widerstand im Fußpunkt. Dann steigt die Leistung, die aus dem Verstärker gefordert wird, auch nicht mit der Frequenz an.


MfG
DB


[Beitrag von DB am 06. Okt 2014, 18:01 bearbeitet]
Jeck-G
Inventar
#5 erstellt: 06. Okt 2014, 23:51

Der Umstieg auf einen Transistorverstärker ist zumindest bei moderatem Preis nicht möglich, weil die auf keinen Fall weniger als 1 Ohm Last meistern.
Was heißt moderater Preis? Wenn man schon exotische Lautsprecher hat, die derartige Anforderungen stellen, dann wären auch 2800€ pro Endstufe (Camco Vortex 4) schon moderat. Bei HiFi/"HiEnd" legt man paar Scheine mehr hin...

Die erwähnte Vortex 4 als Monoblock im Parallel-Mono ist für 1Ohm-Lasten spezifiziert, im Normalbetrieb (ohne Eingreifen von "Stromlimitern" oder Ähnliches) kann sie bis auf 0,65Ohm runter (von wegen "weil die auf keinen Fall weniger als 1 Ohm Last meistern"). Gibt eigentlich kaum was Besseres für die (um die es hier aber nicht geht) gewissen Infinity Kappas... Dazu hat die Endstufe technische Werte, wovon viele HiFi-Geräte nur träumen können.

Oder für Vintage-Freaks: Crown MA10,000! Dieser Monoblock kann ohne Probleme mit 0,5Ohm umgehen und schiebt Dir dabei bis zu 8kW in die Boxen.


Ich habe bereits bei Welter nachgefragt, ob sie mir einen 2-Ohm-Übertrager wickeln können.
Das wäre natürlich eine Alternative, sofern man bei Röhre bleiben möchte.
selbstbauen
Inventar
#6 erstellt: 07. Okt 2014, 12:47
Natürlich sind Elektrostaten Exoten, dynamisch kann ja jeder. Und natürlich gibt es Verstärker, die mit einer Last unter 1 Ohm klar kommen. Das ist nicht die Frage.

Der Leistungsbedarf dieser Lautsprecher liegt bei zwei mal 3 Watt pro Kanal (aktive Ansteuerung) für eine originalgetreue Wiedergabe. Eine Übersteuerung der Mittel/Hochton-Sektion beginnt bei 4 Watt für die Frequenzen oberhalb von etwa 10 kHz. Problematisch wird es, wenn 15 Gäste im Wohnzimmer sind und geschätzt etwa 50 % der Leistung durch Menschen absorbiert wird. Bei der gleichen gefühlten Lautstärke als wenn ich allein im Zimmer bin, geht es dann los mit Verzerrungen.

Ich muss also nur ein paar kleine Watt mehr in den ELS pumpen können. Die 4 kW von den vorgeschlagenen Geräten sind dann wirklich Kanonen auf Spatzen - und ich brauche das ja 4 Mal.

@ DB
Kannst du das etwas näher erläutern? Warum würde ein Widerstand zwischen Minuspol am Übertrager und Masse die Last anheben, die der Ü sieht? Und warum frequenzunabhängig?

Gruß
sb
pragmatiker
Administrator
#7 erstellt: 07. Okt 2014, 15:45
Servus selbstbauen,

R1 ist einer der beiden verstärkungsbestimmenden Widerstände dieser Anordnung, deren Spannungsverstärkung sich zu: A(v) = 1 * (R1 / R2) berechnet. Ist jetzt R2 ein Festwiderstand und R1 frequenzabhängig - d.h. in Deinem Fall, daß der Realteil der Impedanz mit steigender Frequenz sinkt - dann sinkt auch die Verstärkung zu hohen Frequenzen hin.....und damit muß der Verstärker bei hohen Frequenzen von ganz alleine weniger Leistung liefern und kommt deswegen mit der sinkenden Impedanz besser klar.

