Charles Rosen - der klassische Stil - wir lesen zusammen ein Buch

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Martin2
Inventar
#1 erstellt: 08. Jun 2008, 17:21
Die Resonanz auf meinen Thread "Wollen wir mal ein Buch über klassische Musik gemeinsam lesen" war ja nicht vollkommen schlecht, immerhin hat Aladdin seine Mitarbeit zugesagt, vielleicht kommen ja andere dazu. Also referiere ich mal kurz das erste Kapitel ( Seite 17 –29)

Zu einem schulmäßigen Referat, für die ich dann wohl noch Minus oder Pluspunkte erheischen könnte, habe ich keine Lust, ich will nur locker referieren, was ich am ersten Kapitel einleuchtend und was schwer verständlich fand.

Das erste Kapitel "Die musikalische Sprache des 18. Jahrhunderts" ( Seite 17 - 29) zerfällt in zwei Teile. Der erste Teil kreist, ein wenig umständlich um den Begriff des "Stils". Im Grunde genommen muß der Autor da auch ein wenig den Titel des Buchs begründen. Titel "Der klassische Stil", Untertitel "Haydn, Mozart, Beethoven".

Stil im Sinne eines bloßen "Epochenstils", so Rosen, sei nicht viel mehr als ein Tapetenmusterstil. Stil in diesem Sinne sei belanglos, was dermaßen Stil besitzt, sei nicht mehr als Musikberieselung. Worum es ihm gehe sei ein "Gruppenstil" ( mit dem Wort ist er selber nicht ganz glücklich). Stil in diesem Sinne ist als etwas sehr hohes anzusehen, Kleinmeister spielten allerhöchstens dann mal mit großen Ideen, die sie aber nicht einlösen könnten. Die Gruppe, die dann gemeint ist, ist selbstverständlich Haydn, Mozart und Beethoven.

Also darüber ließe sich sicher diskutieren. Eingebürgert haben mag sich die Betrachtung von Rosen schon, - man redet dann ja auch von „Wiener Klassik“, aber ist sie richtig? Sollte man wirklich die Klassik auf die drei Größen Haydn, Mozart und Beethoven beschränken? Ich gebe ja zu, ich höre aus dieser Zeit auch nichts anderes, aber sind die Meister wie Haydn, Beethoven und Mozart wirklich so überragend, daß nur sie Stil in diesem höheren Sinne haben?

Dann zum zweiten Teil des Kapitels. Hier werden dann sozusagen die musiktheoretischen Grundlagen gelegt. Dies zu verstehen, bin ich natürlich schlecht.

Er sagt dann, daß die musikalische Grundlage der Klassiker die Tonalität sei ( S. 22) Da weiß ich gar nicht, was er meint, weil das zu banal erscheint. Tonalität war doch schon immer bis ins 20. Jahrhunder die Grundlage der Musik. Er sagt, die Tonalität war nie ein starres System, sondern hat sich beständig entwickelt. Da kann ich wieder zustimmen.

Was dann folgt ist zum Teil ein bißchen musikalische Allgemeinbildung: Die Verwandtheit von Tönen, natürlich steht die Dominante der Tonika am nächsten. Der Quintenzirkel wird diskutiert. Am interessantes war für mich das Dominant/ Subdominantverhältnis. Im Verhältnis von Subdominante und Tonika könnte die Subdominante auch als Tonika und die Tonika als Dominante aufgefaßt werden. Das leuchtet ein. Die Subdominante schwächt so die Tonalität, die Dominante stärkt sie. An anderen Orten redet er auch von der Subdominante als "Entspannung". Dominante und Subdominante haben ein asymetrische Verhältnis.

Gar nichts anfangen konnte ich ( zunächst) mit diesem Absatz:

"Das Mollgeschlecht ist wesensmäßig unstabil, weshalb sie in Dur zu enden pflegen " ( warum?) Na ja, vielleicht muß man das auch gar nicht verstehen, vielleicht kann man es auch hinnehmen. Auch soll es zum Subdominantbereich gehören, was wieder einleuchtet, denn C Moll hat ja auch nur Bs .Aber jetzt kommt es: "Aus diesem Grund wird Moll oft als chromatisches Mittel, als eine koloristische Bereicherung des Dur verwendet, es strebt nicht einer anderen Tonart zu, sondern ist eine labilere und ausdrucksvollere Nebenform der gleichen Tonart."

