Chopin: Klaviersonate Nr. 2! Aber welche?

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Schafschuetzer
Ist häufiger hier
#1 erstellt: 04. Jun 2003, 15:20
Hallo zusammen,

ich suche eine möglichst gute Aufnahme von Chopins Klaviersonate Nr. 2 b-Moll op.35.

Für Empfehlungen wäre ich sehr dankbar.


MfG
Schafschützer
Albus
Inventar
#2 erstellt: 04. Jun 2003, 15:52
Guten Tag Schafschützer,

es heißt, nur Polen können Chopin richtig spielen. Was man beiseite schieben darf. Nicht beiseite schieben darf man die Feststellung von Claudio Arrau: "Chopin war ein Mann". Dies voraus, zwei Empfehlungen:
1. Grigory Sokolov, eine Aufnahme aus der Gegenwart, ca. 2000, eine scharf durchdachte Interpretation.
2. Artur Rubinstein, eine alte Aufnahme, ADD, prägender Chopin-Stilist der Vergangenheit.

Ungefragt füge ich eine Warnung hinzu. Ich warne vor Ivo Pogorelich.

MfG
Albus
Schafschuetzer
Ist häufiger hier
#3 erstellt: 04. Jun 2003, 16:31
Danke für die Antwort Albus.

Warum nicht Pogorelich? Seine Einspielung der Etueden ist doch nicht schlecht, oder?

MfG
Schafschützer
Albus
Inventar
#4 erstellt: 04. Jun 2003, 16:43
Tag Schafschützer,

Pogorelich geht manieristisch über das hinaus, was noch als Interpretation gelten kann. Da bin ich streng. Auch im Falle der Etüden.

MfG
Albus
Markus
Inventar
#5 erstellt: 04. Jun 2003, 16:55
Mein Favorit im Hinblick auf die Interpretation ist die Aufnahme von Horowitz aus dem Jahre 1961 oder 62 (habs vergessen). Er durchleutet das Werk und traut sich, auf durchdachte Art und Weise dessen Extreme auszuleben. Kaum vorstellbar, dass es besser gehen soll.

Gruß,

Markus.
Schafschuetzer
Ist häufiger hier
#6 erstellt: 04. Jun 2003, 16:59
Horowitz klingt interessant.

@ Albus
Kann man Pogorelichs Manierismus nicht auch schlicht als expressiv bezeichnen? Eine Eigenschaft, die z. B. auch Glen Gould nachgesagt wird.

MfG
Schafschützer
Albus
Inventar
#7 erstellt: 05. Jun 2003, 08:55
Guten Morgen Schafschützer,

(wen zu schützen ist dir aufgegeben, die Schafe aus Platon's Schafherde, die sind doch wir alle? Fein, fein, schütze uns, und, beisse uns nicht ins Bein.)

man kann es expressiv nennen. Hält sich ein Ausdrucksgeschehen in den verschiedensten Werken in gleicher Weise, gewissermaßen musterartig, an agogische (zeitschematische) Kombinationen von Dehnung und Raffung, dann sprich es dafür, es (doch auch) eine Manier zu nennen. Was dann auch eine bloße Manier sein kann. Bei Pogorelich ist dieses Phänomen zu bemerken.

Sokolov (wie auch Pletnev) spielen in einer Weise Klavier, die intellektuell genannt worden ist. Auch Glenn Gould hat man nachgesagt, von einem entschieden intellektuellen Standpunkt aus zu spielen. Ich sehe es mittlerweile so: G. ist kein Pianist. Wenn G. Beethoven-Sonaten spielt, zB op.31, 1-3, op. 109, dann ist das nicht mehr Beethoven (mit dem Urteil stehe ich nicht allein). Soweit.

Was Horowitz angeht (Horrorwitz, sagt meine Frau), die Auslegung kann sehr gut treffend interessant genannt werden; allein, der Klavierton ist deutlich verfärbt. CBS hat bei H. nie einen ordentlichen Klavierton hinbekommen.

Um dem Pianisten Horowitz die gebührende Ehre zu geben: die Kreisleriana, Schumann, op. 16 - ein hochromantisches Stück in hochromantischer Interpretation, die muss man haben, wenigstens gehört haben, der Klavierton ist immer noch etwas hell, macht nichts. Eine gedankenschwere Auslegung der Kreisleriana stammt von Claudio Arrau, etwas vom Höllischen der Romantik wird hörbar, breitbandiger Klavierton (ob auch auf CD, ich weiß es nicht, die LP meine ich).

