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Bach, Johann Sebastian - reden wir mal über Bach

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Martin2
Inventar
#1 erstellt: 11. Apr 2010, 11:59
Alternativ hätte ich den Thread auch "Mein Bach" nennen können.

Bach gehört nicht zu meinen Lieblingskomponisten - das dürfte in diesem Forum bekannt sein. Umso aufschlußreicher wäre es für mich, über diesen großen Komponisten einmal ins Gespräch zu kommen.

Was schätze ich an diesem Komponisten und was schätze ich nicht? Wie nähere ich mich ihm? Welche Gefühle vermittelt er mir? Was gibt er mir?

Für mich ist und bleibt er ein schwieriger Komponist. Am zugänglichsten erscheinen mir die Violinkonzerte und die Brandenburgischen Konzerte. Die Violinkonzerte mag ich sehr. Die Brandenburgischen nun ja - die swingen schön und sie sind irgendwie unersetzbar, trotzdem ziehe ich die Concerto Grossi von Händel vor, die allerdings auch ganz anders sind. Allerdings gehören die Brandenburgischen Konzerte für mich zu den Kompositionen, die ich eigentlich fast immer hören kann und die mir dabei eine gewisse Lebensfreude vermitteln, ohne allerdings, daß sie mich wirklich tief berühren. Die Orchestersuiten sind teilweise auch peppig, aber ich höre sie seltener.

Insgesamt erlebe ich allerdings immer wieder, daß meine Erkundungsversuche des Bachschen Ouvres immer wieder ins Stocken geraten. Sei es bei der Cembalo / Klaviermusik, sei es bei der Orgelmusik oder bei den Kantaten und geistlichen Werken. Sicher habe ich auch nicht immer das beste, Stockmeyer bei der Orgelmusik soll etwa schlecht sein.

Worin liegen meine Schwierigkeiten mit Bach begründet. Nun, ich denke Bach vermag mich selten wirklich tief zu berühren. Ich spüre bei ihm, daß er emotional nur eine Oberfläche bei mir berührt; ich höre Bach fast so, wie als ob ich Popmusik höre, eine gute, musikalisch geniale Popmusik, aber eben doch Popmusik. So geht es mir mit den Brandenburgischen Konzerten, aber auch mit den Cembalokonzerten.

Das Bachsche musikalische Urerlebnis geht mir dabei ab. Die Abschiedsarie der Dido bei Äneas war für mich in Bezug auf Purcell ein solches musikalisches Urerlebnis. Manches bei Händel. Bach dagegen erscheint mir als kalt. Ein genialer Komponist und großer Könner. Aber nichts was mich berühren könnte wie meinetwegen die Winterreise. Auch dieser große weltoffene, die Welt öffnende Zug fehlt mir bei ihm, was ich bei Händel so sehr spüre. Seiner Kontrapunktik haftet für mich etwas Schulmeisterliches an, anders als etwa im Finalsatz von Mozarts Jupitersinfonie. Fugen mag ich eigentlich nicht sonderlich.

Sicher hat für mich Bach schon deshalb schlechte Karten, weil viele seiner Musik sakral ist und mit sakraler Musik kann ich meist wenig anfangen. Bachs weltliche Musik ist mir zu weltlich und Bachs sakrale Musik zu sakral. Was mir fehlt, ist die Gestaltung menschlicher Leidenschaften. Am ehesten vermitteln mir dies noch die Violinkonzerte. Genau diese Ebene vermittelt für mich die Oper - aber Bach hat sich in diesem Metier ja nie versucht. Was interessieren mich die Leiden Christi - mich interessieren die Leiden und Tragödien des Menschen. Gibt es das überhaupt bei Bach? Mir teilt sich dies nicht mit. Beim Hören seiner Musik habe ich nie das Gefühl, daß er eine solche allgemeinmenschliche Ebene überhaupt anspricht. Ein Beispiel für Händel wäre etwa die Gefängnisszene in der Theodora. Sicher kann man von Barockmusik nicht die Tragödie einer Tschaikovskisinfonie erwarten. Aber doch etwas, was in dieser Richtung immerhin zielt.

Dies mag vorläufig genügen, vielleicht kommen wir noch weiter ins Gespräch.

Gruß Martin
Schneewitchen
Inventar
#2 erstellt: 11. Apr 2010, 21:19


Der Zugang zu Bachs Kantatenwerk erfolgt in vielen Fällen durch seine bekanntesten Kantaten "Ich will den Kreuzstab gerne tragen" und "Ich habe genug".
Die Interpretation von Quasthoff sollte einen schon tief berühren oder anders ausgedrückt "zu Herzen gehen".
Abgesehen davon war Bach Kantor von Beruf und verdiente seinen Lebensunterhalt im Dienste der Kirche.Er komponierte nicht einfach so aus Lust und Laune sondern weil er durch seinen Job verpflichtet war,Kirchenmusik zu komponieren und (meist sonntäglich) aufzuführen.Weltliche Musik hat er deshalb überwiegend in seinen jüngeren Jahren komponiert,als er noch für Landesfürsten tätig war.Hätte er den Job beim Markgrafen von Brandenburg bekommen,dem er seine 6 Konzerte gewidmet hatte,hätte er vielleicht keine oder nur wenig Kirchenmusik geschrieben.
Man kann Bach daher als Kirchenmusiker bezeichnen. Passionen,Oratorien und Kantaten gefallen nicht jedem und daher ist es nicht verwunderlich,wenn man sich nicht mit Bachs Musik anfreunden kann.
Andererseits muß man selbst nicht gottgläubig sein,um diese Musik zu mögen.Wer jedoch über Gott und Mensch nachdenken will,findet in Bachs geistlichen Werken genug Anregungen.
Versetzt man sich in die Zeit,wo Bach gelebt hat,war Gott und Kirche ein beherrschendes Thema,was heute zweifellos nicht mehr so ist.
Ehe man sich in Bachs mehrstündigen Passionen hineinhört,sollte man mit den kürzeren Kantaten oder den Motetten anfreunden.
Deukalion
Inventar
#3 erstellt: 11. Apr 2010, 21:53
Auch von mir ein paar Assoziationen zu Bach:
Ich mag Bach wegen seiner klaren musikalischen Struktur, wegen seiner kontrapunktischen Komplexität, bei der ich auch nach mehrmaligem Hören (z. B. einer Triosonate oder einer Bach- Kantate) immer wieder Neues finde. Damit ist er für mich alles andere als eingängige, leicht zu konsumiernde Pop- Musik!
Den religiösen/ sakralen Kontext nehme ich dabei eher in Kauf.
Bachs Musik hat für mich durchaus einen starken emotionalen Gehalt. Bachs Musik hat für mich etwas klares, Klärendes, immer wenn ich "den Kopf frei bekommen möchte", höre ich Bach.
Würde ich nach einem Vergleich im Bereich der Archtektur suchen, würde mir zu Bach eben gerade nicht die verschnörkelte Barock- Architektur einfallen, sondern eher der klare, funktionale Bauhaus- Stil, auch wenn zwischen Bachs musikalischer Architektur und Gropius Jahrhunderte liegen.
Joachim49
Inventar
#4 erstellt: 13. Apr 2010, 19:34
Ich kannte in meinen relativ 'jungen' Jahren von Bach recht wenig: Die Suiten, die Brandenburgischen, die beiden Violinkonzerte und das Konzert für 2 Violinen so wie die Matthäuspassion, die ganz und konzentriert zu hören ich wahrscheinlich nicht die Geduld hatte. Diese Sachen waren gefällige, gute Unterhaltungsmusik (Matthäus ausgenommen), aber ich hatte nie eine Vorliebe für sie, Wiener Klassik und Romantik lagen mir viel mehr. Allerdings gab es eine Ausnahme: der langsame Satz aus dem Konzert für zwei Violinen (d-moll). Eines der schönsten Werke aus der ganzen Musikgeschichte, ein ergreifender Dialog, ein Stück Musik von seltener Vollkommenheit. (Leider habe ich keine Aufnahme davon, die mir wirklich gut gefällt).

Irgendwann sass ich am PC um zu arbeiten und hatte im Hintergrund das Wohltemperierte I laufen. Normalerweise verschwindet 'Hintergrundmusik' beim Arbeiten aus dem Bewusstsein, aber diesmal passierte das Gegenteil: die Musik drängte sich vor und irgendwann hörte ich nur noch zu.
Am meisten verblüffte mich, dass mir die Schönheit und der unerschöpfliche Reichtum dieser Musik nicht schon früher aufgefallen war. Denn ich hatte schon einige Jahre Gould auf LP aber ich konnte mich nicht erinneren das WTK 1 jemals ganz und konzentriert gehört zu haben. Diesmal war es wie eine Bekehrung oder Erweckung. In der Rangliste meiner Vorlieben erreichte Bach in kürzester Zeit eine Spitzenposition. Zu danken hatte ich dieses Erweckungserlebnis Friedrich Gulda (trotz des ungewöhnlich hässlichen Klavierklanges). Heute habe ich mehr als zehn Aufnahmen des WTK, die ich immer wieder, mit tiefer Freude höre.

Das WTK war für mich auch die Entdeckung, dass es grossartige Musik geben kann ohne Gefühlsexzesse. Dass es einfach musikalische Spielfreude, Entdeckungs- und Experimentierfreude in der Musik gibt, die sich selbst ganz genügt (obwohl es durchaus auch im WTK emotional ansprechendes gibt, in sehr diversen Gefühlslagen.

Nach dem Gulda-Bach Erlebnis hatte ich zunächst mal einen riesigen Nachholbedarf, denn mir war klar, dass ein Komponist der diese Musik geschrieben hatte, noch zahllose Kostbarkeiten zu bieten hatte. Und in dieser Erwartung wurde ich nicht enttäuscht. Wie so manchmal wundern mich die Schwierigkeiten die Martin mit Bach hat (obwohl, zugegeben, ich sie auch mal hatte. Aber nach einem Erweckungserlebnis sieht man die Welt halt anders). Natürlich bin auch ich nicht in der Lage alle Fugen mit Begeisterung zu hören und in jeder der zahlreichen Kantaten ein geniales Werk zu sehen. Aber kein Zweifel, diese Musik enthält in grosser Zahl Unüberbietbares und Unerschöpfliches.

Zum Sakralen: es kann keinen Zweifel geben, viele Komponisten haben gerade hier mit ihr bestes gegeben. Man mag es wie Martin bedauern, dass die grosse Überzahl des Bach'schen oeuvres Kirchenmusik ist und gewiss hätte Bach auch grossartige weltliche Musik geschrieben (hat er ja auch), wenn die sozialen Verhältnisse es ihm erlaubt hätten. Aber irgendwie ist es doch sehr merkwürdig, wenn jemand der die Passionsmusiken kennt, es bedauert, dass Bach nicht mehr weltliche Musik geschrieben hat. Er hatte vor IHM halt mehr Respekt als vor irgendwelchen Kurfürsten, und wenn es darum ging IHN zu ehren, dann hat er halt (oft) sein Bestes gegeben.

Aber was tun, wenn man die religiösen Gefühle nicht teilt? Nach meinem Wissen gibt es nur wenige 'Ungläubige' oder Agnostizisten, die auf diese Werke Bachs verzichten wollen. Manche wirken sogar mit, im Chor, im Orchester oder am Dirigentenpult. Wir sollten auch nicht vergessen, dass das Religiöse nicht so menschenfremd ist, dass nicht auch der a-religiöse mitempfinden kann, wenn es um Tod, Trauer, Abschied, Hoffnung, Liebe, Zuversicht, Resignation, und vieles mehr geht. Man kann das auch als absolute Musik hören.

Wenn mich etwas stört, dann nicht das Sakrale. Wohl aber die bodenlos schlechte Qualität vieler Kantatentexte, literarisch absolut wertlos, floskelhafter, routinierter Kitsch. Es ist mir ein Rätsel warum er dieses Zeugs vertont hat. Ehrlich gestanden: ich wäre dafür, neue Texte zu den Kantaten zu schreiben. Hier ist es halt schade, dass Bach kein katholischer Kirchenmusiker war. Zum Glück ist ja wenigstens die h-moll Messe katholisch, also lateinisch.

Aber selbst wenn man wie Martin lieber einen nicht-sakralen Bach hört: haben wir da denn wirklich zu klagen? WTK 1 & 2, Goldbergvariationen, die herrlichen Partiten, die englischen und französischen Suiten, die Sonaten und Partiten für Sologeige, und - zugegeben harte Kost - die Kunst der Fuge und das musikalische Opfer. Zugegeben, da ist wenig reine Orchestermusik dabei, keine Konzerte, aber trotzdem bin ich nie auf den Gedanken gekommen, dass es zu Bedauern ist, dass Bach so viel Kirchenmusik und Musik für Tasteninstrumente geschrieben hat und so wenig Concerti.

Und einen Mangel an Gefühl kann ich bei Bach nicht entdecken. Natürlich ist er kein (Spät)romantiker, aber das emotionale Spektrum seiner Musik scheint mir bei weitem nicht so kärglich zu sein, wie Martin es einschätzt. Und wenn in dieser Musik - trotz ihres zeitgebundenen und oft sakralen Charakters - nicht 'allgemein Menschliches" zu entdecken wäre, dann hätte diese Musik wohl kaum überlebt.

Freundliche Grüsse
Joachim


[Beitrag von Joachim49 am 13. Apr 2010, 19:39 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#5 erstellt: 13. Apr 2010, 20:39
Ich hatte nun vor zwei Wochen mal wieder ein Gespräch mit meinem Freund Klaus. Er schätzt Bach ja sehr und hat sogar zwei Gesamteinspielungen des gesamten Bachschen Oevres, Hänssler und Brilliant. Wir kamen auch über die H Moll Messe ins Gespräch, eines der größten Werke der klassischen Musik, wie er sagte.

Ich habe dann noch zweimal in die H Moll Messe hinein gehört, zumindestens in den zweite Teil. Inzwischen finde ich das Kyrie mittlerweile doch recht eindrucksvoll, aber dann im Verlaufe des Glorias sackte meine Konzentration doch völlig weg. Die Musik kann aber letzlich nicht so schlecht sein, wenn so musikalische Menschen sie so sehr loben.

Ich denke, ich werde in Punkto Bach in Zukunft kleinteiliger verfahren und mir immer mal wieder bruckstückhaft etwas aus diesen Werken anhören.

Es ist allerdings interessant, daß auch Joachim doch Schwierigkeiten mit dieser Musik hatte ( er sprach übers WTK ), die sich doch erst mit der Zeit lösten.

