Bin ich normal, wenn ich mich im Konzert langweile?

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Shmuel
Neuling
#1 erstellt: 12. Feb 2005, 14:36
Hallo!
Bin auch durch Zufall auf diese Seite gestoßen und wollte mich kurz vorstellen. Als Hobby-Cellist gilt mein Hauptinteresse natürlich den Streichern. Auf eine Epoche will und kann ich mich nicht beschränken, wenngleich mir die Musik des 20. Jh. ein Rätsel ist . In diesem Punkt muss ich mir wohl den Vorwurf eines Konservativen gefallen lassen.
Daraus ergibt sich auch meine erste Frage an das Forum. Christiane Tewinkel, eine Musikwissenschaftlerin, hat ein Buch geschrieben: "Bin ich normal, wenn ich mich im Konzert langweile?". Ihrer Meinung nach ist der momentane Klassik - Betrieb im 19. Jh. steckengeblieben. So heißt es unter anderem: " Es ist immer das Gleiche. Der Dirigent tritt auf, Händeschütteln, hinterher werden fünf gleiche Blumensträuße verteilt – das ist alles so erwartbar und so hohl. Ich frage mich dann: „Was ist hier überhaupt noch in irgendeiner Form lebendig?“ ".
Meiner Meinung nach - und ich gehöre sicher nicht zu den "80 % der über Sechzigjährigen" von denen die Autorin spricht - verkennt die Autorin Sinn und Zweck eines klassischen Konzerts. Dies Art von Musik braucht die Stille, um ihre ganze Wirkung zu entfalten. Stille kann nicht mit Langeweile gleichgesetzt werden. Man denke nur an die wenigen Sekunden der "überirdischen Stille" nach einem lamgsamen Satz. Dieser Moment ist ganz sicher nicht langweilig. Natürlich wiederholt sich der Ablauf, aber das ist ja nur der Rahmen. Sobald das Konzert beginnt, ist nichts erwartbar. Genau dort beginnt das Spannende, das Lebendige.
Verkenne ich die Probleme der heutigen Zeit? Bin ich konservativ im negativen Sinn? Würde mich auf eure Kommentare freuen.

Shmuel
Tom_Sawyer
Stammgast
#2 erstellt: 12. Feb 2005, 14:52
Hallo Shmuel,

habe zwar das Buch nicht gelesen, trotzdem möchte einiges hinzufügen.
Das Repertoire ist begrenzt(natürlich!) und wiederholt sich.
Die Rituale sind seit längerer zeit altmodisch und stammen vom Bildungsbürgetum des vorletzten Jahrhunderts.
Gibt es aber alternativen ? Wäre es besser wenn der Dirigent in Jeans stecken würde ? Was soll ich mir anhören statt Bach ?

Ob du konservativ bist, muss ich bejahen, ich auch. Konservativ bedeutet das alte zu bewahren.

Grüße

Johannes
Martin2
Inventar
#3 erstellt: 12. Feb 2005, 16:02
Lieber Shmuel,

zunächst mal herzlich willkommen hier.

Mit dem Konservativen ist das so eine Sache. Die formalen Dinge interessieren mich dabei weniger. Meinetwegen könnte ein Dirigent auch in Jeans dirigieren. Nur möchte ich im Konzertsaal nicht von Kleidermoden abgelenkt werden, deshalb gefällt mir der Zustand, so wie er ist, ist das schon konservativ?

Aber das sind alles Formalitäten. Wichtiger ist mir die Musik. Und da ist es schon so, daß ich mich ungern als Konservativen bezeichne. Und zwar einfach deshalb, weil ich Auseinandersetzungen nicht aus dem Weg gehen will. Ich glaube eine gewisse Art von Konservativismus ist - ganz im Gegensatz zur Selbsteinschätzung - ein durchaus modernes Phänomen. Vielleicht sogar ein sehr modernes, denn so friedfertig wie heute waren die Zeiten wirklich noch nie. Der eine hört moderne Musik und der andere nicht. Der ist dann halt konservativ. Das hat so etwas von: Tust du mir nicht weh, tu ich dir nicht weh.

Nur ist dieser friedliche Zustand natürlich durchaus trügerisch. Was sich sehr schnell zeigen kann. So nach dem Motto: Wer serielle Musik ablehnt, ist ein Reaktionär, aber für wen Brahms das modernste ist, auf das er sich einläßt, aber im übrigen alles gelten läßt ( nur daß es halt "für ihn" nichts ist) der ist bloß konservativ. Wobei hinzuzufügen wäre, daß Brahms zu hören ( und all die anderen großen Klassiker) natürlich nie reaktionär werden wird.

Ich finde es aber schon schade, von der Musik des 20. Jahrhunderts so gar nichts wissen zu wollen, denn es gibt da wirklich viel wunderbare Musik ( und davon sogar manches, was auf seine Art durchaus konservativ ist!).

Gruß Martin
vanrolf
Inventar
#4 erstellt: 12. Feb 2005, 17:10
Hallo Shmuel,

ebenfalls ein herzliches Willkommen von mir hier im Forum !

Das angesprochene Buch habe ich auch nicht gelesen, aber letzte Woche im TV einen entsprechenden Bericht mit einem Interview der Autorin gesehen. Dort (ich weiß leider nicht mehr in welchem Programm) wurden im wesentlichen die schon genannten Informationen gegeben.

Ein klassisches Konzert ist für mich in der Regel eine Veranstaltung, bei der die Darbietung eines Werkes und seine Wirkung auf mich im Mittelpunkt stehen sollte, und sonst nichts. Die allermeisten Kompositionen erfordern ein Mindestmaß an Konzentration, woraus sich für mich zwangsläufig ergibt, das während der Aufführung z.B. Fremdgeräusche vermieden werden sollten und der Rahmen, in dem das Konzert stattfindet, nicht vom eigentlichen Werk bzw. seiner Aufführung ablenken sollte. Die bekannten Rituale mögen althergebracht und vielleicht langweilig sein, aber mir sind bisher keine ernsthaften Alternativen bekannt. Wie gesagt, gelesen habe ich das Buch nicht, ich kenne eventuelle Vorschläge der Autorin nicht, nur ihre generell ablehnende Haltung des derzeitigen Zustandes.

Ich glaube, was ein klassisches Konzert z.B. von einem Rockkonzert unterscheidet, ist, daß Komponist und Interpreten hier über das alltäglich-menschliche hinauswachsen (jedenfalls streben sie es an) und beim Hörer im Idealfall so etwas wie die Ahnung einer übergeordneten Wirklichkeit vermittelt wird. Deshalb sollte meiner Meinung nach der Dirigent eben nicht als stolzierender Pfau daherkommen, sondern seine Persönlichkeit allenfalls in die Interpretation legen.
Applaus zum Schluss, damit habe ich kein Problem, wenn er wirklich angebracht ist. Ein paar Blumen für die Damen, meinetwegen. Diese ganzen Dinge nehmen doch nicht soo viel Zeit in Anspruch, wenn Frau Tewinkel sich bei Konzerten langweilt, dann hat sie entweder zu viele schlechte erlebt, oder sie sucht in Wirklichkeit nach etwas anderem, nämlich nach Events.

Vielleicht wünscht sich die Autorin ja, daß die Musiker während oder nach der Aufführung ihre Instrumente zertrümmern, und das zur Illustration bunte Dias an die Wand geworfen werden, über die man zum Bier im Pappbecher dann mit seinem Sitznachbarn während der Aufführung diskutieren kann .

Die aus dem Bildungsbürgertum stammenden Rituale haben für mich übrigens viel mit den Riten eines Gottesdienstes gemein: beabsichtigt wird ein ernsthaftes, kollektives Erlebnis in feierlicher Stimmung, man kleidet sich zumindest "besser" als üblich, stellt das Rauchen, Essen und Trinken (etc.) und zeigt sich respektvoll gegenüber den Darbietenden, jedenfalls solange sie es verdienen . Und einen "Hohepriester" (Dirigent) gibt es auch. Dazu passt auch, daß viele der ganz großen Namen in der Klassik einen religiösen Hintergrund hatten (den sie entweder 100%ig vertreten oder an ihm gelitten haben). Viele haben geistliche Werke verfasst, überhaupt wäre das mal eine Idee für einen neuen thread, so etwa "Wie beurteilt Ihr den Einfluss von Religion auf die klassische Musik?"

Nun gut, zurück zum Thema, ich habe wie Martin2 z.Zt. keinen gesteigerten Bedarf, am gegenwärtigen Zustand viel zu ändern, außer vielleicht am Repertoire. Ich gebe auch zu, daß ich nach musikalischen Ausflügen ins 20. immer wieder ins 18. und 19. Jahrhundert zurückfinde, wahrscheinlich bin ich da auch eher konservativ.

Gruß Rolf
haardti
Ist häufiger hier
#5 erstellt: 12. Feb 2005, 17:20
Die Frage ist halt wirklich ob dieser Konservativismus nicht, wie schon erwaehnt, ein modernes Phaenomen ist. Soweit ich weiss hat man ja frueher in der Oper auch geredet, gegessen und getrunken... Sprich die Atmosphaere war viel aehnlicher der eines heutigen "Pop"-Konzertes als der eines heutigen klassischen Konzertes.

