Von Mehrheitsfakten und Missionierungsneurosen – Das virtuelle Verhalten in Foren

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soundrealist
Gesperrt
#1 erstellt: 26. Jun 2017, 10:03
Foren sind eine nützliche Sache. Man kann sich Rat einholen, selbst Vorschläge unterbreiten und sich mit gleichgesinnten über gemeinsame Interessen austauschen.
Fast immer sind dabei aber – egal was für eine Interessensplattform – Verhaltensmuster zu beobachten, die scheinbar irgendwie stets nur in der großen Welt des WWW in Erscheinung treten. Dinge, die im realen Leben nahezu unvorstellbar, im Netz aber an der Tagesordnung sind. Warum ist das so ?

Zu beobachten ist zunächst mal fast immer eine Aufspaltung in „zwei Lager“, wobei ich hier ganz bewusst nicht auf das HF Bezug nehmen möchte, diesbezüglich gibt es ja schon gesonderte Threads bis zum Erbrechen. Und um inhaltliche Themen soll es hier ja auch gar nicht gehen.

Nehmen wir also mal beispielhaft ein Forum für „übergewichtige Menschen“: Sich so zu akzeptieren, wie man ist, darf zunächst als grundsätzlich positiv gewertet werden. Sobald dann aber irgend jemand gesundheitliche Aspekte mit ins Spiel bringt oder den Wunsch äußert, doch etwas für seine Figur tun zu wollen, wird er sofort als Person ohne Selbstvertrauen niedergemacht. Womit wir dann schon beim nächsten Punkt angelangt wären….. die eigene Überzeugung als unabdingbare Mission, die es so lange durchzupeitschen gilt, bis der jeweils andere diese Ansicht ebenfalls teilen muß (was dann aber so gut wie nie der Fall ist) Warum nur ?

Andere User beobachten solche Threadverläufe, folgen nicht selten der rethorisch besseren Argumentation und machen diese zu ihrer eigenen. So entstehen „kollektive Mehrheitsfakten“, deren Wahrheitsgehalt irgend wann erst gar nicht mehr hinterfragt wird. Man muss etwas nur laut und oft genug wiederholen.

Nicht selten ufert das ganze dann auch noch verbal aus, von spitzen Bemerkungen über gesunden Zynismus bis hin zu persönlichen Beleidigungen umfasst die Bandbreite das komplette Spektrum an „Maßnahmen“, um seinen Dialogpartner ganz bewusst in Rage zu bringen. An diesem Punkt angelangt, steht die Sache selbst dann längst nicht mehr im Vordergrund .

Diese Art von Konversations-Dynamik ist im realen Leben eher selten zu beobachten. Höflichkeit, Respekt vor dem anderen, die Bereitschaft zuzuhören und ggf. auch mal eigene Standpunkte zu revidieren….. all das scheint außerhalb des Bildschirms viel eher möglich zu sein.

Woran liegt das ? Warum verhalten sich Menschen da so komplett anders ?
kölsche_jung
Moderator
#2 erstellt: 26. Jun 2017, 10:49
Im Hinblick auf keine Politik und keine Religion im Forum würde ich das Thema vielleicht doch ein bischen HiFi-näher ziehen ... aber du beschreibst da ja 2 Phänomene, Rechthaberei und Rücksichtslosigkeit

Das erste von dir beschriebene Phänomen sieht man ja hier auch häufig ... User A sucht irgendein Produkt ... User B empfiehlt (immer und überall, wo es um eben jenes Thema geht,) sein eigenes Equipment ...

woran das liegt? ... Darüber kann ich nur rätseln (ich habe nämlich nicht Psychologie studiert) ... ich vermute darin einen ordentlichen Mangel an Selbstbewußtsein ... Leute brauchen diese Überhöhung der eigenen Meinung, um ihre eigene Mittelmäßigkeit auszugleichen ...
Nicht das Mittelmäßigkeit etwas schlechtes wäre ... ich selber würde mich und mein Leben als "mittelmäßig" bezeichnen ... aber das kollidiert doch schon stark mit dem "ich will der Beste sein"-Gedanke unserer modernen Leistungsgesellschaft

... dies verbunden mit der Anonymität des Netzes führt dann zum 2ten Phänomen ... es ist ja völlig "gefahr- und aufwandslos" möglich, sich zu "Re-Inkarnieren" ... habe ich zB meinen hiesigen account "verbrannt", bin ich nur wenige Klicks von einer neuen Identität entfernt ... im "realen Leben" ist das nicht ganz so einfach, da muss man halt respektvoller miteinander umgehen, man kann ja nicht alle "naslang" Job, Wohnort und Freundeskreis wechseln
kinodehemm
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 26. Jun 2017, 11:44

... ich selber würde mich und mein Leben als "mittelmäßig" bezeichnen .

du neigst halt zu Euphemismen

Ich sehe das Problem eher da, das man ja hier in einer virtuellen Welt des Wortes diskutiert - und da ist der jeweilige Werkzeugkasten halt sehr unterschiedlich bestückt...
Hinzu kommt der allgegenwärtige Neid auf das, was andere vorgeblich haben > Frustration > trollen#

Das meist das eigene Geraffel empfohlen wird, liegt schlicht am zur Verfügung stehenden Erfahrungshorizont.
speedcore
Inventar
#4 erstellt: 26. Jun 2017, 12:43
Eine Erklärung ist die Anonymität, mit der man -ohne sein Gesicht zeigen zu müssen- kräftig austeilen kann, ohne gleich eine Retour in Form eines Fausthiebs ertragen zu müssen.

Also ich persönlich bin da auch mutiger und lasse mich eher zu unfreundlichen Aussagen hinreissen. Aber wenn hier Leute Auskunft fordern, die schon in den FAQs und unseren Zusammenfasssungen, in Anleitungen stehen... sehe ich eine freundliche Hilfe auch nicht immer ein :-P

Insgesamt ist das HIFI-Thema auch mit so vielen Produkten bestückt, dass es sicher niemand geben wird, der das beste und tollste, günstigste und klanglich schönste Produkt aus allen Bereichen kennen kann. Man kann nur aus seiner Erfahrung sprechen und selbst diese deutet jeder Mensch anders. So macht es die Sache noch schwieriger auf einen Nenner zu kommen.
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