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Mozart - Violinsonaten

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Sir_Henry0923
Stammgast
#51 erstellt: 27. Dez 2010, 16:49
@flutedevoix,

deine Ausführungen sind sehr interessant und informativ. Es ist sicherlich richtig, dass der an den modernen Instrumentenklang adaptierte Hörer zunächst seine Schwierigkeiten hat mit den Klangfarben der alten Instrumente oder ihrer Rekonstruktionen. Mir ging es ähnlich, aber umgekehrt mit Rameaus Komposition Les Indes Galantes. Ich kannte sie nur mit historisierendem Instrumentarium von CD und hörte sie dann in einem Konzert mit modernen Instrumenten. Ich war nach dem Konzert einigermaßen irritiert. Das war zwar dieselbe Musik, aber die Klangfarben waren in der Tat ganz andere. Das Klangbild kam mir flacher, pastoser vor, nicht so schön luftig, farbig und durchsichtig wie auf der CD.

Nunmehr sind alle Aufnahmen mit der Musik von Rameau in meiner Sammlung mit historisierendem Instrumentarium, weil sie in meinen Ohren einfach wunderbar klingen.

Auch die Aufnahmen der Cembalokonzerte von Bach mit Pinnock finde ich großartig, die Verschmelzung des Cembaloklangs mit dem Streicherklang ist bestens gelungen. Hier wäre der Klang eines Klaviers entschieden zu dominant.

Nun hatte ich vor einiger Zeit von einem Onkel eine große LP- und CD-Sammlung vererbt bekommen und ich bin immer noch am Sichten und Hören. Das WO war in zwei Aufnahmen dabei, zum einen die besagte mit Richter, die ich trotz deiner Einwände aber vor allem wegen Fritz Wunderlich (DER Evangelist) bei mir den ersten Rang einnimmt, und eine mit dem Thomanerchor unter Kurt Thomas. Dort klingen die Chöre sehr ansprechend, aber der Rest, na ja. Wenn Fischer-Dieskau sein "Großer Herr, o starker König", losbellt und -bölkt, als hätte er den Kaspar aus dem Freischütz (Der Hölle Netz hat dich umgarnt) noch im Sinn, dann ist allerdings auch meine Geduld erschöpft.

Vielleicht kannst du mir aber eine Aufnahme des WO, so meine Bitte an den Profi, in historisierender Aufführung, von der du überzeugt bist, empfehlen.

Besten Dank im Voraus.

Grüße

Henry


[Beitrag von Sir_Henry0923 am 27. Dez 2010, 16:51 bearbeitet]
flutedevoix
Stammgast
#52 erstellt: 27. Dez 2010, 17:42
Auch wenn es jetzt ganz off-topic wird:

Das ist eine sehr schwer zu beantwortende Frage:

Ich favorisiere für mich eigentlich drei Einspielungen, aufgrund unterschiedlicher Meriten. Ich wüßte jetzt da auch nicht, welche ich besonders hervorheben sollte.

1.) Schlick, Chance, Crook, Kooy, Collegium Vocale Gent, Herreweghe
2.) Ziesak, Groop, Pregardien, Mertens, Vokalensemble Frankfurt, Concerto Köln, Otto
3.) Argenta, von Otter, Rolfe-Johnson, Blochwitz, Bär, Monteverdi-Choir, The English Baroque Soloists, Gardiner

Zu 1.)
Hier finde ich die instrumentale Seite ganz hervorragend, ebenso die Chöre, während die Solisten manchmal doch Wünsche offen lasse, besonders Howard Crook kann mich nicht ganz überzeugen. Allerdings finde ich an dieser Aufnahme so schön, daß die kontemplativen Momente des Oratoriums eher in den Vordergrund gerückt sind, selbst in den triumphalen, königliche Pracht verkörpernden Chorsätzen mit Trompete, überstrahlen die Blechbläser nicht alles sonder sind hörbar teil des Ensembles. Zudem atmet die Musik wunderbar, tänzerische Momente scheinen durch, insgesamt eine sehr entspannte Art des Musizierens.

