Zelenka, Jan Dismas (1679-1745)

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FabianJ
Inventar
#1 erstellt: 09. Dez 2011, 03:03
Zu diesem Komponisten scheint es noch kein Thema zu geben. Dann wird es ja langsam Zeit!

In der Nähe von Prag geboren, verbrachte Jan Dismas Zelenka den größten Teil seines Lebens am Hof von August dem Starken von Sachsen. Er war ein sehr religiöser Mensch. So überrascht es kaum, dass der Großteil seiner Werke aus geistlicher Vokalmusik besteht.
Nach seinem Tod geriet seine Musik recht schnell in Vergessenheit. Schon zu Lebzeiten hielt sich sein Bekanntheitsgrad, im Vergleich zu Zeitgenossen wie Händel oder Telemann, in Grenzen. Auch am sächsischen Hof hatte er es schwer sich gegen andere Komponisten wie Johann David Heinichen und Johann Adolf Hasse zu behaupten. An der Qualität seiner Werke kann es aber kaum gelegen haben.

Erst in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurde seine Musik Stück für Stück wiederentdeckt. Zuerst seine Triosonaten und seine Orchestermusik. Erst später zog seine Vokalmusik die Aufmerksamkeit auf sich.

Ich weiß nicht wie das bei seinen früheren Messen ist, aber bei seinen späteren Messen ist sein Stil sehr markant. Falls man mal ein, zwei seiner Messen gehört hat, wird man fast sofort den Komponisten erraten können, wenn man (ohne vorher zu wissen um was es sich dabei handelt) eine seiner weiteren Messen hört.

Von seinen Werken gefallen mir derzeit besonders die Missa Votiva, das Miserere sowie seine Triosonaten. Bisher habe ich lediglich eine CD von Zelenka in meiner Sammlung, was sich aber in absehbarer Zeit ändern dürfte:

amazon.de

Bei Zelenkas Musik kann man mit dem Collegium 1704 wohl nicht viel falsch machen. Auch was das Ensemble sonst so von seiner Vokalmusik eingespielt hat und YouTube ist da eine wahre Fundgrube, gefällt mir ausgezeichnet.
Das von Il Fondamento aufgenommene Miserere gefällt mir ebenfalls sehr sehr gut.

Auf dem Gebiet der Kammermusik sind von Zelenka lediglich 6 Triosonaten (ZWV 181) erhalten geblieben. Das ist sehr schade, denn es ist sehr schöne Musik. Besonders die Nr. 4 gefällt mir ausgezeichnet.
Ungewöhnlich ist bei diesen Sonaten zum einen deren lange Spieldauer, zum anderen wohl auch die hohen Anforderungen, die sie an die Aufführenden stellen.

Der Leiter von Il Fondamento, Paul Dombrecht, war vor einigen Jahrzehnten auch bei einer Aufnahme dieser Sonaten beteiligt. Vor allem die Oboen klingen für mich bei diesen Aufnahmen irgendwie schöner als bei den ansonsten ebenfalls sehr schönen Aufnahmen mit Heinz Holliger und Thomas Zehetmair. Aber das nur am Rande...

Nachdem ich diesen Beitrag nun fertig geschrieben habe, können in den weiteren Beiträgen nun die Forumsmitglieder zu Wort kommen, die im Bezug auf diesen Komponisten wirklich wissen wovon sie reden.

Mit freundlichem Gruß
Fabian


[Beitrag von FabianJ am 09. Dez 2011, 03:09 bearbeitet]
Hüb'
Moderator
#2 erstellt: 13. Dez 2011, 15:34
Sehr schöner Erföffnungsbeitrag.
Hoffentlich findet sich noch jemand berufen, dem die Musik Zelenkas am Herzen liegt.