David
Hüb'
Moderator
#6 erstellt: 13. Feb 2005, 22:31
Interessantes Thema!
Ich ändere mal den Titel des Threads in "Bin ich normal, wenn ich mich im Konzert langweile?".

Bitte melden, wenn das nicht ok sein sollte!

Grüße,

Frank

P.S.: Willkommen im Forum Shmuel!


[Beitrag von Hüb' am 13. Feb 2005, 22:31 bearbeitet]
drbobo
Inventar
#7 erstellt: 13. Feb 2005, 23:45
Hallo

die Form eines Konzertes ist wie oben schon gesagt, recht konservativ. Allerdings ist der Rahmen durch ein Musik-konzert einfach fest vorgegeben, ebenso wie ein Theaterstück oder ein Kinobesuch.
Auch ein "Rock"konzert ist ebenso konservativ in der Abfolge, auch wenn meistens keine Blumensträusse verteilt werden .

Ob man sich langweilt, hängt aber meiner Ansicht nach weniger von der Form, als vom Inhalt ab.
Die Schuld an der Langeweile, kann aber nicht nur dem Publikum angelastet werden, dem häufig der (von Eltern und Schule zu vermittelnde) Zugang zu (klassischer) Musik schlicht und einfach fehlt, sondern auch den Künstlern, die versäumen sich vielleicht auch intensiver mit neuren Entwicklungen und Komponisten auseinanderzusetzen. Vielleicht müsste aber auch die Form etwas modifiziert werden, z.B. ein paar einleitende Worte zu den Musikstücken und Interpretationen vom Künstler selbst, statt Programmhefte mit Selbstbeweihräucherungen der Künstler und der Rezensenten.
Susanna
Hat sich gelöscht
#8 erstellt: 14. Feb 2005, 01:07

drbobo schrieb:
Vielleicht müsste aber auch die Form etwas modifiziert werden, z.B. ein paar einleitende Worte zu den Musikstücken und Interpretationen vom Künstler selbst, statt Programmhefte mit Selbstbeweihräucherungen der Künstler und der Rezensenten.

Hallo,

Bei Kinderkonzerten sind Erklärungen durch eine Art Moderator oder - wie ich es schon erlebte - vom Dirigenten selbst gang und gäbe. Auch bei solistischen Lauten - oder Gitarrenkonzerten z. B. ist es mittlerweile normal, daß der Spieler eine Einführung zu den betr. Werken gibt.
Ich meine, was für Kinder gut ist, ist es für Erwachsene allemal. Sowas könnte die Aufmerksamkeit für das anschließende Werk deutlich erhöhen. Außerdem mindert es die Distanz zwischen Ausführenden und Zuhörern.

Gruß,
Susanna


[Beitrag von Susanna am 14. Feb 2005, 01:08 bearbeitet]
vanrolf
Inventar
#9 erstellt: 14. Feb 2005, 01:48
Hallo zusammen,

David schrieb:

Die Frage ist halt wirklich ob dieser Konservativismus nicht, wie schon erwaehnt, ein modernes Phaenomen ist. Soweit ich weiss hat man ja frueher in der Oper auch geredet, gegessen und getrunken... Sprich die Atmosphaere war viel aehnlicher der eines heutigen "Pop"-Konzertes als der eines heutigen klassischen Konzertes.


Das ist zweifellos richtig, dann würde ich mich jetzt fragen, was diesen Wandel wohl verursacht hat.
Gibt es eventuell ein generelles Bedürfnis nach solch "feierlichen" Akten, denen man sich zumindest zeitweise und mit aller Konzentration hingibt, und warum wird einem solchen Bedürfnis dann seit guten hundert Jahren offenbar bei klassischen Konzerten entsprochen? Wenn es ein solches Bedürfnis gibt, gab es dann womöglich vorher einen anderen Bereich oder Ort, in dem diesem Bedürfnis bis dato Rechnung getragen wurde, der aber jetzt nicht mehr als geeignet erscheint?

Fragen...

Ich will jetzt wirklich nicht drauf rumreiten, aber irgendwie habe ich neuerdings bei dem Thema ständig den Begriff "Ersatzreligion" im Kopf.


drbobo schrieb:

Auch ein "Rock"konzert ist ebenso konservativ in der Abfolge, auch wenn meistens keine Blumensträusse verteilt werden .


Stimmt, Rockkonzerte haben auch ihre Riten und Normen, allerdings haben sie eine völlig andere Ausrichtung als klassische Konzerte. Bei Rockkonzerten geht es darum, auf die eine oder andere Weise (also jeder für sich) "die Sau rauszulassen", bei klassischen Konzerten soll diese eben möglichst drin bleiben , damit das kollektive Erleben möglichst ungestört abläuft. Genaugenommen soll ein klassisches Konzert den Eindruck vermitteln, es gäbe die "Sau" gar nicht.
Für mich ein interessantes Thema, denn bei dem einen geht es um die höchstmögliche Einhaltung und Kultivierung dessen, was z.Zt. als eine zivilisatorische Errungenschaft angesehen wird, und bei dem anderen ist letztendlich eine mehr oder weniger gesteuerte, zumindest zeit- und teilweise Abkehr davon beabsichtigt.

Das ist jetzt nicht als Bewertung bestimmter Konzerte von mir gedacht, die allermeisten Konzerte, die ich bisher gesehen habe, waren bislang Popkonzerte . Trotzdem gehört die Beschäftigung mit anderen Konzertarten meiner Meinung nach ein Stück hier her, denn wenn sich ein Thema mit der Fragwürdigkeit des Ablaufs klassischer Konzerte befasst, dann muß auch ein Blick auf die Konkurrenz erlaubt sein, die schließlich noch weit mehr Menschen bedient.

drbobo schrieb:

Vielleicht müsste aber auch die Form etwas modifiziert werden,...


Vor ein paar Wochen habe ich ein klassisches Konzert in Duisburg erlebt, bei dem es vorher eine Werkseinführung (mit Videobeamer und musikalischen Ausschnitten über eine Surround-Anlage) gab, in der auf Entstehungsgeschichte, Komponist, Werkstruktur, etc. in für Laien verständlicher Sprache eingegangen wurde. Es fand in einem Nebenraum außerhalb des Konzertsaals statt, war also kein direkter Bestandteil der Performance, sondern ein Angebot zur (freiwilligen) Vorbereitung. Das fand ich schon beachtlich.
Das Konzert selber hatte einen konventionellen Ablauf.

Gruß Rolf


[Beitrag von vanrolf am 14. Feb 2005, 02:22 bearbeitet]
AcomA
Stammgast
#10 erstellt: 14. Feb 2005, 02:54
hallo,

ich bin der ansicht, dass ein diszipliniertes verhalten des publikums, also still sitzen und zuhören, während eines 'klassischen' konzertes notwendig und von großem nutzen für alle beteiligte ist. ich erinnere mich noch an die ersten aufführungen traditioneller persischer musik in köln und düsseldorf. ein großteil des publikums (zum großteil iraner) hatte bis dato kaum oder keine erfahrung mit dem besuch von konzerten ernster musik. das chaos fing schon beim einlass an. dann die streitereien um die sitzplätze bis hin zu handgreiflichkeiten. mitten in der darbietung dann laute gespräche und diskussionen, teilweise rhythmisches klatschen, was die musiker mit unterbrechung und höflichem appell zu unterbinden versuchten. manchmal sogar politische demonstrationen mitten im konzert, was zum abbruch führte.
erst allmählich lernten die leute diszipliniertes verhalten und merkten dabei, dass man einfach mehr von der darbietung hatte und was da eigentlich für kulturschätze angeboten wurden. so etwa im 2. bis 3. jahr liefen die konzerte dann perfekt, so wie wir es von den 'klassischen' darbietungen des okzidents kennen.

werkeinführungen habe ich bisher bei zwei hochklassigen klavierabenden erlebt (piers lane und m.-a. hamelin), was auch sehr nützlich war. es handelte sich um werke von percy grainger und nikolai kapustin, die für die meisten neuland waren. bei werken des standardrepertoires würde es mich persönlich stören. es würde den zeitaufwand vergrößern und häufig den musikalischen fluss des recitals stören. ich kann mir auch nicht vorstellen, dass z.b. ein krystian zimerman, der vorgestern von übersee angereist ist, jetzt vor dem vortrag der chopinschen b-moll sonate eine motivierte einführungsrede hält. er geht davon aus,dass der zuhörer sich zuhause auf den abend vorbereitet hat. außerdem gibt es in der regel die programmhefte, die eigentlich nicht beweihräuchern, sondern sehr detailiert auskunft über die werke geben.


gruß, siamak


[Beitrag von AcomA am 14. Feb 2005, 02:56 bearbeitet]
MyChrissie
Neuling
#11 erstellt: 14. Feb 2005, 15:14
Hallo,

diese ganze Schubladengeschichte mit konservativ und modern usw. geht doch an einem Phänomen vollkommen vorbei, nämlich an der Fragmentierung des heutigen Publikums. Die Schubladen-Einordnungen werden der Realität ja ins nichts mehr gerecht.
Nehmt doch als Beispiel mich:
Ich bin 66. Ich fahre ab auf Bach, Mozart, Haydn, Brahms, Pendereci, Hip Hop, Oldies, Gangsta Rap, Computer, Power-Windsurfen und Lyrik, speziell Rilke, Benn – aber natürlich auch Gernhardt.

