Der Zauber der Armut - oder sind wir übersättigt?

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Martin2
Inventar
#1 erstellt: 23. Mai 2011, 22:26
In ein paar Wochen werde ich 50, dann gehöre ich, wie eine Bekannte sagte, wohl endgültig zu den alten Säcken. Kein Grund, sich steinalt zu fühlen, aber doch so ein Zeitalter der langsam abflachenden Midlifekrisis, in der man Dinge neu bewertet und sich die Frage stellt: Was will ich eigentlich mit meinem Leben? Und vor allem: Was ist wichtig?

Als junger Mensch hatte ich nicht viel Geld und es stellte sich die Frage: Was ist wichtig? in viel geringerer Dringlichkeit als heute.

Über diese Frage heutiger Kultur führe ich mit meinem Freund Mario langwierige Gespräche, die sicher manchmal auch kreisen, um immer dieselben Dinge kreisen.

Man kann sich dabei gewissermaßen auch einigeln - an meinen Eltern sehe ich es auch. Meine Eltern führen ihr Leben wie immer. Tagesschau gucken und mal den Tatort auf dem 1. oder Rosamunde Pilcher, einen Computer hat man sich irgendwann aufschwatzen lassen, aber er interessiert nicht sonderlich und Klassik CDs. Davon hat man ein paar und man hört sie gerne. Und neue Klassik CDs? Um Gottes Willen, nicht noch mehr neue CDs.

Von dieser Haltung geht für mich Ruhe aus. Meine Mutter möchte jetzt doch mal die Mahlersinfonien haben, ich werde vermutlich in diesem Forum mal nachfragen, was ich ihr da zum Geburtstag schenken, soll, eventuell auch keine Gesamtausgabe ( der Abravanel ist ja nicht mehr erhältlich), sondern vielleicht auch was zusammengestückeltes aus verschiedenen Interpretationen.

Wiegesagt: Von meinen Eltern geht Ruhe aus, vielleicht ein Privileg des Alters, wo man sich in einer gewisen Lebensweise eingerichtet hat, man weiß was einen interessiert und was einem schmeckt und man will gar nichts neues mehr und wenn dann doch mal etwas neues dazu kommt, freut man sich.

Generationenfragen. Meine Eltern: Bescheiden, nicht anspruchsvoll. Ich dagegen mit meinen vielen CDs. Und wenn ich dann irgendwann 80 bin und einem jungen Mann meine Klassik CDs schenken will, sagt der: "Laß mal Opi, ich kann mir das auch alles aus dem Internet runterladen."

Meine These wiegesagt: Wir sind übersättigt, es wird uns so verdammt leicht gemacht, noch an die tollsten Dinge heran zu kommen. Das Gefühl für den besonderen Wert einer Sache ist uns verloren gegangen. Ich möchte diese Erfahrungen nicht missen, dieses teils stolze, teils beglückte Gefühl, mit den Langspielplatten von Mahlers Sinfonien mit Abravanel nachhause gegangen zu sein, einen Riesenklotz, mit diesen golden schimmernden Langspielplatten. Oder diese Freude, am nächsten Mittwoch kommt auf dem NDR Brahms 2.

Natürlich ist meine Haltung möglicherweise auch wirklich sentimental. In der Marktwirtschaft gilt, was rar ist, ist wertvoll. In diesem Sinne mag Klassik auch mal einen materiellen Wert gehabt haben, dieser materielle Wert schwindet, aber heißt das, daß ein junger Mann von heute den Wert einer Mahlersinfonie deshalb nicht mehr zu schätzen weiß? Selbstverständlich weiß er ihn zu schätzen, wenn er denn dafür ein Gefühl aufbringt.

Trotzdem sind wir übersättigt; es wird uns zuviel von allem aufgedrängt. Weniger wäre da sicher oft mehr. Auswählen ist da die Devise, das gilt für die Klassik, das gilt aber sicher auch für viele Dinge. Dann aber auch suchen nach dem: Was interessiert mich wirklich. Man kann sich, wenn man will, den Lokalteil einer Zeitung aus einer Kleinstadt aus Oklahoma durchlesen. Das hat seinen bizarren Reiz.

Dafür muß man aber letzlich glaube ich auch jung sein. Da geht es weniger um die Systematik der Erfahrung als um ihre Universalität. Da will man auch mal die Bildzeitung gelesen haben, später hat man sie gelesen, weiß, was so ungefähr drin steht und weiß, daß man sie nicht mehr lesen muß.

Jugend ist dieses kostbare Gefühl, für jeden Unsinn Zeit zu haben, und die göttliche Ignoranz, sich für viele Dinge einfach dann doch nicht zu interessieren.

In dieser Hinsicht sind die jungen Leute von heute sicher so jung, wie ich mal jung war. In dieser Hinsicht sind mir junge Menschen auch nicht fremd, fremd ist mir dagegen dieses merkwürdige, na wenn ich was brauche, dann hole ich mirs mal und dies gilt jetzt weniger für den Mercedes 500 sondern für alles, was Information ist und zur "Information" gehört heute bizarrer Weise auch die klassische Musik, die als "Download" bereit steht.

Das ist ein Gewinn, aber eben anderseits auch ein Verlust. Wobei: Das ganz andere Verhältnis zur Kultur - das muß es wohl mal vor 200 Jahren gegeben haben, wo es keine Tonträger gab und klassische Musik ein Privileg adeliger Kreis gewesen war. Bücher waren teuer und Theater selten.

Kultur war eben etwas rares und deshalb kostbares, aber damit kommen wir wieder an diesen Punkt: Das ist eine marktwirtschaftliche Kostbarkeit, wirklich wesentlich im Leben ist, Dingen einen Wert, eine Kostbarkeit zu verleihen, die an sich völlig "wertlos" sein können. Die grünen Bäume kosten nichts, der Gesang der Vögel kostet nichts und trotzdem kann er mir kostbar sein.

In diesem Sinne "kostbar" wird - zumindestens auf Tonträger - auch klassische Musik sein, materiell ziemlich bedeutungslos, aber mir doch kostbar.

Vielleicht ist mein Problem also auch das einer Übergangsgeneration, die teilweise ins alte zurückreicht und teilweise ins neue hinein reicht, die sich zwar neuer Technik nicht völlig verschließt, aber dieser gewissen - auch materiellen - Kostbarkeit alter Tonträger mit einer gewissen Sentimentalität anhängt.

Klassische Musik aber sollte uns kostbar sein - jenseits aller materiellen Bedeutung. Von dieser letzten sollte man sich lösen. Es ist ein Sakrileg Mahlers 2. mit Abravanel beim Kartoffelschälen zu hören, gleichgültig, ob man diese auf einer kostbaren Schallplatte hört oder als 10 Cent Download aus dem Internet.

Das andere ist das Auswählen. Es ist bestimmt nicht schlecht gewesen, wenn Menschen früherer Zeit auch materiell wählen mußten, was ihnen wichtig war. Sie konnten sich Dostojewskis Schuld und Sühne kaufen oder Beethovens 5. Es ist offensichtlich, daß wir - zumindestens was klassische Kultur anbetrifft -, davon völlig weg kommen. Die Vorentscheidung dafür, was wir hören wollen oder lesen wollen, wird nicht an der Ladenkasse gemacht. Im Gegenteil finden wir uns mehr und mehr in der Situation wieder, daß wir irgendwie Zugang zu allem haben - soweit sind wir jetzt vielleicht noch nicht, aber darauf läuft es hinaus. Umso entscheidender wird dann die Frage: Was interessiert mich wirklich, was möchte ich hören, lesen, wissen.

Ich möchte mich da nicht einigeln wie manche, denen man tausend Möglichkeiten anbietet, die aber einfach sagen: Danke, ganz interessant, aber ich möchte einfach leben wie zuvor. Aber ich möchte mir schon die Frage vorlegen: Was ist mir wirklich wichtig und was hat für mich diese wirkliche "Kostbarkeit", diese Kostbarkeit von Gold, auch wenns materiell vielleicht nicht mal den Wert von Blech hat.

Gruß Martin


[Beitrag von Martin2 am 23. Mai 2011, 22:37 bearbeitet]
Klassikkonsument
Inventar
#2 erstellt: 24. Mai 2011, 04:21
Hallo Martin,


Martin2 schrieb:
Meine Mutter möchte jetzt doch mal die Mahlersinfonien haben, ich werde vermutlich in diesem Forum mal nachfragen, was ich ihr da zum Geburtstag schenken, soll, eventuell auch keine Gesamtausgabe ( der Abravanel ist ja nicht mehr erhältlich), sondern vielleicht auch was zusammengestückeltes aus verschiedenen Interpretationen.


seit Kurzem gibt es eine neue Ausgabe der Abravanel-Aufnahmen:

amazon.de

Viele Grüße
dedicated2audio
Stammgast
#3 erstellt: 24. Mai 2011, 04:27
Hallo,
Also Martin, schon einmal vorab alles gute zum baldigen 50er.


Martin1 schrieb:
Ich dagegen mit meinen vielen CDs. Und wenn ich dann irgendwann 80 bin und einem jungen Mann meine Klassik CDs schenken will, sagt der: "Laß mal Opi, ich kann mir das auch alles aus dem Internet runterladen."


Ja vielleicht, und eine handvoll Leute aus'm Hifi-Forum suchen genau die Aufnahme die du in deiner Sammlung hast.
Und die schwatzen dir auch noch deinen CD-Player ab.


fremd ist mir dagegen dieses merkwürdige, na wenn ich was brauche, dann hole ich mirs mal und dies gilt jetzt weniger für den Mercedes 500 sondern für alles, was Information ist und zur "Information" gehört heute bizarrer Weise auch die klassische Musik, die als "Download" bereit steht.


Vor kurzem habe ich eingescannte über 20 Jahre alte Amigajoker Hefte im Netz gelesen.

In einem der alten Leserbriefe stand das sich jemand entschieden hatte keine Raubkopien mehr zu Spielen weil er durch das Überangebot an Spielen unzufrieden wurde und keine Spiele ernsthaft spielte.
So hätte er wenige gute originale Spiele die ihn glücklicher machen.



In diesem Sinne "kostbar" wird - zumindestens auf Tonträger - auch klassische Musik sein, materiell ziemlich bedeutungslos, aber mir doch kostbar.


Alles materielle ist nur seinen gegenwert in Geld wert wenn man zu den Gütern keine emotionale Bindung hat.
Röhren haben für mich einen Wert weit über dem Materiellen Wert.


Meine These wiegesagt: Wir sind übersättigt, es wird uns so verdammt leicht gemacht, noch an die tollsten Dinge heran zu kommen. Das Gefühl für den besonderen Wert einer Sache ist uns verloren gegangen.

So funktioniert die gesteuerte Wegwerfgesellschaft.
Bar zu Zahlen ist emotional schwieriger als mit Plastik.



Ich möchte mich da nicht einigeln wie manche, denen man tausend Möglichkeiten anbietet, die aber einfach sagen: Danke, ganz interessant, aber ich möchte einfach leben wie zuvor. Aber ich möchte mir schon die Frage vorlegen: Was ist mir wirklich wichtig und was hat für mich diese wirkliche "Kostbarkeit", diese Kostbarkeit von Gold, auch wenns materiell vielleicht nicht mal den Wert von Blech hat.