Grüße
Frank
flutedevoix
Stammgast
#3 erstellt: 14. Dez 2011, 20:56
Ein Zelenka-Thread! Eine tolle Idee! Sobald mein weihnachtlicher Konzertstreß vorbei ist, könnt ihr mit meinen Beiträgen rechnen!
FabianJ
Inventar
#4 erstellt: 16. Dez 2011, 00:17
Gut, also brauche ich hier nicht den Telemann oder eine andere Barockgröße schlecht zu machen, um eine Antwort zu provozieren.

jpc.de
Inzwischen ist obige Doppel-CD mit den Triosonaten mit Paul Dombrecht, Marcel Ponseele, Ku Ebbinge, Danny Bond, Chiara Banchini, Richte Van der Meer sowie Robert Kohnen hier eingetrudelt. Die ersten vier Sonaten habe ich mir inzwischen in Ruhe angehört.

Recht beliebt scheint auch diese Aufnahme zu sein, welche mir bei YouTube mal angehört habe:
jpc.de

Was auffällt ist, dass bei den beiden Gesamtaufnahmen die Instrumente recht verschieden klingen, besonders die Oboen. Mir persönlich gefällt der etwas wärmere Klang bei der Dombrecht-Aufnahme besser. Sehr schön gespielt sind sie allerdings beide.

Was für die Holliger-Aufnahme spricht, ist wohl die bessere Aufnahmequalität. Von dieser kenne ich (wie gesagt) bisher nur Streamingvideos, aber bei den Dombrecht-Aufnahmen sind hin und wieder Knistergeräusche zu hören. Zwar nicht stark genug um mir den Spaß an der Musik zu vermiesen, aber doch wahrnehmbar. Die Paul Dombrecht-Gesamtaufnahme wurde in den Jahren 1982 und 1988 aufgenommen, also wohl deutlich früher als die von und mit Heinz Holliger.

Wer sehr empfindlich ist, was Störgeräusche betrifft, wird mit der Holliger-Gesamtaufnahme wohl mehr Spaß haben. Ich für meinen Teil bin mit der kürzlich erworbenen Doppel-CD aber sehr zufrieden. Das Booklet hätte ich mir aber noch etwas umfangreicher gewünscht.

Die Angaben dazu, welcher der Musiker nun in welcher Sonate mitspielt, sind ein bisschen widersprüchlich. Ich hätte gerne gewusst ob Cembalo und Violoncello in jeder Sonate vorkommen. Die beiden Instrumente werden wohl für die Bassstimme zuständig sein, aber sind die wirklich beide in allen Sonaten dabei?

Mit freundlichem Gruß
Fabian
arnaoutchot
Moderator
#5 erstellt: 16. Dez 2011, 00:44

FabianJ schrieb:
Was für die Holliger-Aufnahme spricht, ist wohl die bessere Aufnahmequalität.


Die Holliger-Aufnahme finde ich klanglich und inhaltlich exquisit, sie ist allerdings ECM-typisch eher kühl und weiträumig aufgenommen. Wer einen wärmeren Barockklang bevorzugt, könnte enttäuscht sein.

Hier noch zwei weitere, die ich schätze: Das Requiem auf dem schweizerischen Claves-Label (1985) und die Capricci No. 1 - 5, die in direktem Zusammenhang mit den Triosonaten stehen (ist auch die gleiche Besetzung, Panton Rec. Czech Republic 1993, Suk Chamber Orchestra).

amazon.de CCF15122011_00000
arnaoutchot
Moderator
#6 erstellt: 16. Dez 2011, 00:54
Nur der guten Ordnung halber sei noch erwähnt, dass es zwei Aufnahmen der Triosonaten von Holliger gibt. Auch noch eine frühere von 1972, aber praktisch mit den gleichen Musikern. Ich kann nicht sagen, welche musikalisch besser ist, klanglich sicherlich die 1997er ECM.

amazon.de
Kreisler_jun.
Inventar
#7 erstellt: 16. Dez 2011, 01:22
Die Archiv-Aufnahme dürfte eine der ersten dieser Musik gewesen sein (evtl. gibt es noch etwas ältere tschechische). Zwar noch ein wenig Geheimtipp, aber mindestens die Triosonaten sind seit den 70ern vergleichsweise bekannt.