Nun ja, was ich da wohl zunächst nicht verstanden habe, daß es in diesem Satz wohl gar nicht um die sogenannten Parallelen geht – die ja auch Mollklänge sind, die aber der Chromatik gar nichts hinzufügen, sondern vielleicht um die entsprechenden Mollklänge auf der gleichen Stufe ( also etwa c moll in C Dur), die dann Chromatik erzeugen? Also das finde ich schlecht ausgedrückt.
Frage: War das immer so? Sind das schon barocke Gepflogenheiten? Oder ist das eine klassische Errungenschaft? Darüber schreibt Rosen leider nichts, weshalb ich auch nicht verstehe, welche Relevanz dies fürs Thema hat.

Dann schreibt Rosen: "Die größte Veränderung in der Tonalität des 18. Jahrhunderts (...) ist die stärker ausgeprägte Polarisierung von Tonika und Dominante." Was genau meint er hier mit Polarisierung?

Das mit dem Plagalschluß und dem Dominantseptakkord überfliege ich, der Dominantseptakkord gewinnt halt in der Klassik an Bedeutung und angesichts der Polarisierung von Dominante und Tonika fällt der Plagalschluß, also mit der Subdominante halt hinten runer.

"Die Polarität zwischen Tonika und Dominante erfuhr ihre Bestätigung durch die Modulation (...)"

Nun, Modulation kannte schon das Barock. Allerdings ist die - sagt Rosen - mehr ein zielloses Herumirren.

"Haydn und Mozart ziehen dann die praktischen Konsequenzen aus der Hierarchie der Tonarten: die verschieden möglichen Tonarten werden deutlich und sogar dramatisch mit der Haupttonart kontrastiert."

Die „dramatische Modulation“, das verstehe ich wieder gut, da sie mir viel an dem Unterschied von Klassik und Barock verständlich macht. Wobei dies ja sicherlich nicht nur für den Stil der Großmeister gilt, sondern auch für den Stil der Kleinmeister. Aber Rosen geht es ja in diesem Kapitel noch nicht um die Wiener Klassik, sondern um die allgemeinen musikalischen Zeitumstände.

In Bezug auf diese Hierarchie sagt Rosen dann, daß sie „kompliziert“ sei und nicht zum Beispiel aus dem Quintenzirkel ableitbar.

Der Text wird zu lange. Man sollte das Buch lieber selber lesen Die Diskussion über die gleichschwebende Stimmung schenke ich mir. Interessanter allerdings auch schwer verständlicher finde ich die Sache mit der Linearität.

Rosen sagt: Die Linearität sei in der Musikgeschichte sukzessive zerstört worden und die Klassik stelle in dieser Hinsicht eine wichtige Etappe dar. Aber was ist Linearität? Linearität soll dann auch noch horizontal und vertikal verlaufen. Ich finde das sehr schwer zu verstehen. Ich habe so eine vage Ahnung, worauf das hinausläuft, es ist aber wirklich sehr schwer zu verstehen.

Rosen redet dann von den Begleitfiguren, die Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelt wurden und die die Selbständigkeit der kontrapunktischen Stimmen verwischen. „Linieare Form bedeutet im Grunde die Isolierung der musikalischen Elemente“, schreibt Rosen, also wohl Harmonik, Kontrapunktik und Melodik. Vielleicht macht dies klarer, was mit Linearität gemeint ist. Das ist vielleicht nicht so schwer zu verstehen, also ein und dasselbe Ereignis läßt sich sowohl harmonisch, kontrapunktisch oder melodisch interpretieren.

Folgt wieder ein Satz, den ich reichlich unverständlich finde:

„In der Musik griff der klassische Stil die horizontale Selbstständigkeit der Stimmen und die vertikale Selbständigkeit der Harmonien an, inder er die Phrase isolierte und die Struktur reichlich gliederte.“

Muß man wieder drüber nachdenken, was gemeint ist. Warum greift die Isolierung der Phrase und die Periodenbildung, die Selbständigkeit von Stimme und Harmonie an? Ich hoffe dies wird im Verlauf des Buches noch klarer.