Das ist ein schöner Absatz.
Was konkret willst du damit sagen?


Ein Tipp zum Zauber der Armut
Schlaf mal ab und an auf dem Sofa oder Boden.
Hör deine Musik mal einige Zeit auf einer Kompaktanlage.

Danach wirst du dir mit Sicherheit über einige punkte nicht mehr so viele Gedanken machen.

Gruß,
dedi
Hörbert
Inventar
#4 erstellt: 24. Mai 2011, 06:55
Hallo!

@Martin2

Vielleicht brauchst du einach ein wenig frischen Wind in deinem sein? Könnte es sein das sich bei dir ein wenig zu viel Routine eingeschlichen hat?

Vielleich bist du -was deine musikalischen Vorlieben betrifft-, auch ein wenig übersättigt und hast momentan zu viel vom gleichen, hier hilft es, -mir zmindestens-, eine Weile lang deine oft gehörte Musik einmal für inen längeren Zeitraum radikal wegzupacken und nur eine Auswahl der Stücke, Interpretationen und Komponsten zuzulassen die du weniger bis gar nicht hörst. Oder deine Anlage einfach mal einige Tage ganz auszulassen und statt dessen vor die Tür zu gehen und dich mit Sachen zu beschäftigen die du sonst eher selten machst.

Es wird Sommer, gehe mit Freunden zum Grillen, setze dich in ein Straßencafe oder zu einer der unzähligen Veranstaltungen die überall stattfinden. Lerne -wenn immer möglich- neue Leute kennen, untehalte dich einen Abend mit ihnen ud vergiß sie wieder.

MFG Günther
Martin2
Inventar
#5 erstellt: 24. Mai 2011, 15:11
@ Dede

Es geht mir selbstverständlich nicht darum die "absolute", die wirklich bittere Armut zu verklären. Da gibt es nichts zu verklären. Es geht mir nur um das irgendwie bescheidenere Leben. Also habe ich möglicherweise in die falsche Wortkiste gegriffen. Das passiert schon mal.

@Klassikkonsument

Danke für den Hinweis mit Abravanels Mahler. Na dann weiß ich ja eventuell schon, was ich meiner Mutter zum Geburtstag schenke.

@ Hörbert

Ja ich höre wirklich sehr viel. Anderseits gehört Musik hören wirklich zu den Dingen, die ich immer tun kann. Beim Lesen lese ich mich sehr schwer fest, auch Filme lese ich dann häufig nur bis zu Hälfte.

Ansonsten danke für Deine Ratschläge und Hinweise.

Gruß Martin
Hörbert
Inventar
#6 erstellt: 24. Mai 2011, 15:34
Hallo!

@Martin2

Das dir Musik seh viel bedeutet versteht sich, -wenn man dich vom Forum hier ein wenig kennt-. (fast) von selbst.

Aber ein wenig "fasten" schärft den Appetit auf´s neue. Ich gehe da halt einfach mal von mir selbst aus.

MFG Günther
Martin2
Inventar
#7 erstellt: 24. Mai 2011, 16:57
Hallo Günther,

jetzt hast Du mir keine Zeit gelassen, Dir zu Deinem 9999. Beitrag zu gratulieren. Jetzt hast Du also die magische Zahl der 10.000 Beiträge erreicht!

Ich gebe Dir, was die teilweise Abstinenz anbetrifft durchaus recht. Es ist nur so, Musik kann ich wirklich immer hören. Das geht mir sonst bei keiner anderen Sache. Wenn ich einen Spielfilm langweilig finde - und das geht mir oft so -, dann stelle ich ihn aus. Wenn mich ein Buch anödet, lege ich es zur Seite. 90 Minuten eines Fußballspiels überstehe ich nicht.

Es ist, wie ich immer wieder feststelle, die Musik, die mich wirklich ernährt, und bei der ich eigentlich auch nicht müde werde. Ich liebe sie, immer noch und immer wieder - nur die "ganz großen" Erlebnisse werden doch seltener.

Aber mir macht das Musikhören Freude. Nur fehlt mir gelegentlich die Konzentration, mich mit einer Sache wirklich tief auseinanderzusetzen. So müßte ich die Box mit den Streichquartetten der Wiener Schule etwa wirklich noch mal intensiver hören - das ist Musik, die mir nicht wirklich zufliegt, die aber wohl doch ihren Wert hat.

Also diese Intensität, sich auf eine Sache ganz einzulassen, geht mir inzwischen ein bißchen ab - da habe ich aber wie ich denke in der Jugend eine ganz gute Grundlage gelegt, weil es da, und das meine ich mit "relativer Armut", die wirkliche bittere ist grauenhaft, einfach weniger gab, mit dem ich mich beschäftigt hätte.

Gruß Martin
FabianJ
Inventar
#8 erstellt: 24. Mai 2011, 21:39
Hallo Martin,

Von meinem Blickwinkel aus gibt es weder ein Überangebot an Musik, noch ist der Zugang dazu zu einfach. Probleme bereitet mir persönlich eher ein Mangel an Platz (Wohin mit den ganzen CDs?) und Geld.

Viel gravierender ist allerdings der Mangel an Zeit. Bei mir ist es z. B. schon einige Zeit her, dass ich mal so viel freie Zeit am Stück hatte, um mir eine Mahlersinfonie komplett anhören zu können.

Natürlich hat man bei der Suche nach Klassik-CDs meistens eine sehr große Auswahl, welche gerade Klassik-Neulinge mitunter zu erschlagen droht (Welche CD von Beethovens 9ter nehm ich denn mal? ). Beim Heraussieben der Spreu können einem allerdings Bekannte, Klassik-Magazine sowie Webseiten wie diese behilflich sein.
Das Gute an der mitunter riesigen Auswahl ist, dass es zumindest bei den bekannteren Werken wie z. B. Beethovens Sinfonien für so ziemlich jeden Geschmack eine passende Aufnahme gibt.

Klar ist, neben vielen nicht so guten und mittelmäßigen CDs gibt es auch sehr viele CDs, die einem gefallen könnten. Weit mehr als man jemals hören, geschweige denn alles kaufen könnte.

Man muss also zwangsläufig filtern und sich überlegen worauf man besonderen Wert legt. Ich für meinen Teil muss zum Beispiel nicht unbedingt alle Meisterwerke der klassischen Musik auf CD haben, sondern beschränke mich auf die Sachen die mir beim Probehören zugesagt haben und kaufe möglichst nicht mehr als ich mir in aller Ruhe und mit Genuss anhören kann. Sicher entgeht mir da so einiges, aber solange ich weder einen Goldesel habe noch die Zeit anhalten kann, geht es halt nicht anders.
Möchte ich deshalb die große Auswahl missen? Auf keinen Fall!

Wenn sich bei mir mal bei einem meiner Hobbys erste Anzeichen von so eine Art Burnout-Syndrom zeigen sollten, nehme ich von diesem Hobby erst einmal ein wenig Abstand. Falls ich der klassischen Musik mal überdrüssig sein sollte, höre ich halt für ein paar Tage/Wochen andere oder keine Musik. Nach einiger Zeit sollte der Hunger danach zurückkehren, falls nicht ist das auch kein Beinbruch. Es gibt schließlich so viele schöne Dinge, die man mit seiner freien Zeit anfangen könnte.

Mit freundlichem Gruß
Fabian
Hörbert
Inventar
#9 erstellt: 24. Mai 2011, 22:33
Hallo!

@Martin2

Danke für die nachträgliche Gratulation, einen Moment lang habe ich mir bei meinen 9999 Beitrag vorgestellt den Counter jetzt so zu lassen und mic als "Hörbert MKII" neu anzumelden. Aber dann habe ich mir gesagt "was soll´s" normalerweise gebe ich eigentlich auch nicht darauf acht wieviele Beiträge ich habe.


Ja, das mit den großen Erlebnissen kenne ich:

Seinerzeit habe ich das dritte und vierte Steichquartett Schönbergs förmlich verschlungen, nachdem ich mir damals die CBS-Box mit den drei Schallplatten mit Schönbergs Streichquartetten endlich gekauft habe (das war die Interpretation mit den Juilliard String Quartet ) habe ich diese beiden Werkimmer und immer ieder gehört, so fasziniert ar ich von ihnen. Das erste und zweite Quartett haben mich lange Zeit kaum interessiert. Das war für mich so eine Zeit mit großem Affekt den ich heute noch einen Moment lang nachempfinden kann wenn ich die alten Schallplatten auflege.

Nur selten ist mir das Später mit einem Werk so gegangen, klar da wären noch Klaus Hubers "Tempora" oder Pettesson´s 6. Symphonie und einige andere aber das kann ich im Endeffekt wahrscheinlich an Fingern und Zehen abzählen ohne beide Schuhe auszuziehen.

Lass doch einmal diese beiden Streichquartette Schönbergs einfach an dir vorüberziehen und höre nur entspannt hin, -ohne dabei sonderlich auf etwas zu achten- und lasse nur dn Ausdruck der Musik auf dich wirken. Eventuell komm so ein völlig neuer Zugang zu dieser Musik, neuere Musik muß man nicht unbedingt intellektuell erfassen.

MFG Günther
Martin2
Inventar
#10 erstellt: 24. Mai 2011, 23:31
Hallo Günther,

ich finde es wunderbar, mit welchem Enthusiasmus Du über neue Musik sprichst, wenn man denn Schönberg noch zur neuen Musik zählen kann.

Ich finde das gut und ich kann Dir versprechen, immer mal wieder einen Versuch mit neuer oder neuerer Musik zu machen. Allerdings hörte ich gerade gestern mal wieder Bergs Lyrische Suite mit den La Salles und ich weiß nicht, ich habe nicht mehr diese Gefühl großen Unverständnisses, aber auch nicht großen Verständnisses.

Ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich neuer Musik und damit meine ich insbesondere die atonale über lange Zeit mit einer gewissen Ignoranz gegenüber gestanden habe. Diese Ignoranz ist weg und ich bezweifle nicht, daß Du im Bereich moderner Musik wunderbare Erfahrungen gesammelt hast, die Du uns auch mitteilen möchtest und dafür bin ich auch dankbar.

Trotzdem kristalisiert sich über eine lange Hörkarriere doch meistens die Musik heraus, die einem am meisten zusagt. Dafür bitte ich um Verständnis; ich hörte zum Beispiel heute wieder einige Klavierwerke von Robert Schumann mit dem Demus und bin dann begeistert, wie mich selbst Werke, die ich vorher gar nicht auf der Reihe hatte ( heute etwa "Gesänge der Frühe") unmittelbar ansprechen. Solche Erfahrungen sammle ich mit neuer Musik zu selten. Aber das mag sich trotzdem irgendwann mal ändern, schön etwa, daß Du Dich für Schönbergs 3. und 4. Streichquartett so stark machst - werde diese Werke bei Gelegenheit mal wieder hören.

