Akustischer Kurzschluss: Welche dieser 2 Erklärungen stimmt?

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angschte
Stammgast
#1 erstellt: 31. Jan 2007, 19:15
Liebe Hifi-Gemeinde

Bei einer Diskussion über Lautsprecher wurde das Thema akustischer Kurzschluss angeschnitten - es endete in einer heftigen Diskussion über die Erklärung für dieses Phänomen. Welche der beiden Thesen ist nun richtig?

1. Theorie 1: Wie hier im Forum auch schön erklärt:

Wird die Membran des Chassis von Abb. 3 nach rechts bewegt, herrscht rechts ein Luftüberdruck, links Luftunterdruck. Da sich die Membran im Tieftonbereich jedoch relativ langsam bewegt (bis zu etwa 100 Schwingungen pro Sekunde), strömt die komprimierte Luft einfach nach hinten am Chassis vorbei, und gleicht den dort herrschenden Unterdruck wieder aus (Akustischer Kurzschluss), es entsteht kaum hörbarer Schall. Genau genommen „findet man den akustischen Kurzschluss immer dann, wenn die Wellenlänge größer ist als der doppelte Membrandurchmesser“ .

2. Theorie 2:

Durch die Rückwertig abgestrahlten Schallwellen (Die ja genau Phasenverkehrt sind im Vergleich zu den Frontseitig abgestrahlen) löschen die Frontseitigen Schallwellen aus (Stichwort: Destruktive Interferenz). Dies ist aber nur bei tiefen Frequenzen der Fall, da bei hohen die Wellenlänge zu Kurz ist im Vergleich zum Weg von "Hinter der LS-Membran" zur Frontseite...

Ich persönlich bin der Meinung das Theorie 1 die richtige Erklärung ist - sehe ich das Richtig? Gibt es eine bessere Definition eines akk. Kurzschlusses? In Wikipedia ist auch Erklärung 1 angeführt, aber Wiki stimmt ja nicht immer...

Vielen Dank und Grüsse aus der verschneiten Schweiz,

Fabian
KSTR
Inventar
#2 erstellt: 31. Jan 2007, 20:15
Hallo Fabian,

Beides ist richtig.

Theorie 1 beschreibt die physikalischen Vorgänge in direkter Umgebung des LS. "Akustischer Kurzschluss" ist etwas unglücklich bezeichnet, da es nur ein Teilschluss ist (und auch nur sein kann).

Theorie 2 berschriebt die Wirkung dieser Vorgänge im Fernfeld, also ausreichend weit weg.

Knackpunkt ist, dass das Ohr ein Schalldruckempfänger ist. Schallschnelle (d.h. die tatsächliche Luftbewegung) wird nicht wahrgenommen.

Zum Weiterlesen:
http://linkwitzlab.com/models.htm

Grüße, Klaus
richi44
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 01. Feb 2007, 16:10
Eigentlich ist der Ausdruck Kurzschluss grundfalsch.
Nehmen wir eine normale Netzzuleitung. Ohne Last haben wir einen unendlich hohen Widerstand, also keinen Strom und damit keine Leistung, es tut sich also nichts.
Nehmen wir eine Last (ein Lötkolben), so haben wir einen Widerstand, der einen Strom fliessen lässt und aus Strom mal Spannung haben wir eine Leistung.
Wenn wir jetzt einen Kurzschluss machen, haben wir keine Spannung mehr, aber einen riesen Strom. Durch den Strom fliegt die Sicherung raus, obwohl wir am Kurzschluss selbst keine Leistung haben.
So zumindest die Theorie.

Bei einem Lautsprecher haben wir dann eine akustische Last, also einen Strahlungswiderstand, wenn die Membran optimal an die Umgebungsluft angepasst ist. Das ist bei einer Hornkonstruktion der Fall. Dann wird soviel elektrische Leistung wie möglich in akustische Leistung umgesetzt.
Haben wir nur ein normales Gehäuse, wird die Anpassung der Luft an die Membran (oder umgekehrt) verschlechtert. Damit wird nicht mehr die volle elektrische Leistung in Lautstärke verwandelt, die Anpassung wird "hochohmiger", wenn man diesen elektrischen Begriff in die Akustik übesetzen wollte. Man sieht das auch daran, dass im Bereich der Eigenresonanz die Impedanz ansteigt, also die Sache tatsächlich hochohmiger wird, was beim Horn nicht der Fall ist.
Nehmen wir kein Gehäuse, so wird die Luft nur um den Membranrand herum bewegt, vermag aber nicht die Raumluft richtig zu bewegen. Hier wird die Sache so "hochohmig", dass keine Leistung mehr in den Raum abgestrahlt wird. Und hochohmig ist das Gegenteil von Kurzschluss.