Weiterhin schreibt er: „Daß dieses periodische System der musikalischen Bewegung aufgedrückt wurde und die innere Fortschreitung durch die neuartigen Begleitfiguren verwischt wurde, bedeutet, daß das Gefühl für Linearität im klassischen Stil auf eine höhere Ebene gehoben und nicht als lineare Kontinuität der einzelnen Elemente, sondern erst als Zusammenhang des ganzen Stückes sichtbar wurde.“

Das klingt nun, soweit ich es verstehe sehr großartig, aber wenn er dies tatsächlich aufzeigen will, hat sich Rosen für dieses Buch ja einiges vorgenommen.
AladdinWunderlampe
Stammgast
#2 erstellt: 15. Jun 2008, 22:37
Hallo Martin,

obwohl Du Dir so viel Mühe mit dem Referieren des 1. Kapitels aus Charles Rosens "Der klassische Stil" gegeben hast, ist die Resonanz hier im Forum offenbar nicht überwältigend. Schade!

Ein Grund, warum ich selbst mich bisher zurückgehalten habe, ist, dass ich gehofft hatte, ein paar andere würden sich beteiligen, so dass das Ganze sich nicht zu einer Privatunterhaltung zwischen uns beiden entwickelt.

Ein zweiter Grund ist allerdings, dass schon die Zusammenfassung dieses ersten Kapitels so viele Fragen und Probleme aufreißt, dass damit allein bereits ein ganzes Buch gefüllt werden könnte. Rosen behauptet in diesem Kapitel sehr vieles, dass ich in dieser Form zunächst einmal in Frage stellen würde. Problematisch ist schon, dass er glaubt, die Tonalität nicht "historisch" sondern "axiomatisch" darstellen zu müssen. Das führt dazu, dass er viele Sachverhalte gleichsam als naturgesetzlich hypostasiert, die tatsächlich das Resultat komplexer historisch-kultureller Prozesse sind. Rosens Ansatz ist insofern verständlich, als das Ganze nur als Einleitung gedacht ist und er aus pragmatischen Erwägungen schnell zur "eigentlichen" Sache kommen möchte.

Trotzdem sind Behauptungen wie die auch von Dir hervorgehobene, dass das Mollgeschlecht "wesensmäßig instabil" sei, oder diejenige, dass die funktionale Harmonik sich konsequent aus Obertonbeziehungen herleiten lasse, in ihrer Allgemeinheit meines Erachtens mehr als fragwürdig. (Zu solchen problematischen Aussagen gehört auch Deine These, dass die Tonalität die Grundlage aller Musik vor dem 20. Jahrhundert gewesen sei. Das stimmt nur, wenn man den Tonalitätsbegriff so weit und unverbindlich fasst, dass man letztlich ohne größere Probleme auch Schönberg darunter begreifen könnte...)

Ich frage mich aber, ob es der Sinn dieses Threads sein kann, all diese unzähligen Punkte auszudiskutieren, denn dann werden wir niemals zum eigentlichen Gegenstand dieses Buches gelangen - nämlich zum klassischen Stil.

Insofern bin ich in Bezug auf unser weiteres Vorgehen ein wenig ratlos. Vielleicht sollten wir ja den Vorschlag beherzigen, den Kreisler jr. im Thread Wollen wir mal ein Buch über klassische Musik zusammen lesen? zur Rosen-Lektüre gemacht hat:


Kreisler_jun. schrieb:

Wir können aber gerne mkal irgendeines seiner Mozart- oder Haydn-Beispiele (lieber nicht Beethovens op.106, zu schwierig ) herausgreifen und versuchen seinen Kommentar/seine Analyse zu verstehen.
Der Schwerpunkt läge dann aber auf dem Musikstück, nicht auf dem Rosenschen Text.


Es wäre jedenfalls schade, wenn die Diskussion versiegt, bevor sie richtig angefangen hat.


Herzliche Grüße
Aladdin

P. S.: Ein letzter Grund für meine späte Rückmeldung auf Deinen Beitrag ist, dass ich momentan aufgrund eines Umzugs und einer damit verbundenen Hausrenovierung extrem wenig Zeit habe; dieser Zeitmangel wird in den nächsten Wochen eher noch wachsen. Wenn ich auf die - hoffentlich - weiter erfolgenden Beiträge zu diesem Thread nicht sofort antworte, ist das also keinesfalls als Zeichen meines Desinteresses zu verstehen. Sobald ich es zeitlich schaffe, versuche ich wieder etwas mehr zum Forum beizutragen als nur langweilige CD-Empfehlungen, auf die ich mich in den letzten Tagen hauptsächlich beschränkt habe...