Gruß Martin
Martin2
Inventar
#11 erstellt: 25. Mai 2011, 01:32

FabianJ schrieb:
Hallo Martin,

Von meinem Blickwinkel aus gibt es weder ein Überangebot an Musik, noch ist der Zugang dazu zu einfach. Probleme bereitet mir persönlich eher ein Mangel an Platz (Wohin mit den ganzen CDs?) und Geld.



Hallo Fabian,

die Sache mit dem Geld ärgert mich. Man kriegt etwa die Mozart Premium Edition Box mit 40 CDs für aktuell gebraucht 3,78. Das sind wohl pro CD etwa 9 Cent. Und in dieser Box sind durchaus schöne Sachen drauf wie der Ernest Bour mit den Sinfonien und die Carmen Piazinni ist gar nicht mal schlecht.

Daß der Zugang zur klassischen Musik aus Gründen von Geld "nicht einfach" ist, ist einfach lächerlich. Selbst wenn man sich mal richtig in Unkosten stürzen will, kriegt man die Emi Collectors Box von Mozart und Beethoven für 30 bzw. 40 Euro, was einem Preis von 60 bzw. 80 Cent pro CD entspricht. Ich könnte das endlos fortführen, angefangen bei der Classical Collection von Sony.

Nicht immer sind Klassik CDs billig, aber den "Zugang" zur klassischen Musik bekommt man für einen Appel und n Ei. Du bekommst den wesentlichen Mozart in akzeptablen Interpretation für weniger als ne Currywurst mit Pommes und wem das immer noch zu teuer ist, der ist einfach ein Banause, egal ob er Millionär ist oder Hartz 4 Empfänger. Mein Freund Klaus etwa, Hartz 4 Empfänger ohne jemanden, der ihn unterstützt, hat eine durchaus schöne Klassiksammlung, einschließlich zweier Bach und einer Mozart Gesamtedition. Das Argument ist lächerlich punktum.

Gruß Martin
Hörbert
Inventar
#12 erstellt: 25. Mai 2011, 06:27
Hallo!

@Martin2

Gar kein Problem, Geschmäcker sind verschieden, wenn dem nicht so wäre gäbe es weder dieses Forum noch die Vielfalt der klassischen Musik.

Es übersteigt duchaus nicht mein Vorstellungsvermögen das es dir mit gänzlich anderen Komponisten und Werken geradeso geht und du just die Werke die bei mir diese Reize auslösen eher nichtssagend findest.

Die Musiklandschft zwischen meinentwegen Gesualdo und heute ist vielfältig genug das jeder "seinen" Ausdruck und seine innere Ansprache finden kann. Aber was uns eint ist die Suche selbst und das erleben beim Finden.

Natürlich hst du recht und das Hören klassischer Musik ist weder eine Geldfrage noch eiene Frage der Gesellschaftsschicht in der man sich befindet. Aber ich denke mal es ist eine Frage des persönlichen Hntergrundes und des privaten Umfeldes in em man sich bewegt. Wenn jemand erste zaghafte Versuche in diese Richtung macht kann es ihn oft passieren das sein Umfeld mit Verständnislosigkeit reagiert oder gar mit Ablehnung da ein olche Verhalten als Absetzbewegung aus einer festgefügten Gruppe gedeutet werden kann.

Stelle dir doch nur einmal eine Gruppe Juger Leute vor von denen einer oder eine meint er/sie möchte dieses WE nicht mit in die Disco sonden er will zu einer Aufführung der "Carmen" in die Oper. Nicht immer wird die Reaktion auf so eine Eröffung unbedingt negativ ausfallen aber in der nächsten Woche feht der Gesprächsstoff und das gemeinsame Erleben.

MFG Günther


[Beitrag von Hörbert am 25. Mai 2011, 14:39 bearbeitet]
Thomas133
Hat sich gelöscht
#13 erstellt: 25. Mai 2011, 13:58
Hallo Martin,

Da kam wohl wieder der Hans Philosoph wieder in dir hervor.

Ich verstehe aber was du meinst. Dadurch das man wenn man weiß wo man im Internet suchen muß kostenfrei zu fast Allem was Musik (und die Problematik trifft ja Software auch oftmals) anbelangt kommt, sinkt leider auch die Wertschätzung. In unserer Gesellschaft wird ja nach dem Einkaufsprinzip vorgegangen, was mehr kostet muß ja im Regelfall auch qualitativ besser sein somit schon allein von dieser psychologischen Komponente her gesehn allem das man kostenfrei bekommen kann auch meist der dementsprechende Stellenwert eingeräumt wird.
Und in der Masse in der ja Musik mittlerweile existiert kann man ja den Eindruck bekommen das sie irgendwo auf Bäumen wachsen muß - das Mühsame, bei dementsprechenden Werken Geniale in der Kopfarbeit sowie die kunstvolle Interpretation und schließlich langwierige Arbeit der Tontechniker (was zusammen viele viele Arbeitsstunden und Know-How ausmacht) ist sich selten noch einer so richtig bewußt und auch bei Klassikhörern kann ich mitunter feststellen das manche groß angelegte Werke allzu leichtfertig verunglimpft werden - es muß ja einem nicht persönlich gefallen und man kann das sagen aber manchmal mußte ich schon so Sachen lesen wie "völliger Mist" und dergleichen was keinem klassischen Werk gerecht wird.

Ich merke es auch bei mir, wo ich freizeitmäßig selbst Musik mache und auch immer seltener wird weil ichs nicht mehr einseh da viele Stunde hineininvestieren (vom kompositionellen, klanglichen Konzept über die vielen Noten, Artikulationen,... die dann erstmal in die elektr.Partitur eingegeben werden müssen...klick...klick...klick Stundenlang bis hin zur langwierigen technischen Bearbeitung mit EQ, Kompressor, Hall, Panoramaeinstellungen usw. evtl. ein Master also wo man schon ziemlich Zeit investieren muß) und wenn man es dann zB bei myspace online stellt und es kommen so Mainstream-Hörer die abseits ihres Geschmackes eher nur lapidar, eher abfällige Bemerkungen übrig haben und ich merk das einfach schon zum. der prinzipielle Respekt vor
dem Arbeitsaufwand fehlt dann denke ich mir wozu das Ganze, Musik hab ich auch in meinem Kopf die brauch ich nicht irgendwie "veräußerlichen". Ich muß dazusagen das natürlich nicht Alle so sind und auch schon einige Komplimente (zum Glück oftmals von solchen die auch zum. ähnlichen Musikgeschmack besitzen) bekam, aber ich weiß das ich keinen Mainstream-Geschmack bediene und manchmal dann auch mit Reaktionen rechnen muß die dann eher nur ärgerlich sind (und deswegen frag ich auch sicherheitshalber vorab immer Leute wenn sie neugierig sind was ich so mache welchen Musikgeschmack sie so haben und hab das Manchen auch schon beinhart vorenthalten)

Ja, der Stellenwert der Musik war damals zu Zeiten der großen Komponisten in den vorigen Jahrhunderten sicher ein Anderer, wo wir ja die ganzen technischen Mitteln nicht hatten und man Musik nur unmittelbar selber machen konnte oder ins Konzert gehen mußte. Damals war auch noch nicht diese Reizüberflutung wie heute (Handy, Internet, Fernsehn, mp3-player überall mitschleppen,...) Einfach in vielen Belangen ein anderer Zeitgeist, weniger die Stressgesellschaft von heute. Aber nicht alle Sitten waren damals so lobenswert und hat sich eher zum positiven entwickelt so war es damals ja zB nicht unüblich bei so manchem Konzert am Hof eines Fürsten, Grafen oder was auch immer während der Konzertvorführung zu unterhalten (einmal brachte das ja Mozart auch auf die Palme) was heute ein großer Fauxpas wäre.

Der Tipp von Hörbert finde ich nicht schlecht, man muß ja nicht immer im Rythmus der Gesellschaft mitgehn - manchmal eine musikalische Auszeit oder zum. die Lieblingswerke einmal für eine Zeit lang aussetzen und man hört dann wieder mit viel "frischeren" Ohren Musik. Ich mach das ab und zu und merke regelrecht das ich die Musik ganz anders aufnehme als wenn ich mich schon an ihr durch zu vieles Hören übersättigt habe.

lg
Thomas
Wilke
Inventar
#14 erstellt: 27. Mai 2011, 05:49
Ich persönlich habe mir jetzt eine Woche "Auszeit" von klassischer Musik gegönnt - und dafür sehr bewußt mit Begeisterung jazz-cds gehört! Auch freue ich mich auf einiges schöne Tage in der Eifel in einem 500 - Seelen - Dorf. Das Highlight wird dann der Einkauf im dortigen Edeka-Tante-emma-laden sein und das Erfahren vom neuem Klatsch!gruß Wilke

(ja, Hörbert hat Recht: manchmal muss man fasten! - im übertragenem Sinne). gruss wilke
premierenticket
Stammgast
#15 erstellt: 28. Mai 2011, 06:04
Hallo Martin,

ein schöner und nachdenkenswerter Beitrag, finde ich. Bei mir klingt darin, vor allem, wenn du über deine Eltern schreibst, ein wenig etwas an, was eigentlich das Gegenteil des Sammelns ist: Das Genug-Haben. Die Idee, der Wunsch, nicht immer mehr und mehr anzuhäufen, sondern sich mit einem abgezirkelten Kreis von Dingen zu bescheiden.

Ich habe mich bereits gefragt, ob ich nicht für mich einen Kanon definieren soll, oder ein Ziel: 200 Aufnahmen (oder einige mehr), die meine Musikbibliothek bilden. Nur ab und an kommt etwas neues dazu, dazu kommt das Musikhören über das Radio (zum Beispiel Bayern klassik oder Avro Baroque über das Internet).

Ich gebe allerdings zu, dass die Frage nach dem Sich-Bescheiden kommt, nachdem ich sehr exzessiv in letzter Zeit CDs gekauft habe, deren Zahl leider in umgekehrter Proportion steht zur Zeit die ich habe, sie zu hören.

Wahrscheinlich ist das ein Luxusproblem, nicht hinterher zu kommen mit dem Musikhören.

Was mich weiterhin beschäftigt ist aber der Gedanke eines Kanons, den ich als Musikbibliothek haben will: Nur die besten Aufnahmen der besten Werke, nur Aufnahmen, zu denen ich eine persönliche Bindung habe. Diese wiederum kann man natürlich nur durch Hören und Wiederhören aufbauen. Auch hier gilt: Lieber mal das schon Bekannte Neu-Entdecken als neues zu hören.

Bei Literatur gelingt mir das ganz gut: Ich lese lieber meine Lieblingswerke wieder, als neue zur Hand zu nehmen. Vielleicht weil die tiefsten Lektüreerfahrungen meiner Jugend (Anna Karenina, Bleakhouse, Die Welt als Wille und Vorstellung) an Intensität nicht mehr zu steigern sind.

Und zugleich gilt: Das Leben ist nicht vorbei, es gilt noch viel Neues zu entdecken. Und, lieber Martin: Bilanz können wir auch noch mit 80 ziehen...