Na, welche Schublade wäre da wohl aufzuziehen?

Gruß Peter Heinrichs
salisburgensis
Ist häufiger hier
#12 erstellt: 14. Feb 2005, 16:43
Ich bin immer wieder von den Konzert-Ritualen fasziniert. Der Vergleich mit religiösen Riten, den vanrolf gezogen hat, ist mir auch schonmal in den Sinn gekommen. Fragt sich nur, ob dann alle Konzertbesucher blasphemisch im Sinne des ersten Gebotes (Du sollst keine anderen Götter haben...) sind?


Allerdings frage ich mich auch jedesmal, was das ganze soll. Ok, die Konzertathmosphäre herstellen, jene gespannte Aufmerksamkeit und Offenheit, darüber sind wir uns´glaube ich, alle einig. Aber ist das alles? Dafür so ein trara, inklusive des kollektiven Asthma-Anfalls zwischen den Sätzen eines Werkes, wenn sich die Anspannung für kurze Zeit löst (oder gerade weil sie sich löst)?

Rituale schaffen aber auch ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Das ist zuhause so, wenn z.B. jeder einen festen Platz am Abendbrottisch hat, oder wenn der Papa seinem Nachwuchs jeden Abend am Bettchen noch eine kleine Geschichte vorliest. Fragt sich nur, wie sich das auf ein klassisches Konzert anwenden läßt.

Thomas



PS: Bevor´s wieder in den falschen Hals gerät, Absatz 1 ist nicht ganz ernst gemeint...
drbobo
Inventar
#13 erstellt: 14. Feb 2005, 17:43

AcomA schrieb:
hallo,

. ich kann mir auch nicht vorstellen, dass z.b. ein krystian zimerman, der vorgestern von übersee angereist ist, jetzt vor dem vortrag der chopinschen b-moll sonate eine motivierte einführungsrede hält. er geht davon aus,dass der zuhörer sich zuhause auf den abend vorbereitet hat

gruß, siamak :.


Hallo,
genau diese Arroganz ist es, die die Probleme macht. Wieso muss man sich auf ein Konzert "vorbereiten". Dieses Voraussetzten schränkt den Kreis des möglichen Publikums eben auf echte Fans und Leute über 60 ein, die genügend Zeit haben
Susanna
Hat sich gelöscht
#14 erstellt: 14. Feb 2005, 19:51
Hallo,

@ AcomA: Als ich die meisten klassischen Werke noch nicht kannte, habe ich mich auch vor Konzerten ein wenig vorbereitet. Also mal was in einem Musik - oder Opernführer nachgelesen, auch über den Komponisten. Dazu braucht's gar nicht so viel Zeit!

@ salisburgensis: Ich finde auch, daß diese Rituale etwas "Religiöses" an sich haben. Genau wie die Ersatzgottesdienste in den Fußballstadien oder gewisse Aufmärsche früher und heute.
Blasphemie kann's schon deshalb nicht sein, weil's echte Religiosität kaum noch gibt!

@ drbobo: Einspruch! Ich kenne unter beiden von Dir genannten Kategorien (oder Fragmenten! ) Fans und Leute mit Zeit!
Daß ein Zimermann keine Einführungsworte gibt, mag arrogant sein (oder er ist halt ganz einfach ein besserer Spieler als Redner), in der Vorbereitung auf ein klassisches Konzert sehe ich keine Arroganz. Mir bringt sie Freude. Allerdings brauche ich bei einem Rockkonzert keine Vorbereitung.

Grüße,
Susanna


[Beitrag von Susanna am 14. Feb 2005, 20:28 bearbeitet]
drbobo
Inventar
#15 erstellt: 14. Feb 2005, 23:57
Hallo,

also da werde ich wohl wieder absichtlich missverstanden,
Wer sich, wie wohl die meisten hier im Forum, ein wenig mit Klassik beschäftigt, ist zum einen bereits "vorbereitet" und nimmt sich wahrscheinlich auch noch zusätzliche Zeit.
Wenn aber im Konzert vorausgesetzt wird, vielleicht sich vorher schon einmal in die Interpretationsgeschichte eingelesen zu haben, wird man so keinen neuen Klassik - Fans finden.

Zumindest für mich steht die live erlebte Musik immer noch eindeutig als das "eindrucksvollere" und eigentliche Erlebnis im Vordergrund, die Konserve zu Hause ist das Surrogat, das mangels Zeit, Geld und der noch nicht erfundenen Zeitreisemaschine notwendig ist.
Susanna
Hat sich gelöscht
#16 erstellt: 15. Feb 2005, 00:44

drbobo schrieb:

also da werde ich wohl wieder absichtlich missverstanden,


Hallo drbobo,

was mich betrifft, so liegt es mir nicht, jemanden absichtlich und "wieder" mißzuverstehen. Mit "vorbereiten" teile ich Deine Auffassung, daß man als Klassikliebhaber mit der Zeit in der Lage ist oder sein sollte, das Standard-Konzertprogramm zu verstehen. Eine weitergehende Beschäftigung mit musikgeschichtlichen, interpretatorischen usw. Dingen halte ich auch nicht für notwendig. So habe ich auch AcomA verstanden.


Zumindest für mich steht die live erlebte Musik immer noch eindeutig als das "eindrucksvollere" und eigentliche Erlebnis im Vordergrund, die Konserve zu Hause ist das Surrogat, das mangels Zeit, Geld und der noch nicht erfundenen Zeitreisemaschine notwendig ist.


Genau aus diesem Grund habe ich mich noch kaum in einem Konzert gelangweilt, selbst wenn statt Karajan nur Kreti Pleti dirigierte.

Grüße,
Susanna


[Beitrag von Susanna am 15. Feb 2005, 00:53 bearbeitet]
drbobo
Inventar
#17 erstellt: 15. Feb 2005, 01:15
Hallo und

entschuldigung Susanna, mein Beitrag landete direkt unter deinem, bezog sich aber mehr auf AcomA.

der schreibt

werkeinführungen habe ich bisher bei zwei hochklassigen klavierabenden erlebt (piers lane und m.-a. hamelin), was auch sehr nützlich war. es handelte sich um werke von percy grainger und nikolai kapustin, die für die meisten neuland waren. bei werken des standardrepertoires würde es mich persönlich stören. es würde den zeitaufwand vergrößern und häufig den musikalischen fluss des recitals stören.


Tja, hier wird sie spürbar, die Arroganz des Bildungsbürgertums, das Standardrepertoire, was ich schon in der Vorschule gehört habe... usw.,
leider geht es nicht allen so wie Dir...



ich kann mir auch nicht vorstellen, dass z.b. ein krystian zimerman, der vorgestern von übersee angereist ist, jetzt vor dem vortrag der chopinschen b-moll sonate eine motivierte einführungsrede hält. er geht davon aus,dass der zuhörer sich zuhause auf den abend vorbereitet hat.


...tja, und deshalb muss er auch damit leben, vor stets dem Selben, leicht angegrauten Publikum zu spielen. Und vielleicht in einigen Jahren gar kein Publikum mehr zu haben (wobei ich Krystian Zimerman sicherlich sehr schätze)



außerdem gibt es in der regel die programmhefte, die eigentlich nicht beweihräuchern, sondern sehr detailiert auskunft über die werke geben.

Über den Inhalt der Programmhefte lässt sich sicherlich lange streiten, meiner Erfahrung nach können nur sehr wenige viel mit dem Inhalt anfangen, aber seis drum, durchlesen VOR dem Konzert kann man sie meist nicht mehr....


N
GiselherHH
Ist häufiger hier
#18 erstellt: 15. Feb 2005, 15:40
Hallo,

also ich für meinen Teil finde die Kritik an Klassik-Konzerten überzogen. Werkeinführungen werden nach meiner Beobachtung bei immer mehr Konzerten gegeben. Hier in Hamburg hat Metzmacher damit vor 8 Jahren angefangen. Anfangs kamen vielleicht 100 Leute, mittlerweile ist der Saal immer pickepacke voll. Seine launigen Kommentare zusammen mit seiner nicht immer sattelfesten Klaviertechnik beim Vorspielen interessanter Stellen sind fast schon "Kult". Und der Anteil der Grauschöpfe variiert m.E. auch, je nach Repertoire. Bei Standardrepertoire dominieren die älteren Jahrgänge, für neue Musik interessieren sich dann aber auch eine ganze Reihe junger Zuhörer.