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 15. Jun 2008, 22:41 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#3 erstellt: 15. Jun 2008, 23:29
Hallo Aladdin,

schön, daß ich hier doch noch ein Feedback bekomme. Schade, daß Du im moment so wenig Zeit hast. Die Ableitung der Tonalität aus den Obertonbeziehungen und die "Natürlichkeit" der Tonalität erinnert mich an das Buch von Ansermet. Ich glaube da gab es eine ähnliche Diskussion. Mir ist das grundsätzlich sympathisch, verstehe aber zu wenig davon.

Ich fand das erste Kapitel auch sehr schwierig. Schwierige Sachverhalte werden in schwierigen Begriffen gefaßt und darüber hinaus wird das ganze auch noch so verdichtet, daß das Lesen keine reine Freude ist. An den interessierten musikalischen Laien scheint sich das ganze nicht zu richten. Das ist vermutlich auch ein Grund, warum das Feedback auf diesen Thread eher lau ist. Ich werde ihn dann auch nicht fortsetzen, an sich hätte ich mir die Mühe, auch das zweite Kapitel zu referieren, gerne gemacht, aber so hat das keinen Sinn. Mir ist im ersten Kapitel auch noch soviel unklar, daß ein Fortschreiten zu diesem Zeitpunkt nicht sinnvoll ist. Schade, es wäre für uns alle die Chance gewesen, mehr von Musik zu verstehen, vor allem auch, wenn Du dabei gewesen wärest.

Gruß Martin
AladdinWunderlampe
Stammgast
#4 erstellt: 15. Jun 2008, 23:52
Wenn Dich das Ganze wirklich so sehr interessiert, dann sollten wir die Flinte nicht so schnell ins Korn werfen.

Vielleicht kann man die Fragen, nachdem Du jetzt das Kapitel schon in großen Zügen zusammengefasst hast, Schritt für Schritt abarbeiten? Das dauert dann zwar ein wenig, ist aber vielleicht letztlich ganz ergiebig. Allerdings fühle ich mich im Moment wirklich ein bißchen überfordert, hier jeden Tag etwas zu referieren (der heutige Sonntag war die Ruhe vor dem Sturm). Da müssten schon ein paar andere Forumsmitglieder mithelfen.
Martin2
Inventar
#5 erstellt: 16. Jun 2008, 19:27
Hallo Aladdin,

na dann will ich auch nicht die Flinte ins Korn werfen. Ich würde mich halt freuen, wenn der Thread zustande käme, denn ich würde dieses Rosenbuch wirklich gerne verstehen.

Daß Du im moment wenig Zeit hast, macht doch nichts, wir können die Sache ja auch ganz langsam angehen lassen. Es wäre halt nur schön, wenn sich wenigstens noch ein dritter Mann oder eine dritte Frau finden ließe, so daß die Diskussion nicht zu einem Dialog zwischen uns beiden ausartete. Mit letzterem hätte ich persönlich aber auch kein Problem; mich würde es nicht so stören, wenn Du mein einziger Diskussionspartner bliebest, ich würde trotzdem - da bin ich mir sicher - einiges lernen. Möglicherweise hätten wir ja doch ein paar Zaungäste, die vielleicht dann doch zu uns stoßen würden. Aber wenn sich dieser Thread über lange Strecken hinzieht, würde mich dies auch nicht stören.

Ich habe noch mal über die "Begleitfiguren" nachgedacht, über die Rosen redet und die er nicht für die Wiener Klassiker, sondern für die gesamte klassische Zeit als typisch begreift. Wenn ich das richtig sehe, sind "Begleitfiguren" so etwas wie aufgelöste Akkorde? So daß die Begleitfigur die harmonische Unterlage bildet, aber auch quasi motivisch in Erscheinung tritt und damit den Unterschied zwischen harmonischem und kontrapunktischem Satz verwischt? So daß auf diese Weise die alte "Linearität" des Barocks in Frage gestellt würde? Über all diese Dinge hätte sich Rosen wirklich ein bißchen genauer auslassen können, so wie er einem die Dinge vor den Kopf knallt, ist das wirklich kaum zu verstehen.

