"Kleinmeister" der klassischen Musik

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arnaoutchot
Moderator
#51 erstellt: 24. Mrz 2013, 22:05

premierenticket (Beitrag #50) schrieb:
Das Klavierkonzert ist ja nun unterhaltsam und schön, aber hängen bleiben die Themen nicht eben.


Da kann ich Dir nicht unbedingt widersprechen, von den drei genannten hab ich mit Hummel in dieser Richtung auch die meisten Probleme. Aber ich weiss nicht, ob es nicht einfach daran liegt, dass ich die korrespondierenden Grossmeister einfach schon viel öfter gehört habe.
premierenticket
Stammgast
#52 erstellt: 24. Mrz 2013, 22:08
Was mich interessieren würde - was ist denn eigentlich mit Carl Maria von Weber? Vom Bekanntheitsgrad sind seine Symphonien und Klavierkonzerte auch "Kleinmeisterhaft" - sind sie es auch von der Qualität, oder aber hörenswert?

Und Mendelssohns Klavierkonzerte sowie das von Dvorak rangieren auch unter "ferner liefen".

Aber vielleicht ist das auch eher ein anderes Thema, einen eigenen Thread wert, nämlich: "Mauerblümchen bekannter Komponisten"

Beste Grüße

Christian
arnaoutchot
Moderator
#53 erstellt: 24. Mrz 2013, 22:16
Webers Klavierkonzerte fand ich eigentlich recht hörenswert, die Symphonien zugegeben eher langweilig. Bei Mendelssohn und vor allem Dvorak muss ich aber schon dezidiert widersprechen. Bei Dvorak könnte ich alleine zwei gute Aufnahmen anführen in meiner Kollektion:

jpc.de jpc.de
Martin2
Inventar
#54 erstellt: 24. Mrz 2013, 23:00
Hallo Michael,

ich unterstütze den Tip mit den Kalkbrenner/ Hyperion CDs. Fand es dann schon interessant, daß Du 1+4 interessanter fandst als 2+3, vor einiger Zeit hast Du es noch genau umgekehrt gesagt. Dazu muß ich allerdings sagen, daß ich das 2. Klavierkonzert von Kalkbrenner für ein herrliches Werk halte, auch das 1. und wohl auch das 4. - nur mit dem 3. tue ich mich noch schwer, es könnte das schwächste des ganzen Zyklus sein, aber ich höre es noch mal intensiver.

Absolute Übereinstimmung auch bezüglich des Dvorak Klavierkonzertes. Ein tolles Werk. Von diesem Werk war der tschechische Pianist Firkusny allerdings ein absoluter Champion, von dem ich zwei Versionen haben, eines mit der tschechischen Philharmonie und Neumann und eines mit Süßkind, letztere Aufnahme war in der Dvorak Brilliant Box, die es lange nicht mehr bezahlbar gibt und letztere Aufnahme ziehe ich vor. Richter müßte ich auch mal hören, habe ich auch.

Gruß Martin
Kreisler_jun.
Inventar
#55 erstellt: 25. Mrz 2013, 00:18
Das beste konzertante Stück Webers ist das f-moll-Konzertstück, das bei den CDs der Klavierkonzerte normalerweise mit drauf ist. Die Klavierkonzerte selbst sind aber auch hörenswert (ich besitze drei Aufnahmen: Opitz/RCA, Frith/Naxos, Demidenko/Hyperion.
Die Mendelsohnschen Klavierkonzerte sind auch eher unterschätzt.
Aber es hat schon seine Gründe, warum die Konzerte des 19jährigen Chopin so populär geworden/geblieben sind... die Konkurrenz hält sich in Grenzen.
Joachim49
Inventar
#56 erstellt: 25. Mrz 2013, 00:56
Das Klavierkonzert Dvoraks wird im allgemeinen sehr unterschätzt (wie auch das Violinkonzert). Die beste Aufnahme ist wohl die von Talich mit Frantisek Maxian, aber die von Martin erwähnte Firkusny-Süsskind Aufnahme ist auch sehr lohnenswert. Richter-Kleiber ist dagegen eine Katastrophe. Ich habe nie verstanden, warum Kleiber jun., der ja viele Veröffentlichungen blockiert hat, diese musikalische Missgeburt freigegeben hat. Sowohl der Dirigent als auch der Solist begegnen dem Werk völlig verständnislos.
arnaoutchot
Moderator
#57 erstellt: 25. Mrz 2013, 00:56

Martin2 (Beitrag #54) schrieb:
ich unterstütze den Tip mit den Kalkbrenner/ Hyperion CDs. Fand es dann schon interessant, daß Du 1+4 interessanter fandst als 2+3, vor einiger Zeit hast Du es noch genau umgekehrt gesagt.


Upps, jetzt bringst Du mich ins Schleudern. Ich war der Meinung, ich hatte die # 1 & 4 zuerst und die gefiel mir etwas besser, aber ich bin mir jetzt nicht mehr so sicher. Naja, egal, die Konzerte lohnen sich auf jeden Fall alle vier.
Martin2
Inventar
#58 erstellt: 25. Mrz 2013, 02:27

premierenticket (Beitrag #50) schrieb:

arnaoutchot (Beitrag #49) schrieb:

Bei Hummel habe ich die Chandos-Serie mit Howard Shelley , ebenfalls Referenzaufnahmen der Werke, würde ich behaupten. Beispielhaft diese hier:

jpc.de



Danke für die Hinweise. In eben diese CD habe ich heute, allerdings via Spotify, also in minderer Klangqualität gehört. Das Klavierkonzert ist ja nun unterhaltsam und schön, aber hängen bleiben die Themen nicht eben.