Zu 3.)
In vielem so etwas wie ein Gegenentwurf zu 1. Der Klang des Orchesters ist offener, fast möchte man sagen etwas aggressiver, die Trompeten deutlich mehr in den Vordergrund gerückt, hier fehlt mir etwas die Wärme der Herreweghe-Einspielung. Dafür finde ich die Solisten hier von ganz besonderer Güte, an erster Stelle Anne Sofie von Otter, der Alt hat ja die tragende Solistenrolle und Olaf Bär als Baß. Der Monteverdi-Choir singt sehr beweglich und durchhörbar, allerdings sind die Chorsätze etwas statischer und weniger tänzerisch als bei Herreweghe angelegt. Dafür ist die klangliche Pracht dieser Aufnahme und ihr recht dramatisch Gestus beeindruckend.

Zu 2.)
Steht in vielem zwischen den beiden Aufnahmen. Durch die Bank ausgezeichnete Solisten, das Concerto Köln spielt ausgezeichnet mit klanglicher Wärme (wenn auch die Holzbläser nicht ganz so wie bei Herreweghe), das Vokalensemble Frankfurt auch chorisch ausgezeichnet. Allerdings vermisse ich hier etwas die artikulatorische Zuspitzung oder den drammatischen Gestus.

Die von mir angebrachte Kritik ist allerdings auf aller höchstem Niveau und soll nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich bei allen drei Einspielungen um herausragende Produktionen handelt.

Vielleicht lohnt es sich ja, noch Szellfan um eine Empfehlung zu bitten. Ich bin sicher, daß er den Markt der erhältlichen Einspielungen besser als ich überblickt. Schon möglich, daß mir in den letzten Jahre eine Perle verborgen geblieben ist.
Szellfan
Hat sich gelöscht
#53 erstellt: 27. Dez 2010, 20:36
bitte verzeiht, ich wurde nicht gefragt, daß ich einen Einwurf wage.
Lieber Johannes, wo bleibt in Deinem Entwurf der "wohlbestallten Kirchen musik" der Koopman?
Koopman hat wunderbare Solisten, Pregardien, Mertens, und das oratorio klinget ganz uneitel, einfach nur freudig erhöhet.
Daß ich persönlich den Fasolis bevorzuge, ist meine Marotte: endlich einer, der vom Wort her musziert, endlich ein echtes "JAuchzet, FOHlocket", ungebunden an die Musik, die woanders herkommt.
Ja, ich weiß, was Sir Henry meint, so "heilig" wie bei Wunderlich gehts nimmer, aber es gibt Alternativen.
Also wollte ich hier Deine Aufzählung gern ergänzen, nicht relativieren.
Für manchen, auch den gewohnten "HIP"- Hörer fremd.
Doch finde ich, daß gerade Bach so am Wort entlang komponierete, daß alles Zähe dort nichts zu suchen hat.
Mensch,was war ich selbst zunächst irritiert!, Solch ein Tempo!
Inzwischen habe ich verstanden, daß das gesprochene Wort zählt, der Rhythmus und die Sprachmelodie, und mag das anders micht mehr hören.
JAuchzet! FRohlocket! Sprich es, für Dich, meine es!
Heilig ist das nicht im Sinne von Überhöhung, heilig ist es im Sinne des Lebens, dessen, was uns beschieden ist.
Bescheidenheit im Sinne des Beschiedenen.
Naja, hilft mal wieder keinem, ich weiß.
Trotzdem herzliche Grüße, Mike
flutedevoix
Stammgast
#54 erstellt: 28. Dez 2010, 12:32
Hallo Mike,