Ja, die Kantatentexte sind vielleicht wirklich nicht immer so doll, etwas schwülstig. Ich bin im übrigen nicht so antireligiös eingestellt, daß mir dies größere Schwierigkeiten bereitete. Und die Texte der Elgaroratorien sind - soweit ich das als Deutscher beurteilen kann, fast noch schlimmer. Aber nein, die Texte sind es nicht.

Und es ist ja nun nicht so, daß sich mir Bach überhaupt nicht erschließt, irgendwie ist es nur sehr zäh. Am Anfang mochte ich das WTK überhaupt nicht ( mit Jackote), dann höre ich Brilliant und das Verständnis wuchs, zum Schluß dann Gulda auf dem Klavier, eine Aufnahme, die Joachim ja auch indirekt lobt.

Wie auch immer, Bach empfinde ich persönlich als zäh. Der Vergleich zu anderen Komponisten ist offensichtlich, Mozart etwa. Bei Mozart etwa kann ich fast alles hören. Bei manchen Sachen denke ich: Na ja, ganz so doll ist es nicht, aber es läßt sich doch ganz nett hören. Bach dagegen begeistert mich gelegentlich, aber dann quäle ich mich doch nur damit herum. Gut, Händel empfinde ich gelegentlich auch als sehr langweilig.

Gut, man sollte vielleicht kein Drama daraus machen. Wir haben alle unsere Vorlieben, bei manchen empfinde ich sie als eine absurde Einschränkung, aber so ist es bei mir ja nicht. Ist nur so, daß es mich gelegentlich wurmt, daß anderen Bach offensichtlich zufliegt, meinem Freund Klaus etwa, während ich damit offensichtlich meine Schwierigkeiten habe. Aber das wird vermutlich an mir liegen.

Gruß Martin
AladdinWunderlampe
Stammgast
#6 erstellt: 14. Apr 2010, 01:42
Hallo,

die Musik Johann Sebastian Bachs begleitet mich seit meiner Kindheit und meine Liebe zu diesem ungeheuer reichen und bewundernswert vielschichtigen Werk ist seitdem ungebrochen. Der Tag, an dem ich als Jugendlicher zum ersten Mal in Essen die Matthäus-Passion in einem Konzert mit der Gächinger Kantorei gehört habe, war für mich ein überwältigendes Erlebnis, das mir Tränen in die Augen getrieben hat und das sich mir unauslöschlich eingeprägt hat. Und die Intensität derartiger Erlebnisse hat seitdem nicht abgerissen.

Dass Bach, wie Martin schreibt, ein "genialer Komponist und großer Könner" war, scheint mir weitgehend unbestritten. Was mich aber verwundert, ist wieso die ungeheuere kontrapunktische Kunstfertigkeit dieser Musik bloß als "schulmeisterlich" oder bestenfalls als "objektiv" wahrgenommen wird und nicht als dasjenige, als das ich sie empfinde: als kompositorisches Mittel, vielfältige, vielschichtige und teils widersprüchliche Affekte zu artikulieren. Das Wunder in Bachs Musik ist für mich gerade, dass hier ständig jede Stimme etwas zu sagen hat, dass nichts nur routiniert mitläuft, sondern alles dazu beiträgt, die Aussage des jeweiligen Werks, seinen Affekt, seine Rhetorik zu steigern. (Wer mal Kammermusik von Bach musiziert hat, der weiß, dass hier selbst die vermeintlich begleitenden Stimmen so sorgfältig ausformuliert sind, dass man als Musiker ständig hochkonzentriert bei der Sache bleiben muss. Es gibt in dieser Musik nichts Beiläufiges; darum ist sie so beredt.)

Man höre nur den gewaltigen Eröffnungssatz der Johannes-Passion: wie da - lange bevor der Chor mit seinen verzweifelten Anrufungen beginnt - über dem ebenso monoton wie bedrohlich pochenden Bass die Streicher eine unruhig kreisende Sechzehntelbewegung ausführen, zu der die beiden Oboen in langen Notenwerten zwei schmerzlich gewundene, klagende Melodielinien intonieren, wie das ganze Gefüge sich immer höher und höher schraubt, um endlich in den Aufschrei des Chores zu münden... Was sollte ausdrucksgesättigter und sprechender sein als diese Musik?

Oder - ganz anders - das Brandenburgische Konzert Nr. 5 D-dur, das beginnt wie ein freundlich beschwingtes Concerto grosso mit konzertierender Flöte und Violine und Cembalo. Irgendwann in der Mitte des für barocke Verhältnisse ungewöhnlich weiträumigen Satzes beginnt die Musik in merkwürdig entspannten Sequenzen um sich selbst zu kreisen, scheint sich schließlich in einem Trillerfeld zu verlieren - die Instrumente werden ganz schwere- und körperlos (ich weiß noch, welche Schauder diese Stelle bei mir ausgelöst hat, als ich das Stück zum ersten Mal im schulischen Musikunterricht hörte)... und nur die resolute Wiederkehr des Hauptthemas rettet die Musik aus ihrem Trance-Zustand. Aber dann passiert noch mehr Seltsames: Flöte und Violine und auch die begleitenden Streicher verabschieden sich nach einer Generalpause, und das Cembalo beginnt allein vor sich hin zu phantasieren, scheint Raum und Zeit zu vergessen, dehnt sich in einem Solo über jede Proportion aus, gerät unter atemberaubenden Figurationen und Kaskaden zunehmend in Raserei - und wird erst ganz zuletzt vom Einsatz des ganzen Ensembles mit dem wiederkehrenden Hauptthema zur Ordnung gerufen... eine Formdramaturgie der auskomponierten Subjektivität, Phantasie, der selbstbewussten und zugleich selbstvergessenen Souveränität - was soll daran "schulmeisterlich" oder gar "kalt" sein?

Dass Martin ausgerechnet bei Bach "die Gestaltung menschlicher Leidenschaften" fehlt, wundert mich sehr. Denn wo begegnen einem menschliche Leidenschaften, Angst, Verzweiflung, Trauer, Wut anschaulicher als in den Passionen, die von Verrätern, Zweiflern, Trauernden, von Spöttern, Selbstgerechten, Grausamen, Leidenden und Reumütigen berichten? Welche Musik sollte freudvoll-exaltierter sein als der - zugegebenermaßen nicht nur auf Weihnachtsmärkten arg missbrauchte - Eingangschor des Weihnachts-Oratoriums und welche zärtlicher als das "Schlaf mein Liebster, genieße der Ruh" aus dessen zweiter Kantate? (Welch ein harmonischer Reichtum allein schon im terzenseelig-warmen Vorspiel zu dieser Arie, das ein Glück malt, dem es - wie die überraschenden Ausweichungen kurz vor dem Einsatz der Singstimme kenntlich machen - nicht ganz traut; vielleicht, weil der Komponist weiß, das auf die vermeintliche Idylle des Weihnachtsgeschehens nur allzu bald der Kindermord von Bethlehem folgt?)

Und dazu, dass man Fugen "nicht sonderlich" mag, gibt es sicherlich bei Bach weniger Anlass als bei den meisten anderen Komponisten - denn beinahe jedes dieser kontrapunktischen Meisterstücke ist zugleich mehr und anderes als eine "schulmeisterliche" Pflichtübung im Tonsatz: nämlich ein individuell gestaltetes Kunstwerk von höchster Ausdruckskraft. Man höre nur Praeludium und Fuge dis-Moll aus dem 1. Teil des Wohltemperierten Claviers, mit seinen vielfältigen Umkehrungen, Augmentationen, Engführungen, Themenvarianten zweifellos eines der kontrapunktisch raffiniertesten Stücke der Sammlung - und zugleich von einer berührenden Melancholie und Versunkenheit, die all diese Künste vergessen macht, obwohl sie sich ihnen zu einem nicht geringen Anteil verdankt. Und erst recht die großangelegten späten Orgelfugen: etwa diejenige aus dem Praeludium und Fuge C-dur BWV 547, die aus einem unscheinbaren Thema hervorwächst, das zunächst lange Zeit in vierstimmigem Satz in allerlei Umkehrungen und Engführungen verarbeitet wird, bevor die Harmonik sich zunehmend dissonant verdunkelt, bis auf einmal überraschend das Orgelpedal als fünfte Stimme einsetzt und das Thema in vergrößerten Notenwerten vorträgt, wobei die Harmonien sich wiederum immer mehr in Dissonanzen stauen, bis die Musik in drei durch Generalpausen getrennten Akkorden rhetorisch höchst wirkungsvoll steckenbleibt, um sich dann über einem überwältigenden Orgelpunkt in strahlendem C-Dur auszubreiten. Oder die Fuge aus Praeludium und Fuge e-Moll BWV 548, deren Thema schon außergewöhnlich ist mit seinen keilartig auseinandertreibenden Intervallsprüngen; wie diese überaus virtuose Fuge sich in ihrem Mittelteil zunehmend in ausuferndes Laufwerk auflöst um danach in eine tongetreue Reprise zu münden, ist formal beispiellos und musikalisch von mitreißender Wirkung. Oder die fünfstimmige Fuge aus dem Praeludium und Fuge Es-Dur BWV 552, die drei höchst unterschiedliche Themen verarbeitet, von denen jeweils zwei miteinander kombiniert werden, und die dabei eine ungeheuere musikalische Entwicklung durchmacht: der erste Teil feierlich-würdevoll, im stile antico, der zweite in geschäftiger, leichtfüßiger Bewegung, und der dritte Teil als ausgelassen tänzerische Gigue von soghafter Wirkung, zu der auf dem grandiosen Höhepunkt das feierliche Thema der ersten Fuge hinzutritt.

Kein Stück gleicht hier dem anderen, keines erfüllt einfach nur irgendein totes Schema - alles ist vielmehr durchdrungen von Phantasie und lebendigem, sprechendem Ausdruck.

Noch vieles wäre über die Musik Bachs zu sagen: über die ausdruckstarken harmonischen Exzesse der Chromatischen Fantasie und Fuge d-Moll für Cembalo oder der Fantasie und Fuge g-Moll für Orgel, über die verinnerlichten Solowerke für Violine und Violoncello, über die grandiose Flötensonate h-Moll, über die Motetten, die Cembalo-Konzerte, die Kantaten, die verdichten Kleinode der Choralvorspiele, die Verrücktheiten des Musikalischen Opfers, den Kosmos der Goldberg-Variationen - aber die Fülle dieses Lebenswerkes ist so überwältigend, dass man hier leicht ins Uferlose gerät. Ich habe mich daher auf ein paar Anmerkungen zu den Bereichen beschränkt, die Martin besonders fern zu liegen scheinen. Und ich bin überzeugt, dass jeder, der sich auf diese Musik einlässt, überreich belohnt wird.

Ein Tipp zum Schluss: Werke wie das Wohltemperierte Clavier sind Sammlungen und keine Zyklen, die man von vorn bis hinten am Stück hören sollte. Weniger ist hier oftmals mehr: Es ist hilfreicher, nach und nach die einzelnen Stücke konzentriert zu hören und zu erschließen, als die Wunder dieser Musik in stundenlangen Sitzungen an sich vorbeirauschen zu lassen. (Das gilt natürlich nicht für die großen Passionen, bei denen es selbstverständlich auch um den Nachvollzug des dramatischen Spannungsbogens geht und die man deshalb immer wieder auch zusammehängend hörend sollte.)


Herzliche Grüße
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 14. Apr 2010, 10:11 bearbeitet]
Kreisler_jun.
Inventar
#7 erstellt: 14. Apr 2010, 10:34
Etliche Werke Bachs waren mir sehr bald nach Beginn meines Klassikhörens vertraut und durchaus auch "Lieblingswerke": einige Orgelwerke, Kantaten, Matthäuspassion, h-moll-Messe und besonders die Brandenburgischen Konzerte. Die Kunst der Fuge habe ich mir auch mit 17 oder 18 zugelegt, konnte damit aber recht wenig anfangen, das war doch etwas zu trocken und wenig abwechslungsreich.
Die Klaviermusik fand ich lange Zeit, selbst als relativ erfahrener Klassikhörer tendenziell langweilig. Das hat sich graduell geändert, besonders als ich dann (bitte nicht lachen) Bearbeitungen einiger Tanzsätze aus den franz. Suiten auf der Klarinette (Duett, sie sind nur zweistimmig gesetzt) musiziert habe.

Seitdem schätze ich die Klaviermusik größtenteils sehr, besonders das WTK, die Goldbergvar., die Partiten und die franz. Suiten. Ich rate ebenfalls davon ab, das WTK komplett durchzuhören. Hier habe ich mal den Vorteil von LPs erfahren. Eine LP-Seite ist eine gute Dosis, wenn man dann gerade drin ist, kann man auch noch die Rückseite anhören. Dagegen ist eine CD von 70+ Minuten oft zuviel des Guten und die Musik war auch niemals für solches Hintereinanderweghören gedacht.

Als besonders eingängig empfinde ich auch die Sonaten f. Violine u. Cembalo (u. die drei f. Gambe/Cembalo). Die sollten einem Liebhaber der Violinkonzerte eigentlich gefallen.
Bei der Klaviermusik die franz Suiten, besonders vielleicht 5 und 6 und von den Partiten 1 B-Dur , 2 c-moll und 4 D-Dur, aber die sind alle großartig.

Orgelmusik steht mir, warum auch immer relativ fern. Der massive Klang überwältig mich etwas. Meine bisherigen Favoriten dort sind daher die lockeren und transparenten Triosonaten, die ich ketzerischerweise obendrein in einer Version für Pedal-Cembalo (Power-Biggs/Sony) besonders liebe.

Zur Vokalmusik wurde ja schon einiges gesagt. Es gibt auch schon einen thread zu Bach-Kantaten, wo besonders beliebte und zugängliche Werke genannt werden.

Zum emotionalen Ausdruck: Das ist wohl eine recht persönliche Sache. M.E. muss man sich eben ein wenig auf die Klangsprache einer Epoche und eines Komponisten einlassen. Sicher gibt es, z.B. in der Klaviermusik, ziemlich viele Stücke, die von uns als eher "neutral" im Affekt (oder als weitgehend heiter) empfunden werden. Aber auch außerordentlich expressive Stücke wie z.B. Präldudien+Fuge cis-moll und h-moll im WTK I oder die 25. GBV. Oder die "entrückt-transzendent" wirkenden stile antico Fugen Es-Dur und besonders E-Dur im WTK II. Oder viele langsame Sätze in der Kammermusik und den Konzerten.