Daß Konzerte in bestimmten Kreisen hauptsächlich als "gesellschaftliches Muß" angesehen werden, um zu "sehen" und "gesehen zu werden" ("Ach, Herr/Frau Sowieso, Sie auch hier?!"), zeugt zwar von Banausentum, aber solange sie nicht dumm auffallen... Vielmehr stören mich die gottverdammten Huster. Sicher, einen Frosch im Hals kann jeder mal bekommen. Doch ich würde mich im Krankheitsfall nie in ein Konzert setzen, so wie es viele offenbar tun, nur weil sie glauben, ihre teure Karte absitzen zu müssen.

Ansonsten sollte im klassischen Konzert der Zuhörer die Möglichkeit haben, sich möglichst ungestört der Musik widmen zu können. Ein "Gemeinschaftserlebnis" kann auch jenseits von Mitklatschen und Mitsingen entstehen (wer das
möchte kann ja zur "Last Night of the Proms" oder André Rieu gehen ). Und Essen und Trinken bitte nur "open air" oder in den Pausen! Chips- und Popkornfresserei gibt´s schon genug im Kino!

Grüße

GiselherHH
Martin2
Inventar
#19 erstellt: 15. Feb 2005, 17:04
Also ich denke auch, daß man durchaus "relaxed" in ein Konzert gehen sollte. Um die Musik zu genießen, weshalb denn sonst. Daß man dort unbedingt "Still sitzen und zuhören" muß ( wie hier jemand geschrieben hat), glaube ich nicht. Also man muß im Konzert durchaus nicht "still sitzen", "zuhören" schon gar nicht ( nur, weshalb gehe ich sonst ins Konzert, aber meinetwegen kann da auch jemand während des Konzertes in seinem Programm oder in einem Buch lesen, also mich störts nicht). Und meinetwegen kann da jemand auch mit zerissenen Jeans und punkartigem Outfit kommen, das stört mich genauso wenig.

Abgesehen von gewissen Fällen grober Unhöflichkeit ( Getuschel während des Konzerts, alles schon erlebt) sind es doch sowieso immer die von Giselher angesprochenen Hustorgien, die einem das Konzerterlebnis am meisten verleiden können.
AcomA
Stammgast
#20 erstellt: 15. Feb 2005, 22:59
hallo,

dieser irgendjemand hat auch einen namen (mindestens einen). ja, ich schrieb 'still sitzen und zuhören'. jedoch ist dies nicht wörtlich aufzufassen. es versteht sich von selbst, dass man sich auch bewegen kann, lesen oder sogar auch schlafen. gemeint ist ein diszipliniertes verhalten, eines, dass den nachbarn nicht stört.

lieber drbobo,

mach dir mal keine sorgen über den fortbestand der 'klassischen' musikpflege. sollte es tatsächlich einmal so sein, dass krystian zimerman hier in leeren konzerthäusern spielen muss, so wird er sicherlich in china, korea oder japan vom publikum geradezu aufgesogen werden.


gruß, siamak
palisanderwolf
Hat sich gelöscht
#21 erstellt: 17. Feb 2005, 13:49
Hallo,
Form und Inhalt sollten schon ein wenig angepasst sein, feierliche Musik - feierliches Ambiente, sozusagen.

Wenn ich allerdings überhaupt nicht gestört werden will, muß ich wohl zu Hause alleine hören. Ein Konzert lebt halt auch und das ist gut so.

Bei "Open Air" sollte das Wetter mitspielen....

Ansonsten genieße ich und langweile mich selten. Warum sollte ich sonst hingehen?

MfG Bernd
walter_f.
Hat sich gelöscht
#22 erstellt: 17. Feb 2005, 14:55

Ansonsten genieße ich und langweile mich selten. Warum sollte ich sonst hingehen?


Hallo Bernd,

das musste ja mal gesagt werden. Mir ist diese ganze Problematik unverständlich. Die Altersgeschichte passiert zwangsläufig, da sich viele junge Leute die Kartenpreise nicht leisten können und ich schätze mal,dass 2/3 des Abo-Publikums nur hingehen um sich sehen zu lassen. Wir haben hier in Köln jährlich eine Woche der Romanischen Kirchen wo in allen Konzerten das Publikum wild gemischt ist und bei einigen Ensemble Modern Konzerten, die ich gehört habe war auch kein Altersüberschuss. Hier und auch in Dortmund ist fast vor jedem Konzert eine Einführung, die hervorragend besucht ist.
Wir sind zwischen 20 und 30 mit einer ganzen Horde mehrmals im Monat in Oper, Konzert und Theater gegangen und haben einen Heidenspass gehabt.

Ich glaube eher wir haben ein gesellschaftliches Problem. Wenn sich die Eltern schon nicht für kulturelle Dinge interessieren (sieht man ja am gebotenen Fernsehprogramm), woher sollen’s die Kinder dann haben?

Nur die Sache mit der Langeweile im Konzert ist mir wirklich rätselhaft – wenn dort was geboten wird, was nix für mich ist, gehe ich doch nicht hin.

Mit 18 bin ich bei einer Radtour in Bonn vorbeigekommen und sah, dass es abends eine Mahlersinfonie mit Wangenheim gab. Ich habe mir 'ne Karte gekauft und bin in weisser Turnhose und T-Shirt reingegangen. Das war bis auf einige verständnislose Blicke überhaupt kein Problem.

Wahrscheinlich werden diese Diskussionen um schwindende Klassikhörer nur geführt um von wirklichen Problemen abzulenken. Meine Mitmenschen haben mich im Konzert noch nie gestört, besonders die nicht, die auf dem Podium sitzen und "Krach" machen - dagegen sind die einsamen Huster doch harmlos :D.

Grüsse
Walter
op111
Moderator
#23 erstellt: 17. Feb 2005, 15:11

walter_f. schrieb:
Mir ist diese ganze Problematik unverständlich. Die Altersgeschichte passiert zwangsläufig, da sich viele junge Leute die Kartenpreise nicht leisten können und ich schätze mal,dass 2/3 des Abo-Publikums nur hingehen um sich sehen zu lassen.
...
Ich glaube eher wir haben ein gesellschaftliches Problem. Wenn sich die Eltern schon nicht für kulturelle Dinge interessieren (sieht man ja am gebotenen Fernsehprogramm), woher sollen’s die Kinder dann haben?
...
Wahrscheinlich werden diese Diskussionen um schwindende Klassikhörer nur geführt um von wirklichen Problemen abzulenken.


Hallo Walter,
dem kann ich mich nur anschliessen.
Konzerte, die mich zu langweilen drohen, besuche ich erst gar nicht.


walter_f. schrieb:
Meine Mitmenschen haben mich im Konzert noch nie gestört, besonders die nicht, die auf dem Podium sitzen und "Krach" machen - dagegen sind die einsamen Huster doch harmlos

Gestört fühle ich mich manchmal allerdings schon (besonders in der Oper) von einer bestimmten Gruppe der (meist gut vorbereiteten, bildungsbürgerlich konservativen Sänger-) Fans.
Die bejubelt lautstark ohne Rücksicht zu nehmen ihr Idol egal ob es passt oder stört, nach jedem laut gebrüllten Spitzenton.

Gruß
Franz


[Beitrag von op111 am 17. Feb 2005, 15:16 bearbeitet]
sonnabend
Ist häufiger hier
#24 erstellt: 17. Feb 2005, 15:12
Wahrscheinlich wollte die Frau nur ein Buch schreiben, entweder:

... um des Schreibens willens, oder um Kohle durch Provokation zu machen, denn schon der Titel verrät zwei Arten von Lesern. 1. Der Konzertbesucher (meistens eher gebildet), der das liest und denkt: "Quatsch", weil er das so gar nicht erlebt; und 2. die intellektuelle Unterschicht, wenn denn deren Angehörige überhaupt dazu fähig sind, die das Buch gar nicht lesen braucht um sich eine Meinung zu BILDen, nach dem Motto: "Hab ichs doch gewusst"!


Thomas
walter_f.
Hat sich gelöscht
#25 erstellt: 17. Feb 2005, 15:16

Gestört fühle ich mich manchmal allerdings schon (besonders in der Oper) von einer bestimmten Gruppe der (meist gut vorbereiteten, bildungsbürgerlich konservativen Sänger-) Fans.


Hallo Franz,

stimmt, daran hatte ich nicht gedacht - ich hoffe dann immer, dass sie vor lauter "Begeisterung" 's Schlägle trifft, damit ich mich nicht mehr aufregen muss :D.

Grüsse
Walter
op111
Moderator
#26 erstellt: 17. Feb 2005, 15:24
Hallo zusammen,
das oben genannte Buch habe ich noch nicht gelesen.

Langeweile am Konzertbetrieb allgemein kann ich mir schon vorstellen, z.B. wenn ich mutlos und lieblos zusammengeschusterte Programme sehe, nach dem Schema "Orchesterkonzert 08/15":
--
Ouvertüre
Solokonzert
Sinfonie
--
natürlich nur Werke von seit mindestens 70s Jahren toten Komponisten die in jedem Konzertführer stehen.

Museum/Leichenhalle statt lebendiges Musikleben.

Gruß
Franz
gantenbein67
Ist häufiger hier
#27 erstellt: 19. Feb 2005, 22:13
Hallo...
ich habe den gesamten thread nicht gelesen, beziehe mich auf die Frage, ob Langeweile während eines klassischen Konzertes normal ist....