Also mich haut dieses Klavierkonzert auch nicht vom Hocker, es plätschert ganz nett dahin. Ich möchte mal behaupten, daß die beiden Konzerte in der Golden Age Box wirklich besser sind. Wirklich reizend war da ein "Piano Concertino", also ein "kleines" Klavierkonzert von Hummel, aber auch das andere war gut, wenn auch vielleicht nicht in allen Sätzen.
Klassikkonsument
Inventar
#59 erstellt: 25. Mrz 2013, 03:00

premierenticket (Beitrag #44) schrieb:
Ich habe allerdings eine negative Meinung gegen jede Art von Nivellierung. Es gibt einen unterschiedlichen Rang von Musik. Es gibt Musik, die ist Hintergrundgeräusch, es gibt Musik, die ist Unterhaltung, und es gibt Musik, die ist Offenbarung.


Zumal Künstler ja nicht einfach bloß nach privater Befindlichkeit schaffen, sondern sich mit Vorgängern & Kollegen vergleichen. Ja, sogar mit sich selbst vergleichen sie sich und wollen besser werden. Auch wenn das heute vielfach bestritten wird, gibt es (wenn auch nicht stumpf linear) einen Fortschritt in der Kunst. Oder mit einem wohl weniger umstrittenen Begriff: Weiterentwicklung.

Der von Günther verlinkte Pluspedia-Artikel ist in der Tat erhellend, nicht zuletzt durch die historische Einordnung der Entstehung des Begriffs "Kleinmeister".
Mit einigen Zitaten wird belegt, dass seit je anerkannte "Große Meister" heute mehr oder minder vergessene Kollegen schätzten. Da ist natürlich die spannende Frage wofür genau bzw. entsprechend, warum diese "Kleinmeister" vergessen sind.
Klar spielt da auch Pech eine Rolle. Aber z.T. ist das halt altes Zeug, dass heute einfach nicht mehr so rockt. Zwar traf es zu seiner Zeit den verbreiteten Geschmack, war Inspiration für andere oder ein Vergessener hat gut unterrichtet. Alles Gründe für ein berechtigtes positives Urteil, aber noch lange nicht dafür, diese Musik mit mehr als historischem Interesse zu hören.
Martin2
Inventar
#60 erstellt: 25. Mrz 2013, 03:19

Klassikkonsument (Beitrag #59) schrieb:
Aber z.T. ist das halt altes Zeug, dass heute einfach nicht mehr so rockt. Zwar traf es zu seiner Zeit den verbreiteten Geschmack, war Inspiration für andere oder ein Vergessener hat gut unterrichtet. Alles Gründe für ein berechtigtes positives Urteil, aber noch lange nicht dafür, diese Musik mit mehr als historischem Interesse zu hören.


Das ist ja vollkommen richtig, nur sollte man da bitteschön differenzieren. Das habe ich etwa in meinen Besprechungen der Golden Age Box gemacht. Einiges gefiel mir da sehr gut, anderes hat mich nun wirklich nicht vom Hocker gehauen. Ich höre etwa Kalkbrenner weiß Gott nicht "aus historischem Interesse", sondern weil mir diese Musik sehr gut gefällt. Und das wird man doch noch sagen dürfen. Hummel hat mir teilweise gefallen, Litolff hat mir gefallen, Henselt hat mir gefallen, Moscheles hat mir gefallen ( und die Hyperion CD ziemlich enttäuscht), Hiller, Ries, Raff waren dagegen ziemliche Enttäuschungen.

Ich höre all diese Musik durchaus nicht aus historischem Interesse, sondern weil ich mir davon etwas erhoffe. Und dazu sage ich mal: Es ist völlig legitim, sich beim Hören auf die Musik der sogenannten "Großen" zu beschränken. Es ist aber ebenso legitim, sich auf die Suche zu begeben nach anderen Komponisten, die auch gut sind. Das ist nun weiß Gott mehr als ein bloßer "Spleen", sondern wie ich finde eine sehr normale Haltung, wenn man es dabei nicht übertreibt und vor lauter "Ausgraberei" zum vernünftigen Musikhören nicht mehr kommt.
Hörbert
Inventar
#61 erstellt: 25. Mrz 2013, 03:46
Hallo!

@Klassikkonsument


...Alles Gründe für ein berechtigtes positives Urteil, aber noch lange nicht dafür, diese Musik mit mehr als historischem Interesse zu hören....


Wie man es nimmt, hier muß jeder sein Urteil selbst treffen, -genau genommen trifft dein Satz ja auf alle Musik zu die nicht aktuell gefertigt wurde, -es ist um mit deinen Worten zu sprechen alles altes Zeug-, diese Musik der sogenannten Kleinmeister hat eben nicht den Vorteil von den Überresten jenes bizarren Kanons "Geschmackgeschützt" zu werden wie die Musik der großen Kanonmeister.