Ich habe mir schon gedacht, daß due den Fasolis ins Gespräch bringst. Ich habe zu ihm geschwiegen, weil ich ihn nicht kenne. Ich bin bezüglich Fasolis etwas skeptisch, weil ich vor Jahren bei ihm einmal bei Monteverdi gespielt habe und das nicht so umwerfend fand, auch vom fachlichen Wissen. Aber jeder kann sich entwickeln, und da ich Dich inzwischen musikalisch als auf meiner Linie schätze, glaube ich, daß er gut ist.
Den Koopman hingegen kenne ich und habe die für mich Koopman-typischen Einwendungen. Das ist alles schön musiziert, Solisten und. Instrumentalisten State of Art, aber eben auch, ich zitiere "einfach nur freudig erhöht". Da fehlt mir doch etwas Textexegese, etwas "heiliges", wie du so schön zu Wunderlich schreibst. Mit einem Wort ich finge ihn etwas unverbindlich, obwohl instrumentaltechnisch sicher "moderner" und wärmer als Gardiner.

Vielleicht noch ein Wort zu Wunderlich. Wenn man Wunderlichste fabelhafte Aufnahmen als Liedsängrr hört, dann weis man, was für einen Sänger die Musikwelt an ihm verloren hat. Ich glaube, nein ich bin mir sicher, er wäre sowohl im traditionellen Opernbereich wie in der Alten Musik DER Tenor, seine Charakterisierungskunst, die dennoch immer natürlich wirkt, das halte ich für unübertroffen. Er ist übrigens auch der einzige bei dem ich drittklassige Operettenschnulzen ertrage ( und z. T. Mitpfeife), obwohl ich das Genre nicht sonderlich mag.
Kreisler_jun.
Inventar
#55 erstellt: 29. Dez 2010, 16:07
Ich kann zwar gerade nicht zur Überprüfung in meine Aufnahmen reinhören, aber ich hatte bei diesen Violinsonaten selten oder nie den Eindruck, dass historische Instrumente oder Spielweise außerordentlich relevant wären.
Anders als beim 2. Brandenburgischen Konzert oder bei einer Händel-Oper, wo früher die Stimmen transponiert wurden usw.

Es mag allerdings sein, dass die Kombination von alten Instrumenten und einer kontrastreichen und zupackenden Interpretationsart weniger Gefahr läuft, die Stücke als triviales Geklingel erscheinen zu lassen. So manche traditionelle Interpretation (Porzellanpuppenwunderkind) ist nicht ganz dagegen gefeit.

viele Grüße

JK jr.
flutedevoix
Stammgast
#56 erstellt: 18. Feb 2011, 14:55
Ich habe in den letzten Wochen immer mal wieder verschiedene Aufnahmen der Violinsonaten Mozarts, die sich in meinen Regalen finden, auch im Vergleich gehört.

Das sind folgende Aufnahmen, auf die ich mich nun beziehe:
jpc.de
jpc.de
jpc.de
amazon.de

Davon liegen mir Perlmann/ Barenboim und Kuijken/ Devos komplett vor, die beiden anderen Einspielungen in Ausschnitten.
Den Kuijken habe ich in der Zwischenzeit günstig erstanden, der lag mir während unserer letzten Diskussion noch nicht vor.

Kreisler_jun schrieb;

ch kann zwar gerade nicht zur Überprüfung in meine Aufnahmen reinhören, aber ich hatte bei diesen Violinsonaten selten oder nie den Eindruck, dass historische Instrumente oder Spielweise außerordentlich relevant wären.