Ich besitze nur die von Florian schon genannte CD mit Dombrecht u.a. Die Nebengeräusche sind, soweit ich höre, Spiel/Klappengeräusche der Blasinstrumente, etwas direkt aufgenommen. Gefällt mir sonst aber sehr gut. Ich höre sie gerade; es ist allerdings schon einiges her, dass ich das das Letzte Mal gehört habe.

Von den Orchesterwerken gibt es eine komplette Einspielung sehr preiswert auf cpo, die habe ich mir vor Jahren auch mal gekauft, und sie ist zumindest ordentlich. Ich besitze dann noch zwei Einzel-CDs mit bekannten Orchesterstücken, eine mit dem Freiburger BO, eine mit Dombrechts Ensemble.
Und noch eine mit geistl. Musik, an die ich aber überhaupt keine Erinnerung habe (Bernius, Missa dei fili und Litaneien)

jpc.de jpc.de
jpc.de
Kreisler_jun.
Inventar
#8 erstellt: 16. Dez 2011, 15:59
Vielen Dank übrigens für den Hinweis auf die Missa votiva. Die Schnipsel hören sich ziemlich interessant an, wird auf den Wunschzettel gesetzt. Ich werde auch die einzige CD mit geistlicher Musik von Zelenka, die ich besitze, mal wieder anhören.

Falls Du es noch nicht kennst, Fabian, solltest Du mal Händels "Dixit Dominus" anhören. Der dramatische Eingang scheint mir in eine ähnliche Richtung wie das Kyrie von Zelenkas Messe zu gehen.
flutedevoix
Stammgast
#9 erstellt: 02. Jan 2012, 13:55
Zelenka ist definitiv einer der unterschätzten Komponisten des Barock.

Auf der einen Seite waren lange nur seine Sonaten bekannt, bei denen ich übrigens auch sehr für Dombrechts Einspielung werben möchte, auf der anderen Seite lagen einige kirchenmusikalische Werke gut zugänglich, z.T. sogar in einer modernen Edition in Notenform vor, ohne beachtet zu werden. Interessanterweise dürfte er einer der Komponisten sein, deren Renaissance nicht in erster Linie von der Platte ausging, die vielmehr zuerst in der kirchenmusikalischen Praxis und im Konzertsaal wieder präsent waren bzw. zumindest präsenter als auf CD. Interessant, daß die Rezeption seiner Werke in unserer Zeit somit eine gewisse Parallele zur Rezeption seines Schaffens zu seinen Lebeiten aufweist.

Zelenka hat sich kompositorisch einen ausgeprägten Personalstil erworben, der ihn bene als bedeutenden Komponisten ausweist. Seine Werke wissen nicht in erster Linie mit eingängigen Melodien oder einer leicht fasslichen Effekthascherei (das ist nicht so böse gemeint wie es klingt) zu überzeugen sondern vor allem mit ihrer emotionalen Tiefe. Vielleicht liegt darin auch ein Grund, warum er es in der Rezeption durch die Zeitgenossen und in unserer Zeit schwer hatte und hat. Ich schätze seine Musik aber in ihrer Faktur und emotionalen Tiefe wesentlich höher ein als die seiner Zeitgenossen Heinichen oder Hasse.

Neben den hier bereits erwähnten CDs mit Werken Zelenkas möchte ich noch eine weitere CD mit berührender und zugleich repräsentativer geistlicher Musik Zelenka anführen:

jpc.de

Es handelt sich hier um die Vertonung des Requiems für den sächsischen und polnischen König August der Starke. Zelenka ist es in seiner Komposition gelungen kongenial den weltlichen Glanz und den Prunk, der am Hofe August des Starken herrschte und Abglanz und zugleich auch Legitimation seine absolutistischen Herrschaft war, einzufangen und ihn mit der Drammatik und den schmerzlichen und zugleich innigen Affekten der katholischen Totenmesse zu verbinden. Die Aufnahme durch das tschechische Ensemble ist superb und maßstäblich. Eine CD für die einsame Insel eines Liebhabers barocker Musik. Eine Einschätzung, die in gleichem Maße übrigens auch für die Einspielung der Missa votvia durch das gleiche Ensemble gilt!