Im übrigen bin ich mir zimlich sicher das ähnliche nationalen Abarten dieses bizarren Kanons in Italien, Frankreich oder England respektive ihre noch kursierenden Überreste völlig andere Wichtungen erhalten, ich denke also nicht das man den großen Meistern des Deutsch-Österreichischen Raumes auch nur annährend die gleiche Huldigung zukommen läßt. Das relativiert die ganze Sache dann doch noch einmal erheblich.

Man muß die sogenannten Kleinmeister natürlich nicht auf den Olyp der großen Kanonmeister heben, -besser und sinnvoller wäre es den Kanonolymp endlich einzuebnen. So wie ich die gegenwärtige Situation sehe hemmen diese Kanonüberreste die immer noch als vage Vorstellung in einigen Köpfen herumspukt eigentlich nur die Rezeption diese "alten Zeugs" wie du das ausdrückst und hindert die Ausbildung eines nichtelitären inviduellen Geschmacks der stat "Kanonmeisterbezogen" schlicht und ergreifend Werksbezogen wäre.

Schließlich sind auch Bach oder Beethoven Werke ohne Kanonkorsett nichts weiter als "altes Zeugs" das man mit dem gleichen Maß an historischem Interesse hören kann wie die Werke der sogenannten Kleinmeister, vieles davon was z.B. ich von den großen Kanonmeistern kenne ist ganz sicher keine große Musik sondern -ware es von einem der Kleinmeister-, als recht belangloses Zeug eingestuft worden.

MFG Günther
Martin2
Inventar
#62 erstellt: 25. Mrz 2013, 04:42
Hallo Günther,

ich stimme Deinen interessanten Bemerkungen weitestgehend zu. Dieses "kanonische Hören" ist wirklich eine elitäre Seuche. Es gibt ein englischsprachiges Klassikforum, an dem ich mich gelegentlich beteilige, dessen Foreneigner "Exzellenz" in der klassischen Musik propagiert, und das bedeutet, alles minderwertig außer Händel und Beethoven. Über Bach darf immerhin noch geredet werden.

Hier werden Komponisten zu Kultobjekten gemacht. Dabei mag ich über "Qualität" gar nicht urteilen, weil mich Qualität nicht wirklich interessiert, ich sage nur soviel: Der Kalkbrenner hat mir mehr Freude gemacht als vieles von Händel oder Beethoven - so groß die auch sind.

Also man hört kanonisch und langweilt sich dabei am Ende zu Tode. Ich mag das alles nicht hören, diese teilweise so langweiligen Opern von Händel, diese langweiligen Kantaten von Bach, diese drögen Streichtrios von Beethoven, diese stümperhaften Frühwerke von Mozart oder Schubert, diese grobschlächtig klingenden frühen Haydnsinfonien, diese einschläfernden Chopin Nocturnes ( von denen einige wirklich gut sind, andere aber den Begriff im Sinne der "Einschlafhilfe" sehr wörtlich nehmen), diese überflüssigen frühen Dvorak und Tschaikovskisinfonien. All das soll man sich alles anhören, denn es sind ja die "Großen".

Da finde ich die sogenannten "Kleinmeister" am Ende viel interessanter, wobei man sich von denen auch nicht alles anhören sollte, aber wenn das ein seriöser Tip ist, darf man dem gerne mal nachgehen.

Gruß Martin
premierenticket
Stammgast
#63 erstellt: 25. Mrz 2013, 10:02

Hörbert (Beitrag #61) schrieb:
-, diese Musik der sogenannten Kleinmeister hat eben nicht den Vorteil von den Überresten jenes bizarren Kanons "Geschmackgeschützt" zu werden wie die Musik der großen Kanonmeister.

Im übrigen bin ich mir zimlich sicher das ähnliche nationalen Abarten dieses bizarren Kanons in Italien, Frankreich oder England respektive ihre noch kursierenden Überreste völlig andere Wichtungen erhalten, ich denke also nicht das man den großen Meistern des Deutsch-Österreichischen Raumes auch nur annährend die gleiche Huldigung zukommen läßt. Das relativiert die ganze Sache dann doch noch einmal erheblich.

Man muß die sogenannten Kleinmeister natürlich nicht auf den Olyp der großen Kanonmeister heben, -besser und sinnvoller wäre es den Kanonolymp endlich einzuebnen. ...

MFG Günther


Ich dachte, der Thread hätte eine erfreuliche Wendung genommen, indem hier nun positive Beispiele von Werken und Komponisten genannt werden, die zu Unrecht vergessen sind. Stattdessen wird hier einem Kulturrelativismus das Wort geredet, wie es ihn so selbstverleugnend wohl nur in Deutschland geben kann. Überall auf der Welt, in Japan wie in den USA, ist die Vorreiterrolle und prägende Größe der deutschen klassischen Musik völlig unstrittig. Womit ging die MET in eine neue Ära? Mit einer Inszenierung des Rings. Wo erscheinen gerade hochpreisige Würdigungen des Schaffens Karajans in Form von SACDs und wertigen Boxen? In Japan und Korea. Und, um ein wenig zurückzublicken: Was war auf der berühmten goldenen Schallplatte der Voyager-Sonde, außer Volksmusik verschiedener Länder? Bach, Mozart, Beethoven.
Man lese auch Peter Watsons Buch "The German Genius". Oder den Dokumentarfilm "Kimshasa Symphonie", wo Musiker in afrikanischem Slum Beethoven proben.