Eben das Gegenteil dieses Eindrucks hat sich bei mir beim Hören verfestigt. Die beiden Einspielungen auf "modernem" Instrumentarium führen uns einen sehr traditionellen Mozart vor. Es wird tonschön musiziert, das Zusammenspiel paßt, aber es fehlen einfach alle Ecken und Kanten. Irgendwie höre ich da das Bild des Götterlieblings, des Apolls der klassischen Musik. Schön, das ist aber nicht das was Mozart uns in seinen Werken hinterlassen hat.
Mit zu diesem Eindruck trägt bei, daß die Interpreten auf "modernen" Instrumenten niemals iihre Instrumente ausspielen können, weil dann die Klangbalance und jegliche klangliche Verschmelzung perdu wären.
Dies wiederum können die Interpreten auf Instrumenten bzw. Nachbauten aus Mozarts Zeit. Dadurch bekommt manche Sonate etwas sehr Kerniges, Entschiedenes (am besten in der Kuijken/ Devos-Aufnahme zu hören). Dieses Lebendige läßt plötzlich die Sonaten in ganz anderem Licht dastehen, ganz zu Schweigen von der Artikulationsvielfalt und rhetorischen Auffasung dieser Interpreten.
Auch das Probelm der Verschmelzung zwischen Violine und Klavier ist nicht zu gering zu veranschlagen. Wenn die Violine mit Liegetönen oder Belgeitfiguren nur als Ornament in Erscheinung tritt, wirkt sie auf den modernen Instrumenten seltsam iosliert, die musikalische Funktion wurde mir nicht klar. In den historisch informierten Einspielungen dagegen, nahm man sie als das wahr, was Mozart komponiert hat: ein klangliches Ornament, als Farbe

Ob nun Kuijken/ Devos oder Podger/Cooper ist nun vermutlich in erster Linie Geschmacksfrage.
Kuijken und Devos zeigen uns einen sehr lebendigen und drammatischen Mozart, mit viel Kraft. Mein Einwand an dieser Darstellung bezieht sich vor allem auf Devos. In meinen Augen ist sein Anschlag an vielen Stellen etwas zu hart, so können seine Instrumente nicht den ganzen Klangfarbenreichtum entfalten, der sie auszeichnet. Lider gehen so auch manche feine Zwischentöne verloren. Andererseits zeichnet aber auch die Frische, die Geradlinigkeit, die Lebendigkeit diese Einspielung aus.
Podger und Cooper sind eigentlich der Gegenentwurf. Bei ihnn hört man eine phänomenale Klangfarbenvielfalt mit vielen Zwischentöne (möglicherweise auch aufnahmetechnisch bedingt). Allerdings geht mir hier manchmal die Frische, die Lebendigkeit etwas ab. Mehr Sinn für den großen Bogen hätte in meinen Augen manchmal organischere Lösungen ergeben.

Das soll nun kein abschließender Beitrag zum Themenfeld der Mozartschen Violinsonaten sein, viel eher eine Zusammenfassung meiner Eindrücke. Jedenfalls hat sich auch hier wieder einmal mein Eindruck bestätigt, daß sehr oft die Qualität einer Interpretation und die Wahl eines angemessenen Zuganges doch sehr über die Rezeption der Kompositionen entscheidet. In meinen Augen sind die Violinsonaten von Mozart keine Kammermusik zweiter Wahl sondern erstklassige Werke, die aber ihre Schönheit und Wahrhaftigkeit nicht in jeder interpretation preisgeben.
Kreisler_jun.
Inventar
#57 erstellt: 26. Feb 2011, 13:52
Flutedevoix: Das könnte auch an den von Dir herangezogenen Aufnahmen liegen, die ich allerdings alle nicht kenne.

Ich habe in den letzten Tagen nun etliche Sonaten mit Zimmermann/Lonquich, Seiler/Immerseel und Kagan/Richter gehört. Natürlich klingen die alten Instrumente anders, tempi sind tendenziell etwas zügiger, die Akzente stärker. Aber die Einspielungen auf modernen Instrumenten sind ebenfalls keineswegs niedlich, verzärtelnd oder einseitig spritzig. Auch die modernen Geiger scheuen nicht vor dynamischen Kontrasten und Akzenten zurück. Besonders die live-Aufnahmen von Kagan/Richter sind außerordentlich packend dargeboten.
Manche Unterschiede beruhen wohl auch eher auf interpretatorischen Entscheidungen. So klingt das adagio am Beginn von K 379 bei Seiler/Immerseel eher majestätisch, bei den anderen hat es etwas Verträumtes.