Ich hoffe wiegesagt, wir kommen noch auf alle diese Dinge zu sprechen, wobei das erste Kapitel möglicherweise auch nicht typisch ist, weil es auf sehr engem Raum von wenigen Seiten im Grund die ganze grundlegende Entwicklung, die vom Barock zur Klassik stattgefunden hat, zusammenfaßt. Ich fürchte nur, hier werden die Grundlagen gelegt, um das Buch überhaupt verstehen zu können.

Ansonsten: Viel Glück zu Deinem Umzug und wenn Du dann mal wieder Zeit hast - und vor allem auch Lust - würde ich gerne die Diskussion hier fortsetzen.

Gruß Martin
Kreisler_jun.
Inventar
#6 erstellt: 16. Jun 2008, 20:25
Ich würde ähnlich wie Aladin vorschlagen, dieses einführende Kapitel zurückzustellen. Rosen ist (als großer Vorkämpfer einiger zeitgenössischer Komponisten) gewiß kein Anhänger der Natürlichkeit der Tonalität. Er plädiert für die gleichschwebende Stimmung für die Musik der Klassik und die ist ganz klar eine Konvention/Konstruktion, die als solche "unnatürlich" ist. (Jedes Stimmsystem muß Kompromisse machen, aber man könnte wohl vertreten, daß die pythagoreische Stimmung "natürlicher" ist als die gleichschwebende).

Zum Zeitstil/Gruppenstil/Personalstil könnte man ebenfalls ein Riesenfaß aufmachen. Gerade weil Rosen derlei Diskussionen vermeiden bzw. für den Moment kurz abhandeln und dann aus dem Weg haben will, wie Ihr richtig erkannt habt, ist es glaube ich, wenig zielführend, sich mit diesen Präliminarien aufzuhalten.

Ich schlage immer noch vor, weil ich das für produktiver halte, sich ein Werk, das Rosen relativ ausführlich bespricht (leider nur wenige, vieles deutet er nur an), vorzunehmen, zunächst über seinen Kommentar zu diskutieren und dann ggf. auf allgemeinere Stilmerkmale einzugehen. Es wird sonst zu trocken und theoretisch.

Möglichkeiten hierfür wären ein (Satz aus einem) Haydn-Quartett (etwa op.33,1 oder 3 oder 50,1 oder 64,1) oder ein oder mehrere Mozartsche Klavierkonzerte (KV 271, KV 466, KV 503). Oder evtl. eine Haydn-Sinfonie, da muß ich aber nochmal sehen, worauf er näher eingeht.

JK jr.
AladdinWunderlampe
Stammgast
#7 erstellt: 16. Jun 2008, 22:33

Kreisler_jun. schrieb:
Er plädiert für die gleichschwebende Stimmung für die Musik der Klassik und die ist ganz klar eine Konvention/Konstruktion, die als solche "unnatürlich" ist.


Hallo Martin und Kreisler jun.,

ich glaube auch, dass Rosen von Ansermet und erst recht von irgendwelchen Naturklang-Aposteln denkbar weit entfernt ist.

Dies wird schon in seinen Ausführungen zum Verhältnis von Stimmung und Tonalität deutlich:

"Mit der Einführung der gleichschwebenden Stimmung erübrigt sich die Diskussion darüber, ob Tonalität eine 'natürliche' oder eine konventionelle Sprache sei. Sie gründet sich offensichtlich auf die physikalischen Eigenschaften eines Tones, und ebenso offensichtlich deformiert und 'denaturiert' sie diese Eigenschaften zugunsten einer geregelten Sprache mit komplexeren und vielfältigeren expressiven Möglichkeiten." (S. 24).

Nichtsdestoweniger ist ist Rosens "axiomatischer" Ansatz, "Tonalität" zu definieren (S. 22), insofern problematisch, als er einige Aspekte, die die Tonalität im klassischen Stil zweifellos bestimmen, allzu schnell als deren "Wesen" ausgibt. Aber das mag in einer Darstellung ad usum Delphini - wie bereits gesagt - verzeihlich sein.


Kreisler_jun. schrieb:

Ich schlage immer noch vor, weil ich das für produktiver halte, sich ein Werk, das Rosen relativ ausführlich bespricht (leider nur wenige, vieles deutet er nur an), vorzunehmen, zunächst über seinen Kommentar zu diskutieren und dann ggf. auf allgemeinere Stilmerkmale einzugehen. Es wird sonst zu trocken und theoretisch.