JK jr.
Martin2
Inventar
#8 erstellt: 14. Apr 2010, 21:20
Danke für die teilweise wunderbaren Beiträge in diesem Thread. Mich hat es wieder einmal dazu angeregt, in das WTK hereinzuhören, die ersten 6 Präludien und Fugen, eine wunderbare Musik. Allerdings stellt sich mir schon die Frage, ob ich das gesamte WTK mal so schätzen werde, wie diese ersten 12 Stücke.

Ich habe dann auch später noch mal die Präludien und Fugen 7 - 12 gehört, die mir teilweise ruhiger und versonnener erschienen und teilweise erschreckend kurz.

Ich hatte dann noch mal ein Gespräch mit Klaus, der eben auch meinte, daß man nicht mehr als 4 Präludien und Fugen auf einmal hören sollte. Erstaunlicherweise kennt aber auch er als große Bachanhänger das WTK 2 nicht sehr gut, mit dem ich auch größere Probleme hatte.

Wieder einmal lobte er sehr die H Moll Messe. Ich werde mich dann doch noch mal mehr von ihm anregen lassen, mehr von Bach zu hören. Demnächst werden wir uns mal wieder treffen und uns kräftig über Bach austauschen.

Gruß Martin
Joachim49
Inventar
#9 erstellt: 15. Apr 2010, 11:32
Kleiner Hilferuf: ich kenne (im Sinn von 'habe gehört') sehr viel von Bach, aber sein Orgelwerk so gut wie gar nicht (es sei denn in Stokowski-Transkriptionen). Allerdings habe ich im Moment weder Zeit noch Lust mich durch das ganze oeuvre für Orgel 'hindurchzuhören' (ich habe die Fagius Aufnahmen, die im Rahmen der Brilliant Bach Edition erschienen.)
Welche Stücke sollte man kennen?
Danke für (kurze) Hinweise (eventuell nur BWV Nummern, - aber es darf natürlich mehr sein). Die Hinweise oben auf die Triosonaten (Kreisler) und die Choralvorspiele (Aladdin) habe ich schon zur Kenntnis genommen.
Freundliche grüsse
Joachim
AladdinWunderlampe
Stammgast
#10 erstellt: 15. Apr 2010, 11:52
Lieber Joachim,

hier ein paar bunt gemischte (also nicht ein Rangfolge implizierende) Empfehlungen, zunächst zu den wichtigsten freien, also choralungebundenen Orgelwerken (die für die meisten einfacher zugänglich sein dürften, da man nicht die Choralmelodie kennen und den dazugehörigen Text im Hinterkopf haben muss):

Toccata und Fuge F-Dur, BWV 540 (in der riesigen Toccata unglaubliche Entfaltung einer an sich nichtssagenden Sechzehntel-Spielfigur,energisch kadenzierende Harmonik (Akkordschläge, Sekundakkord über ces!), gefolgt von einer ruhig fließenden Doppelfuge)

Toccata und Fuge d-Moll BWV 538 (die sogenannte "Dorische", also nicht die in ihrer Echtheit umstrittene BWV 565; formal ausgereifter Concerto-Satz in der Toccata, gefolgt von einer dichten, harmonisch herben Fuge)

Toccata und Fuge C-Dur BWV 564 (witziges, virtuoses, verspieltes Stück mit einem ungewöhnlich expressiven langsamen Einschub und einer tänzerischen Schlussfuge)

Neben den von mir bereits genannten Praeludien und Fugen in C-Dur (BWV 547), e-Moll (BWV 548) und Es-Dur (BWV 552) unbedingt noch das hoch-affektuose, passionsmusikartige Praeludium und Fuge h-moll (BWV 544), die großangelegte Passacaglia und Fuge c-Moll, BWV 582) die in ihrer Versessenheit auf das achttaktige Bassthema eine regelrechte Sogwirkung entfalten kann sowie die Fantasie und Fuge g-Moll (BWV 542, harmonisch kühne, hochexpressive Fantasie, virtuose Fuge über einprägsames, tänzerisches Thema, das auf ein niederländisches Volkslied anspielt)
(Es gibt noch viel mehr Tolles, aber zum ersten Einstieg reicht das vielleicht schon...)

Und die sechs kammermusikalisch transparenten und formal sehr unterschiedlichen Triosonaten BWV 525-530(bei denen Kreisler jr. mit dem Pedal-Cembalo gar nicht so falsch liegt, denn für dieses häusliche Übeinstrument waren sie wohl ursprünglich bestimmt), die einen ganz anderen Bach zeigen, darf man ruhig alle kennen.


Da ich gerade nicht viel Zeit habe, liefere ich meine Tipps zu den Choralvorspielen noch nach.


Bis dahin herzliche Grüße
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 15. Apr 2010, 11:57 bearbeitet]
Joachim49
Inventar
#11 erstellt: 15. Apr 2010, 16:38
Lieber Aladdin,
vielen Dank für die Empfehlungen. Deine Beschreibung der Werke macht mir schon richtig Appetit und ich werde wohl noch heute Abend und die folgenden Tage die zugehörigen Hörerfahrungen machen.
Herzliche Grüsse
Joachim
Martin2
Inventar
#12 erstellt: 17. Apr 2010, 16:00
Hallo Aladdin,

auch von mir vielen Dank für die Empfehlungen bezüglich der Bachschen Orgelmusik. Nun habe ich allerdings sicher schon seit längerem die Orgelbox mit dem Stockmeyer. Da habe ich auch einiges gehört, allerdings konnte mich die Box nicht auf die Dauer fesseln. Nur soll diese absolute Billigbox mit Analogaufnahmen im Digitalzeitalter auch wirklich nicht so gut sein.

Insgesamt muß ich eben sagen, daß die Erkundung Bachs an vielen Fronten bei mir ins Stocken geraten ist. Während ich die Instrumentalmusik gut kenne, kam ich mit den Kantaten nach einer Zeit nicht wirklich weiter. Einige fand ich sehr gut, anderes weniger. Im übrigen bewundere ich Dein Gedächtnis, wobei mein musikalisches Gedächtnis vielleicht auch nicht so schlecht ist, aber mit der Zuordnung von Stücken tue ich mich immer schwerer, nicht einmal bei den Mozartschen Klavierkonzerten, die ich an sich gut kenne, weiß ich immer die KV Nummer zu sagen.

Gruß Martin
flutedevoix
Stammgast
#13 erstellt: 17. Jun 2010, 22:49
Nun auch noch von mir ein Aspekt zur Bach-Diskussion

Ich glaube, daß gerade auch bei Bach die Qualität der Interpretation einen entscheidenden Einfluß hat.

Ich bin gestern zufällig auf diesen Thread gestoßen und habe mir verschiedene Bach-Kantaten in unterschiedlichen Aufnahmen angehört.
Ausgesucht habe ich mir die Kantaten BWV 106 (Actus tragicus) BWV 140 (Wachet auf), BWV 131 (Aus der Tiefe), BWV 56 (Ich will den Kreuzstab). Zur Auswahl stand immer die Interpretation von Rilling (aus der Hänssler-Box) und Aufnahmen von Gardiner, Herreweghe, Koopman, Harnoncourt, Rotzsch, Richter und Suzuki.

Grundsätzlich muß ich konstatieren, daß mich die Rilling-Einspielungen emotional relativ kalt gelaasen haben, hier tendierte ich immer zum Hintergrund hören, während andere Aufnahmen mich sofort fesselten und im Falle von BWV 131 zu einem extrem tiefen emotionalem Erlebnis führten.

Weshalb berichte ich hier von meinem "Hörversuch"? Vielleicht entscheidet doch auch die Qualität der Interpretation in wesentlich größerem Maß als wir im Allgemeinen annehmen, ob Musik uns emotional berührt. Interessant ist, daß dies barocken Komponisten durchaus bewußt war, indem sie immer wieder betonten, daß der "gute Geschmack" des Ausführenden entscheidenden Anteil an der Wirkung der Musik hat.
Martin2
Inventar
#14 erstellt: 20. Jun 2010, 07:37
Hallo Flutedevoix,

vom Rotzsch habe ich einige CDs, wie gefiel Dir denn der? Ansonsten habe ich nur den Leusink.

Insgesamt muß ich in Bezug auf Bach sagen, daß ich immer noch etwas am Anfang stehe. Aber Bach dauert vielleicht auch seine Zeit. Das Wohltemperierte Klavier mochte ich etwa am Anfang ( mit Ausnahme des berühmten 1. Preludiums) überhaupt nicht, aber ich höre es mittlerweile sehr gerne, zumindestens den ersten Band, gerade gestern wieder. Ich denke aber letzlich, daß das keine Musik ist, die sich jedem so schnell erschließt.

Übrigens staune ich immer wieder, wie unterschiedlich doch eigentlich diese beiden Komponisten sind, die immer wieder zusammen genannt werden - Bach und Händel. Beides Deutsche, sogar ziemlich nahe voneinander geboren, beide gleich alt, und doch irgendwie Antipoden. Und ich glaube sogar, daß es bis heute irgendwie einen Kampf von Händelianern und Bachianern gibt.

In diesem Kampf stehe ich vermutlich auf seiten der Händelianer. Händel finde ich einfach großartig ( manchmal aber auch etwas langweilig) und er hat Qualitäten, die ich bei Bach vermisse. Aber die beiden müssen sich ja nicht ausschließen, es ist ja gut, daß wir beide haben.

Wiegesagt, das wohltemperierte Klavier gefällt mir inzwischen ganz gut. Es hat den Brandenburgischen inzwischen den Rang abgelaufen. Ich finde es teilweise sehr introvertiert und manchmal sind es auch nur Miniaturen. Ich habe da das Gefühl, daß Bach da wirklich zu sich selber kommt.

Deshalb habe ich auch das Gefühl, daß die Klavier ( bzw. Cembalo) Musik für mich noch sehr wichtig werden könnte. Ich habe ja auch eine CD mit dem Schiff und auch wenn ich da teilweise negative Kritiken gelesen habe, will ich mir vielleicht doch die Schiffbox holen.

Ich denke, es ist immer wichtig, das wirkliche Zentrum eines Künstlers zu finden. Ein ähnliches Erlebnis hatte ich auch mit dem Schumann. Auch da war es die Klaviermusik, wo ich das Gefühl hatte, den Künstler wirklich mal intim und authentisch zu erleben. Und das hat auch zurückgestrahlt auf die Sinfonien.

Gut, ein solches Gefühl eines "Zentrums" habe ich bei anderen Komponisten wie etwas Mozart und Beethoven weniger, aber bei Bach doch ziemlich stark.

Gruß Martin
flutedevoix
Stammgast
#15 erstellt: 20. Jun 2010, 08:58
Hallo Martin2

die Entwicklung der Lebenswege von Komponisten, die aus dem gleichen geographischen Raum stammen ist schon interessant.
Die Ursache für die Entwicklung zweier so unterschiedlicher persönlicher Kompositionsstile wie die von Bach und Händel liegt eindeutig in der Sozialisation der beiden.

Die Vorraussetzungen sind gleich, beide haben sich intensivst mit der Musik und Kompositionspraxis ihrer Zeit auseinandergesetzt und pflegen den sogenannten "Vermischten Stil", der besonders in Deutschland populär war: wichtige Stilelemente der französischen und der italienischen Barockmusik, die in ihrer Haltung konträr sind, verschmelzen hier zu einer neuen Klangsprache.
Händel verläßt schon relativ früh den mitteldeutschen Raum und geht ans erste deutsche Opernhaus am Hamburger Gänsemarkt, von da führt sein Weg nach Rom und dann ist er maßgeblich an zwei Opernunternehmen in London beteiligt bevor er sich mit Oratorien zu Ruhe setzt (eine sehr kurze Biographie )
Bach dagegen verläßt den mitteldeutschen Raum nie, ist den größten Teil seines Lebens in kirchlichen Diensten und selbst zu seinen "weltlichen" Zeiten kam er mit der Oper nie so richtig in Kontakt.
Zusammenfassend könnte man sagen, daß Händel sehr früh seinen kompositorischen Mittelpunkt in der Oper (die frühen ital. Oratorien sind auch dazuzuzählen) europäischer Großstädte findet mit ihrer extrovaganten, der Virtuosität und der großen Geste verpflichteten Musik. Bach dagegen findet seinen kompoistorischen Mittelpunkt in der Schaffung im weitesten Sinne gesitlicher Musik (Kantaten, Passionen, Orgelwerke) bzw. der Claviermusik in ihrer kontemplativen, ganz der protest. Theologie verhafteten Haltung. Nicht umsonst signiert er seine Werke mit "Soli Deo Gloria"

Wenn auch dieser Erklärungsversuch sehr kurz und allgemein ist, glaube ich schon, daß er den Kern trifft.

Ich persönlich bin au großer Händelianer, und großer Bachianer! Die Musik der beiden zu vergleichen ist nun wirklich Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Ich liebe sehr den in erster Linie dramatischen Gestus der Händelschen Musik. Genauso tief berührt hat mich immer auch die Bachsche Ausdruckstiefe, der Gedankenreichtum seiner Musik. Vielleicht liegt mir Händel einfach aufgrund meiner Lebenseinstellung näher.

Nicht so ganz warm werde ich mit der Vorstellung eines Zentrum eines Komponisten. Das erscheint mir doch zu sehr aus dem 19. Jahrhundert gedacht. Das späte 18. und besonders das 19. Jahrhundert hat mit seiner Genie-Vorstellung ja immer nach der Quelle, der Inspiration eines großen Schaffens geuscht. Der Komponist des Barock hat sich dagegen als Handwerker verstanden, der ein Kunsthandwerk ausübt.

Natürlich gibt es Musikgattungen, die bestimmten Komponisten mehr liegen. Bei Bach sicher Klaviermusik, ich glaube aber, daß sein Hauptanliegen, sein Selbstverstädnis als Musiker, also so eine Art von Zentrum wenn man will, eher in der geistlichen Musik liegt, Stichwort "Soli Deo Gloria"

Viele Grüße
flutedevoix
Martin2
Inventar
#16 erstellt: 20. Jun 2010, 09:27

flutedevoix schrieb:

Nicht so ganz warm werde ich mit der Vorstellung eines Zentrum eines Komponisten. Das erscheint mir doch zu sehr aus dem 19. Jahrhundert gedacht. Das späte 18. und besonders das 19. Jahrhundert hat mit seiner Genie-Vorstellung ja immer nach der Quelle, der Inspiration eines großen Schaffens geuscht. Der Komponist des Barock hat sich dagegen als Handwerker verstanden, der ein Kunsthandwerk ausübt.