Um das klar zu sagen: Ich bin kein Nationalist, zumal die Komponisten zuallererst Individuen sind und dann erst einer Nation/einem Kulturraum zugehören. Aber um zu verleugnen, wie reich das Erbe der deutsch-österreichischen Klassik und Romantik ist, und welche Sternstunden der Menschheit uns Bach, Mozart, Beethoven usw. hinterlassen haben, muss einem die Fähigkeit der Demut und Verehrung schon sehr weit abhanden gekommen sein - aber das sind ja auch Tugenden, die nicht mehr hoch im Kurs sind. Stattdessen wird über das Große die Nase gerümpft und das Kleine hochgejubelt. Schönheit und Größe scheinen heute, wo man alle Phasen des Hässlichen in Architektur, Kunst und Musik durchlaufen hat, die größten Provokationen zu sein. Deswegen versucht ja auch in diversen Regietheateraufführungen von Oper eine selbst ernannte Avantgarde, die Schönheit eines musikalischen Werkes zu brechen und durch Blut, Sex und Hässlichkeit zu "aktualisieren". Ein Ansatz, der ebenfalls in Deutschland seine größten Befürworter findet, wohingegen man in anderen Ländern durchaus traditionelle Inszenierungen schätzt und pflegt.

Abschließend: Ich werde mich an der von Günther geforderten "Einebnung des Kanonolymp" sicher nicht beteiligen, werde aber amüsiert zuschauen, wie mit musikalischen Spatzen auf den Kanon geschossen wird; und bin gespannt, ob auch nur ein einziges Werk genannt wird, das neben einem Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann und Bruckner nicht blass aussieht.

Beste Grüße

Christian


[Beitrag von premierenticket am 25. Mrz 2013, 10:23 bearbeitet]
Hörbert
Inventar
#64 erstellt: 25. Mrz 2013, 10:30
Hallo!

ja Martin das ist es, es ist ganz sicher richtig daß Beethoven ein ungleich wichtigerer Komponist als z.B. Hummel war, -das steht ausser Frage-. Aber das heißt noch lange nicht das jede einzelne einer Kompositionen besser sein muß als jedes einzelne Werk eines der zeitgleichen sogenannten Kleinmeister.

Musikhistorisch gesehen hat das alte Kanon ja vielleicht einmal eine wichtige Rolle gespielt und war als Leitfaden der Musikerziehung vielleicht sogar einmal wichtig und gut. -Aber sich im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts sich nach den Überresten eines blickverengenden Kanons aus dem 19.Jahrhunderts zu richten finde ich ist ein Unterfangen das, -jeder für sich-, man doch einmal hinterfragen sollte-.

Salieri, Hummel. Kalkbrenner, und /oder Thalberg sowie unzählige andere, -ja auch Louis Spohr sind nicht unbedingt minderwertig nur weil sie in diesem alten Kanon keinen Platz gefunden haben. Möglicherweise haben sie keinen Genialen Wurf in ihrem Œuvre, aber das heißt für mich nicht das ihre Musik nur von Musikhistorischer Bedeutung wäre, -ich denke mal man kann sie sehr gut auch zum eigenen Vergnügen hören ohne daß einem gleich die Ohrmuscheln abbrechen-.

Zudem mal ganz salopp und pragmatisch gefragt: Was soll man denn sonst hören wenn man den "Kanon" durch hat und einem die eine Hälfte nicht gefällt und die andere einem zu den Ohren raushängt?

@premierenticket

Ich kann deine Ansicht natürlich respektieren, aber ich verstehe sie eigentlich nicht, es muß doch Sache jedes einzelnen sein ob und wie er der Musik begegnet und man kann doch niemand zwingen sich einem Kanon zu beugen der auch aus der Sicht der Musikhistorie grob unrichtig ist. Die Inviduelle Bedeutung eines Komponisten hängt doch einzig und alleine an seinem Werk und nicht an dem Denkmalsockel auf den ihn die Nachwelt gestellt hat. Hier muß doch einfach der inviduelle Geschmack entscheiden und nicht irgendeine Konvention, wir sind doch keine unmündigen Kinder denen man sagen kann: "Das hört man sich nicht an, -das ist (z.B.) Hummel das ist nur ein Kleinmeister-."

Soo umstürtzlerich wie es bei dir ankommt ist das was ich sage doch gar nicht, im übrigen ist dieser Prozess den ich da anreisse in der Musikwelt ohnehin schon seit einigen Jahrzenten im Gange und es ist ja auch an der Zeit das Umfeld der "großen" Komponisten einmal aufzuarbeiten, immerhin wäre ihre Existenz ohne die von den "Kleinmeistern" geleistete "Fleißarbeit" unmöglich gewesen, auch ein großer Kanonmeister fällt nicht als genialer Komponist vom Himmel und bannt mit donnerschlägen Noten auf´s Papier.

MFG Günther


[Beitrag von Hörbert am 25. Mrz 2013, 10:43 bearbeitet]
Kreisler_jun.
Inventar
#65 erstellt: 25. Mrz 2013, 12:00
Meiner Ansicht nach herrscht hier teilweise eine sehr seltsame Vorstellung von der tatsächlichen Entwicklung der Musikgeschichte. Es gibt doch keine externe Instanz, die einen "Kanon" festlegt und entscheidet, dass Kalkbrenner vergessen wird und Chopin eine zentrale Stellung erhält!