Viele Grüße

Christian
Tommy_Angel
Inventar
#16 erstellt: 03. Aug 2011, 19:15
Vielleicht liegt es auch einfach daran, daß User Martin zur Polarisierung neigt, scheinbar kennt er nur schwarz oder weis...und für ihn ist das Glas Wasser stets halbleer.
Schneewitchen
Inventar
#17 erstellt: 03. Aug 2011, 21:23
"Was will ich eigentlich mit meinem Leben? Und vor allem: Was ist wichtig?"
Diese Frage stellt man sich doch nicht erst mit Fünfzig,wenn man das halbe Leben schon hinter sich hat.
Diese Frage stellt man sich in der Jugend,wenn man das ganze Leben noch vor sich hat.Und je nachdem,wie man diese Frage beantwortet,richtet man seinen Lebensweg danach ein.
Damit gibt man seinem Leben einen Sinn.
Der "Sinn des Lebens" ist somit individuell verschieden und jeder versteht darunter etwas anderes.
Weil man sich im Laufe des Lebens verändert und auch seine Ansichten,Vorlieben und Ziele,wird man sich diese Lebensfragen immer wieder stellen und ggffs zu anderen Ergebnissen kommen.

Mit 50 Jahren blickt man auf einen langen Lebensabschnitt zurück und fragt sich,ob man es hätte anders machen können.
Und man fragt sich,wie man die restliche Lebenszeit verbringen will.
Jedenfalls wächst die Erkenntnis,daß man nicht unsterblich ist,mit jedem Lebensjahr.Die verbleibende Zeit wird kürzer.
"Was ist wichtig" für den letzten Lebensabschnitt?
Das kommt darauf an,ob man seine Ziele,die man sich in der Jugend setzte,schon erreicht hat oder nicht.
Wenn man sich auf seinen (verdienten) Lorbeeren ausruhen kann und den Lebensabend genießen will,sollte man das tun.
Wer imm Alter aktiv sein will und nach neuen Erkenntnissen suchen will,sollte die Gelegenheit nutzen.
Ein Einheitsrezept für das Leben nach 50 gibt es nicht.

Bescheidenheit hängt m.E. nicht von der Anzahl der CDs,die man besitzt,ab.Unter Bescheidenheit verstehe ich den Verzicht auf Luxus.Das setzt voraus,daß man sich Luxus leisten könnte.
Als erstrebenswerte Eigenschaft sehe ich die Zufriedenheit an.Mit dem eigenen Leben zufrieden sein.Wunschlos glücklich.
Aber wer kann von sich aus sagen,wunschlos glücklich zu sein?
Das Leben selbst besteht ja nicht nur aus glücklichen Tagen.
Lebenskrisen und Krankheiten müssen überwunden werden.Ein ständiges auf und ab.
Weder Ruhm noch Reichtum schützen vor Lebenskrisen und Krankheiten.
Amy Winehouse wachte mit 27 Jahren nicht mehr auf.
Gunter Sachs gab sich mit 68 Jahren die Kugel.
Schnuckiputz
Stammgast
#18 erstellt: 04. Aug 2011, 05:08
Ich denke, zu ernsthaften Überlegungen, was einem (noch) wirklich wichtig ist, gelangt man in der Regel im Zuge der Erkenntns, daß man mehr Vergangenheit hinter sich als Zukunft vor sich hat. Also ungefähr um die Zeit des Beginns der sog,. zweiten Lebenshälfte. Was hat sich seither von den Idealen der Jugend regelrecht "überlebt", was mußte der mitunter harten Realität des Lebens weichen? Das wird eine ganze Menge sein. Doch es wird immer auch etwas geben, das man hinüberrettet in diese zweite Lebenshälfte. Das kann die große Liebe zu einem Menschen oder eine wundervolle Freundschaft ebenso sein wie die Liebe zur Musik, zu bestimmten Büchern oder anderen Kunstwerken. Das begleitet und "trägt" einen dann meistens bis ins hohe Alter, während anderes wie Ballast abgeworfen wird.

Je älter man wird, desto schneller scheint die Zeit zu laufen, desto mehr ist man angehalten, sich auf das zu besinnen, was einem wirklich wichtig ist. Man wird, wenn man so will, irgendwie wesentlicher in seinem Denken und Tun.

Die zweite Lebenshälfte kann aber auch die Zeit sein, sich noch Jugendträume zu erfüllen, besonders wenn diese sich z.B auf seinerzeit schier unerschwingliche Unterhaltungselektronik oder Schallplattensammlungen bezieht. Dank Ebay kriegt man heute noch fast alles, wonach man sich einst an den Schaufensterscheiben staunend die Nasen plattdrückte.

Vielleicht erkennt man zunehmend, daß es einem eigentlich gar nicht um materielle Werte geht (mal abgesehen von den Essentials, den Lebensgrundlagen wie Nahrung und Dach über dem Kopf). Für mich spielt z.B. der evtl. materielle Wert einer CD- oder Vinylsammlung keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr, daß mich eine bestimmte Musik in bestimmten Lebenssituationen begleitete, mir etwas gab, mich aufheiterte, mir (je nach Stimmung und Musikart) ein Gefühl der Leichtigkeit oder der nachdenklichen Tiefe vermittelte usw.

Aus alledem kann quasi als eine besondere Form der Altersweisheit so eine Art Bedürfnislosigkeit entstehen, die man auch als Gegengewicht zur Rastlosigkeit der Jugendzeit sehen kann. Man muß sich also nicht mehr über "Mein Haus, meine Auto, meine Klassiksammlung" definieren, sondern eher darüber, ob man jemanden etwas über die Musik, die man in seiner Sammlung hat, erzählen kann, ob man sie für sich deuten und/oder einen anderen an sie heranführen kann. Somit ergibt sich eine Relativierung materieller Dinge zugunsten immaterieller Aspekte des Lebens.

Allerdings sollte man bei aller Bedürfnislosigkeit nicht den Anschluß an das Leben verlieren. Viele ältere Menschen schaffen das ganz einfach, indem sie sich in besonderer Weise ihren Enkeln zuwenden. Diese oft ganz eigenartige enge Verbindung zwischen Großeltern und Enkeln ist ein Geschenk und für beide wichtig. Alternativ sollten sich die älteren Menschen einfach mal näher mit der Jugend beschäftigen, mit ihrer Kultur und Sub-Kultur, ihrer Sprache usw. Das bringt mehr als sich resignierend zurückzuziehen nach dem Motto: "Früher war alles besser." Denn in Wahrheit war es früher ja nicht wirklich besser, sondern nur anders.

Einen "Zauber der Armut" im Sinne echter materieller Not gibt es nicht, denn diese Art von Armut ist eher ein Fluch als ein Zauber. Doch gewiß gibt es den Zauber der Bedürfnislosigkeit, die ja letztlich eine Form freiwilliger Entsagung und eine Konzentration auf das ist, was einem wirklich wichtig erscheint.
Martin2
Inventar
#19 erstellt: 04. Aug 2011, 15:09
Hallo Schnuckiputz,

ja so einfach sehe ich die "Konzentration auf das Wesentliche" in höherem Alter aber nicht. Eine gute Freundin, mit der ich ein Gespräch über das Thema führte, meinte auch, das sich auf das Wesentliche konzentrieren in höherem Alter käme ihr so vor wie Urlaubsreisende, die einen wunderbaren Urlaub verbrächten, denen aber in der letzten Urlaubswoche plötzlich einfiele, daß sie vielleicht den Petersdom, das Kolloseum und ich weiß nicht was noch unbedingt sehen müßten.

Mir hat das prima gefallen und ich mußte meiner Freundin ganz recht geben. Insofern entwickle ich mich im moment erstaunlicherweise in eine ganz andere Richtung - ich höre mir sogar den Kalkbrenner mit Begeisterung an und sogar immer wieder. Darin sehe ich eine gewisse altersbedingte Konzentration auf das Unwesentliche.

Worüber ich aber auch nachgedacht habe bei meinen Meditationen zu meinem 50 Jährigen Bestehen: Ich will mich an den Hedonismus und die Hedonisten halten. Und mit Hedonismus meine ich nicht diesen langweiligen Asketen Epikur. Sondern eine Lebenseinstellung, die im Spaß, Lust, Genuß, Freude den eigentlichen Lebenssinn sieht.

Dieses Hifi-Forum hier hat mir in dieser Hinsicht übrigens immer hervorragend gefallen, so wie mir auch immer mehr aufgefallen ist, daß je mehr ein Mensch sein Leben genießt, er desto uneitler ist, weil ihm Geltung vollkommen wurscht ist. Eigentlich war ich immer auf dem Wege zu einer solchen Lebenseinstellung und habe es weit darin gebracht, aber ich denke, so die wirklich grundsätzliche Umstellung in dieser Hinsicht habe ich erst jetzt.

Wobei Zauber der ( relativen!!) Armut: So reich bin ich glücklicherweise nicht, daß ich mich darüber, wenn ich mir etwa eine etwas teurere, aber doch schöne Klassik CD doch mal gegönnt, nicht auch wirklich freuen könnte. Und diese Lustbefriedigung ohne die Spur eines Nachdenkens ( die CD kostet 80 Euro? Mir doch scheißegal, bestelle ich sie halt) möchte ich gar nicht haben. Nur daß ich mit "Armut" nie die absolute Armut, die furchtbar und elend ist, gemeint habe, dürfte doch auch klar sein.


Gruß Martin
dedicated2audio
Stammgast
#20 erstellt: 05. Aug 2011, 22:15

Martin2 schrieb:
Nur daß ich mit "Armut" nie die absolute Armut, die furchtbar und elend ist, gemeint habe, dürfte doch auch klar sein.


Ach ne und ich dachte du wärest schon lange nach Bangladesh gegangen um Rikschafahrer zu werden.

Wobei man das Bangladesher Wasser in unseren breiten super als Diätdrink vermarkten könnte um damit so unverschämt Reich zu werden das man selbst auch kotzen möchte


Martin2 schrieb:
Was ist mir wirklich wichtig und was hat für mich diese wirkliche "Kostbarkeit", diese Kostbarkeit von Gold, auch wenns materiell vielleicht nicht mal den Wert von Blech hat.


Gesundheit

Deshalb trink das Bangladesher Wasser nicht!

Wie "Schnuckiputz" schrieb ist eine gewisse Bedürfnislosigkeit oder einfach nachdenken bevor man etwas kauft ein guter weg.
Szellfan
Hat sich gelöscht
#21 erstellt: 09. Aug 2011, 18:06
Hallo Martin,
erstaunlich, daß Du ein solches Thema so öffentlich machst!
Erst vor ein paar Stunden las ich Deine Eröffnung und die Antworten, die so sehr unterschiedlich ausfallen.
Für meinen Teil ein Thema, Du Optimist: mit 50 von der Lebensmitte zu sprechen, das ich doch lieber mit mir selbst ausmache oder mit ganz engen Freunden im Gespräch, im direkten von Angesicht zu Angesicht.
Etwas, der direkte Kontakt zu menschlichen Wesen, auch das etwas, das mir zu kurz zu kommen scheint heute.
Aber davon abgesehen: Du batest mich um meine Telefonnummer und ich habe nicht geantwortet.
Ganz simple, ich habe bisher kein Telefon.
Zwar wieder eine eigene Wohnung, aber mehr nicht. Keine Möbel, keine Anlage, wenige CDs.
Bin ich arm? Nein!
Du beklagst da auf gepolstertem Niveau etwas, das Du nicht zu kennen scheinst. Das meine ich nicht böse, versteh mich so nicht.

