Der Einfluß von Jazz in der "Klassischen Musik"

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Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 08. Mai 2004, 16:12
Hallo,

Am Wochenende wollen wir mal ein Thema erörtern, daß ich vor etlichen Monaten an anderer Stelle schon einmal zur Diskussion gestellt habe, mit mäßiger Resonanz übrigens, was mich gewundert hat.

Gesucht sind Stücke der Klassischen Musik, wo Eurer Meinung nach Stilelemente des Jazz eingeflossen sind, ob bewusst oder unbewusst, ferner auch Stück, wo versucht wurde Jazzelemente zu integrieren, ob geglückt oder weniger perfekt geglückt.


Grüße aus Wien
Alfred
Markus_Berzborn
Gesperrt
#2 erstellt: 09. Mai 2004, 12:33
Los ging das wohl schon zu Anfang des 20. Jhd. mit der vorsichtigen Einbeziehung von Ragtime-Rhythmen, z.B. bei Debussy (Le petit nègre, Golliwogg's Cakewalk) und Satie (Le Piccadilly).

Gruß,
Markus
Antracis
Stammgast
#3 erstellt: 09. Mai 2004, 13:09
Letzte Saison wurde hier in Berlin ein Stück namens "Blood on the Floor" aufgeführt, komponiert von Mark Antony Turnage. In dem Stück verknüpften sich Elemente "moderner" Klassik und Jazzmusik. Nach außen hin auch sichtbar durch eine Besetzung eines Sinfonieorchesters und einer Jazzformation (Schlagzeug, Bass, Klarinette u.a. Peter Erskine und David Carpenter).

Das Projekt fand viel Anklang, mir gefiel der Jazzpart ziemlich gut, allerdings fan ich kompositorisch die Symbiose mit dem Orchester nicht unbedingt gelungen. Habe da aber auch wenig Erfahrung. Die Musiker hatten aber Ihren Spaß, das Publikum ebenso.

Gruß
Anti


[Beitrag von Antracis am 09. Mai 2004, 13:10 bearbeitet]
DrJ
Ist häufiger hier
#4 erstellt: 09. Mai 2004, 22:22
Hallo,

da fallen mir natuerlich die grossen Klassiker ein: George Gershwin und Kurt Weill, die setze ich aber eigentlcih als bekannt voraus. Wobei die fuer den Puristen vielleicht gar nicht als echte klassiche Komponisten durchgehen

Gershwin hat jedenfalls mit Porgy and Bess den Klassiker der Integration von Jazz und Oper geschaffen. Die Songs daraus sind heute noch Standards in der Jazzwelt und werden immer wieder gespielt, man denke nur an 'Summertime' oder 'It ain't necessarily so'. In den Jazz-Versionen klingen sie meist auch besser :L. Mit Sinfonieorchester ists eben nicht so authentisch. Die 'klassischen' Kompositionen von Gershwin wie 'Rhapsody in Blue' mag ich dagegen gar nicht. Daneben hat ja Gershwin auch eine ganze Menge leicht Sachen fuer Broadway Musicals geschrieben, eine Unmenge dieser Songs sind heute Jazz Klassiker. Insofern scheint mir die Integration hier ziemlich perfekt gelungen, da beide Seiten offensichtlich damit leben koennen. Hoerempfehlung (bewusst von Jazz Seite aus): Joe Henderson - Porgy and Bess auf Verve. Auch sehr gut: Ira George and Joe - Joe Pass loves Gershwin von Pablo Records, auf Grund der dezenten Einspielung mit Gitarre m.E. auch fuer den Jazz-Abstinenten Hoerer sehr gut ertraeglich. Ansonsten unzaehlige Interpreten die Gershwin-Stuecke im Repertoire haben.

Und bei Kurt Weill ist etwa in die Dreigroschenoper oder in die Songs aus Happy-Ende eine ganze Menge Jazz eingeflossen, auch das sind m.E. Klassiker. Meine Hoerempfehlungen: Gislea May - Brecht Weill Songs erscheinen 1989 bei CAPRICCIO, bzw. Gisela May - Brecht Weill, eine ETERNA Platte von ca. 1970 (nur noch antiquarisch), da klingt die Diseuse noch etwas frischer... Die Songs werden jedenfalls in den Original Arrangements eingespielt, das gibt einen guten Einblick. Ausserdem empfehlenswert: Lost in the Stars - The Music of Kurt Weill. Da haben sich etliche mehr oder weniger populaere Vertreter aus Pop, Jazz und Klassik zusammengetan und spielen verschidenste Weill Stuecke in eigenen, groesstenteils wunderbaren Interpretationen ein. Wenn ich das hoere dann kommt mir immer ein leichtes Laecheln bezueglich der hier so eifrig diskutierten verschiedenen Interpreationen klassischer Werke an. Das sind so viel geringere Unterschiede das ich mich immer frage ob es wirklich so wichtig ist :L. Die CD gibts aber leider auch nicht mehr neu.