Natürlich gibt es Musikgattungen, die bestimmten Komponisten mehr liegen. Bei Bach sicher Klaviermusik, ich glaube aber, daß sein Hauptanliegen, sein Selbstverstädnis als Musiker, also so eine Art von Zentrum wenn man will, eher in der geistlichen Musik liegt, Stichwort "Soli Deo Gloria"



Der Satz, das der Komponist des Barock sich als "Handwerker" verstand, der ein "Kunsthandwerk" ausübt, will mir doch nicht so recht einleuchten. Allerdings kenne ich von Bach den Satz, ungefähr so: "Ich bin in meinem Leben immer sehr fleißig gewesen und wer ebenso fleißig ist, wird es ebenso weit bringen." Das tendiert zugegebener Maßen in diese Richtung.

Aber waren dies nicht auch "Lippenbekenntnisse"? Zu Zeiten von Bach und Händel war die klerikale Gesellschaft noch totalitär ( erst im Frankreich der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, beginnend wohl seit Diderot begann hier eine Veränderung einzutreten ). Ob Bach sich für ein Genie hielt oder nicht, ist dabei gar nicht entscheidend, entscheidend ist, daß ein Geniekult Anfang des 18. Jahrhunderts wohl noch als ein deutliches Zeichen menschlicher "Hoffart", ja sogar als menschliche gegen Gott gerichtete Hybris hätte mißverstanden werden können, schon nicht ganz ungefährlich in solchen Zeiten. Insofern traue ich solchen "Soli deo gloria" dann letzlich doch nicht so ganz.

Denn wiegesagt, Diderot wird meistens als "erster Atheist" angesehen, er lebte damit aber nicht ganz ungefährlich und es ist ja schon erstaunlich, daß ganze 1000 Jahre oder so davor, noch nie jemand an der Existenz Gottes gezweifelt hätte. Und Moliere lebte äußerst gefährlich mit seinem Tartuffe, obwohl das nicht einmal atheistisch, sondern durchaus christlich war und nur die religiöse Heuchelei zum Thema machte.

Auch wenn es also manchen Christen nicht gefallen mag, war dieses Christentum zu Zeiten Bachs und Händels jedenfalls noch totalitär, Bach hätte sich beim besten Willen nicht zum Atheismus bekennen können, sowenig wie Schostakowitsch zur amerikanischen Unabhängigkeitserklärung.

Deshalb wiegt die allgemeine religiöse Inbrunst des barocken Menschen allerdings sehr wenig. Kann sein, daß Bach und Händel religiös waren, kann genausogut nicht sein. Selbst bei späteren Komponisten weiß man das nicht, Mozarts Freimaurertum gibt zu denken, trotz seiner Messen und vieles mehr. Fichte wurde wegen angeblichen Atheismus noch Anfang des 19. Jahrhunderts aus der Universität geworfen.

Man kann also zu diesen Dingen durchaus eine Meinung haben. Und es ist da durchaus kein "methodischer Zweifel", sondern durchaus legitim, die Religiösität barocker Musiker auch in Frage zu stellen. Und genauso ihr bescheidenes gottgefälliges Handwerkertum.

Gruß Martin


[Beitrag von Martin2 am 20. Jun 2010, 09:52 bearbeitet]
flutedevoix
Stammgast
#17 erstellt: 20. Jun 2010, 09:49

Der Satz, das der Komponist des Barock sich als "Handwerker" verstand, der ein "Kunsthandwerk" ausübt, will mir doch nicht so recht einleuchten. Allerdings kenne ich von Bach den Satz, ungefähr so: "Ich bin in meinem Leben immer sehr fleißig gewesen und wer ebenso fleißig ist, wird es ebenso weit bringen." Das tendiert zugegebener Maßen in diese Richtung.


Das waren sicher keine Lippenbekenntnisse. Das Verständnis des Komponisten, sogar des Küntler im Allgemeinen, als (Kunst-)Handwerker war über einen langen Zeitraum verankert und stammt aus dem Mittelalter. Passend dazu ist, daß ein Komponist im Barock in die Lehre gehen mußte, daß viele Komponisten eine Musiklehre als Lehrbuch für Schüler verfassten. Es gab keine Komponisten, die aus dem nichts kamen und einfach da waren. Die gibt es ja auch in der Romantik nicht, es ist einfach nur eine andere Auffassung des eigenen Tuns Der Komponist unterscheidet sich in dieser Hinsicht in nichts von einem sagen wir mal Goldschmied. Bei Gelegenheit kann ich gerne den Aspekt mal etwas ausführlicher erläutern.

Auch wenn die Kirche natürlich im 18. Jh noch einen großen Einfluß ausübte, lebten wir nun doch nicht mehr zur Zeit des Höhepunktes der Inquisition. Ich will damit sagen, daß niemand Bach gezwungen hat, seine Werke mit "Soli Deo Gloria" zu signieren, er fühlte sich sicher auch nicht dazugezwungen. Niemand seiner Leipziger Kollegen hat so signiert und es ist ja bekant, daß Bach ein mitteldeutscher Sturkopf war, der sich gerne mit seinen Vorgesetzten anlegte. Wenn seine Kirchenmusik nicht Ausdruck eines tiefen Glaubens wäre, hätte er sich sicher nicht solche Mühe gegeben, theologische Querverweise in seine Kompositionen einzuweben (z.B. Zahlensymbolik, Anordnung bestimmter Oratorien- und Kantatensätze, Verwendung eigener und fremder Kompositionen, etc.)
Daß es anders geht, beweisen ja nun viele Kompositionen anderer Komponisten dieser Zeit.

Viele Grüße
flutedevoix


[Beitrag von flutedevoix am 20. Jun 2010, 09:50 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#18 erstellt: 20. Jun 2010, 11:09
Hallo Flutedevoix,

danke für Deine Argumente. Allerdings, daß das Christentum zu Zeiten von Bach und Händel bloßen "Einfluß" besaß, halte ich für eine gelinde Untertreibung. Auch hatte die Hexenverfolgung ihren Höhepunkt im 17. Jahrhundert. Als die letzten "Hexen" in Deutschland verbrannt wurden, war Bach bereits tot ( wobei die Hexenprozesse in evangelischen Gebieten noch eher mehr wüteten) . Und das nennst Du "christlichen Einfluß"? Gut, Anfang des 18. Jahrhunderts regte sich dagegen erster Widerstand.

Ansonsten wiegesagt danke für Deine interessanten Argumente, die das Christentum Bachs Deiner Meinung nach belegen. Christen sind Deiner Meinung nach die "besonders eifrigen" Christen, also war Bach deshalb Christ und Händel vielleicht dann doch eher nicht? Christliche Werke haben nämlich alle geschrieben: Bach, Händel, Haynd, Mozart, Beethoven, Schubert usw. Wer kann es denn da mit dem religiösen Eifer Bachs aufnehmen?

Du schreibst: Niemand hat Bach gezwungen, seine Werke "Soli Deo Glorium" zu unterschreiben. Das mag ja sein, aber die Kirche war Bachs Arbeitgeber, das Christentum die verbindliche Religion seiner Zeit - man kann beim besten Willen nicht die Psychologie eines modernen Menschen auf die eines in solchen Strukturen verhafteten barocken Menschen aufpropfen. Religion kann da auch etwas sehr ritualisiertes sein. Bei einem modernen Menschen, mag ein religiöses "Bekenntnis" tatsächlich auch ein "Bekenntnis" sein, aber ob bei Bach dieses "Soli Deo Glorium" tatsächlich einen Bekenntnischarakter hatte, halte ich für sehr zweifelhaft. Was die "theologischen Querverweise" angeht, dazu fehlt mir jetzt allerdings das Verständnis.

Du schreibst wieder über das Verständnis des barocken Komponisten als eines "Handwerkers". Nun gibt es zweifellos die Komposition auch als erlernbares Handwerk, wie es sie immer gab und immer geben wird. Nur waren die Komponisten jener Zeit wirklich so naiv, zu glauben, daß die wesentlichen Qualitäten einer Musik einfach nur "erlernt" werden könnten?

Und zudem: auf Schuhen, die nicht schön sind, kann man immer noch laufen. Schuhe haben den Sinn, daß man damit laufen kann, nett aussehen können sie auch noch. Daß Musik einen solch banalen "Zweck" nicht hat, ist eine Binsenweisheit, die auch den barocken Komponisten nicht entgangen sein dürfte. Die Herstellung eines Schuhs kann da pure Imitation erlernter Verhaltensweisen sein, das kann am Ende auch ein intelligenter Affe - aber Musik?

Gruß Martin
flutedevoix
Stammgast
#19 erstellt: 20. Jun 2010, 14:19
Hallo Martin2,

zunächst mal eine Klarstellung: ich habe nie von einem "christlichen Einfluß" sondern von einem Einfluß der Kirchen gesprochen. Das ist meiner Meinung nach eine andere Qualität. Der gesellschaftl. Einfluß der Instituion Kirche war beträchtlich aber im 18. Jahrhundert schon im Schwinden begriffen, auch zur Zeit Bachs. Beim politischen Einfluß sieht die Lage aber noch ganz anders aus.
Mir ist auch klar, daß die Inquisition bis ins 17. Jahrhundert ihren Höhepunkt hatte, aber nicht mehr zu Bachs Zeiten, auch wenn die letzten Hexen in Deutschland um 1780 meines Wissens verbrannt wurden. Interessant an der Inquisition ist ja, daß sie zumindest ebensosehr eine pol. Bewegung seitens der herrschenden Schicht war wie ein Werk religiöser Eifrer, Instrumentalisierung versus Fanatismus.

Für Bachs Werke und sein kompositorisches Schaffen scheint mir trotz allem Bachs tiefer Glaube von existentieller Bedeutung. Nocheinmal: mir ist kein anderer Komponist bekant, der seine Werke mit "Soli Deo Gloria" signierte, obwohl im mitteldeutschen protestantishem Raum eine kirchliche Anstellung die Regel war. In orthodoxen protestantischen Strömungen wie etwa dem Pietismus war die Kirchenmusik übrigens verboten (es gab z.B. keine Orgeln) oder doch zumindest eine Figuralmusik sehr verpöhnt. Außerdem war Bach nicht ohne Ecken und Kanten. Man warf ihm in verschiedenen Anstellungen einen zu sehr opernhaften Kompositionsstil vor, was ihn zu einem Wechsel der Stelle veranlaßte.

Interessant ist ja auch, daß Bach als eine Art Bewerbungschreiben für den Dresdner Hof um August den Starken gerade die Hauptform katholischer Kirchenmusik, die Messe wählte (h-moll-Messe). Bei der Komposition des Werkes war ihm durchaus bewußt, daß es keinen liturgischen Rahmen für eine rund zweistündige Meßvertonung gibt, er also das Werk vermutlich nie in seinem Leben hören und aufführen wird! Außerdem hätte er wohl mit Instrumentalmusik eher die geläufige Richtung am Dresdner Hof getroffen.

Die theologischen Querverweise finden sich in seinem Schaffen tatsächlich an jeder "Wegkreuzung" und zwar in einem wesentlich größerem Umfang als bei seinen Zeitgenossen. Ich glaube nicht, daß ich zu sehr das Denken unserer Zeit dem Barock aufzwinge. Ich bin auch der festen Überzeugung, wie Du ja auch schon andeutest, daß eine Glaube, und das ist in dieser Zeit kein christlicher sondern im Falle Bachs ein zu tiefst protestantischer Glaube in scharfer Abgrenzung zum katholischen Glaube, ein Stück Normalität war, jedenfalls gesellschaftlich wesentlich mehr verwurzelt als heute. Wenn dan ein Komponist heraussticht, in dem er seine Werke mit "Soli Deo Gloria" signiert darf man schon von einem Bekenntnischarakter unabhängig von einem wie auch immer gearteten Arbeitgeber sprechen.
Interessant auch, daß sein letztes vollendetes Werk der Choral "Vor deine Throntret ich hiermit" ist. Sicher auch Ausdruck seines tiefen Glaubens.


[Beitrag von flutedevoix am 20. Jun 2010, 14:20 bearbeitet]
flutedevoix
Stammgast
#20 erstellt: 20. Jun 2010, 15:14
Nun noch einige Erläuterungen zum Verständnis der Komponisten als Handwerker:

Vorausschicken möchte ich zunächst, daß es auch im Barock noch die Unterscheidung Interpret - Komponist nicht gab. Ein Organist oder Cembalist z.B. spielte eigene Werke oder Improvisationen, der Cantor leitete (in der Regel) die Aufführung seiner Kantaten, der Capellmeister seine Concerti oder Opern. Im Umkehrschluß heißt das auch, daß jeder Musiker auch Komponist war, weil er in seiner Ausbildung das Komponieren und das Improvisieren lernte.
Das in aller Kürze

Komponieren wird z.B. von Joh. G. Walther in seinem "Musicalischen Lexikon" von 1732 als
die Wissenschaft, Con- und Dissonanzen also zusammen zu setzen und miteinander zu vereinigen, daß sie eine Harmonie ergeben
bezeichnet.
Schon allein die Einordnung als Wissenschaft zeigt das Verständnis von der Musik als eine zu erlernende, zu studierende Kunst, zeigt, daß die Fähigkeit des Komponierens nicht als Gabe sondern als zu erlernende Fähigkeit angesehen wird.
Damit befindet sich Walther (Zeitgenosse von Bach) fest auf dem Boden der Tradition, die aus dem Mittelalter stammt und auf Augustinus zurückgeht. Nichtumsonst war die Musik als Teil der "septem artes liberales" Bestandteil jeglicher wissenschaftl. Ausbildung in Form eines Studiums. Dies septem artes liberales (die "7 freien Künste) mußten von jedem Studenten durchlaufen werden.