Bei den von Dir angegeben Leistungen von < 10[W] kann man sowas auch mit einem geeigneten IC-Operationsverstärker (Gain-Clone oder ähnliches) aufziehen: R2 macht man recht klein (z.B. 0.5[Ohm] für 1.5[A] Nominal-Vollaussteuerungs-Lautsprecherstrom - dann braucht man 750[mV] Eingangsspannung für Vollaussteuerung). Und R1 ist der Lautsprecher (bzw. die Primärwicklung des ESL-Trafos). Vollaussteuerung heißt dann bei 4[Ohm] echter Impedanz: 4[Ohm] * (1.5[A])² = 9[W]; sinkt die Impedanz auf 2[Ohm], dann sind's noch 2[Ohm] * (1.5[A])² = 4.5[W]; und bei 1[Ohm] sind's dann schließlich noch 1[Ohm] * (1.5[A])² = 2.25[W]. Der Verstärker muß auf alle Fälle nie mehr als diese 1.5[A] Strom bei Vollaussteuerung erbringen - und der Strommeßwiderstand R2 ist mit 0.5[Ohm] immer noch den Faktor 4 kleiner wie Dein 2[Ohm] Vorwiderstand.

Auf alle Fälle sinkt die Vollaussteuerungsleistung mit sinkender Lastimpedanz und damit völlig automatisch mit steigender Frequenz - und das ist doch das, was Du wolltest, oder?

Grüße

Herbert
DB
Inventar
#8 erstellt: 07. Okt 2014, 16:06
Hallo,

der Herbert hat das ganz prima erläutert.
Für derartige Lasten ist ein Verstärker mit sehr geringem Innenwiderstand (Spannungsquelle) kontraproduktiv bzw. schießt sich möglicherweise sogar selbst ab.

MfG
DB
pragmatiker
Administrator
#9 erstellt: 07. Okt 2014, 17:07
Wenn man im Schaltbild R1 durch das ersetzt, was es (natürlich nur im Ideal) ist - nämlich ein Kondensator - dann sieht man sehr schön, was man da eigentlich vor sich hat: Einen Integrator bzw. einen Tiefpaß....

Grüße

Herbert


[Beitrag von pragmatiker am 07. Okt 2014, 17:09 bearbeitet]
selbstbauen
Inventar
#10 erstellt: 08. Okt 2014, 16:18
Der Tiefpass ist ja auch der Grund, warum man einen ESL nicht direkt durch die Endröhren antreiben lassen kann, obwohl man schon in etwa auf der notwendigen Spannungsebene wäre.

Aber im Ernst: Ich soll einen Chip als Verstärker nehmen und meine edlen Röhren einmotten?

Ich könnte doch auch einen Widerstand in den Anodenkreis einfügen. Hätte der nicht auch die gleiche Wirkung? Wenn man dann mit der Spannung hochgeht und den Kathodenwiderstand anpasst, müsste man doch einen ähnlichen Effekt erreichen?

Frau Welter hat mir für eine 2 Ohm-Version ein Angebot gemacht, das ich nicht ablehnen kann. Es wird daher wohl zunächst in diese Richtung gehen.

Gruß
sb
pragmatiker
Administrator
#11 erstellt: 08. Okt 2014, 16:27
Servus selbstbauen,

die Operationsverstärkerschaltung kann man natürlich auch mit Röhren aufziehen: R1 ist der Lautsprecher (bzw. die Primärwicklung des ESL) und R2 ist ein niederohmiger, passend dimensionierter Widerstand nach Masse. Die Gegenkopplung des Verstärkers wird vom Ausgangsübertrager (oder wo immer die sonst abgegriffen wird) abgetrennt und an den Knotenpunkt R1 / R2 gelegt. Natürlich kann es sein, daß man die Gegenkopplungsschaltung von der Dimensionierung her noch etwas anpassen muß (reicht die Leerlaufverstärkung des Gesamtverstärkers zwischen Gegenkopplungseinspeisepunkt und Ausgang?), da die an R2 abfallende Spannung in der Regel deutlich kleiner sein dürfte wie eine üblicherweise an einem normalen Gegenkopplungsabgriff entstehende Spannung.