Die gnadenlose Auswahl wird nicht von einem Bildungsbürgerrat getroffen, sondern dezentral, "evolutionär" von Musikern, Publikum und im 19. und 20. Jhd. vielleicht auch mal von einem einflussreichen Kritiker. Nun könnte man sagen, dass in einer solch "blinden" Entwicklung eben Glück, Pech und Zufall eine Rolle spielen und nicht "absolute Qualität". Das greift aber zu kurz, auch wenn es vereinzelt solche Faktoren geben mag. Denn es gibt zwar keine "absolute" musikalische Qualität, aber die relative Qualität wird nicht extern oder sozialhistorisch festgelegt, sondern intern aufgrund dessen wie sich ein Werk in die Musikgeschichte bzw. die jeweils aktuelle Musikszene einordnet, wie diese von den anderen Musikern usw. wahrgenommen wird. Da kann es zwar mal zu einzelnen Urteilen kommen, die später revidiert werden. Und natürlich ist die meiste Zeit nur aktuelle Musik von Interesse gewesen, es also nicht unbedingt eine Revision eines Urteils, wenn ein Großmeister wie Telemann in Vergessenheit geriet (weil es ganz normal war, in Vergessenheit zu geraten).

Wir haben heute doch allein durch die modernen Medien den Luxus, die "Kleinmeister" überhaupt hören zu können. Wenn es keine Tonträger und Radio gäbe, kennten wir Kalkbrenner vermutlich höchstens aus dem Lexikon oder vielleicht aufgrund einiger Übungsstücke.

Natürlich war Hummel seinerzeit ein sehr berühmter Komponist (und noch berühmterer Komponist) und vieles seiner Musik ist durchaus hörenswert (ich nehme jetzt Hummel, weil ich von dem einiges kenne). Er hatte vielleicht eher bessere Bedingungen als Beethoven oder Chopin. Aber man muss doch kein Musikwissenschaftler sein, um zu hören, wie vergleichsweise bequem er sich es kompositorisch verglichen mit Beethoven gemacht hat! Er pflegt einen etwas verflachten, lockeren Mozart/Haydn-Stil, kombiniert mit der durch die neuen Klaviere möglichen brillanten Virtuosität. Die progessiveren Romantiker konnten sich hier, abgesehen vielleicht von klavierspezifischen Sachen, kaum etwas abgucken, was es nicht schon eine Generation vorher bei Haydn und Mozart und gleichzeitig in jeder Hinsicht (kompositorisch und v.a. emotional) intensiviert bei Beethoven gegeben hätte.

Sobald die klavieristischen Möglichkeiten durch Chopin und Liszt auf eine neue Stufe gehoben wurden, war Hummels Musik vergleichsweise uninteressant (von ein paar Nischenwerken mit Bläsern, wo es wenig Konkurrenz gibt, abgesehen) . Die Leistung von einem Komponisten wie Chopin bestand u.a. darin, dass er eben nicht bei solch einem glatten Klassizismus blieb, sondern (besonders auch harmonisch) neue Wege gegangen ist, mit einer Intensivierung und außerordentlichen Aufwertung der kleinen (Preludes, Etudes, Mazurki usw.) und freien (Balladen usw.) Formen. Da er genial begabt war, werden die frühen Klavierkonzerte, die äußerlich mehr oder minder im Hummel-Stil bleiben (was bei einem so jungen Komponisten ja völlig normal ist), durch Chopins melodische und poetische Qualitäten "gerettet" und haben sich daher im Repertoire über Hummels u.a. hinaus halten können.

Und zwar gibt es gewisse nationale oder regionale Vorlieben, aber die reichen nicht beliebig weit. Tschaikowskys Musik ist nicht nur in Russland hochangesehen und während Elgar oder (jedenfalls sehr lange Zeit) Bruckner in manchen Ländern weit weniger geschätzt werden, als in ihrer Heimat, gibt es wohl kaum jemanden in Dänemark, der meint, Gade sei so bedeutend wie Mendelssohn oder Schumann.
Das Kernrepertoire ist international und das meines Wissens schon seit dem späten 19. Jhd.
Hüb'
Moderator
#66 erstellt: 25. Mrz 2013, 12:05
Hallo Johannes,

fraglos ein berechtigter Einwurf. Allerdings möchte ich zu bedenken geben, dass die Musikgeschichte vielleicht über den ein oder anderen Komponisten anders wurde geurteilt haben, hätte es die heutigen medial-technischen Möglichkeiten schon damals gegeben. Oder anders: ich vermute, dass die früheren Verhältnisse es begüngstigt haben, dass Beurteilungn (und in der Folge die Bedeutung eines Künstlers) auf den Einschätzungen einiger weniger Menschen fußten und dies mit Blick auf eine Reihe von Kleinmeistern bis heute nachwirkt.

Grüße
Frank
Kreisler_jun.
Inventar
#67 erstellt: 25. Mrz 2013, 13:37
Man muss mindestens zwei Aspekte unterscheiden: Wie wird ein Komponist überhaupt berühmt und wie sieht es mit der "Nachwelt" aus? Beinahe alle "Kleinmeister" waren ja seinerzeit angesehene bis hochberühmte Musiker. So kommt man ja erst auf die Idee, dass es irgendwie seltsam ist, wie Hummel oder Spohr heute so deutlich gegenüber Mendelssohn, Weber oder gar Beethoven in die zweite oder dritte Reihe verbannt werden.