Wie sah nun die Ausbildung aus: Als Organist oder Bläser ging man bei einem Meister in die Lehre. Am deutlichsten wird die Musik als zu lernendes Handwerk bei den Stadtpfeifern, den Bläsern in den freien Reichstädten, die auch den Kirchendienst versahen. Diese Stadtpfeifer waren eine Zunft wie etwa die Metzger oder Schneider, also Handwerker! Im Gegensatz zu heute beschränkte sich die musikalische Ausbildung nicht darauf, spieltechnische und interpretatorische Aspekte zu erlernen sondern vermittelte auch in mindestens gleichberechtigem Maße die Fertigkeit, die Fähigkeit, das Können, die Kunst (alles gleichberechtigte Begriffe) Werke zu verfassen oder zu improvisieren, also aus dem Stehgreif zu erfinden. Ganz klar stand der Ausbildungsgedanke im Vordergrund. Es gibt meines Wissens in dieser auch noch gar kein Genie-Begriff.
Musik (im eben geschilderten ganzheitlichen Sinn) wurde als Unterrichtsfach verstanden!

Passend dazu vielleicht auch meine Erfahrung als Musiklehrer (Blockflöte und Fagott), der schon einige Schüler bis ins Hochschulstudium begleitet hat:
Musik ist zu 95% harte Arbeit in Form von Üben, Hören, Erfahren. Ein gewisses Talent gehört dazu, um zu einem ganz großen zu werden, das aber sind höchsten 2%. Ich kenne kein Genie, das einfach aufgrund seines Talentes in der Lage war eine Komposition zu verfassen oder ein Instrument zu spielen. Auch Mozart, der ja immer in vorderster Front genannt wird, durchlief eine harte Ausbildung bei seinem Vater, nur halt einfach in sehr frühen Jahren.
Komposition ist von jedem erlernbar, da sie anhand von Regeln arbeitet! Üer die Qualität entscheiden dann die 2% Talent und die restlichen 3% an Glück und Zufall. Unsere Gnade, die wir uns ja überwiegend mit Musik vergangener Epochen beschäftigen (eine Entwicklung des 20. Jahrhunderts), ist ja, daß das Unterdurchschnittliche und auch vieles Durchschnittliche aus Barock und Klassik es nicht in unsere Zeit geschafft hat.


[Beitrag von flutedevoix am 20. Jun 2010, 21:15 bearbeitet]
flutedevoix
Stammgast
#21 erstellt: 20. Jun 2010, 15:22
Gerade komm mir noch ein Gedanke zum Thema "Musik und Glaube":

Bach wurde in einem Bildungsideal erzogen, das von Augustinus über Luther die Musik als "laudatio dei" als "Lob Gottes" sieht. Musik ist in dieser Anschauung Dienst an Gott, Gottesdienst, eine musikalische Auslegung der Bibel und der Glaubensgrundsätze.
Martin2
Inventar
#22 erstellt: 20. Jun 2010, 15:32
Hallo Flutedevoix,

ich finde das, was Du beschrieben hast, alles höchst interessant, nur bin ich etwas zu müde, um darauf zu antworten, nur muß/will ich darauf überhaupt antworten?

Mich freut es einfach mal und Du bist ja noch relativ ( zumindesten im Vergleich zu mir, ich schreibe ja schon 6 Jahre hier und viel) neu hier, Dich mal so richtig aus der Reserve gelockt zu haben. Womit kann man Dich sonst noch aus der Reserve locken??

Herzlicher Gruß
Martin
flutedevoix
Stammgast
#23 erstellt: 20. Jun 2010, 15:39

Deshalb wiegt die allgemeine religiöse Inbrunst des barocken Menschen allerdings sehr wenig.


Ich fürchte hier könnten wir doch etwas off-topic werden. Aber an dieser Stelle möchte ich doch zu bedenken geben, daß dies doch eine sehr heutige Sicht ist. Ich bin der Überzeugung, daß ein Großteil der Menschen des Barockzeitalters sehr gläubige Menschen waren. Warum? Sie wurden so erzogen und behielten einen kindlichen Glauben. Es war ja niemand da, der das im einfachen Volk in Zweifel zog! Auch der weit verbreitete Aberglauben ist Ausdruck einer Religiösität. Es gab nur eine verschwindend geringe, hoch gebildete Minderheit, die eine Gottesexistenz oder das Auftreten der Institution Kirche als verlängerten Arme Gottes auf Erden in Zweifel zog.


Kann sein, daß Bach und Händel religiös waren, kann genausogut nicht sein.

Nach einem Studium seiner Schaffensweise und nach Studium biographischer Fakten stellt sich diese Frage nicht: Bach war religiös!


Selbst bei späteren Komponisten weiß man das nicht, Mozarts Freimaurertum gibt zu denken, trotz seiner Messen und vieles mehr.

Nur weil ein Komponist eine Messe komponiert, weil es zu seinen Pflichten gehört, war er sicher nicht zwangsläufig gläubig. Er war allerdings auch nicht zwangsläufig Atheist, weil er in einer Freimaurerloge war!


Man kann also zu diesen Dingen durchaus eine Meinung haben. Und es ist da durchaus kein "methodischer Zweifel", sondern durchaus legitim, die Religiösität barocker Musiker auch in Frage zu stellen. Und genauso ihr bescheidenes gottgefälliges Handwerkertum.


Natürlich kann, darf und muß man zu diesen Dingen eine Meinung haben! Allerdings sollte man seine Zweifel differenziert und aufgrund von Informationen und Fakten anbringen und nicht ganz Allgemein und auf Verdacht!
Ansonsten unterstelle ich einfach doch einmal zunächst "methodischen Zweifel".
flutedevoix
Stammgast
#24 erstellt: 20. Jun 2010, 15:44

Martin2 schrieb:
Hallo Flutedevoix,

ich finde das, was Du beschrieben hast, alles höchst interessant, nur bin ich etwas zu müde, um darauf zu antworten, nur muß/will ich darauf überhaupt antworten?

Mich freut es einfach mal und Du bist ja noch relativ ( zumindesten im Vergleich zu mir, ich schreibe ja schon 6 Jahre hier und viel) neu hier, Dich mal so richtig aus der Reserve gelockt zu haben. Womit kann man Dich sonst noch aus der Reserve locken??

Herzlicher Gruß
Martin


Natürlich mußt Du nicht antworten, ich fände es nur schade, wenn Due es nicht tätest. Schließlich ist Diskussion ja der Zweck eines Forums.
Und ich finde diese Form der angeregten Diskussion wesentlich ergiebiger als nur neue Aufnahmen vorzustellen oder das bereits mehrfach durchgehechelte Repertoire erneut zu diskutieren.
von daher hoffe ich auf weitere Diskussionsbeiträge, es muß ja nicht heute sein.

Mich kann man übrigens mit vielem aus der Reserve locken, quer durch alle Stile, Gattungen und Epochen!
AladdinWunderlampe
Stammgast
#25 erstellt: 20. Jun 2010, 20:41
Hier ein paar kurze Informationen und Dokumente zur Frage nach Bachs Religiosität:

1. Ausweislich des in Abschrift erhaltenen Nachlass-Verzeichnisses enthielt Bachs Bibliothek 52 theologische Werke, viele davon mehrbändig; für einige der dort vertretenen Autoren lässt sich ein gezieltes theologisches Interesse Bachs nachweisen - so etwa für August Pfeiffer (1640-1698) sowie für Heinrich Müller (1631-1675), dessen Fastenpredigten in Picanders madrigalischen Texten für die Matthäus-Passion eingeflossen sind.

2. Gemäß einer Auktionsquittung hat Bach 1742 ein Zehntel seines Jahresgehaltes für den Erwerb theologischer Bücher ausgegeben, und zwar - wie er auf dem Beleg erstaunlich enthusiastisch vermerkt - für "diese Teütsche und herrliche Schriften des seeligen D.M. Lutheri (so aus des großen Wittenbergischen General-Superintendentens u. Theologi D. Abrah: Calovii Bibliothec, u. woraus Er vermuthlig seine große Teütsche Bibel colligiret; so auch auch nach deßen Absterben in des gleichfals großen Theologi D.J.F. Mayers Hände kommen)".

3. In Bachs persönlichem Exemplar der Luther-Bibel mit Kommentaren des von Bach geschätzten Theologen Abraham Calov (1612-1686), das zahlreiche Spuren regelmäßigen Gebrauchs aufweist, finden sich 348 handschriftliche Einträge des Komponisten: Unterstreichungen, Korrekturen und Randbemerkungen. Unter anderem notierte Bach am Rand des Textes von 1. Chronik 29,31 (dort wird König Davids zentrale Rolle für den Gottesdienst geschildert): "N. B. Ein herrlicher Beweiß, daß [...] die Musica von Gottes Geist [...] angeordnet worden." Und zu 2. Chronik 5,13 (einer Schilderung der Tempelweihe durch König Salomo) merkt Bach an: "NB. Bey einer andächtigen Musique ist allezeit Gott in seiner Gnaden Gegenwart."

All diese Aussagen, von denen keine für die Öffentlichkeit bestimmt war, scheinen mir ziemlich deutlich nicht nur ein hohes persönliches Interesse Bachs an theologischen Fragen zu dokumentieren, sondern auch eine über alles Akademische hinausgehende existentielle Betroffenheit von derartigen Fragen: Wenn Bach von der Gegenwart Gottes in aller andächtigen Musik sprach, so war dies nicht weniger als ein Bekenntnis über dasjenige, was er mit seinem eigenen Schaffen - durchaus "Handwerk", aber eines, das dem Höchsten gewidmet war und daher auch höchsten Ansprüchen genügen musste - zu leisten erhoffte.


Herzliche Grüße
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 20. Jun 2010, 23:35 bearbeitet]
flutedevoix
Stammgast
#26 erstellt: 20. Jun 2010, 21:03
Hallo AladdinWunderlampe,

aus welchem Buch hast Du die Zitate, zumindest das erste und das zweite kannte ich.
Da ich auf Konzertreise bin, hatte ich keine Chance in meiner kleinen Bibliothek zu Hause zu suchen und wollte nichts zitieren, was ich nicht belegen kann. War es aus folgendem:
H.J. Moser, Bach - Dokumente zu seinem Leben (ich glaube dtv-Verlag)?

Viele Grüße
flutedevoix
AladdinWunderlampe
Stammgast
#27 erstellt: 20. Jun 2010, 21:10
Hallo flutedevoix,

ich habe mich auf die Schnelle auf zwei Werke gestützt:

erstens auf das von Konrad Küster herausgegebene Bach-Handbuch (Kassel 1999), und dort insbesondere auf das Kapitel über Bach und die Theologie von Martin Petzold (S. 81-91);
und zweitens auf Christoph Wolffs große und großartige Monographie Johann Sebastian Bach (Frankfurt am Main, 2. Auflage 8/2000), hier insbesondere auf den Abschnitt "Materialien und Metaphysik" im Kapitel 9 (S. 357-366).


Herzliche Grüße
Aladdin
flutedevoix
Stammgast
#28 erstellt: 20. Jun 2010, 21:18
Hallo AladdinWunderlampe,

vielen Dank für Dein Antwort. Ich habe auch beide WErke im Regal stehen. Allerdings muß ich zugeben, daß ich sie nicht gelesen habe, sondern sie nur als Nachschlagwerk verwende für Vorträge bzw. bei der Erarbeitung von Konzertprogrammen.
Ausgezeichnete Bücher von führenden Bach-Experten. Habe übrigens bei Konrad Küster in Freiburg Musikwissenschaft gehört.

Viele Grüße
flutedevoix
Kreisler_jun.
Inventar
#29 erstellt: 21. Jun 2010, 16:06
Die septem artes liberales waren aber kein Handwerk, sondern ursprünglich die logisch-philosophische Propädeutik für die 3 anderen Fakultäten, Jura, Medizin und v.a. Theologie!

Sicher muss man aufpassen, dass man nicht die Genie-Vorstellung späterer Zeiten naiv anwendet. Andererseits lassen sich Elemente des "Genies", inklusive divenartiges Gebaren der Künstler schon sehr deutlich 200 Jahre vor Bach bei den Renaissancekünstlern nachweisen. Hauptsächlich zwar bei Malern und Bildhauern, die mindestens so eng der "Handwerkstradition" verpflichtet waren wie die Musiker, aber auch bei letzteren. Josquin Des Prez stellte, wenn ich recht erinnere, sehr deutliche Bedingungen bei einer Anstellung.

Man kann auch die christlich geprägte frühe Aufklärung bzw. das rationalistische Zeitalter nicht mit dem MA vergleichen. "Totalitär" war der Protestantismus nicht in dieser Weise; wie schon gesagt wurde, gab es durchaus unterschiedliche, konkurrierende Strömungen. Was man "christlich" nennt, reicht von orthodoxem Luthertum (dem vermutlich Bach nahestand) über empfindsamen Pietismus bis zu einer rationalistischen Theologie wie man sie bei Leibniz findet und vielleicht auch noch weiter. (Nur ein bißchen weiter im 18. Jhd. findet man abgedrehte Mystiker? wie Swedenborg). Das ist ziemlich komplex (und ich bin hier auch Laie) und auch einem Musiker in kirchlichen Diensten standen hier durchaus verschiedene "Glaubensoptionen" offen.
Ein harter Atheismus wurde wohl vor der franz. Aufklärung kaum vertreten, allerdings waren für die etablierte Kirche pantheistische (Spinoza) oder deistische (wie die meisten Aufklärer, sogar der religionskritische Voltaire) Strömungen unorthodox genug. Verbrannt wurde von freieren Denkern gewöhnlich niemand mehr, aber universitäre oder öffentliche Karriere machte man so auch nicht unbedingt.

Mir scheint es jedenfalls kein vielversprechender Ansatz, die Menschen des Barockzeitalters als "naive" darzustellen, die eben in bestimmten religiösen Strukturen verhaftet gewesen seien. Jemand wie Bach oder auch andere (vergleichsweise) gut ausgebildete waren gewiß nicht naiv, nur weil sie keine freidenkerischen Aufklärer a la Voltaire gewesen sind.

Ob man nun die Brandenburgischen Konzerte oder das WTK mit Bachs theologischen Überlegungen im Hinterkopf hören sollte, ist wieder eine andere Sache. Das scheint mir auch eher fragwürdig.

JK jr.
flutedevoix
Stammgast
#30 erstellt: 21. Jun 2010, 18:41

Die septem artes liberales waren aber kein Handwerk, sondern ursprünglich die logisch-philosophische Propädeutik für die 3 anderen Fakultäten, Jura, Medizin und v.a. Theologie!


Das ist völlig richtig. Ich wollte auch in keinem Moment sagen, daß die "septem artes liberales" ein Handwerk waren. In der Knappheit und Kürze der Formulierung kann man das aber vielleicht in meinem Beitrag so verstehen. Daher ist es gut, dies noch einml eindeutig zu klären.