Interessant ist auch eine CD mit einer weiteren Messe in der Einspielung unter Frieder Bernius:

jpc.de

Auch wenn die Einspielung nicht so gelungen ist wie die Aufnahme des Requiem zeigt sie doch in exemplarischer Art und Weise die hohe kompositorische Qualität Zelenkas auch in seinem "Alltagsgeschäft", der Meßvertonung!


[Beitrag von flutedevoix am 02. Jan 2012, 14:15 bearbeitet]
FabianJ
Inventar
#10 erstellt: 03. Jan 2012, 01:59
Effekthascherei. Ich habe mal gelesen, dass das (die?) Orchester am Hof von August dem Starken zu den besten gehört haben soll, die es zu der Zeit gab. Wenn der Komponist auf so tolle Musiker zurückgreifen kann, ist es ja nicht verwunderlich, dass er davon auch mal Gebrauch macht.

Mit der jüngst erworbenen Zelenka-CD mit einer weiteren Requiem-Vertonung (ZWV 48) und einem Miserere bin ich auch sehr zufrieden:
jpc.de
Vor allem Letzteres hat die CD für mich interessant gemacht. Das Requiem und das De Profundis kannte ich vorher noch nicht, sie gefallen mir inzwischen aber ebenso gut.

Dazu muss ich allerdings sagen, dass es von dem Miserere noch einige andere Aufnahmen gibt und auch bei dieser Requiem-Vertonung steht Il Fondamento nicht völlig allein auf weiter Flur. Mir scheint so als ob dieses Miserere eines der am häufigsten aufgenommenen Werke dieses Komponisten ist.
Andere Aufnahmen dieser Werke kenne ich bisher nicht, es kann also sein, dass sich da noch Gleichwertiges oder Besseres finden lässt. Mir persönlich gefallen diese Aufnahmen jedenfalls, auch nach mehrmaligem Hören.

Das Miserere kann von dieser CD kann man sich auch auf YouTube anhören:
http://www.youtube.com/watch?v=4nAdVnAQ8n0

@Kreisler_jun.: Abgesehen von "The Messiah" kannte ich bisher kaum etwas von Händels geistlicher Musik. Bei seinem Dixit Dominus und dem Dettinger Te Deum habe ich das inzwischen nachgeholt. Gefällt mir.
Was Händels Musik betrifft, muss ich ohnehin noch die eine oder andere Bildungslücke bei mir schließen.

Mit freundlichem Gruß
Fabian
Kreisler_jun.
Inventar
#11 erstellt: 15. Apr 2012, 14:36
Bei jpc gibt es gerade die Carus-Einspielung der Missa Votiva im Angebot (9,99). Hat jemand vielleicht sowohl diese als auch die mit dem Collegium 1704 gehört? von den Schnipseln gefällt mir Bernius ziemlich gut!
Kaddel64
Hat sich gelöscht
#12 erstellt: 15. Apr 2012, 21:36

Kreisler_jun. schrieb:
Hat jemand vielleicht sowohl diese als auch die mit dem Collegium 1704 gehört?

Ich kenne nur die von Bernius, und die gefällt mir auch ziemlich gut. Aber lies mal hier: Miass Votiva: Luks vs. Bernius
Kreisler_jun.
Inventar
#13 erstellt: 15. Apr 2012, 22:11
Nach den Schnipseln kann ich die Charakterisierung nachvollziehen: Bernius wirkt straffer und etwas "cool" gegenüber dem auch klanglich wärmeren und stärker rhetorischen Aufnahme von Luks. Ich habe aber keine so klare Meinung, was ich besser finde... Entscheidung vertagt, aber das Stück muss ich mir wirklich bald anschaffen, gefällt mir ganz großartig nach den Beispielen zu urteilen.
FabianJ
Inventar
#14 erstellt: 22. Apr 2012, 13:47
Nun habe ich mir die Aufnahme mit Frieder Bernius noch nicht anhören können, aber ich denke mal mit der Aufnahme mit dem Collegium 1704 wirst du nicht viel verkehrt machen können. Das ist nach wie vor eine meiner liebsten CDs in meiner Sammlung.