Komponisten, die zu ihren Lebzeiten nicht halbwegs berühmt waren, sozusagen verkannte Genies, gibt es m.E. sehr wenige. Selbst naheliegende Kandidaten wie Zelenka oder Schubert waren zumindest regional bekannt. (Dem Bach-Biographen Forkel um 1800 war Musik Zelenkas bekannt.) Das wäre aber wieder eine andere Geschichte.

Unter den zu Lebzeiten berühmten kann man wieder unterscheiden zwischen solchen, die hochberühmte Komponisten waren, und solchen, die eher regional oder vielleicht hauptsächlich als Virtuosen u.ä. berühmt gewesen sind. Telemann
wäre ein Fall von der ersten, Paganini und wohl auch Kalkbrenner welche von der zweiten Sorte. Von der ersten Sorte gibt es m.E. im 19. Jhd. sehr wenige Kandidaten, deren Musik heute kaum mehr bekannt ist, Spohr wäre vielleicht einer.

Wie auch immer; praktisch alle "Kleinmeister" waren berühmt genug, dass ihre Werke in Abschriften erhalten oder gedruckt und verbreitet wurden. Dennoch muss man sich immer wieder die eigentlich triviale Tatsache klarmachen, dass Musik kaum je für die "Nachwelt" gedacht war, viel weniger als Architektur (klar!), aber auch Literatur (von der schon Horaz meinte, dass sie "dauerhafter als Erz" sein könne). Selbst Komponisten, deren Musik seit ihren Lebzeiten bis heute aufgeführt wird, haben oft extrem zeit- und praxisnah komponiert (Händel und Mozart sind prominente Beispiele). Vor Beethoven ist solch ein historisches Bewusstsein sehr selten; viele der berühmteren Komponisten nach Beethoven haben es aber, teils in dem Sinne, dass sie Ewiges für eine ominöse Nachwelt schaffen wollen, mehr noch in ihrer bewussten Rezeption eines Teiles, auch der weiter zurückliegenden Musikgeschichte. (Für Komponisten wie Mendelssohn, Schumann, Brahms nicht nur Beethoven und die Wiener Klassik, sondern auch Bach und Händel, sogar Palestrina und Schütz.) Insofern sind die Komponisten, von denen einige Werke präsent blieben, die Ausnahmen und insofern schon historisch herausgehoben.

Ein Komponist muss demnach natürlich sich irgendwie hervorheben, um überhaupt einige Jahr(zehnt)e im Rampenlicht zu stehen und kaum einer würde wohl bestreiten, dass das Hummel oder Kalkbrenner gelungen ist. Nur haben wir aber heute den "unzeitlichen" Blick zurück und können, denke ich, oft durchaus verstehen, warum der Ruhm vergleichsweise flüchtig gewesen ist.

Auch wenn ich gern zustimme, dass oft die völllige Vergessenheit gegenüber der überzogenen Verehrung einiger weniger "Großmeister" ungerechtfertigt ist, so bin ich ganz sicher, dass normalerweise nicht Glück oder Zufall diese historische Auswahl treffen, sondern musikalische Qualitäten, die man auch durchaus herausarbeiten kann. Selbst ein Schlager, der zum Evergreen wird, hat das nicht nur einem Zufall (der der Auslöser gewesen sein mag) zu verdanken, sondern bestimmten Qualitöten, sonst bleibt er eben ein vorübergehender Hit. Man mag ja die manchmal "blinde" Auswahl durch eine anonyme historische Entwicklung beklagen, aber die Idee, dass ein Bildungsbürgergremium hier eine bewusste Auswahl trifft, halte ich für unplausibel. Wenn es eine solche Auswahl einmal gibt, dann gibt es wieder Mechanismen, die sie verfestigen. Aber auch die scheinen mir oft viel praktischer und dezentraler.

Wir sehen das doch heute sehr deutlich: Obwohl wir im Prinzip auf ein sehr breites Spektrum zugreifen könnten, muss sich ein junger Geiger oder eine Pianistin normalerweise ein bis zwei Handvoll "Schlachtrössern" stellen, um wahrgenommen zu werden. Warum? Weil er/sie natürlich anhand einiger Standardwerke zeigen muss, was er/sie "draufhat", auch im Vergleich zu etablierten Virtuosen oder solchen der Vergangenheit. In Einzelfällen könnte man vielleicht Publicity erzeugen, in dem man mit eher ungewöhnlichen Stücken debüttiert, aber in der Regel enthält die erste Konzert-CD des pianistischen Talents dann doch wieder Tschaikowsky Grieg, Schumann, Chopin oder Rachmaninoff. Als Ausnahme vielleicht Bach oder Mozart, aber kein CPE Bach oder Hummel oder Thalberg.


[Beitrag von Kreisler_jun. am 25. Mrz 2013, 13:40 bearbeitet]
arnaoutchot
Moderator
#68 erstellt: 25. Mrz 2013, 13:43
Gut geschrieben, da stimme ich im wesentlichen zu. Trotzdem macht es mir immer wieder Spass, Stücke von Kleinmeistern zu entdecken. Das stellt ja auch die Leistungen der "Grossen" nicht in Frage, im Gegenteil das ergänzt und schärft die Rezepton eher noch.
premierenticket
Stammgast
#69 erstellt: 25. Mrz 2013, 13:47

Kreisler_jun. (Beitrag #67) schrieb:

Wir sehen das doch heute sehr deutlich: Obwohl wir im Prinzip auf ein sehr breites Spektrum zugreifen könnten, muss sich ein junger Geiger oder eine Pianistin normalerweise ein bis zwei Handvoll "Schlachtrössern" stellen, um wahrgenommen zu werden.