Musik ist auch für mich einer der wichtigsten Teile meines Lebens, und wenn ich es materialisiert nicht haben kann, dann habe ich davon im Kopf ganze Sinfonien und Opern.
Um mir Musik zu beschaffen, ist mir da auch jeder Weg recht, nur muß ich nicht aufrechnen, was eine CD in einer Box kostet, weil die Musik ihren Wert für mich erhält, den ich ihr gebe, unabhängig vom Preis. Vom Kaufpreis wohlgemerkt.
Und das Hören ist ein eigenes Thema.
Schneewittchens Antwort mit seiner Formulierung der Bedürfnislosigkeit ist großartig. Danke.
Darüberhinaus kann man aber auch den Unterschied machen zwischen Bedürfnissen und Verlangen.
Für meinen Teil hatte ich Gelegenheit, ja selbst Bedürfnisse abzulegen, was aber das Verlangen nach gewissen Stücken keineswegs gemildert hat.
Und so höre ich heute gern, so wie Premierenticket liest, immer wieder dieselben Bücher Musik und entdecke ständig neues darin, aber aus diesem "Immer Neu" ersteht der Wunsch, meinen Horizont zu erweitern.
Das kann sich nun nach innen oder nach außen richten oder aber auch beiderseits gleichzeitig.

Martin, wir gehen an dieses Thema wohl von sehr unterschiedlichen Standunkten heran, sicher aus der jeweiligen Biographie, wenn es auch Berührungspunkte gibt.

Und so ist mir eine einzelne CD, eine Musik, die ja eine CD sein sollte, immer noch mehr ein Verlangen als der "beklagenswerte" Zustand, eine Box kaufen zu können, pro Einzel-CD für neun Cent.

Nicht zu vergessen dabei, dieses Erlebnis dann unbedingt zu teilen.
Dabei geht es mir keineswegs um eitles Geschreibe hier im Forum, sondern darum, andere direkt teilhaben zu lassen, mit ihnen zu hören und wenn das nicht geht, ihnen das wenigstens zukommen zu lassen und einen Austausch darüber zu führen.
Bei aller Liebe zur Musik, ich mag Menschen, Freunde, noch mehr.
Sie bereichern mich noch viel mehr als ein wohliges Nabelschauen daheim, bei dem Musik das Vehikel ist.

Lieber Martin, ganz sicher fühle ich mich nicht arm, auch ohne CDs nicht und ohne Telefon.
Denn ich habe Menschen um mich, auch solche wie Maria, die mir das Leben nicht leicht machen. Auch solche, die immer für mich da sein werden, womöglich auch dann, wenn mein Gedächtnis einstmals versagen wird und ich sie nicht mal mehr erkennen werde.
Weiß Du, was ich meine? Ich bin reich. Unabhängig von materiellen Dingen, die auch sehr schön und höchst angenehm zu sein pflegen und mir keineswegs gleichgültig.
Und die Musik, die ich mir erschlossen habe, bleibt für immer bei mir; in meinem Kopf und meinem Herzen. Das ist ihr Platz.
Da herrscht übrigens auch niemals Platzmangel.
Hab nochmals Dank, ein solch persönliches Thema hier anzureißen.
Herzliche Grüße, Mike
Martin2
Inventar
#22 erstellt: 09. Aug 2011, 19:06
Hallo Mike,

so wahnsinnig "gepolstert" ist mein Niveau nicht. Aber besser als bei dem einen oder anderen, das mag sein.

Ist das, was ich schreibe, so wahnsinnig "persönlich"? Ich glaube nicht. Du schreibst auch das eine oder andere persönliche und warum auch nicht.

Ich finde Deine Beiträge hier in diesem Forum übrigens ganz wunderbar, weil sie so wunderbar "uncool" sind. Ich persönlich verabscheue von Herzen all diese Coolness, wie sie einem in dieser Gesellschafft immer mehr abverlangt wird.

Denn was ist schon Coolness? Coolness ist letzlich die Verherrlichung der Feigheit. Denn nicht cool zu sein, das verlangt Mut. Und über diese Dinge darf man - ganz anonym - auch gerne mal in einem Forum wie diesem reden.

Und die kleinen Mißstimmungen im "Berührende Aufnahmen" Thread könnten wir doch vielleicht auch wieder begraben.

Gruß Martin
Szellfan
Hat sich gelöscht
#23 erstellt: 09. Aug 2011, 19:40
Hallo Martin,
sollte ich jetzt antworten, daß von meiner Seite der Begriff "Coolness" gar nicht fiel?
Du hast sehr persönlich begonnen und jetzt wird wieder alles zerredet.
Mit einem Freund hier in Köln sprach ich über das Thema, Persönliches innerhalb eines Forums auszudrücken, auch.
Ein völlig anderes Forum, es geht um reine Lebenslust, Rummelplätze, Achterbahnen etc.
Nach meiner Erfahrung kommt eine von Herzen kommende Antwort oder Meinung nie falsch an, auch wenn sie zu Kontroversen führen kann.
Die ich übrigens im "berührenden" Thread gar nicht sehe, sondern Unlust und Faulheit, eine Sache konsequent weiterzuführen.

Lieber Martin, ich befrage ganz einfach mein Innerstes bei alledem, auch bei Musik, und teile das fast immer, oft auch mit.

Von diesem Freund, bei dem ich zur Zeit noch wohnen darf, bekam ich eine DVD geschenkt. Als müßte man mir noch etwas schenken, wenn man mich schon beherbergt!
Wilhelm Friedemann Bach-Kantaten mit Ralf Otto.
Vielleicht hast Du recht und ich dürfte mich "gepolsterter" nennen als Dich.
Aber weißt Du, es gibt etwas, das ich in den letzten Monaten verinnerlicht habe, und das nennt sich Dankbarkeit.
Da hilft jetzt auch kein Smiley. Ich lebe, obwohl ich das schon manchmal nicht wollte, werde beschenkt, nicht nur mittels DVDs, sondern auch durch mails, Fragen nach mir....
Ich bin dankbar für alles, was ich hier und jetzt habe, auch solche Unbequemlichkeiten wie Maria.

Du hast recht, cool bin ich wirklich nicht. Ich versuche einfach, das Richtige zu machen, ohne Abhängigkeiten, die ich aber manchmal doch eingehen muß wie alle Kompromisse im Leben.
Auch weiß ich, auch durch unsere Telefonate, daß Du und ich bei vielen Dingen unterschiedliche Vorstelleungen haben.

He, das ist gut so!
Ich gehe einen anderen Weg als Du, auch bei Musik, darum gehts hier ja wohl immer noch, und so berührt man sich eben doch hier und da bei einem gemeinsamen Thema.
Aber sieh mal zu, daß Du nicht alt wirst, nur weil da eine 50 steht! Das wäre Dein "Polster"!
Also, "Alter", immer schön "uncool" bleiben!
Herzliche Grüß0e, Mike
premierenticket
Stammgast
#24 erstellt: 09. Aug 2011, 20:24
Man kann aus allem etwas lernen. Hier zum Beispiel, dass die Liebe zur klassischen Musik, immerhin eine Fähigkeit des Zu-Hörens, keine Garantie dafür ist, den Ball in einem menschlichen Dialog aufzufangen. Kann doch auch ein forenbeitrag ein Stück Tonkunst sein, das man als funkelnd-bereichernd empfinden kann, Oder stumpf-verständnislos.

Reichtum ist, wenn die "inneren Scheuern" gefüllt sind, wenn auch der Beutel leer; Armut ist, bei vollen Regalen ohne Liebe zu sein.

Schönes Hören

Christian
Schnuckiputz
Stammgast
#25 erstellt: 09. Aug 2011, 21:09

premierenticket schrieb:


Reichtum ist, wenn die "inneren Scheuern" gefüllt sind, wenn auch der Beutel leer; Armut ist, bei vollen Regalen ohne Liebe zu sein.


Das ist schön gesagt. Vielleicht darf ich hinzufügen, daß manche Menschen verkennen, welcher Reichtum es schon sein kann, einfach Zeit zu haben. Das kann freiwillig oder unfreiwillig sein (z.B. infolge Arbeitslosigkeit oder Krankheit).

Zeit haben für einen Spaziergang im Wald, sei es mit oder ohne Hund oder anderer Begleitung. Zeit haben, im Altweibersommer und Frühherbst das Wunder eines Spinnennetzes zu schauen, das vom frühen Tau benetzt von den ersten Sonnenstrahlen sichtbar gemacht wird. Zeit haben, nicht nur nebenbei, sondern wirklich mit Ruhe und Muße Musik zu hören. Zeit haben zum Philosophieren und Nachdenken über Gott und die Welt. Oder über die Kunst und deren mitunter magische Wirkungen auf uns. Selbst die Zeit zu haben, sich hier in diesem Forum auszutauschen, ist eine Art von Reichtum, weil es im Idealfall für alle bereichernd oder erhellend oder nachdenkenswert sein kann.
Szellfan
Hat sich gelöscht
#26 erstellt: 09. Aug 2011, 21:30
Hallo Schnuckiputz,
Du sprichst mir aus der Seele!
Wie Christian ja auch sagt, klingen kann eigentlich alles, kommt darauf an, wofür man seine Seele öffnet.
Je älter man wird, um so schöner wird die Welt. Und um so mehr Zeit scheint man zu haben.
Und zwar für alles. Alles das, was man erst zu erfühlen lernt.

Doch Christian schrieb den schönsten, erfülltesten Satz dazu und ich kann dem nur noch schweigend etwas hinzufügen.
Herzliche Grüße, Mike
kastenbier
Stammgast
#27 erstellt: 10. Aug 2011, 08:17
Hallo Schnuckiputz

Es ist schön dass es noch mehr Menschen gibt die so denken wie ich, und das in einer Welt die nur noch aus Gier und Machtbefriedigung zu bestehen scheint.

mfG Rainer
Martin2
Inventar
#28 erstellt: 10. Aug 2011, 08:18

Szellfan schrieb:

Um mir Musik zu beschaffen, ist mir da auch jeder Weg recht, nur muß ich nicht aufrechnen, was eine CD in einer Box kostet, weil die Musik ihren Wert für mich erhält, den ich ihr gebe, unabhängig vom Preis. Vom Kaufpreis wohlgemerkt.



Und so ist mir eine einzelne CD, eine Musik, die ja eine CD sein sollte, immer noch mehr ein Verlangen als der "beklagenswerte" Zustand, eine Box kaufen zu können, pro Einzel-CD für neun Cent.