Vielleicht nicht normal, aber häufig.

Was soll schon dabei herauskommen, wenn Dirigent und Orchester sich 2-3 mal treffen, das Konzertprogramm einmal durchspielen und einige Details besprechen....halt gutes Handwerk, aber keine Kunst.
Und gutes Handwerk ist nett, klar, auch ganz schön, aber ganz und gar nicht berührend, faszinierend.
Wie selten hört man Probenarbeit im Konzert, wie selten hört man Wagnisse, Mut, Anstrengung und Konzentration.
So langweile ich mich zunehmend, wenn " mein" Stadtorchester mit einem mittelmäßigen Dirigenten auftritt; und "mein" Orchester ist das Berliner Philharmonieorchester.
Ich langweile mich mich, wenn Musik " im Takt" herunterdirigiert wird, wenn die ach so schwierigen Übergänge lieblos runtergedudelt werden, wenn Auftaktnoten und Durchgangsnoten viel zu laut daherkommen.
Sicher gibt es Ausnahmen, wenn der Chef dirigiert und einen guten Tag hat, oder früher bei den probenversessenen Alten, dem Celi und dem Wand z.B.. Oder bei Jugendorchestern, die sind zwar handwerklich nicht so gut, aber jedenfalls bei der Sache.

Dazu kommen unmotiviert zusammengestellte Programme, die Aufteilung in Häppchen und Zeiträume, die dem Pausentrunk und dem bestellten Tisch beim Italiener untergeordnet sind und nicht der Ruhe und Verdichtung und der Konzentration. Meist ist man, ehe man es sich versieht, schon wieder auf dem Pausenflur.

Außerdem das Machtstreben und die Eitelkeit der sogenannten Jetset-Stars---warum muß jeder sogenannte Stardirigent gleich drei Orchester gleichzeitig betreuen....tut das der Vielfalt gut, der Einmaligkeit, der Intensivität..?

Sicher gibt es gelegentlich auch andere Erfahrungen, z.B. bei Sokolov-Konzerten , oder bei Auftritten des Ensemble moderne, aber,sie sind selten. Wirkliche Kunst ist selten.
Vielleicht ist das auch gut so.
Gantenbein
Martin2
Inventar
#28 erstellt: 20. Feb 2005, 14:41

gantenbein67 schrieb:

So langweile ich mich zunehmend, wenn " mein" Stadtorchester mit einem mittelmäßigen Dirigenten auftritt; und "mein" Orchester ist das Berliner Philharmonieorchester.


Da müssen wir Dich jetzt ja wohl ordentlich bemitleiden, daß Du leider bloß in Berlin wohnst, wo es halt nur ein Stadtorchester gibt, das mit einem mittelmäßigen Dirigenten auftritt.

Aber gibt es nicht in Berlin überhaupt noch ein paar mehr durchaus gute professionelle Orchester? So hörte ich neulich die Staatskapelle Berlin mit Barenboim, und war sehr davon erbaut. Sitzt nicht das Deutsche Sinfonieorchester auch in Berlin und hat auch einen ganz guten Ruf ( wobei die aber wohl mit einem der früheren Orchester identisch sind, ich weiß bloß nicht mehr mit welchem). Dann gibt es noch die Berliner Sinfoniker und das Berliner Radiosinfonieorchester ( oder sind die jetzt mit dem Deutschen Sinfonieorchester identisch, ich habs vergessen). Hat nicht das Radiosinfonieorchester mit Chailly sehr gute Bruckneraufnahmen vorgelegt? Aber möglicherweise gibt es in Berlin ja noch ein paar andere gute Orchester, die ich noch nicht mal kenne.

Und dann habe ich mir sagen lassen, daß es in Berlin drei Opern gäbe, wobei das immer im Gespräch war, ob sich die alle halten ließen. Das ist natürlich auch ein Ausfluß der Tatsache, daß Berlin mal geteilt war und sozusagen Paralelstrukturen zwischen Ost und West aufgebaut und erhalten werden mußten. Gibts die noch ( vor allem auch angesichts der berüchtigt hohen Verschuldung Berlins)?

Wenn ich das nun alles berücksichtige, muß ich wirklich sagen, daß Berlin ein traumhaft lebendiges Musikleben haben muß. New York zum Beispiel ist mit Sicherheit eine größere Weltstadt als Berlin, das damit verglichen ein wenig kleinstädtisch wirkt, aber was hat New York? Ein einziges professionelles Orchester, die New Yorker Philharmoniker und dann halt die Met. In Chicago soll es auch nicht anders sein, habe ich mir erzählen lassen. In den USA ist das so, und in vielen anderen Ländern wird es nicht anders aussehen.

So gesehen sollte Berlin eigentlich einer der für Klassikliebhaber begehrenswertesten Orte auf der Welt sein - nach London allerdings, dessen Ausstattung mit Spitzenorchestern und Musikangeboten immer noch legendär ist.

Oder war das von Dir ein lokalpatriotisches "Fishing for compliments"?

Gruß Martin
AcomA
Stammgast
#29 erstellt: 20. Feb 2005, 15:25
hallo gantenbein67,

nicht nur grigory sokolov kann inspiriert klavier spielen !
nenne mir bitte mal einige 'deiner' mittelmäßigen dirigenten, bitte !
wie definierst du mittelmaß ?
ist es nicht häufig so, dass jüngere und noch nicht so bekannte dirigenten, bis in die fußspitzen motiviert sind ?
und wenn du dich meistens im sinfoniekonzert oder bei klavierabenden (außer natürlich bei g. sokolov) langweilst, warum gehst du dann dahin ?


gruß, siamak
peet_g
Stammgast
#30 erstellt: 20. Feb 2005, 18:26
@ gantenbein67

Du hast sehr treffend formuliert.

Gruß
gantenbein67
Ist häufiger hier
#31 erstellt: 20. Feb 2005, 18:58
Hier der Versuch, einige Fragen von Euch zu beantworten.

Mißverständlich war sicherlich der Satz "meines Stadtorchesters". Sicherlich gibt es mehrere Orchester in dieser Stadt, und ich fische nicht für Komplimente, das Angebot und die Auswahlmöglichkeit an musikalischen Darbietungen ist außergewöhnlich und lobenswert.
Ich bin halt am häufigsten bei dem BPO gewesen, daher ist es sozusagen "mein " Orchester.

Die Frage, warum ich überhaupt noch in Konzerte gehe....ist berechtigt. In den ersten Jahren meiner Zeit in dieser Stadt bin ich häufigst, allerhäufigst in Konzerte und Opern gegangen, gepilgert, aus Neugierde und Lust. Dieses ist im Laufe der Zeit immer weniger geworden, so daß ich jetzt nur noch selten in Konzerte gehe, entweder dann, wenn ich weiß, daß es mich fasziniert, oder wenn ich weiß, es wird ein gepflegt langweiliges Kulturereignis, aber ich bin mit Freunden zusammen und kann entspannen und träumen, oder wenn ich doch noch mal meiner alten Neugierde nachgehe und einen mir unbekannten Interpreten herauspicke----leider werde ich dann meist enttäuscht------und es zieht mich zusehends ins Theater oder gar ins gute alte Kino.

Einige meiner letzten Konzerterlebnisse eher mittelmäßiger, gar mäßiger Art... Bernard Haitink dirigierte eine Brahmssinfonie, wie ein Kapellmeister, der stur den Takt schlägt. War, sorry für den harten Satz, fast unerträglich unmusikalisch.
Marc Minkowski dirigierte Bizet und Faure---siehe bitte oben.
Daniel Barenboim dirgiert ein Mozartkonzert so nebenbei vom Klavier aus und berauscht sich an den Steigerungen einer Furtwängler-Symphonie---es gab nur pathetisch langsame Passagen und dann stürmische Crescendi---die Mühe, Zwischentöne herzustellen, Passagen einzuleiten, auch ein Mezzoforte interessant und überhaupt als daseinsberechtigt darzustellen----machte auch er sich, wie viele andere, auch nicht.
Dann einmal das Deutsche Symphonie Orchester, mit Trevor Pinnock...erstaunlich ungenau, diffus, teilweise schlafmützig, als wenn die große Gruppe und der Einsame mit dem Taktstockt sich erst eine Stunde zuvor getroffen hätten.

Klavierabende----Laurent Aimard (?) spielte Messiaen mit brutaler Gewalt, übringens bezeichnender Weise mit getapten Fingern an beiden Händen.
Rudolf Buchbinder hat einen sogenannten "werktreuen" Beethoven hingelegt, mit einer Rastlosigkeit und Lieblosigkeit im Detail, daß ich mal wieder das Gefühl hatte, nichts Neues gehört zu haben.
Allerdings lange nicht so ungenau und uninteressiert wie Beethoven von Pollini, wo Kritikern nichts weiter übrig bleibt, als irgendeine angeblich vorhanden Abgeklärtheit zu bejubeln, in der größere Zusammenhänge irgendwie wunderbar durchscheinen, allen vorran der zunehmend vergreisende Kaiser aus München.
J. Kissin...halt viel Gefühl und Kitsch und Unverstand Zuletzt Andnes...immerhin mal wieder seit langem das Gefühl, das sich jemand um eine ernsthafte Darbietung mit einem ernsthaften Programm bemüht.