Obwohl ich diese Ansichts weitgehend teile, könnte ich mir immerhin noch eine kursorische Lektüre des 2. Kapitels "Formtheorien" sowie des 2. Kapitels "Die Ursprünge des klassischen Stils" vorstellen, da Rosen hier einiges Grundlegende behandelt und auch einen erfreulich unschematischen Formbegriff entfaltet, der den gängigen Lehrbuch-Modellen eine begründete Absage erteilt. Gerade für "Einsteiger" dürfte dies von einigem Interesse sein.


Kreisler_jun. schrieb:

Möglichkeiten hierfür wären ein (Satz aus einem) Haydn-Quartett (etwa op.33,1 oder 3 oder 50,1 oder 64,1) oder ein oder mehrere Mozartsche Klavierkonzerte (KV 271, KV 466, KV 503). Oder evtl. eine Haydn-Sinfonie, da muß ich aber nochmal sehen, worauf er näher eingeht.


Angesichts der Tatsache, dass Haydn mehr noch als Mozart in diesem Forum der große unbekannte Bekannte zu sein scheint, würde ich nachdrücklich für ein Werk aus Haydns Feder plädieren. Und da Opus 33 ja allgemein als Paradigma des klassischen Stils gilt, wäre es für den Einstieg vielleicht nicht falsch, ein Streichquartett aus dieser Sammlung zu wählen - vielleicht gleich die Nr. 1 in h-Moll, zu der Rosen eine ganze Menge zu berichten weiß?

Sinfonien und Konzerte könnte man dann zu einem späteren Zeitpunkt dazunehmen, da hier noch Fragen der Instrumentation und des Verhältnisses zwischen Solist und Orchester hinzukommen, die zu Anfang vielleicht noch nicht so wichtig sind.
(Aber eigentlich sollte ich mich Vorschlägen zurückhalten, denn ich werde in nächster Zeit wohl kaum dazu kommen, mich in den betreffenden Diskussionen stärker zu engagieren.)



Herzliche Grüße
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 16. Jun 2008, 22:36 bearbeitet]
Kreisler_jun.
Inventar
#8 erstellt: 16. Jun 2008, 23:10

AladdinWunderlampe schrieb:


Kreisler_jun. schrieb:

Ich schlage immer noch vor, weil ich das für produktiver halte, sich ein Werk, das Rosen relativ ausführlich bespricht (leider nur wenige, vieles deutet er nur an), vorzunehmen, zunächst über seinen Kommentar zu diskutieren und dann ggf. auf allgemeinere Stilmerkmale einzugehen. Es wird sonst zu trocken und theoretisch.


Obwohl ich diese Ansichts weitgehend teile, könnte ich mir immerhin noch eine kursorische Lektüre des 2. Kapitels "Formtheorien" sowie des 2. Kapitels "Die Ursprünge des klassischen Stils" vorstellen, da Rosen hier einiges Grundlegende behandelt und auch einen erfreulich unschematischen Formbegriff entfaltet, der den gängigen Lehrbuch-Modellen eine begründete Absage erteilt. Gerade für "Einsteiger" dürfte dies von einigem Interesse sein.


Das ist m.E. eine der wesentlichen Pointen des ganzen Buches, nämlich daß die Sonatenform kein Schema ist (kein Gefäß, das mit Melodien befüllt wird), sondern ein flexibles dynamisches Prinzip. Hauptsächlich aus diesem Grund empfehle ich es immer wieder. Natürlich steht noch mehr Lohnendes drin.




Kreisler_jun. schrieb:

Möglichkeiten hierfür wären ein (Satz aus einem) Haydn-Quartett (etwa op.33,1 oder 3 oder 50,1 oder 64,1) oder ein oder mehrere Mozartsche Klavierkonzerte (KV 271, KV 466, KV 503). Oder evtl. eine Haydn-Sinfonie, da muß ich aber nochmal sehen, worauf er näher eingeht.


Angesichts der Tatsache, dass Haydn mehr noch als Mozart in diesem Forum der große unbekannte Bekannte zu sein scheint, würde ich nachdrücklich für ein Werk aus Haydns Feder plädieren. Und da Opus 33 ja allgemein als Paradigma des klassischen Stils gilt, wäre es für den Einstieg vielleicht nicht falsch, ein Streichquartett aus dieser Sammlung zu wählen - vielleicht gleich die Nr. 1 in h-Moll, zu der Rosen eine ganze Menge zu berichten weiß?