Hallo Mike,

auf dieses Thema komme ich doch gerne noch mal zu sprechen. Ich finde, daß Du dem Pekuniären manchmal arg entrückt scheinst. Das sehe ich etwas anders als Du, gerade der Pragmatismus des CD Kaufs einschließlich seines "Kaufpreises" macht für mich viel vom Charme dieses Forums aus. Hier darf darüber geredet werden und das finde ich wunderbar so.

Dabei darf man sicher immer mal wieder darauf hin weisen, daß es sich auch lohnt, etwas mehr Geld zu investieren. So finde ich diese große Monster Mozart Gesamtausgabe Box einfach wunderbar, weil ich den ganzen Mozart immer schon mal haben wollte und weil ich über diese Box schon das eine oder andere für mich entdeckt habe. Anderseits ist in dieser Box sicher manches nicht so doll. Aber ich hörte neulich meinetwegen etwas über Mozarts "Zaide" und vielleicht höre ich mal rein.

Was ich anderseits komisch finde, ist, daß hier Glaubenskriege über "Boxen - pro und kontra" ausbrechen, was ich für meine Person überhaupt nicht nachvollziehen kann. Ob jemand Boxen kauft oder nicht, bleibt jedermanns eigene Entscheidung, anderseits ist eine Aufnahme nicht deshalb schon schlecht, nur weil sie in einer Box drin ist. Sie kann schlecht sein, muß es aber nicht. Es kann auch sein, daß Dir eine Aufnahme in einer billigen Box besser gefällt, als die teure Aufnahme, die möglicherweise "angesehener" ist. Anderseits ist das Leben viel zu kurz, um das alles auszuprobieren, deshalb lohnt es sich sicherlich oft, etwas mehr Geld auszugeben.

Ich kann es ja noch nachvollziehen, wenn Dir eine gewisse "Geiz ist geil" Mentalität zuwider ist und daß Du den Wert einer CD nicht an ihrem Kaufpreis fest machst. Dieses gewissermaßen "Kaufmännische", das immer fragt: "Was ist mir eine Sache wert", magst Du nicht und ich verstehe das gut. Ich möchte letzlich auch nicht darüber nachdenken, was mir Mahlers 4. mit Szell leztlich "wert" wäre. Einverstanden. Es gibt dabei auch Dinge, wo ich innerlich mit dem Kopf schüttle, etwa wenn sich jemand eine Anlage für 10.000 Euro ins Wohnzimmer stellt und die Aufnahme der Beethoven Sinfonien nur 3,95 kosten darf. Das hat sicher auch mit solchen Phänomenen wie der "Geringschätzung des geistigen Eigentums" zu tun und die künstlerische Interpretation ist ein solches geistiges Eigentum. Es ist auch sicher befremdlich, wenn jemand bei einem Abendessen mal locker 30 Euro verspachtelt, aber sich dann freut, wenn er ne CD irgendwo 50 Cent billiger bekommt.

Bei all diesen Dingen kann man sicher gerne innerlich mit dem Kopf schütteln, ich finde es trotzdem gut, daß über den Preis von CDs auch mal geredet werden darf. Deine Argumentation läuft darauf hinaus, daß einem der Preis letzlich egal ist, so nach dem Motto: Klassische Musik ist etwas Heiliges und heilige Dinge haben keinen Preis. Das finde ich falsch, dagegen eine Argumentation derart: Na ja komm, nun kauf Dir mal die teurere CD, es lohnt sich wirklich, finde ich goldrichtig, auch wenn Dir ein solches Verhalten möglicherweise "viel zu vulgär" vorkommen mag, was ich durchaus nachvollziehen kann, weil eine künstlerische Erfahrung wirklich etwas anderes ist als eine Tüte Kartoffelchips.

Gruß Martin
Szellfan
Hat sich gelöscht
#29 erstellt: 10. Aug 2011, 09:24
Hallo Martin,
nun polarisiere doch bitte nicht.
Etwas grinsend könnte ich antworten, daß das Pekuniäre sich eher von mir entrückt hat.

Aber das meine ich nicht, viel mehr, daß es mir egal ist, ob eine CD nun neun Cent kostet oder zwanzig Euro. Wenn sie mich glücklich macht...

Natürlich soll jeder kaufen was und wie er möchte. Ich schätze Boxen einfach nicht so sehr, weil einerseits oft die eher mäßigen Aufnahmen überwiegen.
Vor allem aber, weil man andererseits kaum je wirklich alles daraus auch nur annähernd angemessen erschließt, sondern doch meist einfach nur "konsumiert". Und manchmal nicht mal das.

Du weißt, daß ich mich mit vielen Werken seit Kindertagen befasse und um Hintergründe wissen will, mich mit ihnen wohl sicher solange beschäftigen werde, wie ich Musik hören kann.
Das allein schließt mir beinah automatisch eine Box aus, wenn es das ja aber zwingend nun auch nicht muß.
Grins: wenn es denn eine Szell-Gesamtausgabe gäbe, würde ich sie haben wollen.

Herzliche Grüße, Mike
Hörbert
Inventar
#30 erstellt: 10. Aug 2011, 14:38
Hallo!

Eigentlich könnte man sich doch darauf einigen das man sich Boxen -genau wie einzel CD´s- deswegen kauft weil man sie "haben" will.

Oft ist einen doch gerade der Musikzweig den eine solche Box repräsentiert für´s erste gar nich nicht soo wichtig und man möchte sich einfach nur einen Überblick verschaffen.

Wenn sich zum Beispiel jemand die 99 "besten" Violinkonzerte der Welt in einer 9,99 Euro-Box zulegt um einen Überblick zu bekommen und sich dann hinterher die 4-5 Konzerte die ihn im Endeffek besonders interessieren als für ihn besser gelungene Interpretationen zuzulegen hat eine solche Box doch ihren Zweck für den betreffenden schon zur Gänze erfüllt.

Ich denke mal das hier jeder nach seinem Gusto handeln soll.


MFG Günther


[Beitrag von Hörbert am 10. Aug 2011, 14:40 bearbeitet]
flutedevoix
Stammgast
#31 erstellt: 10. Aug 2011, 21:47
Natürlich darf jeder nach seinem Gusto handeln.

Ich mache aber ebenfalls keinen Hehl daraus, daß ich von Boxen nicht so wahnsinnig viel halte. Einige wichtige Gründe hat Mike hat ja schon genannt, unter anderem den, daß oft Mittelmäßiges in solchen Box verwertet wird und man fast zwangsläufig vieles erhält, was man gar nicht haben will. Aber, wie schon gesagt, das ist persönliche Mentalität.

Ich habe aber auch den Eindruck, daß viele Boxen anschaffen, weil sie unschlagbar günstig oder sollte ich besser sagen billig erscheinen. Da kann ich sehr wohl eine "Geiz ist Geil"-Mentalität feststellen! Zu dem schon bekannten "Höher, weiter, schneller" kommt heute doch schon oft ein "billiger" dazu.
Ich jedenfalls schaffe mir lieber mit Bedacht eine einzelne, für mich herausragende CD aus dem Vollpreis-Segment an, als einen ganzen Katalog an Boxen auf Verdacht an. Nur so werde ich musikalisch glücklich. Man kann nun mit Recht behaupten, ich bin mit meiner Sammlung in der glücklichen Lage, einen guten Frundstock zu haben. Nun dem kann ich nur entgegen halten, daß ich dies schon immer so gehalten habe, auch als ich nur 30 CD bzw. LP in meiner Sammlung hatte. Die wenigen Boxen, die ich habe, habe ich auch aus voller Überzeugung wegen der für mich herausragenden Qualität der darin enthaltenen Einspielungen erworben.

Ein weiteres Argument ist, mit Boxen wie dem kompletten Mozart oder dem kompletten Bach erhält man sehr viel Musik auf einen Schlag und hört sie doch nie ganz oder eben nur kursorisch und sicher nicht konzentriert. Natürlich ist es ein schönes Gefühl, den ganzen Mozart oder den ganzen Bach zu haben, ein besonderer Mehrwert an Hörerfahrung oder eine besonders tiefe Kenntnis des Gesamtwerkes eines bestimmten Komponisten scheint sich dadurch nicht einzustellen. Wie könnte sich sonst der Besitzer einer Box mit dem "kompletten Mozart" zu der Aussage hinreißen lassen, es existieren bestimmte Werkgruppen im Schaffen dieses Komponisten nicht.

Eine gute Aufnahme eines Werkes hat für mich immer einen Wert, der sich nicht im Anschaffungspreis niederschlägt. Da ist es mir wirklich Völlig egal, ob die CD ein oder zwanzig Euro kostet. Ich möchte da ganz Martins Argumentationslinie, die er zwar verneint, aufgreifen: so eine Aufnahme hat für mich etwas Heiliges, das ganz isoliert vom Kaufpreis zu definieren ist. Wenn das für ein Euro zu haben ist, toll! Wenn es für zwanzig oder dreißig oder 100 € zu haben ist, gut dann muß ich halt sparen, aber ärgern kann ich mich deswegen nicht, ich erlebe das pure Glück, wenn ich diese Aufnähend dann in Händen halte und höre. Und dieses Glück kann ich persönlich nicht mit einer mittelprächtigen Aufnahme für ein Euro erleben, auch wenn ich mich über den billigen Preis freuen könnte. Aber was ist ein billiger Preis, und ich meine die Bedeutung des Wortes billig, wenn ich dafür kein Glück empfinde, wenn ich emotional nicht erfüllt werde? Nun, für mich jedenfalls, Schall und Rauch. Manchmal muß man Kompromisse machen, weil es von einem Werk keine in meinen Augen erfüllende Aufnahme gibt, nun gut, Zähneknirschen lernt man rech früh. Wenn es aber erfüllende Aufnahmen gibt, dann kann es für mich auch keinen Kompromiss geben! Besitzmentalität ist mir bei Musik völlig fremd, Musik muß mich emotional erfüllen, muß mich glücklich machen, muß für mich die Welt eine Spur besser machen! Ganz ehrlich, da kann es kein Kompromiß aus wirtschaftlichen Überlegungen geben, da würde ich meine Selbstachtung verlieren!


[Beitrag von flutedevoix am 10. Aug 2011, 23:25 bearbeitet]
Schnuckiputz
Stammgast
#32 erstellt: 11. Aug 2011, 04:43
An das Thema CD-Boxen sollte man nicht mit pauschalen Aussagen, sondern eher pragmatisch herangehen. Da müßten wir am Anfang auch mal definieren, was wir denn überhaupt unter einer Box verstehen wollen. Immerhin bestehen so manche Operngesamtaufnahmen schon aus einigen CD's, besonders bei Wagner. Sind das schon Boxen? Oder wäre erst eine Gesamtaufnahme vom Ring des Nibelungen (wie z.B. der Solti-Ring) eine Box? Oder gar erst eine Gesamtedition von allen Musikdramen Wagners?