Morgen dann ein letztes Mal der Versuch mit Brendel---bisher hat mich keines seiner Konzerte in irgendeiner Form fasziniert, und nun, nach langer Zeit und vielen Jahren, möchte ich mein " Urteil" nochmals überprüfen.

Übringens---da ich eher selten Konzerte aufsuche,---vielleicht liegt es auch nur daran, daß ich die guten Konzerte alle verpasse, who knows.

So, einige Fragen beantwortet ??

einen herzlichen Gruß von einem enttäuschten Liebhaber ..
Susanna
Hat sich gelöscht
#32 erstellt: 21. Feb 2005, 00:27

gantenbein67 schrieb:

So, einige Fragen beantwortet ??

einen herzlichen Gruß von einem enttäuschten Liebhaber ..


Hallo gantenbein67,

da Dir - ich glaubte es jedenfalls bisher - selbst Weltklasseorchester, Topdirigenten, ebensolche Interpreten - Langeweile verursachen, könnte mir fast der Verdacht kommen, Du littest an Übersättigung.
Außerdem dachte ich bisher, Berlin sei das non plus ultra im deutschen, ja europäischen Musikleben!
Komm' halt mal an die Westküste, da gibt's richtig urige Konzerte!

Verwunderte Grüße,
Susanna
Martin2
Inventar
#33 erstellt: 21. Feb 2005, 01:13

Susanna schrieb:
Komm' halt mal an die Westküste, da gibt's richtig urige Konzerte!



Richtig! Ich komme ja wie Susanna aus Hamburg und habe mich hier in den Konzerten noch nie gelangweilt. Aber bei soviel schlechten Orchestern, miserablen Dirigenten, grausigen Opernhäusern und lausigen Solisten, wie sie da in Berlin in solch unglaublicher Zahl zusammenglucken, muß ein Mensch ja melancholisch werden.
Susanna
Hat sich gelöscht
#34 erstellt: 21. Feb 2005, 01:20

Martin2 schrieb:

Susanna schrieb:
Komm' halt mal an die Westküste, da gibt's richtig urige Konzerte!



Richtig! Ich komme ja wie Susanna aus Hamburg und habe mich hier in den Konzerten noch nie gelangweilt. Aber bei soviel schlechten Orchestern, miserablen Dirigenten, grausigen Opernhäusern und lausigen Solisten, wie sie da in Berlin in solch unglaublicher Zahl zusammenglucken, muß ein Mensch ja melancholisch werden.

Hallo Martin,

nein, ich komme nicht aus Hamburg! Schön wär's, was Kultur betrifft! Darin ist HH nämlich ganz groß! Aber wie Du weißt, fahren bes. im Sommer Tausende Hamburger an die Nordsee, natürlich nicht, um unsere urigen Konzerte zu erleben. Ich dachte nur, gantenbein67 könnte sich vom Berliner Konzertstress hier etwas erholen!

Gruß,
Susanna
Martin2
Inventar
#35 erstellt: 21. Feb 2005, 01:47
Ach, dann hattest Du unser NDR Sinfonieorchester und unsere Hamburger Philharmoniker und Sinfoniker und den Blomstedt, Metzmacher und Dohnany mit den "urigen Konzerten" gar nicht gemeint? Jetzt bin ich aber enttäuscht.

Hast Du es denn weit nach Hamburg, um unsere "urigen Konzerte" zu erleben?

Gruß Martin
Susanna
Hat sich gelöscht
#36 erstellt: 21. Feb 2005, 02:03

Martin2 schrieb:
Ach, dann hattest Du unser NDR Sinfonieorchester und unsere Hamburger Philharmoniker und Sinfoniker und den Blomstedt, Metzmacher und Dohnany mit den "urigen Konzerten" gar nicht gemeint? Jetzt bin ich aber enttäuscht.

Hast Du es denn weit nach Hamburg, um unsere "urigen Konzerte" zu erleben?

Hallo Martin,

doch, hatte ich z. T. schon erlebt. Und werde ich bald wieder erleben, worauf ich mich schon freue!
Für schöne Konzerte mit guten Dirigenten und Interpreten sind mir ca. 80 km nicht zu weit!

Urige Grüße,:prost
Susanna
GiselherHH
Ist häufiger hier
#37 erstellt: 21. Feb 2005, 13:31
Hmm, Westküste, 80 km von Hamburg entfernt... Dann müßte Susanna doch eine waschechte Dithmarscherin sein.

Daher zum Thema passend "wat op Platt":

"Hamborg is'n grote Stadt, Büsum dat will ok noch wat, Diekstrek is'n Waterpohl, Diekhusen is'n Schietstohl."

Ein kräftig-uriges "Moin, moin" von mir in das größte Kohlanbaugebiet Europas!

GiselherHH
Susanna
Hat sich gelöscht
#38 erstellt: 21. Feb 2005, 13:52

GiselherHH schrieb:
Hmm, Westküste, 80 km von Hamburg entfernt... Dann müßte Susanna doch eine waschechte Dithmarscherin sein.

Daher zum Thema passend "wat op Platt":

"Hamborg is'n grote Stadt, Büsum dat will ok noch wat, Diekstrek is'n Waterpohl, Diekhusen is'n Schietstohl."

Ein kräftig-uriges "Moin, moin" von mir in das größte Kohlanbaugebiet Europas!

Moin moin Giselher,

es mußte ja mal so kommen! Sehr scharfsinnig!
Außer Kohl (das Gemüse) gibt's hier schon noch ein paar andere schöne Dinge! Kennst Du aber sicher!

Gruß,
Susanna
AcomA
Stammgast
#39 erstellt: 21. Feb 2005, 23:44
hallo gantenbein67,

nun hast du ja tatsächlich mit den pianisten zurecht pech gehabt. gerade pollini ist in den letzten 10 jahren einer öden routine (natürlich technisch auf höchstem niveau) verfallen. daniel barenboim fehlen einfach die pianistischen mittel, um auf top-niveau mithalten zu können. den buchbinder hatte ich auch zuletzt mit 'vergewaltigungen' und undifferenziertem spiel gehört.

aber es gibt auch andere: krystian zimerman, michail pletnev, jefim bronfman, piers lane, andras schiff, marc-andre hamelin, stephen kovacevich, boris bloch u.a..


gruß, siamak
Martin2
Inventar
#40 erstellt: 22. Feb 2005, 03:21
Lieber Siamak,

es kann schon sein, daß Gantenbein mit seinen Konzerten auch Pech gehabt hat. Nur steht für mich beim Erlebnis von Kunst zunächst eimal der Komponist im Vordergrund, nicht der Interpret. Wobei es allerdings schon so sein mag, daß ein schlechter, oder vielleicht nur ein für eine bestimmte Muik ungeeigneter Interpret eine gewisse Musik auch einfach ruinieren kann. Dann und nur dann rückt für mich der Interpret in den Vordergrund. Das ist mir wiegesagt mit den Skriabininterpretationen von Austbö so gegangen, die ich einfach sehr schlecht fand. Ich habe neulich den Hamelin mit Skriabin im Radio gehört und da habe ich erst gehört, was für wunderbare Musik das ist ( was ich mir allerdings auch schon so gedacht hatte). Ja, ein Interpret kann eine Musik schon ruinieren.

Kann auch schon sein, daß der Haitink für den Brahms nicht so ein rechtes Gespür hat, ich schätze ihn sehr als Bruckner und Schostakowitschinterpret und möchte seinen doch wohl gelobten Mahler gerne kennen lernen, aber Brahms liegt möglicherweise tatsächlich etwas außerhalb dieser Schiene. Barenboim als Mozartinterpret kann ich mir auch nicht so gut vorstellen. Pollini habe ich auch bei Beethoven gehört und fand ihn etwas glatt.

Wogegen ich einfach etwas habe, ist aber diese Tendenz zur Übertreibung. Man muß doch wohl nun nicht alles, was einem nicht so gut gefällt, heruntermachen, als sei es eine Horde Kriegsverbrecher. Was Gantenbein durchaus nicht gemacht hat! Was er allerdings schon tut, ist zu sagen, daß Kunst etwas äußerst seltenes ist und daß ihn Kunst und nur diese interessiert und alles andere langweilt. Das empfinde ich als eine äußerst elitäre Haltung. Meine Haltung ist dem schon 180 Grand entgegengesetzt. Ich empfinde zunächst einmal jeden Interpreten als einen Künstler, und sei es auch mein Freund, der Oboist, vom Eppendorfer Sinfonieorchester. Einem Interpreten das abzusprechen, empfinde ich dann schon als beleidigend. Das ist ungefähr so, als ob ich jemand unterstelle, daß er nun leider Dirigent werden mußte, weil die Stelle als Verwaltungsinspektor leider nicht mehr frei war.