Ja, das wird mit am Ausführlichsten besprochen. Angesichts der großen Beliebtheit von Streichquartetten wäre ein Konzert oder eine Sinfonie aber vielleicht doch aussichtsreicher...

viele Grüße

JK jr.
Joachim49
Inventar
#9 erstellt: 16. Jun 2008, 23:13
Ich habe nichts dagegen mich auch in die Diskussion einzumischen - nur ich habe das Buch nicht. Ich werde mal in den hiesigen Bibliotheken nachschauen, wo es zumindest eine englischsprachige Ausgabe geben müsste (hiesig=Belgien). Zur Zeit muss ich allerdings auch weniger interessante Dinge lesen, aber in ein paar Wochen hab ich mehr Luft.
Freundliche Grüsse
Joachim
Martin2
Inventar
#10 erstellt: 16. Jun 2008, 23:50
Ich freue mich, daß es hier doch noch mehr Menschen gibt, die der Rosen interessiert. Man muß ihn selbstverständlich nicht systematisch besprechen. Ich dachte nur, die ersten Kapitel wären vielleicht wichtig, um die späteren überhaupt zu verstehen. Ich habe das Buch ja auch einmal gelesen, allerdings vieles davon auch einfach überflogen. Am Ende blieb ich unbefriedigt, da viel Verständnis auf der Strecke blieb. Ich habe das Buch nicht wirklich ernsthaft gelesen; das will ich jetzt nachholen.

Ich habe auch nichts gegen die von Kreisler angeregten Opus 33 von Haydn. Gibt es sie in einer Einspielung der Buchberger von Brilliant? Ich habe ja die Opus 20 mit diesem Ensemble, die mir nicht schlecht gefallen. Die Opus 33 waren ja die Streichquartette, die Haydn selber als "völlig neuartig" titulierte, die in diesem Sinne vermutlich ein Durchbruch zum klassischen Stil im engeren Sinne darstellen ( ich tue mich immer noch schwer damit, nur den späten Haydn, Mozart und Beethoven als klassisch ansehen zu sollen). Ob Streichquartette so furchtbar beliebt sind, darauf müßten wir m.E. keine Rücksicht nehmen, wenn nur die, die an diesem Thread teilnehmen wollen, ein Interesse an den Opus 33 zeigen.

Wenn also das Buch nicht systematisch besprochen werden soll, bitte ich um Vorschläge, wie wir es besprechen wollen, ob wir das 2. Kapitel über Formtheorie noch mitnehmen wollen z.B.. Ich drohe aber schon mal an, daß ich gnadenlos fragen werde, wenn mir dann etwas unverständlich bleibt, was frühere Kapitel vielleicht deutlich gemacht haben.

Wenn Joachim noch mitmachen will, so sollten wir vielleicht warten, bis er das Buch hat. Wir könnten auch warten, bis Aladdin wieder mehr Zeit hat.

Mich würde es trotzdem freuen, wenn noch etwas die Diskussion um das erste Kapitel in Gang käme, ich habe doch den Eindruck, daß es sehr wichtig, leider aber eben auch sehr verdichtet ist. Mich freut die Diskussion und in diesem Sinne muß ein Kommentar auch nicht unbedingt letzte musikalische Weisheit ausstrahlen, sondern kann auch ein "so habe ich es verstanden" oder "so habe ich es auch verstanden" sein.

Gruß Martin
Martin2
Inventar
#11 erstellt: 17. Jun 2008, 18:35
Ich sehe gerade, Haydns Opus 33 mit den Buchbergern sind für 5 Euro oder so bei JPC immer noch greifbar. Also keine faulen Ausreden, daß diese Musik schwer oder teuer erhältlich wäre. Ich werde mir die Doppel CD bei Gelegenheit bestellen.

Gruß Martin
Joachim49
Inventar
#12 erstellt: 17. Jun 2008, 23:06

Martin2 schrieb:

Wenn Joachim noch mitmachen will, so sollten wir vielleicht warten, bis er das Buch hat. Wir könnten auch warten, bis Aladdin wieder mehr Zeit hat.