Man vergesse auch nicht, daß Boxen zwar meist auch der erneuten Vermarktung alter Ladenhüter dienen mögen, gleichwohl aber mitunter auch seltene "Schätze" reanimieren, die markttechnisch schon in der Versenkung verschwunden und gar nicht mehr oder nur noch äußerst schwierig aufzutreiben waren. Da denke ich z.B. an eine billige "Rudolf Schock" Box, die ich vor einer Weile mal ergattern konnte. Bei vielen ist R. Schock vor allem als volkstümlicher Sänger in Erinnerung geblieben, doch dabei wird oft vergessen, daß er mal ein sehr guter Opern- und Liedsänger war. Und in der erwähnten Billigbox befanden sich einige wundervoll gesungene Titel, die ich noch nie zuvor gehört hatte.

Somit es bei Boxen wie mit allen anderen Dingen in der Musikwelt. Sie können gut, mittelmäßig oder mies sein. Es mag also jeder sebst beurteilen, welchen Wert so eine Box für ihn hat, ob sie aus seiner Sicht nur einer Verramschung alter Konserven dient oder vielleicht hier und da doch auch "Schätzchen" und Raritäten enthält.
Martin2
Inventar
#33 erstellt: 11. Aug 2011, 05:46
Ich denke, es gibt bei der Anschaffung von Boxen eben sehr viele verschiedene Gründe. Und es gibt wie ich denke schon sehr "hochwertige" Boxen. Die "Wagner aus Bayreuth" Box zum Beispiel speziell mit den alten Aufnahmen aus den 60ern mit Böhm, Savallisch und den damaligen Stars wie Nilson oder Windgassen war damals recht günstig, heute schon fast wieder unbezahlbar und mir sind einige eingefleischte Wagnerianer über den Weg gelaufen, die diese Aufnahmen ( nicht alle) in den höchsten Tönen loben.

Aber man muß das alles nicht vertiefen. Jedenfalls häufe ich nicht sinnlos billige Boxen auf, sondern es gibt für mich meistens immer auch bestimmte Gründe. Ansonsten hat Mike schon sehr richtig gegenüber mir fest gestellt, daß ich doch bitteschön nicht "polarisieren" möge und damit hat er auch recht. In Wahrheit sind wir alle nicht so weit auseinander. Und sicher gibt es auch bestimmte Aufnahmen, die mir "heilig" sein mögen. Auf der anderen Seite verschaffe ich mir auch immer gerne ein eigenes Bild, auch über Interpretationen und da kommen mir günstige Boxen gerade recht.

Und es gibt in der Klassikwelt genauso wie in der "akademischen Welt" einfach dieses Phänomen des Bluffs. Jemand schreibt eine wissenschaftliche Arbeit und gibt 200 Sekundärquellen an, die er im Leben nicht alle gelesen hat und bringt 500 Zitate, die er bei anderen abgeschrieben hat. Mit solchem Bluff kann man an der Uni imponieren, mir imponieren sie aber nicht. Auch die pauschale Ablehnung von Boxen ist meistens nur ein Bluff, manche Aufnahmen "gelten nichts", obwohl sich da nur ein langes Vorurteil hält und manche Aufnahme gilt unbedingt als Referenzaufnahme, auch wenn da nur der eine vom anderen abschreibt.

Gruß Martin
flutedevoix
Stammgast
#34 erstellt: 11. Aug 2011, 05:59
Hallo Schnuckiputz,

Du hast vollkommen recht, Differenzierung ist wichtig und tut auch hier Not.

Ich für meinen Teil würde z.B. eine Gesamteinspielung des Ringes noch nicht als "Box" betrachten, weil die Werke einen starken inneren Zusammemhalt aufweisen und so auch als zusammenhängendes Werk wahrnehmbar sind. Die Frage stellt sich z.B. bei der Gesamteinspielung der Beethoven-Sinfonien oder der Mozartschen Klavierkonzerte. Wenn es sich aber um Künstlerportraits handelt, um geschlossene Darstellungen einer Werkgruppe durch den gleichen Künstler, wenn also durch die Gesamteinspielung erhellende Einblicke in interpretatorischer Sicht gegeben werden, dann ist das für mich in jedem Fall auch interessant.

Meine Skepsis richtet sich gegen bunt zusammengewürfelte Boxen ohne interpretatorisches und/ oder editorisches Konzept im Stile eines "kompletten Mozart" oder eines "kompletten Baches". Ich kann einfach Boden mit 50 CDs oder 100 CDs nicht soviel abgewinnen. Ich liebe einfach durchdachte Programe, die sich inhaltlich und interpretatorische als durchdacht und emotional durchdrungen erweisen. Diese Qualitäten vermisse ich einfach zu sehr in diesen gigantischen Boxen. Aber wie gesagt, das ist auch eine Mentalitätsfrage eines jeden einzelnen
flutedevoix
Stammgast
#35 erstellt: 11. Aug 2011, 06:08

Auch die pauschale Ablehnung von Boxen ist meistens nur ein Bluff, manche Aufnahmen "gelten nichts", obwohl sich da nur ein langes Vorurteil hält und manche Aufnahme gilt unbedingt als Referenzaufnahme, auch wenn da nur der eine vom anderen abschreibt.


Ich muß gestehen, ich habe noch nie eine Aufnahme angeschafft, nur weil sie als Referenzaufnahme gilt oder noch nie eine Aufnähen Links liegen gelassen, weil sie als schlecht gilt. Ich mag anachronistisch sein, aber ich habe die CDs, die ich mir selbst gekauft habe auch alle ausführlich vorher Probe gehört. Das kostet natürlich Zeit, macht aber auch Spaß. Mir ist es aber halt wichtig jeweils eine für mich erfüllende, tief emotionale Einspielung eines Werkes zu erwerben. Diesen Einspruch könne Boxenvon zunehmender Größe halt schon per se nicht erfüllen.
Manche Boxen habe ich auch aus Gründen des interpretatorischen Vergleiches erworben, aber eben auch da aus voller Absicht und zur Abrundung meines Bildes eines Werkes.
Wilke
Inventar
#36 erstellt: 11. Aug 2011, 07:41
hallo Flutedevoix,

für mich als (fortgeschrittener) Klassanfänger war es eine schönes Erlebnis, eine Einsteigerbox mit 40 cd - nach dem
Motto - "Grundstock Klassik" zu ergattern. Hier war alles quergemischt: Barockkonzerte von Vivaldi, Bach, Symphonien von Mahler, Haydn, Beethoven, Solostücke für Klavier und Violinkonzerte. Ich hatte dadurch die Möglichkeit, mir einen
guten Überblick zu verschaffen und habe festgestellt, dass ich grundsätzlich Barockmusik mag, mir Beethoven mit seinen Klaviersonaten sehr gut gefällt und ich lieber Violinkonzerte als Violinsonaten höre. Da ich besonders Piano-Musik schätze habe ich mir auch den Brilliantklotz mit 100 Pianosolostücken
gekauft. Heute morgen habe ich noch eine cd mit Sciabin gehört, den ich vorher gar nicht kannte. Aber: ich gebe Dir Recht, dass die Gefahr besteht, dass vieles nur ungehört in der Box liegen bleibt (von den 100 cds habe ich vielleicht 10, maximal 15 cds in einem Jahr gehört) und das die Gefahr besteht, dass man nicht so bewußt hört. Als Jugendlicher habe ich z.B. auf Schallplatten gespart und die dann sehr oft gehört. Und immer mehr entwickele ich den Standpunkt, lieber 20 Werke in einem Jahr öfters bewußt zu hören, als
200 Werke in einem Jahr nur zu konsumieren. Bei den Boxen ist der Vorteil - siehe oben das Beispiel mit Rudolf Schock:
man hat - wenn man ihn nicht kennt - sagen wir mal 10 cds und findet nur 3 cds gut - so hat man durch diese Box eben diese 3 cds entdecken können Ich finde Deinen Ansatz hervorragend, erst mal sich durch cds zu hören und dann zu kaufen. Leider gibt es heute keine cd-Läden mehr, wo man
eine cd vorher hören kann, bevor man sie kauft. (Ich hatte mal eine Grapelli cd mir auspacken lassen - der Verkäufer guckte mich ganz komisch an, hatte sie dann aber doch in den player gesteckt: aber die Aufnahmequalität war besch...eiden, und ich habe sie nicht gekauft. Mit den 30 sekunden Vorhören über Internet oder über die Hörstationen kann ich leider nicht viel anfangen. Liebe Grüß , Ralf.
Martin2
Inventar
#37 erstellt: 11. Aug 2011, 13:05
Hallo Wilke,

also wie Du weißt habe ich auch viele Boxen. Der Unterschied liegt trotzdem darin, daß ich, bevor bei mir die ganze Boxensammelei los ging, schon eine wenn auch nicht weltrekordverdächtige, aber auch nicht allzu ärmliche Sammlung von Einzel CDs schon hatte. Und mit dem Sammeln von Einzel CDs auch nie aufgehört habe.

Ich sehe bei Dir einfach, daß Du an den Boxen ein bißchen kleben bleibst, damit bist Du eingestiegen und so sammelst Du weiter. Und mit dem 100 CD Brilliantklotz bleibst Du bei teilweise minderwertigen Interpretationen kleben. Aber wie ich Dir schon sagte, ist der Grieg sehr schlecht, auch der Brahms ist nicht toll und ich sehe einfach, daß Du Musik teilweise mit schlechten Interpretationen hast und das muß nicht sein.

Dabei muß man sich vor allen Generalisierungen hüten: Ich hatte etwa die Liszt H moll Sonate in einer Einzel CD, aber die war einfach grauenhaft, auch Mike hats mir bestätigt und die Boxen waren viel besser.

Trotzdem: Es gibt viele Einzel CDs, die mir einfach unverzichtbar sind. Mozarts Klarinettenkonzert mit Leister etwa auf der Deutschen Grammophon, Mahlers 4. mit Szell oder das Lied von der Erde mit Klemperer, Bruckner mit Jochum / BPO oder Bartoks Klavierkonzerte mit Anda, Fricsay.

Natürlich kann man immer sagen: Ich kauf mir mal eine dicke Box, da höre ich mal rein und dann sehe ich weiter. Nur fürchte ich einfach, allein schon mit der Erforschung des superbilligen Brilliantklotzes wirst Du bei Deinem Tempo über Jahre beschäftigt sein. Also bleibst Du da letzlich hängen. Also kommst Du letzlich vielleicht gar nicht mehr dazu, Dir die wirklich guten Sachen mal anzuhören. Und dann stellt sich eben die Frage: Ist mir meine Zeit dafür nicht zu kostbar?

Und wenn Du das Geld hast, nach Indonesien zu verreisen, dann sollte doch auch Geld da sein, sich mal gute CDs zu holen. Der Christian Zacharias mit den Mozart Klavierkonzerten wird etwa besser sein als das, was Du da in Deinem Brilliantklotz drin hast und teuer sind die älteren Aufnahmen auch nicht, der Nöckleberg auf Naxos ist unvergleichlich viel besser als der Hakon Austbö mit dem Grieg, der Brahms im Brilliantklotz ist ziemlich gesichtslos, Julius Katchen ist besser und - ich sage mal - Du bleibst bei solchen Monsterboxen jahrelang daran hängen.