Ein nicht zu unterschätzender Faktor - ein Fach-Publikum muss ein Kunstwerk nachhaltig lieben und wertschätzen, es muss aber auch Künstler geben, die es gerne spielen und damit in Erinnerung bringen. Und da war Chopin z.B. deutlich effekt- und gehaltvoller für einen Künstler im konzertanten Auftritt als ein Hummel. Dass dann manche Stücke als "Prüfsteine" gesehen wurden (Tschaikowksis 1. Klavierkonzert = "Unspielbar"), erhöhte natürlich für junge Virtuosen noch den Reiz, diese zu erschließen und darzubieten. Andere Stücke, wie Schumanns Violinkonzert, wurden dagegen lange von Geigern als eher undankbar wahrgenommen, da sie nicht mit der Aufführung brillieren könnten. Reine Virtuosenstücke dagegen haben es wiederum schwer, nachhaltig musikalisch zu wirken. Insofern muss musikalischer Gehalt und Darbietungsqualität für einen nachhaltigen Erfolg zusammenwirken.

Grüße

Christian


[Beitrag von premierenticket am 25. Mrz 2013, 13:47 bearbeitet]
Thomas133
Hat sich gelöscht
#70 erstellt: 25. Mrz 2013, 19:18
Wenn man mal die Jugendwerke beiseite läßt, wird man bei den größten, anerkannten Komponisten kaum etwas finden das stark abfällt (und wenn dann waren es meist flüchtige Gelegenheitswerke, für private Unterhaltungszwecke,...bestimmt) aber doch entsteht hier wie ich Günther zustimmen muß oftmals ein Hype der in keiner vernünftigen Relation mehr steht. Wenn hier zB jede noch so kleinste Entdeckung aus Mozarts Kinderzeit höchste Aufmerksamkeit geschenkt wird, oder manche Menschen noch lieber Beethovens WoO und Hess-Verzeichnis hören als die besseren Werke von zB Burgmüller, Gade, Kraus, Gossec,... dann werden diese großen Komponisten nur zu einem einzigen überzogenen Dogma erhoben. Ich kenne kaum etwas von Kalkbrenner aber sein d-moll Klavierkonzert höre ich allemal lieber als Chopin seine Beiden zusammen - wer aber schon mit Vorurteilen rangeht der hört auch nicht mit offenen Ohren und sucht möglicherweise sogar noch nach Bestätigungen warum der "Kleinmeister" so viel schlechter sein muss. Ich bin sogar davon überzeugt dass da bei Manchen eine gewisse Hörpsychologie mit einfliesst (sozusagen schon ein großer Name dahinter das Ganze wertiger erscheinen läßt), wir haben ja auch schon bei Musikrätseln hier festgestellt dass - auch wenn es jetzt nur relativ kurze Ausschnitte waren - vieles der vergessenen Komponisten als sehr hochwertig gehalten wurde.

Die Anzahl der Konzertaufführungen ist auch nicht immer ein Gradmesser an Qualität - wie ich hier schon schrieb müssen die Konzertveranstalter auch ökonomisch denken und da ist man viel eher auf der sicheren Seite wenn man noch ein laues Jugendwerk eines bekannten Komponisten als ein qualitativ gutes Werk eines vergessenen Komponisten aufs Programm setzt. Das ist somit eher ein Teufelskreislauf - manchmal fehlen doch gewisse Fürsprecher wie bekannte Interpreten die das dann in ihren Programmen ab und zu mit einbauen und auf diese Art und Weise wurden ja in den vergangenen Jahrzehnten auch gewisse Komponisten und Werke entdeckt. Es ist klar man wird da nicht mehr einen 2. Beethoven, einen 2. Mozart usw. ausgraben, so eine große überwiegende Qualität würde sich auf jeden Fall mit der Zeit durchsetzen, aber wie oben geschrieben sollte man Manches doch mehr relativieren.