Ich wollte nur darauf hinweisen, daß die Musik als zu erlernende Wissenschaft angesehen wurde. Meines Wissens war im Denken bis zum 18. Jahrhundert kein Platz für einen Geniebegriff wie er im 19. Jahrhundert breiten Raum einnahm. Natürlich hat das mit dem stark durch die Religion geprägten Welt- und Gesellschaftsbild zu tun, das ja gerade durch die Aufklärer aufgebrochen wurde. Interessant wäre vielleicht in welchem Umfeld der Geniebegriff, wie wir ihn heute verstehen, "geboren" wurde.


"Totalitär" war der Protestantismus nicht in dieser Weise; wie schon gesagt wurde, gab es durchaus unterschiedliche, konkurrierende Strömungen. Was man "christlich" nennt, reicht von orthodoxem Luthertum (dem vermutlich Bach nahestand) über empfindsamen Pietismus bis zu einer rationalistischen Theologie wie man sie bei Leibniz findet und vielleicht auch noch weiter. (Nur ein bißchen weiter im 18. Jhd. findet man abgedrehte Mystiker? wie Swedenborg). Das ist ziemlich komplex (und ich bin hier auch Laie) und auch einem Musiker in kirchlichen Diensten standen hier durchaus verschiedene "Glaubensoptionen" offen.


Ich möchte dies sogar auf den Katholizismus erweitern. Ich denke, daß man auch unterscheiden muß zwischen Glauben und (Kirchen-)Politik. Oft genug wurde der Glaube instrumentalisiert und zur Durchsetzung von Machtansprüchen herangezogen, bekanntestes Beispiel in einigermaßer Nähe zu Bach sicher der Dreißigjährige Krieg. Ich möchte doch meinen, daß das Adjektiv "totalitär" auf die politischen Systeme angewendet werden sollte. Wie offen die Möglichkeiten von Komponisten waren, zeigt symptomatisch das erzkatholische Rom des Barock. Weil Opern zur Fastenzit verboten waren, komponierte man eben Oratorien, die sich musikalisch nicht von Opern unterscheiden. Mir ist jetzt spontan auch kein barocker Komponist bekannt, der mit Berufsverbot aufgrund seiner religiösen Einstellung oder Praxis belegt worden wäre. Ich werde aber mal etwas recherchieren, wenn ich wieder Zeit habe.


Mir scheint es jedenfalls kein vielversprechender Ansatz, die Menschen des Barockzeitalters als "naive" darzustellen, die eben in bestimmten religiösen Strukturen verhaftet gewesen seien. Jemand wie Bach oder auch andere (vergleichsweise) gut ausgebildete waren gewiß nicht naiv, nur weil sie keine freidenkerischen Aufklärer a la Voltaire gewesen sind.


Exakt! Der begriff eines naiven, kindlichen Glaubens ist ja auch erst durch die Aufklärung möglich geworden. Für die meisten Menschen bis zur Aufklärung war er, meine jedenfalls ich, durch ihre Sozialisation Realität. Sie nahmen in als "richtig" war und nicht als "naiv"


Sicher muss man aufpassen, dass man nicht die Genie-Vorstellung späterer Zeiten naiv anwendet. Andererseits lassen sich Elemente des "Genies", inklusive divenartiges Gebaren der Künstler schon sehr deutlich 200 Jahre vor Bach bei den Renaissancekünstlern nachweisen. Hauptsächlich zwar bei Malern und Bildhauern, die mindestens so eng der "Handwerkstradition" verpflichtet waren wie die Musiker, aber auch bei letzteren. Josquin Des Prez stellte, wenn ich recht erinnere, sehr deutliche Bedingungen bei einer Anstellung.

Keine Frage, divenhaftes Verhalten gab es zu jeder Zeit und das nicht nur in Künstlerkreisen! Wenn man sich, um im religiösen Kreisen zu bleiben, so manche Papst-Biographie anschaut, ist das fast noch ein euphemistischer Begriff. Daß man sich seines Wertes bewußt war, widerspricht aber nich dem Selbstverständnis als Handwerker. Schließlich gibt es ja in jedem Beruf herausragende Könner. Mir geht es bei dieser Diskussion ja auch hauptsächlich um das Selbstverständnis der Musiker, um ihre musikalische Herkunft. Diese waren ihnen nach ihrer Überzeugung nicht von Geburt an vorbestimmt, sondern wurde erlernt und der Beruf wurde ergriffen.


Ob man nun die Brandenburgischen Konzerte oder das WTK mit Bachs theologischen Überlegungen im Hinterkopf hören sollte, ist wieder eine andere Sache. Das scheint mir auch eher fragwürdig.


Auch hier völliges Einverständnis! Dennoch möchte ich auch in diesem Zusammenhang auf meinen obigen Beitrag hinweisen:
Die Musik wurde als "laudatio dei", als Gotteslob verstanden, man machte hier keine Unterscheidung in geistliche und weltliche Musik.

So und nun zum Schluß noch eine Freudenbekundung meinerseits. Ich finde es sehr schön, daß wir hier über solche Hintergründe diskutieren, die für alle Musikliebhaber und -hörer ein tieferes Verständnis für die Werke und die Komponisten jenseits des sinnlichen Hörerlebnisses fördern. So gefällt mir ein Forum besonders gut!

Herzliche Grüße
flutedevoix


[Beitrag von flutedevoix am 21. Jun 2010, 18:47 bearbeitet]
Kings.Singer
Inventar
#31 erstellt: 22. Jun 2010, 08:17

Kreisler_jun. schrieb:
Ein harter Atheismus wurde wohl vor der franz. Aufklärung kaum vertreten, allerdings waren für die etablierte Kirche pantheistische (Spinoza) oder deistische (wie die meisten Aufklärer, sogar der religionskritische Voltaire) Strömungen unorthodox genug. Verbrannt wurde von freieren Denkern gewöhnlich niemand mehr, aber universitäre oder öffentliche Karriere machte man so auch nicht unbedingt.


Nun die Sichtweise ist mindestens genauso undifferenziert wie jene, nach der die frz. Auflärung rein atheistisch veranlagt gewesen sei. Wo wir uns wohl einig sind ist, dass wir es hier zumindest mit einer stark antiklerikalen Haltung zu tun haben. Ausgeprägungen davon bewegten sich (je nach Sichtweise) eindeutig in Richtung Ahteismus.
Maurice Blondel (1861-1949) leistete z.B. in "L'Action" (1893) bedeutende Beiträge zur Immanenzapologetik. Sein Ansatzpunkt war philosophischer Natur, er lässt aber dennoch Raum für Gott und die Theologie bzw. den Glauben. Die Gesamtdynamik des menschlichen Handelns führe, so Blondel, in den Nihilismus (vgl. Nietzsche). Die daraus entstehende Melancholie kann der Mensch nicht von sich aus (nicht im Endlichen) besiegen - eine Antwort muss von außen kommen, z.B. von Gott / vom Glauben / von der Religion. Damit gab er der Theologie eine ganz entscheidende Richtung, er war einer der Begründer der anthropologischen Wende!

Warum nun Maurice Blondel? Um seinen Ansatzpunkt in der Philosophie nachvollziehen zu können, muss man sein Umfeld verstehen. Die Theologie war bis zur Französischen Revolution unmittelbar mit dem Klerus verbunden und der Klerus unmittelbar mit dem Staat. Stürzt man nun den Staat bzw. die Staatsform, musste auch der Klerus fallen. Damit wäre die antiklerikale Haltung nachvollziehbar. Dass der Theologie damit ein wichtiger Teil abhanden kam, ist dann wohl auch verständlich (Kirche ist der Leib Christi, das postulierte schon Paulus, und Christentum ohne Kirche und Kirche ohne Klerus wäre eine Neuerung, die das Christentum grundlegend verändern würde - es wäre wieder in die unmittelbar nachchristliche Zeit zurückgeworfen, wenn man so will). In Frankreich standen sich so "die Intellektuellen" (z.B. um Auguste Comte) und gerade noch ein katholisches Milieu gegenüber, das so verstreut war, dass es nicht weiter greifbar war. Für die gebildeten Schichten, die in jener Zeit die Marschrichtung vorgaben, war das Christentum erledigt (Ernest Renan: Jesus Christus und das Christentum haben nichts miteinander zu tun). Blondels Lehrer Leon Ollé-Laprune (1839-1898) war seinerzeit einer der wenigen (der einzige?) staatliche Hochschulprofessor, der sich öffentlich als Katholik bekannte. Also musste ein Ansatzpunkt, der sich in einem solchen Umfeld bewegte und bewähren sollte, vom Menschen ausgehen.

Weitere theologische Strömungen, die sich allerdings allesamt auf Irrwegen befanden (man mag mir diese Terminologie bitte nicht negativ anlasten, für andere mögen diese theologischen Ausprägungen das Ei des Kolumbus sein) sind unter anderem die Liberale Theologie (Jesus Christus hat nie eine Kirche gewollt) und die Nouvelle Theologie (Gott und Mensch als Dualismus ohne Brücke). Der Modernismus hat ähnliche Grundlagen wie alle zuvor beschriebenen theologischen Richtungen. Der Modernismusstreit wurde aber nie wirklich beigelegt, nur beendet (durch Pius X. in der Verpflichtung zum Antimodernisteneid für Priester) - die Argumente der Modernisten wurden also nie wirklich entkräftet.

All das, was ich gerade beschrieben habe, zeugt meiner Meinung nach schon davon, dass die französische Aufklärung atheistische Züge hatte. Sie war zwar nicht klassisch atheistisch, aber das wäre in jener Zeit wohl auch zu viel des Guten für die Menschen gewesen. Aber dass alle folgende Theologie nicht mehr bei Gott ansetzen konnte und durfte um gehört zu werden, ist doch eindeutig ein atheistischer Zug von deren Umfeld.


Hoffe dieser kleine Exkurs konnte die Sichtweise auf die französische Revolution und ihre Nachwirkungen und somit auch das Umfeld Bachs noch ein wenig mehr differenzieren. In Deutschland waren die folgen für Kirche und Glauben bei weitem nicht so dramatisch und drastisch wie in Frankreich.


Viele Grüße,
Alexander.


P.S. Nachzulesen ist das Ganze in der Monographie meines Fundamentaltheologie Professors.
Klausnitzer, Wolfgang: Glaube und Wissen. Regensburg: Friedrich Pustet. 2008 (2. Aufl.). 181-196.

Und noch eine Anmerkung: Dass es hier aus eine Betrachtung aus kirchlich-christlicher Perspektive handelt, ist mir bewusst. Um eine objektive endgültige Bewertung (falls das überhaupt möglich ist) zu erreichen, muss man wohl mehrere Perspektiven vergleichen und einen Konsens finden!
Kreisler_jun.
Inventar
#32 erstellt: 22. Jun 2010, 13:23

Kings.Singer schrieb:

Kreisler_jun. schrieb:
Ein harter Atheismus wurde wohl vor der franz. Aufklärung kaum vertreten, allerdings waren für die etablierte Kirche pantheistische (Spinoza) oder deistische (wie die meisten Aufklärer, sogar der religionskritische Voltaire) Strömungen unorthodox genug. Verbrannt wurde von freieren Denkern gewöhnlich niemand mehr, aber universitäre oder öffentliche Karriere machte man so auch nicht unbedingt.


Nun die Sichtweise ist mindestens genauso undifferenziert wie jene, nach der die frz. Auflärung rein atheistisch veranlagt gewesen sei. Wo wir uns wohl einig sind ist, dass wir es hier zumindest mit einer stark antiklerikalen Haltung zu tun haben.


Es hat, soweit ich sehe, niemand behauptet, die franz. Aufklärung sei durchweg atheistisch eingestellt gewesen. Ich habe ausdrücklich geschrieben, dass die meisten Aufklärer (egal ob deutsch, englisch, französisch) Deisten gewesen sind, was freilich für die Orthodoxie beinahe ebenso inakzeptabel war, weil eben verträglich mit der Ablehnung jeglicher Offenbarungsreligion. Sondern weiter oben sagte jemand, dass ein expliziter Atheismus vor der franz. Aufklärung praktisch gar nicht vorgekommen sei. Und das ist wohl richtig. Ketzer wie Giordano Bruno vertraten eher eine Art Pantheismus. Mir ging es eher darum, dass es auch innerhalb des christlichen Lagers im 17. u. 18. Jahrhunderts eine ganze Reihe von Optionen gab, nicht eine Orthodoxie und dazu eben noch gemäßigt aufklärerische Haltungen in Richtung eines eher philosophisch geprägten Deismus.



Maurice Blondel (1861-1949) leistete z.B. in "L'Action" (1893) bedeutende Beiträge zur Immanenzapologetik. Sein Ansatzpunkt war philosophischer Natur, er lässt aber dennoch Raum für Gott und die Theologie bzw. den Glauben. Die Gesamtdynamik des menschlichen Handelns führe, so Blondel, in den Nihilismus (vgl. Nietzsche).


Das ist jetzt aber knapp 200 Jahre nach den Aufklärern und eine ganz andere Zeit. Der Atheismus Nietzsches ist was anderes als der von LaMettrie oder Diderot oder der antiklerikale Deismus anderer Aufklärer.

Damit kommen wir aber ziemlich vom Thema ab. Dass Bach christlicher Theist war, ebenso wie Händel u.a. ist wohl kaum bestritten worden...

viele Grüße

JK jr.
Kings.Singer
Inventar
#33 erstellt: 22. Jun 2010, 17:06
Hi.

Wie ich sehe bin ich falsch verstanden worden. Deine Position wollte ich weder relativieren noch negieren. Aufklärung als solche kann ja gar nicht atheistisch veranlagt sein - wohl aber das, was aus ihr resultierte: Im weiteren Sinne auch die französische Revolution. Ab 1789 haben wir es dann schon mit einem recht deutlich atheistisch konnotierten Denken zu tun. Deshalb auch mein Verweis auf Blondel, denn bis zu ihm gab es aus Frankreich seit der Revolution kaum bedeutsame theologische Beiträge, die auf eine Relevanz Gottes und des Glaubens für unser Leben abzielen.

Natürlich war Bach dann schon lange tot. (Herzlichen Dank für den Hinweis! ) Als Musiker mit seiner Anstellung war es wohl kaum möglich Anhänger eines Reimarus zu sein, der (knapp formuliert) das Christentum als "Betrugsunternehmen" Jesu und seiner Jünger bezeichnete. Die Auferstehung z.B. sei folglich nur bewusst inszeniert worden.
Aber dieser Sachverhalt leuchtet wohl jedem ein und ihn bestreitet hier auch keiner!