Insofern wüßte ich auch nicht, warum ich mich bei Konzerten langweilen sollte. Langweilig ist eine Interpretation doch nur dann, wenn ein Interpret zum Komponisten überhaupt keine Beziehung aufzubauen in der Lage ist.

Und wenn sich Gantenbein selbst bei den Berliner Philharmonikern langweilt, wie beneidenswert ist da doch die 17 jährige Schülerin, die in ein Konzert ihres Provinzorchesters geht, die unter einem Provinzkapellmeister spielen ( sagen wir mal Beethovens 5.) und die aus diesem Konzert mit der größten und hemmungslosesten Begeisterung herausgeht( solche Fälle sollen ja auch heute immer noch passieren). Und die 17 jährige Schülerin soll einfach bescheuert sein, aber der Gantenbein, der weiß was das alles? Mag ja sein, aber irgendwie möchte ich da doch lieber die 17 jährige Schülerin sein als der Gantenbein.

Gruß Martin
peet_g
Stammgast
#41 erstellt: 22. Feb 2005, 10:56

Martin2 schrieb:
irgendwie möchte ich da doch lieber die 17 jährige Schülerin sein als der Gantenbein.


Hallo Martin2!

Ich hoffe für dich, daß dieser dein Wunsch in Erfülluing geht.

*g*
Martin2
Inventar
#42 erstellt: 22. Feb 2005, 12:55
Lieber Peet,

na ja, zunächst wäre dafür natürlich erst einmal eine Geschlechtsumwandlung nötig. Ich glaube, davon möchte ich doch lieber Abstand nehmen.

Aber ich hätte natürlich auch 17 jähriger Schüler schreiben können und hätte es wohl auch machen sollen.

Dann bräuchte man natürlich noch Verjüngungspillen.

Nun gut, das schöne an der Musik kann ja sein, daß sie einen vielleicht doch gelegentlich mal in den Stand eines 17 jährigen zurückkatapultieren kann. Die Falten kriegst Du damit leider natürlich nicht weg

Also natürlich geht es mir jetzt nicht darum, daß ich ab morgen wieder anfange, die Bravo zu lesen, und auch für Experimente a la "Feuerzangenbowle" bin ich jetzt glaube ich leider doch schon zu alt. Aber jedenfalls ist für mich die Frische, mit der ich Musik wahr nehme, viel wichtiger als das kritische Erkenntnisvermögen. Und mit der Frische scheint es bei Gantenbein nun doch schon ein bißchen zu hapern.

Gruß Martin
teleton
Inventar
#43 erstellt: 22. Feb 2005, 13:37
Hallo ganti,

ich empfehle Gantenbein sich vom Konzertleben ganz zu entfernen und zu Hause zu hören, dann braucht er sich nicht mehr zu langweilen und kann das auflegen, was ihm gefällt.

Sehr seltsam - ein Liveerlebnis ist doch immer interessant !

Ich gehe auch in Opernkonzerte (wegen dem Liveerlebnis) und finde es prima, obwohl mich der Gekreischekram zu Hause langweilen und nerven würde.


[Beitrag von teleton am 22. Feb 2005, 13:40 bearbeitet]
Susanna
Hat sich gelöscht
#44 erstellt: 22. Feb 2005, 14:09

teleton schrieb:

Sehr seltsam - ein Liveerlebnis ist doch immer interessant !

Hallo teleton,

das finde ich absolut auch! Dazu noch in einer Stadt, die so viele musikalische Leckerbissen bietet.

Gruß,
Susanna

@ peet_g: So besonders spaßig finde ich Deine Bemerkung auf Martins Beitrag nicht!
peet_g
Stammgast
#45 erstellt: 22. Feb 2005, 16:34

Susanna schrieb:

@ peet_g: So besonders spaßig finde ich Deine Bemerkung auf Martins Beitrag nicht!


Hallo Susanna!

Es freut mich, daß du mich richtig verstanden hast. Wie lange noch wollt ihr auf einen Musikkenner, der ehrlich seine Meinung äußert, einreden, daß er bitte schön anders fühlen soll? Hat er Erfahrungen eines anderen Musikliebhabers in Frage gestellt?

Gruß
Susanna
Hat sich gelöscht
#46 erstellt: 22. Feb 2005, 16:55

Es freut mich, daß du mich richtig verstanden hast.


Hallo peet,

da bin ich mir weniger sicher, als Du es zu sein scheinst!

Mir ging es nicht um Musikkenner und deren Meinung, die ich wohl toleriere, sondern nur um Deine Bemerkung. Sorry, wenn ich zu humorlos bin!

Grüße,
Susanna
Susanna
Hat sich gelöscht
#47 erstellt: 22. Feb 2005, 19:43

Martin2 schrieb:


...

Hallo Martin,

na, das ist ja mal ein Wort! Solche Erfolgserlebnisse bräuchte ich öfter!

Hiermit möchte ich klarstellen, daß ich gantenbein67 selbstverständlich seine Meinung über das Berliner Konzertleben lasse. Es muß aber auch anderen Leuten erlaubt sein, Erstaunen gegenüber dieser Meinung zu äußern.

Grüße,
Susanna

Edit: War da nicht eben noch ein Beitrag von Martin? Auf den bezieht sich meiner.
Edit 2: Da der Beitrag von Martin2 gelöscht ist, habe ich auch das Zitat daraus gelöscht.


[Beitrag von Susanna am 23. Feb 2005, 11:43 bearbeitet]
gantenbein67
Ist häufiger hier
#48 erstellt: 22. Feb 2005, 20:43
Hallo, liebe Mitleser und Mitstreiter,


womit beginne ich..

Vielleicht mit Martins Beitrag und einem kleinen Exkurs..

Ich habe hinsichtlich der Westküste viele schöne Erinnerungen, leider auch eine grauselige---die schlechteste Scholle, die mir jemals serviert wurde, hatte ich in Husum auf dem Teller liegen: alt, modrig, morsch und fade.
Leider hatte ich zu jenem Zeitpunkt schon meine Naivität und jugendliche Begeisterungsfähigkeit verloren, hatte schon viele viele Schollen gegessen und kann es bis heute nicht lassen, jenen Fisch, wenn er denn auf einer Speisekarte auftaucht, zu bestellen. Da ich damals schon wußte, wie eine frische glückliche Scholle schmecken kann, war ich--damals in Husum-bitter enttäuscht.
Tja, Martin, vielleicht wäre der melancholische Gantenbein auch hinundwieder gern ein junges, begeisterungsfähiges Mädel, welches sich an irgendwelchen Provinzorchestern unendlich erfreuen kann, welches überhaupt jedes Konzerterlebnis als großartig empfindet, weil---Hauptsache live, und live ist immer gut und toll.
Leider kann der Gantenbein so nicht, und die höhere Naivität im Kleist`schen Sinne hat er auch noch nicht erlangt. So kann er sich nur erinnern an frühere, lange vergangene Tage...was für ein Erlebnis, das erste Autogramm vom Menuhin, die Fahrt im eigenen Käfer, um vom Lübecker Orchester die 2. Sinfonie von Mahler zu erleben dürfen, dann zum ersten Mal in Hamburg, alle Brahmssinfonien mit Karajan, und überhaupt, die Großstadt, und der alte Saal, die wunderbaren Verzierungen, diese vielen "feinen " Leute, das Gefühl,einem "Ereignis" beizuwohnen.
Nun, leider ist Gantenbein älter geworden, hat viel nachgedacht, einiges erlebt, hat Brahmssinfonien mittlerweile auch von Wand, von Giulini, Bernstein, Abbado und Solti gehört, auch von einigen Jüngeren.
Der gute Gantenbein kennt Konzertsäle und Brahmssinfonien. Und wenn er mal wieder in einen solchen gerät und ihm Brahms zu Ohren kommt, kann er nicht umhin, sich zu erinnern, zu vergleichen, er kriegt einfach diese unbefangene Frische nicht mehr hin, da hapert es, wie Martin zu Recht schreibt.
Außerdem kann er auch nicht umhin, seinem Hobby zu frönen, nämlich herauszufinden, WAS ihn langweilt oder fasziniert, WARUM er einschläft oder hellwach ist, er versucht, eigene Kriterien umd Maßstäbe zu finden, möchte benennen können, was er mag und was nicht.
Vielleicht hängt es damit zusammen, daß er grundsätzlich in seinem Leben benennen können möchte, was ihn stört und was nicht und warum oder warum nicht.
Das ist anstrengend, und manchmal wünschte sich Gantenbein, er wäre wieder siebzehn Jahre alt, und Hauptsache, live, und Hauptsache Mozart, egal welcher Interpret,und nur das Hier und Jetzt, und er möchte Gustav Mahler wieder empfinden können wie ein 17-Jähriger, und nicht wie heute, mit seinen grauen Haaren, nämlich als sentimental, wehleidig,selbstmnitleidig, pathetisch. Laut.