Dass man es als "Kurzschluss" bezeichnen kann, liegt daran, dass es der kürzeste "Schluss" des Luftkreislaufes ist, wenn die Luft um den Membranrand "weht" und nicht in den Raum ausstrahlt.
Es ist also, wie Klaus sagt, eine Frage, ob man damit den Nahbereich oder die Fernwirkung der Luftbewegung betrachtet. Im elektrischen Sinne ist es jedenfalls klar.
Genau
Stammgast
#4 erstellt: 02. Feb 2007, 01:30
Hallo
Also ich finde der Ausdruck paßt schon ganz gut.

Ich hatte mal eine Vorlesung, da ging es um die Verknüpfung und Beschreibung von elektrischen und mechanischen Systemen, Elektromechanische Systeme hieß sie. Auch akustische Systeme wurden behandelt und da entspricht der Druck der Spannung und der Volumenstrom dem elektrischen Strom.

Ein Tieftöner alleine produziert nun einen hohen Volumenstrom, aber keinen Luftdruck, was einem Kurzschluß entspricht.

Das Horn hingegen produziert vor allem Druck, aber kaum Volumenstrom, was man ja auch daran erkennen kann, das sich die Membran kaum bewegt.
richi44
Hat sich gelöscht
#5 erstellt: 02. Feb 2007, 10:01
Hier sitzt ja eine weitere Krux an der Sache. Bei einem Horn sprechen wir von einem hohen Strahlungswiderstand, bei einem Chassis ohne Gehäuse von einem geringen Strahlungswiderstand.
Elektrisch ist ein hoher Widerstand ein Unterbruch, und demzufolge keine Funktion, beim Horn hingegen haben wir dank des hohen Strahlungswiderstandes die optimale Anpassung und damit die höchst mögliche Funktion.
Beim Chassis ohne Gehäuse haben wir den geringsten Strahlungswiderstand, was keine Funktion auslöst, während elektrisch gesehen (bis vor den echten Kurzschluss) eine Reduktion des Widerstandes eine Stromzunahme und damit eine höhere Funktion auslöst.
Man müsste also entweder elektrisch oder akustisch den Begriff Widerstand durch den Leitwert ersetzen, denn nur, wenn wir den elektrischen Widerstand mit seiner Folge des höheren Stroms dem akustischen "Leitwert" gleichsetzen, bekommen wir bei einer optimalen elektrischen wie akustischen Anpassung den höchsten Wirkungsgrad.

Oder man kann diesen Fehler auch anders darstellen: Wenn wir einem elektrischen Generator einen grossen Widerstand entgegenstellen (Last), haben wir eine kleine Leistung, mit einem kleinen Widerstand wird die abgegebene Leistung höher.
Bei einem fahrenden Auto aber haben wir einen Luftwiderstand. Ist dieser Widerstand gross, brauchen wir zur Bewältigung dieses "Luftproblems" mehr Leistung als bei einem kleinen Widerstand.

Elektrisch meinen wir den Widerstand, mechanisch aber die Auswirkung des Widerstandes, was dem Leitwert entspricht.
Earl_Grey
Inventar
#6 erstellt: 03. Feb 2007, 19:36

KSTR schrieb:
Beides ist richtig.


Interferenz in diesem Zusammenhang bedeutet, dass ein hoher Luft- bzw. Schalldruck mit einem niedrigen Luft- bzw. Schalldruck zusammentrifft und sich beide Anregungen zu einer Zustandsänderung dadurch auslöschen (Folge: keine Druckveränderung im Vergleich zum Ausgangszustand).
Deshalb beschreiben Theorie 1 uns 2 das Gleiche:
- Theorie 1 erklärt das Phänomen am konkreten Kontext und ohne das Wort Interferenz in den Mund zu nehmen - Eben "allgemeinverständlich"
- Theorie 2 ist dagegen IMO etwas "wissenschaftlich-abstrakter" formuliert: Leicht abgewandelt könnte der Satz auch allgemein "Interferenz" erläutern (Zwei Schallwellen egal woher treffen aufeinander).


[Beitrag von Earl_Grey am 03. Feb 2007, 19:40 bearbeitet]
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