Ansonsten gibt es auch bei YouTube eine Aufnahme der Messe mit diesem Ensemble. Die Aufnahme ist zwar nicht an demselben Tag entstanden wie die auf der CD, kommt der CD-Version ansonsten aber sehr nahe:

http://www.youtube.c...t=PL5360BEE835C2840D
Martin2
Inventar
#15 erstellt: 03. Jun 2012, 20:20
Ich besitze die von Kreisler Jr weiter oben gepostete CD mit dem Freiburger Barock Orchesters. Und nun ja, wenn man die hört, begreift man, warum Zelenka geschätzt wird. Trotzdem kann ich nicht sagen, daß mich die Musik Zelenkas sonderlich anspricht, es gibt glaube ich genialere Musik als gerade diese. Es ist aber mal ganz nett, den Zelenka zu hören.
FabianJ
Inventar
#16 erstellt: 04. Jun 2012, 20:43
Von den Triosonaten abgesehen, sind die wirklich herausragenden Werke des Komponisten für mich ausschließlich im Bereich der geistlichen Vokalmusik zu finden.

Klar hat er auch ein paar schöne Orchestersuiten geschrieben, so wie Haydn auch ein paar schöne Klavierkonzerte schrieb. Nichts gegen Haydns Klavierkonzerte oder die Orchestersuiten, aber wenn ich darüber grüble welche Werke der beiden Komponisten mich besonders begeistern können, dann kommen mir diese Werke nicht zuerst in den Sinn. Da gibt es genialere Musik. Auch von den Komponisten selbst.

Ich denke da z. B. an die Missa votiva, das Requiem (ZWV 46), die Missa dei filii oder seine Miserere-Vertonung (ZWV 57).

Mit freundlichen Grüßen
Fabian


[Beitrag von FabianJ am 04. Jun 2012, 20:46 bearbeitet]
Szellfan
Hat sich gelöscht
#17 erstellt: 28. Jun 2012, 22:23
Hallo Fabian,
mich freut wirklich Dein Interesse an Zelenka. Wie flutedevoix schon schrieb, an einem der unterschätztesten Komponisten des 18 Jahrhunderts.
Insofern war ich auch so frech, Dir den Mondonville ans Herz zu legen.

Natürlich war die Geistliche Musik Zelenkas sein Hauptbetätigungsfeld, darum die Geistliche Musik auch die jenige, in der man ihn am ehesten "findet". Aus einer Biografie sogar hier ausnahmsweise zu schließen, die Musik, in der er sich mit all seinen Zweifeln und seinem Suchen, seinem Eigensinn, seinem auf so seltsame Art zurückhaltendem Fordern..., selbst am besten "abbildet".
Dennoch würde ich seine Instrumentalmusik keineswegs unterschätzen!
Die Triosonaten sind allerhöchste Kunst der Musiksprache, egal, welchen Maßstab man ansetzen möchte. Sowohl in ihrer Konstruktion, in ihrem Bezug auch zur Religiosität (in der dritten Sonate die Besetzung der Violine, um Es-D-G, also Soli Deo Gloria, spielbar sein zu lassen) als auch insbesondere in ihrer emotionalen Tiefe, erklärt am besten nicht durch die Trennung meiner Argumentation in Segmente, sondern deren Einigung.
Daß die Orchestermusik sich Dir nicht so unmittelbar erschließt, wundert mich dabei nicht.
Auf der Dombrecht-CD steht "Prag 1723". Dieses Jahr scheint für Zelenka eins der glücklichsten seines Lebens gewesen zu sein, dementsprechend fällt die Musik auch durchaus übermütig aus. Nur eben: eigentlich unspielbar!
In der alten Aufnahme mit der Camerata Bern stöhnt Barry Tackwell im Booklett, daß selbst auf dem Ventilhorn die Partien nicht zufriedenstellend spielbar sein, kein Wort wird darüber verloren bei Jürgen Sonnentheil bei CPO, aber das ist auch nicht nötig. Jeder hat Ohren.

