Alltag eines Radio-DJs in den 50er bis 80er Jahren

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Akai_Reference_Master
Ist häufiger hier
#1 erstellt: 21. Apr 2018, 01:43
Hallo allerseits!

Oft mache ich mir Gedanken darüber, wie in den 50er bis 80er Jahren wohl der Alltag eines Radio-DJs aussah. Im Internet fand ich bisher keine Antworten auf meine (speziellen) Fragen. Das wären folgende:

1.) Ich gehe davon aus, dass das Musikprogramm hauptsächlich mit 7"-Single-Schallplatten gestaltet wurde. Da Schallplatten ja bekanntlich verschleißen, frage ich mich, ob man damals in gewissen Zeitabständen Platten und Nadeln getauscht hat.

2.) Wie hat der DJ sein Musikprogramm gestaltet? Wurde da ständig das Plattenregal durchstöbert nach Platten, die man in den nächsten Stunden spielen möchte? Gab es vielleicht eine Kiste mit Evergreens, eine mit den Charts, eine Kiste mit Sommer-Gute-Laune-Musik und eine für Regenwetter? :-)

3.) Wofür wurde das Spulentonband eingesetzt? Nur zur Wiedergabe von Interviews? Oder auch für Musik? Gab es vielleicht Bänder mit Songs, die häufig liefen? Nachteil wäre ja, dass die Reihenfolge immer die gleiche wäre...

4.) Wenn es Jingles gab - Kamen die vom Tonband? Das heißt, der DJ muss dafür sorgen dass es immer an der richtigen Stelle gespult ist. Man kann das Jingle ja mehrfach aufs Band bringen. Musste er somit nur Start und Stop drücken?

Freue mich schon auf Eure Antworten.

Gruß, Matthias


[Beitrag von Akai_Reference_Master am 21. Apr 2018, 01:46 bearbeitet]
Bollze
Inventar
#2 erstellt: 21. Apr 2018, 08:51
Der 24 Stunden Dudelfunk wurde erst Mitte der 80er in Deutschland einführt und kam gleichzeitig mit der CD- zum völligen Durchbruch.
Vorher gab es nur vereinzelte Sendung im Radio für "Chart/Dudelmusik" mit "DJs", sowas wie Wunschsendungen. Hitparaden oder irgendwelche Unterhaltungsmagazine.

Damals was das Tonband das Speichermedium Nr1 , aber auch ein Tonband verschleisst. Zu analogen Zeiten als gab es keine Alternative bei den aufnahmefähigen Tonspeichern im Studiobetrieb.
Die Musik kam von den Band oder von den Vinyl , später hat dann die CD diese Medien abgelöst..
Die Lebensdauer eine Vinyl-Single reichte damals aus oder man beschaffte sich bei viel gespielten Titeln eine neue Platte vermutlich..
In DDR kam die Musik fast immer von Band, die Westmusik würde von Vinyl kopiert oder von Westberliner Radio mitgeschnitten, es gab da sogar eine gewisse Art von Zusammenarbeit. Das heisst einige Radio- DJ in Westberlin haben extra für die Ost- Kollegen eine benötigte Platte gespielt, mitschnittfreundlich versteht sich, wie damals üblich.

Wer die Musikauswahl nun genau bestimmt hat, weiss ich nicht, ich denke die DJs im Westen. z.B. beim Rias waren ziemlich frei.
In der Mitte der 80er machte sich zunehmenden der Einfluss von Musik-TV bermerkbar. Die Charts-Musikauswahl folgte diesen Sendern.
In DDR gab es eine Quote für ein Mindesmass an heimischer Musik und zahlreiche Titel dürften nicht gespielt werden, z.B. Nena mit 99 Luftballons oder Udo mit den Sonderzug.
Heute gibt es sogar eine Software, die eine Musikauswahl vornimmt, Radio wie tief bist du gesunken..

Bei Youtube gibt es zahlreiche Video über die Rundfunkgeschichte...
Hier mal ein Blick in ein Studio Anfang der 90er, Musik kam von der Platte und bereist von der CD, auch eine Bandmaschine stand bereit.
Wenn man genau hinschaut erkennt man auch die Jinglemaschinen und ein Karussell mit den dazugehörigen Kassetten
https://www.youtube.com/watch?v=xi_nomV_r4E

Oder hier : ein Blick hinter die Kulissen der Europawelle SAAR
https://www.youtube.com/watch?v=Gf4AhUzbEaY

Hier kann man in alte Sendungen reinhören, manche Aufnahmen sind so gut, dass man das Vinyl knacken hört.
http://www.rias1.de/index.htm


[Beitrag von Bollze am 21. Apr 2018, 09:04 bearbeitet]
DigiAndi
Ist häufiger hier
#3 erstellt: 22. Apr 2018, 11:54
Wie mein Vorredner bereits erläutert hat, gab es damals ja keine 24/7-Dudelprogramme wie das heute der Fall ist. Auch beim Privatfunk sah das in der ersten Jahren noch anders aus als heute.