Gantenbein hätte übringes vieles übrig für das Eppendorfer Sinfinieorchester, würde er es kennen.
Gantenbein kennt auch die deutsche Vergangenheit...und würde so leicht niemandem seine Kunst absprechen ! Andererseits sucht er verzweifelt nach Differenzierung, und kann sich einlassen auf das Vorhandensein von kleiner und großer Kunst, von kleinen und großen Künstlern...und möchte weiterhin unterscheiden zwischen Kunsthandwerk und Kunst. Vielleicht ist Gantenbein in dieser Hinsicht doch altmodisch.

Gantenbein war übringens gestern , wider den Tip, doch zuhause zu bleiben, wieder im Konzert, hat den Alfred brendeln gehört. Und war diesmal nicht wirklich gelangweilt, insbesondere weil Brendels private Fehde mit einer sehr betagten Dame, die ihn und Schubert und die ganze Welt mit ihrem Hustenanfall durcheinanderbrachte, weil diese Fehde eine Agressivität, eine Kraft Brendels offenbarte, die seinem Klavierspiel leider mal wieder fehlte---es gibt bei ihm kein Fortissimo, keine Kraft, keine Härte, kein Nicht-Gebändigtsein, leider auch keinen Klangfarbenwechsel, und wie um dieses alles zu unterstreichen, hat er alle Zielnoten mit einem Decrescendo und Ritardando versehen----und leider, als Gantenbein mal wieder in seiner Nörgeligkeit herausgefunden hatte, was ihn mal wieder beim Brendel fehlte, war es schwieriger mit dem Genuß. Dem unbefangenen Genuß.
Dem großen Genuß.
Dennoch, es war nett, schön, bei netter, gepflegter Musik zu entspannen, über die Welt und das Leben nachzudenken, hinundwieder allerdings aufgeschreckt über das Durcheinander Brendelscher Finger, sobald die Passagen schneller, kribbeliger wurden.

Dankbar ist Gantenbein über die Konzerttips--er wird ihnen nachgehen.
M. Pletnev allerdings hat er schon einmal gehört..mit beeindruckender Technik, klarem Anschlag und Individualität.
Und hat sich CD`s gekauft. Un hingehört. Und hat leider festgestellt, daß P. langsame Passagen sehr eigensinnig, aber immerhin intensiv gestaltet, um dann die schnellen Passagen spukartig virtuos, scherzo-artig, gehetzt, hinter sich zu bringen.
Und Gantenbein hat dann leider festgesellt, daß Pletnev offenbar der Meinung ist, das diese Methode auf alle Musikstücke zu übertragen sei, und das ist dem Gantenbein zu simpel...und da hat der gute Gantenbein seine Neugierde, seine jugendliche Unbefangenheit mal wieder verloren. Gantenbein hat eine Art "Masche" entdeckt, und das passt ihm mal wieder nicht.

Vielleicht ist er ein Misanthrop, der Gantenbein ?
Vielleicht sollte er an die Westküste ziehen, mit einer kleinen Stereoanlage, dem riesigen Himmel mit den vielen Wolken über ihm, und man wird ihn dann hinundwieder auf einem Deich sitzen sehen, bei Ebbe, wie immer, wenn er dort gewesen ist, und er wird vom großen Meer träumen. Von der Weite. Der Ferne. Vom Glück-

............. .... .. .. . .


[Beitrag von gantenbein67 am 22. Feb 2005, 20:54 bearbeitet]
Susanna
Hat sich gelöscht
#49 erstellt: 22. Feb 2005, 21:44

gantenbein67 schrieb:

Ich habe hinsichtlich der Westküste viele schöne Erinnerungen, leider auch eine grauselige---die schlechteste Scholle, die mir jemals serviert wurde, hatte ich in Husum auf dem Teller liegen: alt, modrig, morsch und fade..

Hallo gantenbein67,

wer wird denn auch in Husum eine Scholle essen! Da ißt man gedünsteten Butt mit Sahnemeerrettich!


Gantenbein hätte übringes vieles übrig für das Eppendorfer Sinfinieorchester, würde er es kennen.

....und dann erst unser Kurorchester in der Muschel!

....mit ihrem Hustenanfall durcheinanderbrachte, weil diese Fehde eine Agressivität, eine Kraft Brendels offenbarte, die seinem Klavierspiel leider mal wieder fehlte---es gibt bei ihm kein Fortissimo, keine Kraft, keine Härte, kein Nicht-Gebändigtsein, leider auch keinen Klangfarbenwechsel,

Ach, trotz Hustens hätte ich den Brendel einmal im Leben gerne klavierspielend erlebt.

Vielleicht ist er ein Misanthrop, der Gantenbein ?

Kaum zu glauben!

Vielleicht sollte er an die Westküste ziehen, mit einer kleinen Stereoanlage, dem riesigen Himmel mit den vielen Wolken über ihm, und man wird ihn dann hinundwieder auf einem Deich sitzen sehen, bei Ebbe, wie immer, wenn er dort gewesen ist, und er wird vom großen Meer träumen. Von der Weite. Der Ferne. Vom Glück-

Danke für die treffende Schilderung, gantenbein67! Davon wird der etwas darnieder liegende Tourismus in unserer Region vielleicht profitieren. Berliner stellen hier traditionell einen Großteil der Sommerfrischler. Um sich u. a. vom brendelnden Alfred zu erholen...

Grüße von der (Fast)Dithmarscherin
Susanna


[Beitrag von Susanna am 23. Feb 2005, 14:02 bearbeitet]
Hüb'
Moderator
#50 erstellt: 22. Feb 2005, 22:18
@gantenbein67:
Schöner Beitrag. Hat Spaß gemacht ihn zu lesen!
Martin2
Inventar
#51 erstellt: 23. Feb 2005, 02:12
Lieber Gantenbein,

Dein Posting war wirklich schön und leider auch schon etwas melancholisch. Und die Eindruckskraft eines 17 jährigen habe ich genausowenig wie Du und mir fehlt es sicher auch gelegentlich an einer gewissen Frische, vor allem, wenn man diese Sachen halt schon tausend mal gehört hat.

Übrigens hat es mich sehr gerührt, wie Du als junger Mann nach Lübeck getigert bist, um vom Lübecker Orchester Mahlers 2. zu hören. Aus Lübeck komme ich nämlich und habe mit diesem Weltklasseorchester selber meine ersten Konzerterfahrungen gesammelt.

Ich bin im übrigen froh, dem Hobby, zu analysieren, warum mir das eine oder andere gefällt, wie Du es nennst, nicht allzusehr nachgehen zu wollen.

Ich neige nicht dazu, Konzerte mit Schallplattenaufnahmen zu vergleichen. Sie sind für mich zunächst einmal auch Erlebnisse. Zum Beispiel gelegentlich durchaus auch optische. Ich habe im Konzertsaal gerne Plätze, wo ich das Geschehen überblicken kann, z.B. im Rang weit vorne. Ich habe zum Beispiel sehr gerne dem Blomstedt zugesehen wie er das NDR Sinfonieorchester bei Bruckners 6. dirigiert hat und die Liebe zu dieser Musik hat sich so auch optisch übertragen. Oder ich habe dem Oboisten zugesehen, wie er da eine Stelle blasen durfte, die völlig phrasiert und "außerhalb der Reihe" war, was er auch wunderbar gemacht hat und waraufhin er sich dann höchst befriedigt, fast ein wenig affektiert in seinen Sitz zurückgesetzt hat.

Und vor allem sind Konzerte eben auch Erlebnisse. Dieses Erlebnis hat viele verschiedene Facetten. Zum Beispiel die, daß Du Dich konzentrierst, weil Du die Chance zu diesem einen Erlebnis eben nur einmal hast und nicht wieder.

Ich gehe ins Konzert wie in den Wald. Auch wenn einem gelegentlich vielleicht auch nur mal ein Eichhörnchen vor die Füße springt, was macht das schon?

Und ich bekenne mich dazu, in Punkto klassischer Musik auch gerne mal ein wenig oberflächlich zu sein. Lieber ein wenig oberflächlich ins Konzert gehen, dafür aber das Konzerterlebnis eben doch in vollen Zügen genießen.

Demnächst gehe ich übrigens in den Julius Cäsar von Händel. Die Oper habe ich noch nie gehört. Ist doch wunderbar. Da werden mich keine Vergleiche stören. Na, da kann mich doch gar nichts enttäuschen. Und ich bin schon sehr auf die Musik gespannt.

Also lieber Gantenbein, ich wünsche Dir herzlich, daß Du die alte Begeisterung für Konzerte irgendwann mal wieder entdeckst, auch wenn da im moment vielleicht so ein bißchen die Luft raus ist. Und ich würde da auch wirklich dem Lustprinzip folgen und in Konzerte gehen, wenn Du auch wirklich Lust hast, so mache ich es nämlich auch.

Gruß Martin


[Beitrag von Martin2 am 23. Feb 2005, 16:23 bearbeitet]
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In welches Konzert soll ich gehen?
Chris_G am 27.08.2005  –  Letzte Antwort am 26.02.2010  –  8 Beiträge
Wie war das Konzert? Ob in Berlin, Husum oder anderswo ...
Martin2 am 26.03.2005  –  Letzte Antwort am 27.03.2005  –  2 Beiträge
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