Ich werde erst gegen Ende des Monats Zeit zum Lesen haben (da ich in der Zwischenzeit viel anderes lesen muss) und da das Buch hier in Antwerpen in keiner Bibliothek ist, wie meine Recherchen ergeben haben, wird es ohnehin ein bisschen dauern bis ich einen Text habe. Das Buch scheint erschreckend umfangreich zu sein. Ihr müsst nicht auf mich warten, aber ich vermute dass die Lektüre doch eher zähflüssig voranschreitet.
Freundliche Grüsse
Joachim
Martin2
Inventar
#13 erstellt: 18. Jun 2008, 01:07
Hallo Joachim,

also ich wäre gerne bereit, bis Monatsende zu warten. Ich würde mich auch freuen, wenn Aladdin dann signalisieren würde, daß er wieder Zeit hat. Das ganze hat keine Eile. Vielleicht würde dann ja sogar noch jemand dazustoßen.

Gruß Martin
Martin2
Inventar
#14 erstellt: 28. Jun 2008, 17:28
Darf ich mal fragen, wie der Stand der Dinge ist? Aladdin scheint immer noch schwer beschäftigt zu sein, bei Joachim weiß ich nicht, ob er sich das Buch inzwischen besorgt hat und von mir kann ich sagen, daß ich mir Haydns Opus 33 nicht besorgt habe, wenn wir denn mir ihnen fortschreiten wollen.
Martin2
Inventar
#15 erstellt: 11. Jul 2008, 21:13
Schade, daß ihr mir hier überhaupt kein Feedback gebt.
Joachim49
Inventar
#16 erstellt: 11. Jul 2008, 22:14
Hallo Martin,
ich habe das Buch hier in keiner Bibliothek gefunden, und in den hiesigen Buchhandlungen, die weder deutschsprachige noch englische Fachliteratur führen, geht's auch nicht auf die Schnelle. Ich bin jetzt erst einmal in luftiger Hôhe in den französischen Alpen, da gibt's gar keine Buchhandlung und englischsprachige Bücher gibt's in ganz Frankreich nur in der rue de Rivoli. Auf der Rückreise bin ich ein paar Tage im deutschsprachigen Raum und hoffe eine deutsche Ausgabe Rosen's zu ergattern (ich nehme an, dass es das bei dtv-Bärenreiter (noch) gibt. Um den 10. August rum, könnte es dann losgehen.
Freundliche grüsse
Joachim
Martin2
Inventar
#17 erstellt: 11. Jul 2008, 23:06
Hallo Joachim,

danke fürs Feedback. Na dann werde ich mich wohl bis mitte August noch gedulden müssen. Schadet aber auch nichts; was lange währt, wird endlich gut.

Gruß Martin
Martin2
Inventar
#18 erstellt: 24. Sep 2008, 20:39
Nachdem ich nun heute den Charles Rosen mit den späten Klaviersonaten von Beethoven hörte ( und mir dies sehr gut gefiel) erinnerte ich mich dieses offensichtlich lange ruhenden Threads und daher meine Frage: Besteht überhaupt noch ein Interesse an einer wie immer gearteten gemeinsame Lektüre des Charles Rosen? Müßte mir dies Buch auch erst wieder ausleihen.
Joachim49
Inventar
#19 erstellt: 24. Sep 2008, 22:04
Ich war im Sommer nur kurz in Deutschland und da es in diesem Land selbst in Grossstädten (selbst in der Stadt in der die Buchmesse stattfindet und der Börsenverein des deutschen Buchhandels) keine wirklich gute Buchhandlung mehr gibt, habe ich mir den Rosen nicht zulegen können (Was Einkaufen betrifft bin ich ein Internetmuffel). Die nächste Zeit bin ich beruflich etwas zu sehr belastet um mich durch so einen Wälzer durchzuarbeiten. Aber vielleicht wird's irgendwann noch mal was.
Grüsse
Joachim
Martin2
Inventar
#20 erstellt: 26. Jan 2009, 15:21
Ja, die Sache mit dem Charles Rosen wurde dann ja wohl offensichtlich nichts. Schade eigentlich, ich wäre sogar bereit gewesen, mir das Buch zu kaufen ...

Also meine Anregung war offensichtlich ein Schuß in den Ofen. Wiegesagt schade, da mir der Versuch, über klassiche Musik wirklich mal ernsthaft ins Gespräch zu kommen und dabei vielleicht auch wirklich mal was "mitzunehmen", wenn man mit versierten Gesprächspartnern ins Gespräch gekommen wäre, sicher viel Spaß gemacht hätte.

Gruß Martin
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