Gesetzt den Fall, wir hätten heute jene damals so hochgelobten "Böhmischen Hornisten", die auch am Dresdner Hofe tätig waren, aber selbst ein dicker Mann in London seinerzeit Händel mit ihnen abschloss, Partien zu komponieren, gesetzt den Fall, wir hätten deren Kunst heute, würden wir mit Sicherheit auf unsern CDs kein "schaumgebremstes Pilsener" hören, sondern spritziges Böhmisches Bier.
Die Instrumentalmusik Zelenkas ist nicht nur besser als wir heute vermuten, weil uns die Unmöglichkeit gegenübertritt, sie adäquat auch nur zu spielen, sie ist einfach auch besser als sehr vieles, das damals auch komponiert wurde. Ich wage diese Behauptung, weil ich Graupner, den ich sehr schätze, Molter, Heinichen, Fasch...., diesen Kompositionen gegenüberstelle. Wertungen möchte ich zwar meiden, was mir hier dennoch schwerfällt.
Johannes "flutedevouix", der so ziemlich alles Holz bläst, das sich blasen läßt, möge hier bitte über eigene Erfahrungen berichten...und wohl auch über auch schmerzende Ohren, so nah an den sich quälenden Hornisten.
Herzliche Grüße, Mike


[Beitrag von Szellfan am 28. Jun 2012, 22:24 bearbeitet]
Joachim49
Inventar
#18 erstellt: 06. Sep 2012, 22:56
jpc.de
Diesen Zelenka gibt's z.Zt. fast umsonst (zusammen mit dem Katalog der HMD). Ich bin überrascht und begeistert von der Qualität dieser Musik, die ich aus einem unbegründeten Vorurteil heraus bisher unterschätzt habe.
flutedevoix
Stammgast
#19 erstellt: 07. Sep 2012, 12:50
Lieber Joachim,
schön Dich im Bunde der von Zelenka inspierierten Hörer begrüßen zu dürfen! Die Aufnahme von Bernius ist ordentlich, aber du solltest unbedingt in eine (oder am besten mehrere oder gar alle) der folgenden CDs investieren:

jpc.de jpc.de

jpc.de

Was bei Bernius odrentlich musiziert ist, technisch und rhetorisch über jeden Zweifel erhaben aber nicht besonders inspiriert, das füllt Vaclav Luks mit Wärme, Leben und Emotion. Viel bemüht, aber der Vergleich ist dennoch mehr als angebracht: wie Sekt (Luks) und Selters (Bernius). Nebenbei ein Beweis, wie wichtig auch in der historischen Aufführungspraxis Interpretation ist, aber eben auf dem Boden des Handwerks der Entstehungszeit, mit dem und auf dem die Werke geschaffen wurden.


[Beitrag von flutedevoix am 07. Sep 2012, 12:52 bearbeitet]
Szellfan
Hat sich gelöscht
#20 erstellt: 08. Sep 2012, 11:09
Hallo Joachim,
und hier kann ich mich Johannes wieder nur anschließen.
Bernius ist gut, aber Luks, das schrieb ich ja andernorts schon, erreicht das, was Johannes schreibt und ich schrieb.
Im "Was hört ihr gerade jetzt" der link zum youtube-Video mit Luks und der "Missa Omnium Sanctorum", ein "Unbedingt"!
Entschuldige den Quervergleich, der uns bei Klemperer abgeht: Freude und Lust an der Musik, mit Perfektion. So soll das sein.
Mike
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