Was mich dagegen "brennend" interessiert, ist - um wieder zur Musik zurück zu kommen - inwiefern Bachs weltliche Kantaten (z.B. die Bauernkantate BWV 212) theologisch zu deuten sind.

flutedevoix schrieb:
Die Musik wurde als "laudatio dei", als Gotteslob verstanden, man machte hier keine Unterscheidung in geistliche und weltliche Musik.

Man sollte vielleicht einschränkend dazu sagen, dass sich die Musik, die von vornherein weltlichen Zwecken zugedacht war tatsächlich von der geistlichen Musik unterscheiden lässt. Oder vermutet ihr / vermutest du auch hier theologische Implikationen?


Viele Grüße,
Alexander.
flutedevoix
Stammgast
#34 erstellt: 22. Jun 2010, 18:00
Auch ich bin gerade falsch verstanden worden:


Was mich dagegen "brennend" interessiert, ist - um wieder zur Musik zurück zu kommen - inwiefern Bachs weltliche Kantaten (z.B. die Bauernkantate BWV 212) theologisch zu deuten sind.

flutedevoix schrieb:
Die Musik wurde als "laudatio dei", als Gotteslob verstanden, man machte hier keine Unterscheidung in geistliche und weltliche Musik.

Man sollte vielleicht einschränkend dazu sagen, dass sich die Musik, die von vornherein weltlichen Zwecken zugedacht war tatsächlich von der geistlichen Musik unterscheiden lässt. Oder vermutet ihr / vermutest du auch hier theologische Implikationen?


Ich wollte mit meiner Aussage keineswegs einen theologischen Hintergrund oder Bedeutungshorizont für die Kaffekantate oder die Konzerte unterstellen. Was ich sagen wollte, ist das die Komposition, also der reine Vorgang, unabhängig von der Intention des Werkes (natürlich auch die Aufführung des Werkes) als Gotteslob, als Werk zum Lob und zur Lobpreisung Gottes aufgefasst wurde. Daher auch die Signatur "Soli Gloria Dei", eben auch als Dankbarkeit für die Schaffenskräfte.
Martin2
Inventar
#35 erstellt: 23. Jun 2010, 14:10

Kreisler_jun. schrieb:
Dass Bach christlicher Theist war, ebenso wie Händel u.a. ist wohl kaum bestritten worden...


Es ist nicht bestritten, allerdings ( von mir) in Zweifel gezogen worden. Allerdings überzeugen mich die hier vorgebrachten Argumente doch insoweit, daß Bachs Christentum sicher mehr war als ein Lippenbekenntnis.

Inwieweit nun der von Dir angesprochene Händel Christ war, weiß ich nun wieder nicht. Über Händel weiß man meiner Kenntnis nach überhaupt nur sehr wenig. Er hat sein Privatleben anscheinend abgeschottet. Deshalb erscheint es mir auch unklar, inwieweit der Privatmann Händel Christ war oder nicht.

Wir kommen bei der Betrachtung der Vergangenheit jedenfalls nie an der Tatsache vorbei, daß das durch und durch christlich bestimmte Gesellschaften waren und daß es durchaus nicht nur "methodischer", sondern auch berechtigter Zweifel ist, alle diese Menschen seien tatsächlich so fromm gewesen, wie sie sich gerierten.

Gruß Martin
Kings.Singer
Inventar
#36 erstellt: 24. Jun 2010, 11:45

Martin2 schrieb:
Wir kommen bei der Betrachtung der Vergangenheit jedenfalls nie[?] an der Tatsache vorbei, daß das durch und durch christlich bestimmte Gesellschaften waren und daß es durchaus nicht nur "methodischer", sondern auch berechtigter Zweifel ist, alle diese Menschen seien tatsächlich so fromm gewesen, wie sie sich gerierten.


Also falls du es auf die Zeit nach dem Ende des Mittelalters, quasi ab 1500, beziehst, stimme ich dir voll und ganz zu.
Aber bis dahin glaube ich, dass die Menschen tatsächlich durch und durch gottgläubig (nicht unbedingt religiös aber fest gottesgläubig) waren. Es gab ja auch kaum Alternativen, die sich erst durch das Aufkommen der Naturwissenschaften bieten sollten.

Viele Grüße,
Alex.


[Beitrag von Kings.Singer am 24. Jun 2010, 11:45 bearbeitet]
Joachim49
Inventar
#37 erstellt: 24. Jun 2010, 11:50
Im Mittelalter kannte man ja auch ein bisschen die Griechische Philosophie, und die Griechischen Philosophen waren wohl nicht alle gottgläubig (oder wenn, waren es oft zuviel Götter, an die man glaubte). Also so gänzlich unbekannt dürfte die Leugnung Gottes auch im kulturellen Kontext des Mittelalters nicht gewesen sein.
mit freundlichen grüssen
Joachim
Kings.Singer
Inventar
#38 erstellt: 24. Jun 2010, 12:11
Hi.

Ich gehe nicht vom Intellektuellen sondern von "der Gesellschaft" aus. Diejenigen, die damals einen Aristoteles (et. al.) erstens kannten und zweitens durchdrangen, waren wohl doch deutlichst in der Minderheit. Und selbst wenn diese zwei Bedingungen gegeben waren, mussten diejenigen Personen nicht gleich Religionskritiker sein... Salopp gesagt: Das Häufchen ist vernachlässigbar.

Viele Grüße,
Alex.


- EDIT -
Was mir dazu noch einfällt: Lesen und Schreiben war ohnehin lange Zeit fast ausschließlich im kirchlichen Kontext zu erlernen (Klöster, Klosterschulen). Wer also dazu in der Lage war die antiken Philosophen zu kennen, war oftmals schon kirchlich vorgeprägt!


[Beitrag von Kings.Singer am 24. Jun 2010, 12:14 bearbeitet]
flutedevoix
Stammgast
#39 erstellt: 24. Jun 2010, 18:51

Inwieweit nun der von Dir angesprochene Händel Christ war, weiß ich nun wieder nicht. Über Händel weiß man meiner Kenntnis nach überhaupt nur sehr wenig. Er hat sein Privatleben anscheinend abgeschottet. Deshalb erscheint es mir auch unklar, inwieweit der Privatmann Händel Christ war oder nicht.


@Martin2:
Nachdem sich die mir bekannte Fachliteratur einig darüber ist, daß Händel Christ war, ist Deine These sehr interessant.
Vielleicht kannst Du erläutern, inwiefern du den Eindruck hast, daß Händel nicht Christ war oder gar als Atheist zu bezeichnen ist. Interessant wäre dann auch, an welchen Maßstäben du Christsein festmachst.
Ich lasse mich gerne davon überzeugen, daß deine Zweifel nicht methodischer Natur sind sondern auf Fakten oder zumindest Indizien beruhen.

Viele Grüße
flutedevoix
Joachim49
Inventar
#40 erstellt: 24. Jun 2010, 20:06

Kings.Singer schrieb:
Hi.

Ich gehe nicht vom Intellektuellen sondern von "der Gesellschaft" aus. Diejenigen, die damals einen Aristoteles (et. al.) erstens kannten und zweitens durchdrangen, waren wohl doch deutlichst in der Minderheit. Und selbst wenn diese zwei Bedingungen gegeben waren, mussten diejenigen Personen nicht gleich Religionskritiker sein... Salopp gesagt: Das Häufchen ist vernachlässigbar.



- EDIT -
Was mir dazu noch einfällt: Lesen und Schreiben war ohnehin lange Zeit fast ausschließlich im kirchlichen Kontext zu erlernen (Klöster, Klosterschulen). Wer also dazu in der Lage war die antiken Philosophen zu kennen, war oftmals schon kirchlich vorgeprägt!


Das ist gewiss richtig, was du sagst, aber die Frage war (auch) bis zu welchem Zeitraum der christliche Gottesglaube so selbstverständlich war, dass niemand auf die Idee gekommen wäre Atheist zu sein. Ich nehme an, dass sich in der Dante'schen Hölle (also an der Schwelle von Mittelalter und Neuzeit) auch ein paar Gottesleugner rumtreiben.

Auch ist mir der Zweck der Diskussion nicht ganz klar. Geht es um die Frage, ob man religiöis sein muss, um erstklassige sakrale Musik zu schreiben? Hätte Bach seine Passionen schreiben können, auch wenn er nicht gläubig gewesen wäre? Ich glaube die Antwort heisst 'ja'. Man muss nicht traurig sein um traurige Musik zu schreiben, und ein schwermütiger Komponist kann fröhliche Musik schreiben. (Es könnte ja gar keine guten Opernkomponisten geben, wenn man immer auf die rechte Stimmung warten müsste, um sie glaubhaft musikalisch auszudrücken).
freundliche Grüsse
Joachim
Kreisler_jun.
Inventar
#41 erstellt: 24. Jun 2010, 20:51
Man kannte die "atheistischen" antiken Philosophen wie die Epikureer (hauptsächlich überliefert durch Lukrez: De rerum naturae) meines Wissens nicht vor der Renaissance. Jedenfalls nicht die Originale, sondern höchstens aus der spätantiken Rezeption (Kirchenväter). Ich kenne mich nicht gut genug aus, aber meines Wissens dominierten Aristoteles (und Nachfolger) sowie (Neu-)platonismus die mittelalterliche Philosophie, die ja zu nicht geringem Teil darin besteht, diese Systeme mit dem Christentum zu verknüpfen. (Und ein wenig Stoa, auch das läßt sich gut verbinden.) Ich weiß nicht, ob ein Atheismus wie er in der Neuzeit auftritt, irgendwo bei Thomas oder ähnlichen Autoren ernsthaft diskutiert wird.
Wie gesagt, reichte bei Giordano Bruno eine Art Pantheismus für die Verdammung als Ketzer (und später bei Spinoza (deus sive substantia sive natura) für den Ausschluß aus der jüdischen Gemeinde).

Das Bemerkenswerte bei Dante ist eher, dass die "tugendhaften Heiden" eben nicht in die Hölle, sondern in den Limbus kommen und Vergil sogar den Führer durch Hölle und Purgatorium macht... Erzbösewichter sind Mohammed als Stifter einer falschen Religion und die Aufrührer und Verräter gegen Gott und gottgebene Herrscher: Luzifer, Judas, Brutus.

Eher zum Thema halte ich den Zweifel, dass die Menschen der Vergangenheit "nicht so fromm gewesen seien, wie sie sich gerierten" für nicht gut begründet und ein modernes Mißverständnis. Ich glaube, man muss selbst noch für das 17. u. 18. Jhd. von einer viel selbstverständlicheren Verbindung von Frömmigkeit/Glauben und Leben ausgehen, die solch eine Bigotterie nicht so wahrscheinlich macht. Die hat es sicher zu allen Zeiten auch gegeben, aber mir scheint der Zweifel eben schon von einem eher modernen Verständnis auszugehen, das eine besondere persönliche Frömmigkeit vom öffentlichen Handeln und Bekennen in einer Weise trennt wie es damals unüblich war.

Von Händel weiß man, dass er sich gewünscht haben soll, an einem Karfreitag zu sterben (was geschehen ist) und dass seine Statue auf dem Grabmal in der Westminster Abbey das Notenblatt mit der Arie "I know that my redeemer liveth" in der Hand hat. Das wirkt tatsächlich schon beinahe aufgesetzt fromm - auf uns heute! Ich wäre aber sehr vorsichtig hieraus auf die tatsächliche Frömmigkeit bzw. deren Fehlen zu schließen.

JK jr.
flutedevoix
Stammgast
#42 erstellt: 24. Jun 2010, 21:14

Auch ist mir der Zweck der Diskussion nicht ganz klar. Geht es um die Frage, ob man religiöis sein muss, um erstklassige sakrale Musik zu schreiben? Hätte Bach seine Passionen schreiben können, auch wenn er nicht gläubig gewesen wäre? Ich glaube die Antwort heisst 'ja'. Man muss nicht traurig sein um traurige Musik zu schreiben, und ein schwermütiger Komponist kann fröhliche Musik schreiben. (Es könnte ja gar keine guten Opernkomponisten geben, wenn man immer auf die rechte Stimmung warten müsste, um sie glaubhaft musikalisch auszudrücken).


Das ist, wenn auch Speklutation, eine sehr interessante Frage!
Ich bin auch der Überzeugung, daß man nicht unbedingt religiös sein muß, um erstklassige sakarale Musik zu schreiben. Wobei natürlich die Frage ist, wie hoch man die Meßlatte ansetzt. Ich glaube, musikalische, emotionale Textauslegung gelingt auch ohne. Allerdings ist es schon sehr interessant, welche theologischen Querverweise Bach in seine geistlichen Kompositionen eingewoben hat (Aufbau des ganzen Werkes, Auswahl der Tonarten, Zahlensymbolik, Figurenlehre, etc.). Einen solchen Eifer legt man, vermute ich, nicht an den Tag, wenn man von der Sache nicht überzeugt ist. Dahin gehend möchte ich jetzt einfach mal vermuten, wissen werden es nie, daß Bach möglicherweise sehr gute geistliche Musik ohne seine bezeugte Religiösität hätte schreiben können, aber nicht Musik mit dieser gedanklichen Tiefe!
Ich weiß alles spekulativ! Aber ist es nicht herrlich, mal alle wissenschaftliche Vorsicht über Bord zu werfen und dennoch gute Gründe für seine Annahme zu haben

Viele Grüße
flutedevoix
Kings.Singer
Inventar
#43 erstellt: 24. Jun 2010, 21:29
Hi.

Schade, dass ich mich an dem Punkt aus der Diskussion ausklinken muss (ich bin bis Sonntag nicht im Lande - auch nicht online), aber vielleicht dient es dazu die Sache wieder zurück in musikalische Gefilde zu führen.