Beste Gruesse,
Joerg
gaspard
Ist häufiger hier
#5 erstellt: 12. Mai 2004, 00:05
Beethoven, Klaviersonate Nr. 32 op. 111, 2. Satz (Arietta)

Beim schnelleren Teil der Arietta sind manche Interpreten ausgesprochen jazzig aufgelegt (nicht nur Gulda). Eine der berühmt-berüchtigten Vorahnungen Beethovens?

g
Susanna
Hat sich gelöscht
#6 erstellt: 12. Mai 2004, 11:25
Jörg

man denke nur an 'Summertime' oder 'It ain't necessarily so'. In den Jazz-Versionen klingen sie meist auch besser :L.

Oder "I ain't got no shame". Ist natürlich Geschmacksache. Mir gefallen sie auch als Spirituals.

Gerade habe ich den 1. Satz des Klavierkonzerts von Gershwin gehört. Auch teilweise ziemlich jazzig. Dann aber leider wieder streckenweise in "breiartigen" Klang ausartend, ich finde diese Gegensätze nicht gelungen.

Hörte mir die Tage auch mal wieder mehrmals den "Mikrokosmos" von Bartok an. Da gibt es bei den etwas längeren Stücken oder Etüden Tänze, die für mich auch starken Jazzeinfluß haben.

Gruß,
Susanna
Heinrich
Inventar
#7 erstellt: 12. Mai 2004, 12:02
Nicht zu vergessen Milhaud: "Saudades do Brasil", "Le Creation Du Monde" und "Scaramouche Suite".

Gruss aus Wien,

Heinrich
op111
Moderator
#8 erstellt: 12. Mai 2004, 12:07
gaspard:
Beethoven, Klaviersonate Nr. 32 op. 111, 2. Satz (Arietta): Beim schnelleren Teil der Arietta sind manche Interpreten ausgesprochen jazzig aufgelegt

Hallo Gaspard,
diese Empfindung hatte ich ebenfalls, und nicht nur bei Pollinis alter Aufnahme.
Ein wenig hat sich wohl auch Keith Jarrett im ersten Teil (Mittelteil) des "Köln" Concerts aus der op. 111 Quelle bedient, meine ich zu hören.
Von Vorahnung zu sprechen ist wohl überzogen, eher glaube ich an "Rückgriffe" auf die Vergangenheit.

Strawinsky hat übringens auch für Jazz-Ensembles komponiert und Stilelemte verarbeitet.

Gruß
Franz
walter_f.
Hat sich gelöscht
#9 erstellt: 12. Mai 2004, 12:33
Tag Franz,

Du bist wieder da - hoffentlich war's schön.
Hab mir grad die Naxos Schostakowitsch Jazz-Suiten/The Bolt gekauft. Nette, fröhliche Musik ist das.

Grüsse
Walter
Reinhard_H
Ist häufiger hier
#10 erstellt: 12. Mai 2004, 13:20


Hab mir grad die Naxos Schostakowitsch Jazz-Suiten/The Bolt gekauft. Nette, fröhliche Musik ist das.


Da finde ich auch. Hab die CD schon seit ein paar Wochen und schon ziemlich oft gehört.
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#11 erstellt: 12. Mai 2004, 21:01
Hallo,

Im Gegensatz zu Dr.J, liebe ich die "Rhapsody in blue".
In meiner Jugend war ich gegenüber moderner Musik wesentlich restriktiver eingestellt als heute.
Dennoch (Ich hatte die Aufnahme mit Bernstein) ---
Ich liebte das Werk vom ersten Moment an.
Liebe auf den ersten Ton, quasi.




Ich würde "Rhapsody in Blue" auch nicht als reine "klassische" Komposition bezeichnen (obwohl sie sicherlich zur Klassischen Musik zuzuornen ist).
Der Auftrag daz kam von Paul Whiteman, dem Leiter eines kommerziellen Jazz-Orchesters. Er vermarktete sich gut, und er kaufte die besten Leute ein, seine Feinde sagen, er wäre ein besserer Vermarkter und Showbusinisman, als Musiker.
Wie dem auch sei, er war es der Gershwin den Auftrag zu diesem Werk gab.(Sehr obskurer Vorgang übrigens)
Es gibt von dem Werk übrigens meherere Fassungen, die ursprüngliche war für Bigband und Klavier. Orchestriert hat sie übrigens Paul Whitemans hauseigener Arrangeur, der hieß Ferdinnand Grofé und ist uns heute auch noch ein bisschen bekannt. Die Uraufführung war am 12.2.1924 in New York.
Am Klavier saß der Komponist am Pult war Paul Whiteman.
Der Erfolg war phänomenal.....