Daß dieser Verstärker dann nur noch den ESL antreibt und nicht auch noch den Baßlautsprecher mit antreiben kann, ist klar, oder? Weil: Der Verstärker ist dann eine Stromquelle mit relativ hohem Innenwiderstand - das würde der Kontrolle des Baßlautsprechers ohne zusätzliche Maßnahmen (z.B. MFB) gar nicht gut tun.

Grüße

Herbert
DB
Inventar
#12 erstellt: 08. Okt 2014, 17:38

selbstbauen (Beitrag #10) schrieb:
Der Tiefpass ist ja auch der Grund, warum man einen ESL nicht direkt durch die Endröhren antreiben lassen kann, obwohl man schon in etwa auf der notwendigen Spannungsebene wäre.

Kann man schon. Man muß es nur wollen. Y-Verstärker von Oszilloskopen und reine Elektrostatenendstufen tun nichts anderes: sie laden Kapazitäten um.


selbstbauen (Beitrag #10) schrieb:

Aber im Ernst: Ich soll einen Chip als Verstärker nehmen und meine edlen Röhren einmotten?

Nein, einem Röhrenverstärker das gewünschte Verhalten anerziehen.


selbstbauen (Beitrag #10) schrieb:
Ich könnte doch auch einen Widerstand in den Anodenkreis einfügen. Hätte der nicht auch die gleiche Wirkung? Wenn man dann mit der Spannung hochgeht und den Kathodenwiderstand anpasst, müsste man doch einen ähnlichen Effekt erreichen?

Nein. Es geht darum, den Verstärker als Stromquelle wirken zu lassen, nicht seinen Wirkungsgrad zu senken.


selbstbauen (Beitrag #10) schrieb:
Frau Welter hat mir für eine 2 Ohm-Version ein Angebot gemacht, das ich nicht ablehnen kann. Es wird daher wohl zunächst in diese Richtung gehen.

Beschäftige Dich doch einfach mit der dahinterstehenden Theorie und entwerfe einen passenden Verstärker. Besser, als wieder nur einen Lösungsversuch zu unternehmen. So schwer ist das doch nun wirklich nicht. Es gibt LTspice, damit kannst Du Dich zunächst der Lösung nähern, ohne überhaupt den Lötkolben anheizen zu müssen.


MfG
DB


[Beitrag von DB am 08. Okt 2014, 18:56 bearbeitet]
selbstbauen
Inventar
#13 erstellt: 10. Okt 2014, 15:44
Hallo Herbert,

Dank für deine Erläuterung. Ich dachte mir schon, dass es nur über eine Gegenkopplung geht. Diese gibt es bislang nicht. Auch reichen die Vorstufenreserven dafür nicht.

Dem kann man aber abhelfen. Ich hatte bislang auf ein minimalistisches Konzept gesetzt mit nur einer Treiberröhre. Davon muss ich mich vielleicht verabschieden.

Es wird nun so weitergehen: Austausch des Übertragers auf ein 2-Ohm-Modell. Versuche mit einer Gegenkopplung, gegebenenfalls größere Treiberröhre. Die Versuche werden immer zunächst abgehört.

Eine OTL-Variante geht eben leider bei dem direkten Anschluss von ESL dieser Größe nicht. Das hat Menno am Beispiel des Quad ESL durchgerechnet. Bei 7 kHz schließt der Tiefpass. Mehr als Kopfhörer oder im Hochtonbereich kann man mit der Hochvoltanbindung nicht treiben. Es gibt zwar einen Mamutverstärker der es schafft, aber 100 kg pro Kanal auf die Waage bringt und bei dem die üblichen Übertrager vor den Endröhren sitzen und mit 80 Watt im Gegentakt angetrieben werden müssen. Eine klangliche Verbesserung ist bei diesem Aufwand nicht zu erwarten.

Gruß
sb
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