Insofern muß ich Mike und Flutedevoix letzlich recht geben; zwar finde ich meinetwegen die Mozart Gesamtausgabe als letzlich "enzyklopädische Investition" gar nicht verkehrt, aber als "Klassikeinsteiger", der Du ja letzlich gar nicht mehr bist, wirklich jahrelang an einer solchen Billigbox von Brilliant hängen zu bleiben ( die auch ihre guten Seiten haben mag, den Beethoven mit Brendel etwa) - das finde ich letzlich verkehrt.

Gruß Martin
Wilke
Inventar
#38 erstellt: 12. Aug 2011, 07:29
Danke Martin,

Du hast Recht, dass die Gefahr besteht, bei den Boxen kleben zu bleiben und bei der Pianobox von Sony gefällt mir z.B.
Debussy mit Claire de lune nicht.

Gestern habe ich von Brahms opus 117, 118 und 119 aus der Brilliantbrahmsbox gehört, und da dachte ich mir, da müßte es auch besseres geben.

Für mich ist unter anderem neben der Interpretation auch die Aufnahmetechnik bwz. das Ergebnis wichtig.

Und einige wenige Einzel cds habe ich auch schon, unter anderem Lang Lang
Martin2
Inventar
#39 erstellt: 14. Aug 2011, 19:15
Hallo Ralf,

na ja, ich denke, daß ich, obwohl ich eine alteingesessener Klassikhörer bin, letzlich auf demselben Stand bin wie Du.

Wie mir scheint, ist etwa die grandiose Zeit der billigen Boxen im moment schon wieder fast vorbei. Die Dvorakbox zum Beispiel - sehr teuer inzwischen-, die Karajanbox - unbezahlbar - die "Wagner from Bayreuthbox" sehr teuer inzwischen. Auch die Mozartbox von Brilliant etwa, die ich für 60 Euro gekauft habe, inzwischen schon wieder bei 100.

Man sollte die Gelegenheiten nutzen, wie sie fallen, also haben wir sie genutzt und das war auch völlig OK so.

Inzwischen bin ich aber auf dem Trip, mir wirklich gute Sachen auch mal zu holen. Zum Beispiel den Mozart mit Zehetmeier, von Flutedevoix sehr empfohlen - ich glaube den hole ich mir mal.

Wovon ich Dich ein bißchen abbringen möchte, ist diese hausväterlich kaufmännische Haltung, alles, was man besitzt, auch wirklich hören zu müssen. Muß man aber gar nicht, manche Sachen haben sich eben nur wegen bestimmten Dingen gelohnt und das ist dann eben auch vollkommen OK so.

Kriegen wir eigentlich noch mal die Kurve zum Threadthema?

Gruß Martin
Szellfan
Hat sich gelöscht
#40 erstellt: 19. Aug 2011, 03:53
Hallo Martin,
bitte nimms mir nicht krumm, es ist ein interessanter Satz
von Dir, bestimmte Sachen nicht hören zu müssen, weil sich eine Box nur für manches gelohnt hat. Wie beurteilst Du das, wenn Du nicht alles gehört hast?

Nun gut. Sag mal, zurück zum Thema, was bleibt Dir an Fragen denn noch offen? Das frage ich ganz ehrlich. Schließlich kann man hier schon sehr differenzierte und differierende Meinungen lesen.
Was blieb Dir noch offen?
Herzliche Grüße, Mike


[Beitrag von Szellfan am 19. Aug 2011, 03:56 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#41 erstellt: 19. Aug 2011, 21:11
Hallo Mike,

nein zum eigentlichen Thema bleibt eigentlich gar nichts mehr offen. Allerhöchstens: Daß viele Klassikhörer heute wirklich ungleich mehr übersättigt sind als früher, man denke nur an diese Monsterboxen, aber dann vielleicht auch tatsächlich nicht immer mit den wirklich besten Dingen.

Ich sage nur viele Dinge in meiner ziemlich großen Sammlung habe ich tatsächlich nicht gehört und werde ich möglicherweise auch nie hören. Nur eine günstige Box lohnt sich eventuell auch dann, wenn man nur bestimmte Dinge gehört hat.

Meinetwegen die große Mozartbox von Brilliant hat sich für mich unbedingt gelohnt. Den Derek Han mit den Klavierkonzerten finde ich gar nicht mal schlecht, obwohl ich Zacharias und auch Barenboim inzwischen besser finde. Entscheidend ist erst mal: Man macht Entdeckungen, wie zum Beispiel die tollen Streichquintette von Mozart, die c moll Messe oder neulich auch die Zaide, auch in die Klaviersonaten hörte ich noch mal rein.

Ich könnte das alles im einzelen aufschlüsseln: Was ich aus bestimmten Boxen gehört habe und was nicht. Das würde aber lange dauern.

Die Diskussion hat ja das Thema auch nicht wirklich verlassen, man kommt aber dahin, daß die schiere Masse die Klasse teilweise möglicherweise wirklich erdrückt. Es mag also durchaus so sein, daß selbst Klassikanfänger heute mit Riesensammlungen dastehen, während die Sammlungen vor 30 Jahren vergleichsweise ärmlich aber qualitativ trotzdem besser waren.

Vor Übertreibungen sollte man sich allerdings hüten. Gerade Klassikanfänger kaufen mal billige CDs, finden sie super und dann kommt da so ein arroganter Schnösel und erklärt das, was sie haben, zum letzten Mist. Genau an dem Punkt setzt dann aber bei vielen die Trotzreaktion ein, wo man sagt: Ich lasse mir doch nicht von so einem Snob vorschreiben, was ich gut und was ich schlecht zu finden habe.

Ich selber werde in Zukunft sicher ein bißchen mehr in Sachen Qualität sammeln und mich da auch gerne von Dir oder Flutedevoix weiter beraten lassen.

Gruß Martin
premierenticket
Stammgast
#42 erstellt: 20. Aug 2011, 06:58
Schade - der Thread ist als potenzieller Tiger gestartet, um dann als Bettvorleger zu landen. Philosophische Fragen am Anfang - und am Ende doch alles nur eine Frage von Boxen.

Gruß

Christian
Kreisler_jun.
Inventar
#43 erstellt: 20. Aug 2011, 07:16

premierenticket schrieb:
Schade - der Thread ist als potenzieller Tiger gestartet, um dann als Bettvorleger zu landen. Philosophische Fragen am Anfang - und am Ende doch alles nur eine Frage von Boxen.


Die philosophische Frage wurde bereits von einem gewissen Diogenes von Sinope (aka "in der Tonne") vor mehr als 2300 Jahren theoretisch und auch praktisch umfassend geklärt...

Die bösen Buben von Korinth
Schneewitchen
Inventar
#44 erstellt: 20. Aug 2011, 09:39
amazon.de
Ich bin zwar ein Fan von guten Monsterboxen (wie die DG Karajan Sinfonien Edition,für 55 Euro gekauft-jetzt für 300 Euro angeboten) aber zurück zum Thema.
Das Klassikangebot ist heutzutage so riesig,weil im Laufe der letzten 50-60 Jahre laufend Neuaufnahmen hinzukamen.1960 war das Klassikangebot auf LPs gering und teuer.Ob arm oder reich,viel Auswahl gab es nicht.Das änderte sich mit der Zeit.
Die heutige (Über)sättigung des Marktes gibt dem Hörer die Möglichkeit,sich für wenig Geld eine umfangreiche Klassiksammlung zuzulegen.
Dazu gehört auch das illegale kostenlose Downloaden.Es gibt fast nichts,was nicht illegal erhältlich ist.Aber das macht natürlich niemand .
Andererseits gibt es auch legale Downloads,die nichts kosten.Die Deutsche Welle und andere Radiosender bieten gratis Klassikdownloads an.
Darüberhinaus bietet das Internet die Möglichkeit,Radiosendungen mitzuschneiden.Spezielle Radiorecorder (wie den WDR-Recorder) bieten die Radiosender zu diesem Zweck an.Oder man nimmt den PhonostarPlayer.Die Livedarbietungen heutiger Künstler lassen sich damit bequem als mp3 auf die Festplatte bannen und bei Bedarf als CD brennen.
Das neue Live Beethoven Violinkonzert mit David Garritt konnte man dieser Tage im ARD-TV in HD-Qualität mitschneiden noch ehe seine Studioaufnahme als CD erscheint.Weiterhin steht es in der Mediathek der ARD bereit,sodaß der Stream mit einem Transporter auf die Festplatte gebannt werden kann.Selbst die umfangreiche Sammlung von Klassik-Streams von Youtube läßt sich damit speichern.Von Bachs Matthäuspassion bis Wagner Opern.
Eine Klassiksammlung auf Festplatte kann man sich also praktisch gratis zulegen,ohne CDs/DVDs kaufen zu müssen.


[Beitrag von Schneewitchen am 20. Aug 2011, 11:30 bearbeitet]
Bajero
Ist häufiger hier
#45 erstellt: 01. Sep 2011, 13:05

Schneewitchen schrieb:

Das neue Live Beethoven Violinkonzert mit David Garritt konnte man dieser Tage im ARD-TV in HD-Qualität mitschneiden noch ehe seine Studioaufnahme als CD erscheint.Weiterhin steht es in der Mediathek der ARD bereit,sodaß der Stream mit einem Transporter auf die Festplatte gebannt werden kann..

Hier zwar OT, aber gibts dazu einen Link ?

Habe in der Mediathek sowohl nach David G. als auch nach Beethoven gesucht, aber keinen TV Stream finden mit dem Konzert können....


[Beitrag von Hüb' am 01. Sep 2011, 13:06 bearbeitet]
Schneewitchen
Inventar
#46 erstellt: 01. Sep 2011, 14:45
Die ARD-Mediathek hat das Beethoven-Konzert nur wenige Tage bereit gehalten,jetzt ist es nicht mehr da.
Sendetermin war der 17.08.2011.Wenn man das TV-Programm für diesen Tag aufruft,ist zwar die Sendung noch vermerkt,es besteht aber keine Möglichkeit,das Konzert anzusehen.
Hüb'
Moderator
#47 erstellt: 01. Sep 2011, 14:51
Vllt. bei youtube oder einem der anderen Video-Portal einmal schauen?

Wobei ich nun wirklich keine grundsätzliche Notwendigkeit darin sehe, nach einer Interpretation des "Rieu für's Auge" zu suchen...insbesondere beim Beethoven VK...


[Beitrag von Hüb' am 01. Sep 2011, 14:53 bearbeitet]
Bajero
Ist häufiger hier
#48 erstellt: 02. Sep 2011, 04:34
tja...weg ist weg.
Bei Youtube suchen geht ja immer. Aber wäre schon praktisch gewesen das bei ARD unkompliziert an einem Stück runterziehen zu können.....
Naja...

Wäre halt mal Neugierig gewesen. Ansten finde ich den DG ehrlich gesagt aber auch ziemlicht gut; aber verbinde ihn mehr mit Crossover und bzw. seinen Interpretationen moderner Stück für Orchester und moderne Instrumente. Das macht er meiner Meinung nach aber sehr gut....wobei man sowohl über seine gesamte Art musik zu machen, als auch über einzelne Stücke immer diskutieren kann....entweder es gefällt- oder es gefällt nicht ;-)
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