Ich besitze einige Aufnahmen des Werkes und weiß bis heute nicht welcher ich den Vorzug vor den anderen gebe.
Immer halte ich jene für die beste, die ich gerade höre..

Gruß aus Wien

Alfred
DrJ
Ist häufiger hier
#12 erstellt: 12. Mai 2004, 22:37
Hallo Alfred,

ja so ist das mit den musikalischen Geschmaeckern. Meine partielle Abneigung gegen groessere Klangkoerper habe ich ja schon dargetan, die Rhapsody in Blue macht da keine Ausnahme.

Es ist aber interessant zu fragen, ob es ueber Gershwin hinausgehend wirkliche Jazz-Einfluesse auf den Bereich der kalssischen Musik gegeben hat. Denn der Jazz hat der klassischen Musik rein kompositorisch sehr wenig zu bieten. Leider kenne ich mich nicht so gut aus um diese Frage zu beantworten, aber das grenzt natuerlich unmittelbar an den Thread zum "Stellenwert" von Jazz-Kompositionen an. Und der ist m.E. recht gering, aber das sollte ich wohl dann dort ausfuehren. Deshalb eine vielleicht recht ketzerische These: Abgeshen von wenigen Ausnahmen gibt es kaum einen Einfluss des Jazz auf die klassische Musik, weil die besonderen Jazz-Gestaltungsmittel (Intonation, Rhythmik, ausgedehnte Improvisation) in der Klassik nicht so wichtig sind.

Vielleicht sollte ich mir aber auch nur mehr zeitgenoessische Klassik anhoeren, vielelicht kann ja jemand noch ein paar Beispiele fuer Jazz-beeinflusste Kompositionen nennen.

Beste Gruesse,
Joerg
Reinhard_H
Ist häufiger hier
#13 erstellt: 15. Mai 2004, 00:15
Rolf Liebermann:
Concerto für Jazzband und Sinfonieorchester

bei ccc (Edel classics).

Mit drauf Elgar Enigma und Hindemith Philharmonic Concert

Ist nicht so ganz mein Ding (der Liebermann), aber man kann es sich mal angehört haben
Markus_Berzborn
Gesperrt
#14 erstellt: 15. Mai 2004, 00:47

Ist nicht so ganz mein Ding (der Liebermann), aber man kann es sich mal angehört haben


Ja, finde ich auch, einer der wenigen gelungenen Versuche, diese beiden Klangwelten zusammenzubringen. Meistens kommt ja bei "Crossover"-Versuchen jeglicher Art nicht besonders viel raus.
Letzte Woche habe ich übrigens endlich die legendäre Liebermann-Komposition "Les Echanges" für diverse Büromaschinen aufgetrieben - auf originaler 7"-Single (und mit einer Jazz-Version auf der Rückseite!!)

Gruß,
Markus
marischen83
Neuling
#15 erstellt: 12. Jun 2004, 14:50
dazu habe ich eine frage:

kennt jemand ein requiem besetzt mit erweiterter bigband (noch bisschen blech,pauken, schlagwerk), völlig ohne streicherapparat? ich glaube, es ist das "reqiuem for choir and bigband" von steve gray *köppikratz

als ich davon jemand hab erzählen hören, dachte ich nur, die jazzer entweihen aber auch wirklich jedes genre.
(jedenfalls ein gutes beispiel zu diesem alten thread!)
nee ehrlich, ich finds sehr interessant und wenn jemand ne gute aufnahme weiss, dann raus mit der sprache!

lg mari
marischen83
Neuling
#16 erstellt: 12. Jun 2004, 14:56
hups, ich meinte eher das requiem von nils lindberg.
geniesser_1
Hat sich gelöscht
#17 erstellt: 13. Jun 2004, 16:36
Fliessen bei Bartok nicht auch viele Jazz-Elemente ein?

Wenn man das bejahen würde, müsste man das wohl als rundum gelungene Fusion/Beeinflussung ansehen, oder?
Mario_F
Stammgast
#18 erstellt: 13. Jun 2004, 22:08



Hab mir grad die Naxos Schostakowitsch Jazz-Suiten/The Bolt gekauft. Nette, fröhliche Musik ist das.


Da finde ich auch. Hab die CD schon seit ein paar Wochen und schon ziemlich oft gehört. :)


Die Naxos Aufnahme kenne ich nicht, die Decca Einspielung mit Riccardo Chailly ist aber erste Sahne (wie übrigens auch die Filmmusiken und Ballette).

Ich finde Respighi´s Antike Melodien und Tänze für Laute "swing" unheimlich, was ich auch über Enesco´s Rumänische Rhapsodie Nr. 1 sagen kann. Vielleicht liegt das aber auch am unheimlich Taktgefühl und Dirigat von Antal Dorati...

Gruß

Mario


[Beitrag von Mario_F am 13. Jun 2004, 22:08 bearbeitet]
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