Balance-Probleme gibt es keine. Im Gegenteil scheint mir gerade bei der HIPpen Aufnahme die Violine am dominantesten... (Das liegt oft an der Aufnahmetechnik, oder an den Musiker-Persönlichkeiten. Heifetz soll während Aufnahmen zu einem Klaviertrio gesagt (und das ernst gemeint) haben: "The balances are all wrong, I can hear the cello." Wobei das zwar leider auf viele Einspielungen von Heifetz + Begleiter zutrifft, weniger aber auf solche mit Trio- oder größerer Besetzung. Auch da muss man jedoch keine Dominanz des Klaviers befürchten...)

Was die Verschmelzung der Klangfarben betrifft, so ist mir das nicht so extrem aufgefallen. Ich höre als Nichtmusiker auch keinen klaren Unterschied zwischen der Schreibweise von Mozart für die einzelnen Instrumente gegenüber der von Brahms oder Franck.

Hörbare Unterschiede will ich gar nicht bestreiten. Aber die Wahl der Instrumente färbt die Interpretationen m.E. nicht annähernd in der Weise wie das bei gemischten Besetzungen, inkl. Bläsern im Barock (und teils auch noch der Klassik) der Fall ist.

Mir gefallen Seiler/Immerseel ebenfalls sehr gut, und ich werde bei Gelegenheit vielleicht auch mal versuchen, eine der Podger-CDs zu finden (die sind mir momentan zu teuer, zumal ich mit dem, was ich schon habe, sehr zufrieden bin.) Vielleicht liefern Seiler/Immerseel ja auch eine zweite Folge nach (auf der Zigzag-Doppel-CD befinden sich die 7 letzten Sonaten 376-80, 454, 481, 526)

viele Grüße

JK jr.
Szellfan
Hat sich gelöscht
#58 erstellt: 26. Feb 2011, 15:18
Hallo Kreisler,
daß ich persönlich eher die Meinung flutedevoix' teile, wird Dich kaum überraschen.
Eine Aufnahme, die hier bisher nicht genannt wurde, hat mich vor Kurzem mal wieder in helle Freude versetzt:
Anton Steck und Marieke Spaans.
Sie spielt auf einem Tangentenflügel, der hat so viele unterschiedliche Register, daß er mal nach Cembalo, mal nach Hammerklavier klingen kann, noch mit Lautenzug und so fort.
Quasi drei Instrumente in einem und sie benutzt diese unterschiedlichen Möglichkeiten auch sehr geschmackvoll.
Mozart selbst besaß ein solches Instrument.
Und hier entegehn damit beide Musiker wirklich jeder (klanglichen) Einförmigkeit in ihrem so schönen Gespräch.
Herzliche Grüße, Mike
Kreisler_jun.
Inventar
#59 erstellt: 26. Feb 2011, 16:40

(FlutedeVoix): Mit zu diesem Eindruck trägt bei, daß die Interpreten auf "modernen" Instrumenten niemals iihre Instrumente ausspielen können, weil dann die Klangbalance und jegliche klangliche Verschmelzung perdu wären.


Das halte ich schlicht für falsch. Was immmer genau mit "Ausspielen" genau gemeint ist. Im Gegenteil hat besonders der Pianist offensichtlich mehr dynamische Möglichkeiten auf dem modernen Instrument, ohne dass es wie "gedroschen" klingt, weil er serh schnell an der Oberkante der Dynamik des Instruments angelangt ist (sofern sich der Geiger nicht zurücknimmt). Klar, man mag das Perkussive und Geräuschanteile schätzen, aber zu behaupten, dass es immer und notwendig "besser" wäre, finde ich nicht nachvollziehbar.
Das moderne Klavier kann vermutlich nicht so ein gestochen scharfes non-legato bringen (es klingt im Vergleich immer "zu fett"), aber es kann viel besser "singen" als ein Fortepiano.

Ch. Rosen schreibt etwas überspitzt, dass das Klaviertrio bei Haydn nicht zuletzt aufgrund die Uunzulänglichkeiten des damaligen Fortepianos zurückgeht: Der zu schwache Bass muss mit dem Cello verstärkt werden und der kaum tragende, "klimprige" Diskant mit der Geige. Das ist sicher überzogen, aber für mich als Hörer nichtsdestoweniger nachvollziehbar.