MfG
Albus


[Beitrag von Albus am 05. Jun 2003, 08:59 bearbeitet]
Schafschuetzer
Ist häufiger hier
#8 erstellt: 06. Jun 2003, 11:04
Danke Albus. Es ist eben immer wichtig etwas dazuzulernen, um nicht den Phrasen von professionellen (verkaufsfördernden) Musikkritikern zu erligen.

Dieses Forum scheint meinen musikalischen Horizont zu erweitern. Auch gut.


MfG

Schafschützer
HifiPhlipper
Stammgast
#9 erstellt: 06. Jun 2003, 11:08
Zitat:
"schlagt Ihn tot den Hund. Er ist ein Rezensent"!
Johann Wolfgang von Goethe
martin
Hat sich gelöscht
#10 erstellt: 06. Jun 2003, 13:25
Hi Schafschützer,

wichtig ist doch, was einem selbst gefällt. Wobei Pogorelichs Manierismen auch von der offiziellen Kritik ja ebenfalls negativ aufgenommen werden. Zumindest hat es der Kritiker in der StZ bei P.s letztem Recital in Stuttgart ebenso gesehen. Im Gegensatz zu mir hat der Auftritt meiner Freundin gefallen und auch im Bekanntenkreis gibt es Pogorelich-Fans, die sagen: ok, zu viel Beiwerk, aber mir gefällts

Grüße
martin
Markus
Inventar
#11 erstellt: 06. Jun 2003, 13:43
Zum Thema Manierismus denke ich, dass der Grat zwischen Selbstdarstellung und überlegter und intelligenter Interpretation recht schmal ist. Ich kenne Pogorelich nur von Aufnahmen her, von daher denke ich, dass seien Interpretationen meist sehr durchdacht und unkonventionell sind.

Mir ist es lieber, ein Pianist arbeitet Feinheiten in Bezug auf Phrasierung und Artikulation heraus, auch wenn fraglich ist, ob der Komponist diese auf diese Art und Weise geplant hat, als dass er die hundertfach praktizierte und aufgenommene Spielweise anderer Kollegen unkommentiert übernimmt. Ein Musterbeispiel für diese Aussage sind die Chopin Scherzi in der Aufnahme von Pogorelich.

Das ist meine ganz persönliche Meinung auf der Suche nach interessanten Interpretationsformen.

Gruß,

Markus.
martin
Hat sich gelöscht
#12 erstellt: 11. Jun 2003, 22:10
Leider kenne ich keine Aufnahme der betr. Sonate, gebe aber mal meine Favoriten für Chopin ungefragt weiter, die ich diese Spielzeit gehört habe:)Liegen interpretatorisch zwischen dem Haudrauf (meine ich nicht so despektierlich, wie es klingt)Sokolov und dem maniriertem Pogorelich -eher konventionell aber ohne jeden Pathos oder übertriebener Leidenschaft, was mich nervt.

Dinorah Varsi und Leif Ove Andnes

Habe keinen musiktheoretischen Background, sag halt, was mir gefällt

Grüße
martin
Pita1
Stammgast
#13 erstellt: 13. Jul 2008, 01:35
Je älter (historischer) die Aufnahme, desto besser.

Und möglichst einen Tastenkünstler wählen, der sein Ego dem Komponisten unterordnet. Der sich als Arbeiter im Sinne des Werkes versteht. Dessen einzige Arbeit darin besteht, das Werk an sich zu zeigen. Die russische Schule hat diesen Sklaventypus perfektioniert. Also da suchen.
Pilotcutter
Administrator
#14 erstellt: 13. Jul 2008, 02:00
Interessante Anmerkung auf die 5 Jahre und 1 Monat und eine Woche alte Frage!
Gleichwohl eine merkenswerte Bemerkung.

Gruß. Olaf


[Beitrag von Pilotcutter am 13. Jul 2008, 02:02 bearbeitet]
alidoro
Ist häufiger hier
#15 erstellt: 19. Jul 2008, 17:16
Ciao,
ich würde mich der Empfehlung für Andsnes anschließen wollen. Er geht den goldenen Mittelweg zwischen den denkbaren Extremen und hat doch seine ganz eigene persönliche Diktion. Zudem bekommt man eine fabelhafte 3. Sonate mit dazu und das bei sehr guter Aufnahmetechnik. Ähnlich überzeugend fand ich sonst nur Rubinstein.

Die Pogorelich-Version halte ich (ebenso wie Goulds Beethoven) unbedingt für sehr hörenswert, da pianistisch atemberaubend und musikalisch erhellend. Das Maß der Dinge können diese unkonventionellen Ansätze natürlich nicht sein, sie sind aber durchaus stringent, konsequent und faszinierend. Dies eröffnet eine andere Sicht auf das Werk.

A dopo,

Alidoro
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