Vor allem DJs wie Thomas Gottschalk oder Werner Reinke brachten die Platten für ihre Sendungen selbst mit und fuhren die Sendungen damals auch schon selbst am "Diskplatz". Zuspielungen, d. h. z. B. das Sendungsthema ("Opener"), Interviews oder Beiträge kamen von Band und wurden oft nicht durch den DJ selbst, sondern durch den Techniker abgewickelt.

Außerhalb der DJ-Sendungen kam die Musik je nach Rundfunkanstalt mehr von Platte oder mehr vom Band. Vor allem öfter eingesetzte Stücke dürfte man auf Band kopiert haben, um die Platte (oder das Originalband, falls man den Titel als solches bekommen hat) nicht zu sehr abzunutzen und bei Bedarf davon einfach ein neues Band erstellen zu können.

Je nach Rundfunkanstalt wurden ab Anfang der 1980er Jahre dann auch Cart-Maschinen für Jingles und dergleichen eingesetzt.

Die Musikauswahl erfolgt damals entweder durch den DJ selbst oder durch eine Musikredakteure (die im Gegensatz zu heute ihren Sachverstand, ihr Musikwissen und bis zu einem gewissen Punkt auch ihre persönlichen Vorlieben einsetzten).

Ich empfehle zu dem Thema auch diese zwei Gespräche...
https://www.digiandi.de/zeitzeugen/werner-reinke/
https://www.digiandi.de/zeitzeugen/michael-rother/


Akai_Reference_Master (Beitrag #1) schrieb:
2.) Wie hat der DJ sein Musikprogramm gestaltet?


Das wirst du jeden persönlich fragen müssen, da das jeder Mensch anders machen wird. Je nachdem, welchen Bezug er zur Musik hat und wie er selbst Musik hört.


Akai_Reference_Master (Beitrag #1) schrieb:
3.) Wofür wurde das Spulentonband eingesetzt? Nur zur Wiedergabe von Interviews? Oder auch für Musik? Gab es vielleicht Bänder mit Songs, die häufig liefen? Nachteil wäre ja, dass die Reihenfolge immer die gleiche wäre...


Spulentonband wurde im Rundfunk nie eingesetzt. Spulen sind zum Arbeiten mit Tonband etwas enorm unpraktisches, weshalb grundsätzlich mit freien Wickeln auf Alukernen ("Bobbies") gearbeitet wurde. Das mit der Reihenfolge verstehe ich nicht ganz, denn auf einem Band war schlicht und ergreifend ein Titel und je nach Laufplan hat der Techniker die Bänder aufgelegt und abgefahren. Und der Laufplan war im Gegensatz zu heute nicht jeden Tag der gleiche. ;-)


Akai_Reference_Master (Beitrag #1) schrieb:
Das heißt, der DJ muss dafür sorgen dass es immer an der richtigen Stelle gespult ist. Man kann das Jingle ja mehrfach aufs Band bringen. Musste er somit nur Start und Stop drücken?


Auch hier: Ein Jingle, ein Band. Band auflegen, Regler aufziehen, los geht's.
DB
Inventar
#4 erstellt: 22. Apr 2018, 13:27

Akai_Reference_Master (Beitrag #1) schrieb:

Wenn es Jingles gab - Kamen die vom Tonband? Das heißt, der DJ muss dafür sorgen dass es immer an der richtigen Stelle gespult ist. Man kann das Jingle ja mehrfach aufs Band bringen. Musste er somit nur Start und Stop drücken?

Zu dem Zweck konnte man doch auch ein Stück Markierungsband (Trennband Gelb) einkleben.
fotoralf
Inventar
#5 erstellt: 27. Apr 2018, 21:15
Beim BFBS in Köln sah es Ende der 70er so aus:

Die DJs stellten sich ihre Sendungen selbst zusammen, wobei ein bestimmter Anteil des Tagesprogramms obligatorisch aus der Rotation kam. Die stand als Kiste mit Singles, nach Themen geordnet, in einer Ecke. Den Rest holten sie aus dem Schallarchiv oder brachten sie aus eigenem Bestand mit. Dazu wurden alle von den Plattengesellschaften bemustert, d.h. die hatten alle eine Bude voller Platten. Wenn einer versetzt wurde, hatten wir Techniker ein Fest, denn dann wurde der größte Teil der Platten aus dem Eigenbestand im Haus verschenkt.

Gesendet wurde ausschließlich aus Selbstfahrstudios. Tonträger waren überwiegend Singles, seltener LP, für die Musik. Jingles, Promos, Intros etc. kamen von Cart*, vorproduzierte Beiträge von Band.

*) 1/4-Zoll-Cassetten, Bandgeschwindigkeit 9,5 cm, mit Endlosband, das sich am Ende immer wieder automatisch auf den Anfang des Jingles gesetzt hat:

http://www.bbc.co.uk...ure/cartplayer.shtml

Ralf
Blechdackel
Inventar
#6 erstellt: 28. Apr 2018, 15:23
Ein Forum das sich speziell mit dem Medium Radio beschäfigt und wo es zu dem Thema noch mehr in der "Nostaligeecke" zu recheichieren gäbe ist hier:

https://www.radioforen.de/index.php?forums/nostalgieecke.20/
Suche:
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