Edit: noch zwei Sachen: Das Dinge auf der Einspielung von Steck klingt nach den Schnipseln für mich wie ein Cembalo. Und ich habe den Eindruck, dass, woran auch immer es liegen mag, die Fortepiani auf neueren Aufnahmen zunehmend den modernen Klavieren näher kommen. Sie werden anscheinend immer weniger klappriger und klimpriger als das, was man auf Einspielungen aus den 1980ern zu hören bekommt. Sicher sind das auch Unterschiede der Instrumente und der Klangtechnik, aber von dem, was ich gehört habe, ist es ziemlich deutlich.


[Beitrag von Kreisler_jun. am 26. Feb 2011, 17:07 bearbeitet]
Szellfan
Hat sich gelöscht
#60 erstellt: 26. Feb 2011, 17:41
Hallo Kreisler,
zu Deinem edit:
Deinen Eindruck kann ich sehr gut nachvollziehen.
Allerdings ist dabei mein Endruck, daß es immer mehr "echte" Pianoforte-Spieler gibt, die den Klang des alten Instruments auch ausreizen können, anders als die "Überwechsler" vom modernen Klavier zum Hammerklavier.
Die gesamte Anschlagstechnik ist eine völlig andere, auch die zum Cembalo, wenn da aber noch näher.
Darum will das wirklich gelernt sein!
Und, ganz klein daneben: ich habe auch die Steck-Aufnahme nicht von der produzierten CD gehört, denn die gefällt mir weniger als der live-Mitschnitt, den ich habe.
Aber nicht schon wieder die Diskussion bitte, ob nun "neuer" auch gleich "besser" zu sein hätte!
Ein Steinway ist schlicht ein völlig anderes Instrument als ein Tangentenflügel, nicht besser oder schlechter.
Nichtmuseale, herzliche Grüße, Mike
flutedevoix
Stammgast
#61 erstellt: 27. Feb 2011, 01:59

Das halte ich schlicht für falsch. Was immmer genau mit "Ausspielen" genau gemeint ist. Im Gegenteil hat besonders der Pianist offensichtlich mehr dynamische Möglichkeiten auf dem modernen Instrument, ohne dass es wie "gedroschen" klingt, weil er serh schnell an der Oberkante der Dynamik des Instruments angelangt ist


Der moderne Flügel hat insofern mehr dynamische Möglichkeiten, weil er effektiv lauter ist als ein Fortepiano. Das "muß" er ja auch sein, um eine größten Saal zu füllen oder gegen ein lauteres "modernes" Orchester zu bestehen.

Allein es nutzt im in den Mozart-Sonaten nichts. Wenn er seinen Flügel fortissimo(oder forte fortissimo) ausspielt, dann sprengt er die Balance. Die Geige wird im Fortissimo noch zu hören sein, eine klangliche Verschmelzung erfolgt aber nicht mehr, weil sich das Obertonspektrum der beidem Instrumente klanglich nicht mehr mischt. Dann ist aber die kompositorische Idee etwa begleitender Liegetöne der Violone ad absurdum geführt.

Das genaue Gegenteil ist bei Instrumentarium der Mozartzeit der Fall: bei einem Fortissimo des Fortepiano kann sich die Violine immer noch eingliedern, sprich ihre Funktion der Begleitung, der Klangfarbe wahrnehmen.



Deinen Eindruck kann ich sehr gut nachvollziehen.
Allerdings ist dabei mein Endruck, daß es immer mehr "echte" Pianoforte-Spieler gibt, die den Klang des alten Instruments auch ausreizen können, anders als die "Überwechsler" vom modernen Klavier zum Hammerklavier.
Die gesamte Anschlagstechnik ist eine völlig andere, auch die zum Cembalo, wenn da aber noch näher.