Hier noch eine Ausschweifung mehr:
Das Glaubensbild des Mittelalters kann man mit dem heutigen nicht vergleichen (logisch!). Glaube und Kirche waren ein Mysterium. Den Leuten wurde der Glaube vorgelebt - Gott war der Maßstab für alles. Vor IHM musste man sich und sein Handeln rechtfertigen. Man glaubte tatsächlich, dass Gott die Welt an sieben Tagen erschuf (und an dieser Tatsache zu zweifeln ist tatsächlich eher methodisch als stichhaltig) - eben auch in Ermangelung von Alternativen. Bis Galilei und Kopernikus gab es auch kaum stichhaltige Anhaltspunkte daran zu zweifeln. Die Priester und Mönche (ganz zu schweigen vom höheren Klerus) waren die Repräsentanten Gottes auf Erden (neben Königen: Gottesgnadentum). Sie waren Gelehrte, sie konnten lesen und schreiben und größtenteils auch die lateinische Sprache verstehen. Die Messen wurden auf Latein gehalten, was das Mysterium Gott und Glauben noch größer machte.
Die Leute hatten zum Einen allein schon kognitiv keine Möglichkeit an Glauben und Kirche zu zweifeln. Die Bibel zu lesen und zu verstehen war dem Normal-Bürger quasi unmöglich. Zum Anderen war die Lehre der Kirche (fast immer, Stichwort "Theodizee") schlüssig. Deshalb ist dieser Glaube auch nicht naiv gewesen!

Nach dem Ende des Mittelalters gestaltete sich die Situation natürlich anders. Aber ich glaube, dass eine völlig Abkehr von Gott auch nicht so wirklich stattfand. Luther z.B. wollte den Glauben reformieren, allein schon ein sich anbahnendes Schisma der Kirche beobachtete er mit Bedauern [wobei mir hierfür ein Beleg fehlt, habe es in einer TV Reportage gesehen/gehört]. Ein wirklicher salonfähiger Atheismus - wie ich ihn in die Zeit der Franzöischen Revolution verorte - musste sich wohl erst noch herausbilden.

Ja, ich denke schon, dass wenigstens Bach und Händel bekennende Christen waren.
Zweifelt man bei Bruckner eigentlich auch? Dessen Musik ist mir ja noch am aller ehesten ein Zeugnis eines tief empfundenen, intimen Glaubens... Zumindest subjektiv!


Viele Grüße,
Alex.
Schneewitchen
Inventar
#44 erstellt: 25. Jun 2010, 21:04
Wenn ich davon ausgehe,daß sogar noch in der heutigen Zeit ein Mitarbeiter der (katholischen ) Kirche katholischen Glaubens sein muß,so kann ich mir vorstellen,daß es zu Bachs Lebzeiten auch nicht anders war.
Auch ein Bach mußte gläubig sein,wenn er in der (evangelischen ) Kirche einen Posten bekleiden und seinen Lebensunterhalt verdienen wollte.
Und Bach war als Kantor kirchlicher Mitarbeiter.Als solcher lag es nahe,sich mit Kirchenmusik beruflich zu beschäftigen.
Bach hat ja nicht nur aus Spaß komponiert,sondern weil er seinen Lebensunterhalt im Dienst der Kirche finanzieren mußte.
Ich habe keinen Zweifel,daß Bach ein gläubiger Mensch war.Zur damaligen Zeit stand Gott auf der Tagesordnung, die heutige Trennung von Kirche und Staat gab es noch nicht.
Natürlich hätte Bach seine Passionen etc. schreiben können,wenn er nicht gläubig gewesen wäre.Aber ich finde,die Frage ist nicht die,ob Bach die Passionen geschrieben hätte,wenn er nicht gläubig gewesen wäre,sondern ob er sie geschrieben hätte,wenn er keinen Job bei der Kirche gehabt hätte.
Als Hofkomponist beim brandenburgischen Markgrafen hätte er vermutlich keine Passionen geschrieben.
Szellfan
Hat sich gelöscht
#45 erstellt: 23. Okt 2010, 09:53
Hallo Martin,
so liest man sich wieder.
Darf ich mal ganz plump zum Ausgangspunkt zurückkehren, sozusagen als Einwurf, ohne mich in den "Galubenskrieg" einzumischen?
Denn für mich gibt es diese Unterscheidung von "weltlicher" und "geistlicher" Musik bei Bach einfach überhaupt nicht. So wird doch aus dem ersten Satz der dritten Parita für Violine solo später ein Kantatenvorspiel für Orgel und Orchester und die Ouvertüre der Vierten Orchestersuite der Eingangschor zu "Unser Mund sei voll Lachens".
Und somit Werke wie die Johannes- Passion "weltliche"Musik, da sie die Emotionen eigentlich nicht anders behandelt als eine Oper.
Zugegeben, auch ich tat mich lange schwer mit Bach und empfand ihn, so wie Du, eher kühl und konstruiert. Daß das wirklich Handwerk ist und daß Bach sich als Handwerker verstand, womit er keine Ausnahme ist, erschloss sich mir später. Daß dieses Handwerk ihm das Zeug in die Hand gibt, beim Hörer Gefühle zu erwecken, hat noch mal eine ganze Weile gebraucht.
Und zwar Aha- Erlebnisse beim Hören. Und dazu müssen es eben die "richtigen" Interpretationen sein. Nicht "richtig" im Sinne von authentisch, sondern darin, mich teilnehmen zu lassen.
Und da hat ein Rilling mich nur immer verständnislos zurückgelassen, ein Max Pommer live mit der Matthäuspassion in der Nikolaikirche in Leipzig so erschüttert, daß ich deshalb! gehen mußte, es hätte mich sonst der Schmerz zerrissen.
Daß Bach zutiefst religiös war, steht für mich außer Frage, aber daß er mit der Kirche oft so seinen Streit hatte, ebenso. Warum wohl ist die h-moll-Messe, wie man inzwischen weiß, wohl höchstwahrscheinlich für Wien komponiert? Raus aus der Provinz Leipzig, das war für Bach, auch für seine späte Reise nach Berlin, ein wichtiger Hintergrund.
Aber so möchte ich hier ganz einfach mal ein paar Aufnahmen vorstellen, die mir für Bach das HERZ geöffnet haben.
Kein Anspruch auf eine Art Hirarchie:

Das WK, komplett, mit Samuil Feinberg.
der spielt das einfach als Musik, die das Gemüth bewegen soll, anders irgendwie als "alle anderen", verzeih mein pauschales Urteil.
Man kann den Stimmen sehr gut folgen, Feinberg gewichtet sehr genau. Und doch spielt er irgendwie "romantisch", läßt Raum für die Melodie und das Gesangliche. Und bei ihm habe ich erfahren, daß das auch Miniaturen sind, die im Einzelnen ganz unterschiedliche Emotionen erwecken können. Und auch, daß der zweite Band noch reicher ist als der erste.

Die h-moll-Messe mit Fasolis.
Nicht nur, daß man den Unterschied hört zwischen der 1733 entstandenen Missa aus Kyrie und Gloria und dem später, 1749, angefügten "Rest". Das Crucifixus ist Oper! Man hört regelrecht die Hammerschläge, die Nägel und den Schmerz. Und in "Et resurexit" ein wirkliches Auffahren, das reißt aus dem Sessel! Fasolis macht da einen richtigen Freudentaumel.

Eine wunderbare Platte, unbedingt den Text im Beiheft lesen!:
"De occulta philosophia" bei Glossa mit Emma Kirkby, Carlos Mena und Jose Miguel Moreno.
Eine Musikwissenschaftlerin hat entdeckt, daß "zwischen den Zeilen" der Chaconne der zweiten Partita für Violine solo Choralfragmente eingebettet sind, die sich harmonisch ergeben, daher gehört werden können, aber nicht zwingend gespielt werden müssen.
Die "Morimur"- Platte bei ECM versuchte etwas später, das hörbar nachzuvollziehen, mit riesigem (komerziellen) Erfolg, aber die Glossa- Platte ist ja so viel inniger und liebevoller.
Da Bach mit Sicherheit die "Chromatische Fantasie und Fuge" komponiert hat, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen angesichts des Todes seiner ersten Gattin, so scheint es, hat er das noch einmal innerhalb dieser Chaconne getan.

Der Pianist Valery Afanassiev hatte einst vor, das WK aufzunehmen, hat das auch getan, aber ist vorher durch die Gegend gefahren und hat Bürger auf der Straße angesprochen und sie nach ihren Erlebnissen zu Bachscher Musik gefragt.
In Amsterdam sind ältere Leute spontan in Tränen ausgebrochen als sie erzählten von der "Matthäuspassion" 1939 unter Mengelberg. Und genau die gibts heute immer noch auf CD.
Da ist nichts authentisch im Sinne der historischen Aufführungspraxis, aber alles authentisch, was diese Gewalt der Gefühle in dieser Musik angeht.
Auf Wunsch setze ich die Liste gern fort, jetzt soll es genügen, denn den Kosmos entdeckt man in kleinen Schritten.
Ganz herzliche Grüße, Mike
chill33hh
Ist häufiger hier
#46 erstellt: 27. Mai 2011, 10:19
Ich hoffe es ist okay wenn ich in diesem nicht ganz neuen Thread etwas beitrage- ich habe ihn komplett und mit Genuss gelesen.


Martin2 schrieb:

Wie gesagt, das wohltemperierte Klavier gefällt mir inzwischen ganz gut. Es hat den Brandenburgischen inzwischen den Rang abgelaufen. Ich finde es teilweise sehr introvertiert und manchmal sind es auch nur Miniaturen. Ich habe da das Gefühl, daß Bach da wirklich zu sich selber kommt.


Ich hörte als Kind das WTK eigentlich täglich nach der Schule- muss vielleicht dazusagen, dass ich einige Zeit Mitglied der Regensburger Domspatzen gewesen war und so mehr oder minder zwangsweise auf Klassik geeicht.

Das hier viele Stücke tatsächlich nur Miniaturen sind, ist normal wenn man den Hintergrund betrachtet. Ds WTK war ja als Anschauungsprojekt ausgelegt um zu zeigen, welche musikalischen Möglichkeiten die unsaubere Stimmung von Instrumenten barg. In diesem Sinne war es natürlich ein Lehrstück und es ist nicht verwunderlich, dass es im ersten Eindruck schulmeisterlich wirken kann. Bach WAR Musiklehrer und Cantor.

Die Qualität der einzelnen Werke im WTK variiert. Man mag das auch aus der Situation heraus betrachten, in der das Werk entstand. Bach arbeite nicht nur fleissig sondern er arbeitete wie ein Wahnsinniger. Nicht freiwillig sondern weil er ein ganzes Rudel Kinder zu ernähren hatte und leider nicht die gutdotierten Stellen besass, die ihm Muse gegeben hätten. Ich kenne Menschen die klagen, sie hätten keine Ruhe mehr beim Musik*hören* seit sie Eltern sind. Bach hatte Kinder sozusagen Dutzendweise und neben der Tätigkeit als Komponist gab er Unterricht und war Chorleiter. Er wird nicht viele ruhige Minuten gehabt haben.

Am WTK schätzte ich immer, dass es auf eine kühle und erfrischende Art beruhigende Musik ist für mich. Es ist komplex, es ist "mathematisch", es ist wie ein tiefes Durchatmen in Bergluft. Das ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass diese Musik eben Anschauungs- und Lehrzwecken diente und dazu, die neue Stimmung und deren Anwendung durch alle Tonarten zu zeigen. Aber das WTK beschränkt sich nicht darauf, auf einer anderen Ebene ist es eben nicht einfach nur gefühllose theoretische Konzeptmusik sondern voller feiner Nuancen und musikalischer Spielfreude.

Bach war als Komponist eher Diener als Star. Er verwendet keine grossen Effekte. Gerade das WTK stellt hohe Ansprüche an Interpret und Hörer. Ihn mit Mozart zu vergleichen ist problematisch- auf der einen Seite der pflichtbewusste, gläubige und hart arbeitende Bach, auf der anderen Seite der schon als Kind als Star gehandelte, leichtfüssige und unbekümmerte Mozart.

Mozart ist Rausch, Bach ist Klarheit. Der eine fröhlich, der andere freundlich. Beides hat seine Berechtigung und seine Zeit und seine Fans.

Das WTK kann man meiner Ansicht nach nicht beiläufig hören, als Hintergrundmusik ist es vollkommen ungeeignet und es sollte nicht in grossen Dosen am Stück gehört werden. Und anders als bei Mozart gibt es keine Gassenhauer darin.
Hüb'
Moderator
#47 erstellt: 27. Mai 2011, 11:00

chill33hh schrieb:
Ich hoffe es ist okay wenn ich in diesem nicht ganz neuen Thread etwas beitrage-

Immer gerne.


[Beitrag von Hüb' am 27. Mai 2011, 11:00 bearbeitet]
voivodx
Hat sich gelöscht
#48 erstellt: 27. Mai 2011, 11:22

Ich kenne Menschen die klagen, sie hätten keine Ruhe mehr beim Musik*hören* seit sie Eltern sind.


Ich vermute mal, dass sich die Frauen damals hauptsächlich um den Nachwuchs gekümmert haben.
Also konnte der in Ruhe komponieren. Sonst hätte der wohl kaum sein gigantisches Werk schaffen können.


Die Qualität der einzelnen Werke im WTK variiert.


So wie ich das sehe sind eigentlich alle Kompositionen auf höchstem Niveau. Aber es gibt wie bei allen Komponisten Stücke die besonders hervorstechen.
Die höre ich dann auch am liebsten. Bin nicht so der Fugen-Fan.
Aus dem WTK I gefallen mir besonders die Präludien 1+2(C-Dur und C-Moll).
Die 2 und 3-stimmigen Inventionen mag ich auch und die Goldbergvariationen. Hier gibt es auch einzelne Stücke die mir besonderes gefallen.


[Beitrag von voivodx am 27. Mai 2011, 11:23 bearbeitet]
chill33hh
Ist häufiger hier
#49 erstellt: 27. Mai 2011, 14:36
Zwar wird die Erziehung sicherlich auch Frauensache gewesen sein, aber Bach unterrichtete auch seine Frau und die Kinder- unter seinen Kindern befanden sich dann ja auch respektable Komponisten. Daneben schrieb er wohl wöchentlich die Musik für den Gottesdienst, leitete den Thomaschor und nahm nebenbei wohl auch noch Musikschüler an...

Dabei fällt mir ein, dass das Lehrbüchlein (Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach) für seine Frau einige sehr schöne Stücke enthält.
Joachim49
Inventar
#50 erstellt: 27. Mai 2011, 19:04

chill33hh schrieb:
Mozart ist Rausch, Bach ist Klarheit. Der eine fröhlich, der andere freundlich. Beides hat seine Berechtigung und seine Zeit und seine Fans.


Ehrlich gestanden kann ich mich weder mit der einen, noch mit der anderen Behauptung so richtig anfreunden.
Freundliche grüsse
Joachim
chill33hh
Ist häufiger hier
#51 erstellt: 27. Mai 2011, 19:06
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