Nur zur Ergänzung zu meiner Studienzeit in den 1990er Jahren gab es kaum einen eigenständigen Studiengang Hammerflügel bzw. ließ sich Hammerflügel als Schwerpunkt in einem Studium histor. Tasteninstrumente wählen. Der Hammerflügel war immer Beigabe zum Cembalostudium.


Sie werden anscheinend immer weniger klappriger und klimpriger als das, was man auf Einspielungen aus den 1980ern zu hören bekommt. Sicher sind das auch Unterschiede der Instrumente und der Klangtechnik, aber von dem, was ich gehört habe, ist es ziemlich deutlich.


Was aber nichts an ihrem Obertonverhalten und damit an der Verschmelzungsfähigkeit mit anderen Instrumenten ändert!
flutedevoix
Stammgast
#62 erstellt: 27. Feb 2011, 02:36

Ch. Rosen schreibt etwas überspitzt, dass das Klaviertrio bei Haydn nicht zuletzt aufgrund die Uunzulänglichkeiten des damaligen Fortepianos zurückgeht: Der zu schwache Bass muss mit dem Cello verstärkt werden und der kaum tragende, "klimprige" Diskant mit der Geige. Das ist sicher überzogen, aber für mich als Hörer nichtsdestoweniger nachvollziehbar.


Na, das scheint mir doch eine extrem rückwärtsgewandte, also vom heutigen Klangideal in die Vergangenheit zurück gedachte These zu sein.

Wenn diese Ding namens Fortepiano ein so unvollkommenes Instrument gewesen wäre, darf man sich ja schon fragen, warum es das Cembalo verdrängt hat, sich als das populärste und wichtigste Instrument um 1800 etablierte und warum sich überhaupt anerkannte Genies wie Haydn, Mozart, Beethoven, Mendelssohn oder Schumann dazu herabließen eine nicht unbeträchtliche Zahl an Oeuvres für Klavier solo zu komponieren. Gleichzeitig verwundert es, daß nicht wesentlich mehr Klaviertrios oder zumindest eine der Zahl der Klaviersonaten vergleichbare Menge entstand.

Die historische Entwicklungslinie dürfte vielmehr von der barocken Sonate ausgehen. Der weitaus größte Anteil der barocken Sonate für Soloinstrument und Basso Continuo ist für Violine gedacht. Dabei übernahm oft das Violoncello (speziell in Frankreich und im 17. Jh. Auch in ganz Europa die Gambe) den Basso Continuo.
Dies konnte als einziges Instrument, dann auch im mehrstimmigen und akkordischen Spiel geschehen aus dem dann in der zweiten Hälfte des 18. Jh. bis ins 19. Jh. Hinein das Duo concertant entstand.
Oder aber als Melodieinstrument im Verbund mit einem Tasteninstrument (Cembalo, Orgel) oder Zupfinstrument (Laute, Gitarre, Harfe). Hier lag der Hauptgrund in der Verwendung des Cellos als Melodieträger, also zur Betonung der melodiösen Komponente der Baßstimme. Wenn man die zeitgenössischen Kontertberichte, Instrumentalschulen und Generbaß-Schulen liest, kann man davon ausgehen, daß das Ideal eine farbige und klangstarke Besetzung des Basses als harmonischem Träger des Stückes war.

Im Laufe der zweiten Hälfte emnzipiziert sich in dieser Besetzung das Tasteninstrument zum wichtigsten Instrument zum Primus Inter Pares. Es wird aus seiner bisherigen Hauptfunktion, der Begleitung, zum ich melodiösen Träger des Geschehens geführt. Die Funktion des Begleitens, der Klangfarbe, der klanglichen Verstärkung fällt nun umso mehr dem Cello und der Violine (oder einem anderen Soloinstrument) zu. Vor diesem Hintergrund sind auch die Sonaten für Klavier und (oder mit Begleitung eines) anderes Instrumentes zu verstehen und anzusiedeln. So sind diese Gattungen eben auch Ausdruck der Emanzipation des Hammerflügels zum wichtigsten Konzertinstrument überhaupt.
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