Wegen den Komponisten die damals so anerkannt waren und uns heute als belanglose Musik erscheint. Nicht immer aber ich denke oftmals haben diese Komponisten einen gewissen Zeitgeist getroffen. Gibt es ja Belege dafür dass Neuerungen und Weiterentwicklung in der Tonsprache und Form überhaupt nicht gut bei Publkum und Kritikern ankamen und sich das erst mit der Zeit durchsetzen konnte - somit viele Komponisten bewußt den Zeitgeschmack bedienten...wollten sie erfolgreich sein. Mir fällt da zB Salieri oder Pleyel ein die damals zu den bekanntesten Komponisten ihrer Zeit gehörten aber sie in Ihrer Zeit so verhaftet waren, man jegliche Innovation und besonders originelle Momente vermisst...somit die Musik einfach nur austauschbar - 0815-Wiener-Klassik. Ich glaube auch dass es mit ein Grund war weswegen Mozart in seinen letzten 3 Klavierkonzerten nicht mehr so ganz diese kunstvolle Detailliebe wie bei 20-24 eingesetzt hat. Es ist zwar nur eine Vermutung von mir, aber es kann sein dass der Publikumszuspruch abnahm (weswegen er ja auch in die Vorstädte zog um sich Miete zu sparen) und er wieder einen breiteren Musikgeschmack bedienen wollte (gab es ja angeblich finanzielle Probleme)
grüße
Kreisler_jun.
Inventar
#71 erstellt: 25. Mrz 2013, 20:20
Der Ruf Beethovens ruht aber nicht auf irgendwelchen WoO-Werken und der Chopins nicht auf einer Handvoll Polonaisen aus der Jugend. Die werden größtenteils auch nicht öfter aufgeführt als etwas von Hummel oder so. Es geht mir keineswegs darum, jemandem diese Komponisten madig zu machen; ich habe selbst in den letzten 5-8 sehr viele CDs solcher Komponisten gekauft und oft mit Gewinn gehört. Ich meine auch nicht, dass das meistens belangloses Zeug ist. Wobei ich zugegebenermaßen gerade bei den "Virtuosenkonzerten" mich diesem Eindruck nicht ganz entziehen kann. Das Kalkbrenner-Konzert aus der Romantic-Piano-Box hat mich jedenfalls nicht dazu motiviert, eine der Hyperion-CDs auf die Merkliste zu setzen, zumal ich von den Moscheles-Konzerten zwar nicht enttäuscht (da wenig erwartet), aber auch nicht begeistert war.

Aber bei Chopins Konzerten vs. Kallkbrenner bis Du ziemlich allein auf weiter Flur. Natürlich müssen Pianisten auch mal Stücke spielen, bloß weil sie populär sind. Aber was Popularität und Virtuosität betrifft, werden Chopins Konzerte vermutlich von Griegs, Tschaikowskys erstem oder Rachmaninoffs 2. und 3. übertroffen. Dennoch sind sie natürlich recht populär und werden seit Jahrzehnten von Pianisten sehr häufig aufgeführt und eingespielt, weit häufiger als zB die Konzerte Webers und Mendelssohns. Ich glaube nicht, dass das unter Zwang geschieht, sondern weil Pianisten diese Werke tatsächlich hoch schätzen.
Martin2
Inventar
#72 erstellt: 25. Mrz 2013, 20:44
Also ich denke, daß der Konzertsaal kaum ein Kriterium darstellt. Es hat lange gedauert, bis sich Bruckner und Mahler im Konzertsaal etabliert haben, vieles andere durchaus hochwertige, wie die Sinfonien von Sibelius, Nielsen oder Vaughan Williams wird zumindestens hier in Deutschland nicht oder kaum aufgeführt. Und da ist vieles andere mehr.

Ich persönlich halte Tonträgerverkäufe für ein weitaus differenzierteres Aussagekriterium. Wobei: Es würde mich dann schon interessieren, wieviel Kalkbrenner denn so in der letzten Zeit verkauft wurde. Vermutlich nicht viel. Es gibt wie ich schon sagte auch nicht viel von Kalkbrenner auf CD. Mir fehlt noch die Kammermusik CD, die ich mir anfang nächsten Monats zulegen werde, dann habe ich alles.

Also: Die Anzahl erhältlicher Tonträger ist wie ich finde schon ein sehr aussagekräftiges Kriterium. Dann stellt man fest, daß die Beethovensinfonien ungeheuer oft eingespielt wurden, man stellt aber auch fest, daß es gar nicht mal wenige Einspielungen der Nielsensinfonien gibt, auch wenn sich Konzertveranstalter kaum daran wagen. Kalkbrenner 4 CDs - das ist lächerlich wenig. Kalkbrenner wird nie eine ernsthafte Chance haben, in die Konzertprogramme zu gelangen - dieser Durchbruch wird ihm nie gelingen -, aber wenn es in 10 Jahren statt 4 CDs vielleicht 10 gibt, wird man doch sagen müssen: Kalkbrenner ist im kommen. Warten wir es mal ab.

Hummel würde ich mich neben Kalkbrenner eben auch interessieren, aber ich stelle halt fest, daß er manchmal geradezu genial ist und oft genug dann aber auch nur belanglos. Das schreckt mich von Hummel ab, aber für Empfehlungen wäre ich offen. Es können in diesem Fall auch Spotify Empfehlungen sein - ich möchte mir erst einmal mehr ein Bild gewinnen.


Ich meine auch nicht, dass das meistens belangloses Zeug ist. Wobei ich zugegebenermaßen gerade bei den "Virtuosenkonzerten" mich diesem Eindruck nicht ganz entziehen kann. Das Kalkbrenner-Konzert aus der Romantic-Piano-Box hat mich jedenfalls nicht dazu motiviert, eine der Hyperion-CDs auf die Merkliste zu setzen,


@Kreisler Jr.

Ja, das sehe ich anders. Wäre dies bloß "virtuos", wäre es völlig uninteressant. Mit dieser Virtuosität sind für mich aber musikalische Qualitäten verbunden, die ich sehr interessant finde. Übrigens sind die Stücke in der Solo Klavier CD von Kalkbrenner weit weniger virtuos und haben für mich einen ganz anderen Ausdruckscharakter. Ich erinnere mich auch an eine Diskussion im Capriccioforum, wo eine Person diese Klavier CD ausgesprochen empfahl und die Klavierkonzerte weitaus weniger interessant fand. So sehe ich es nicht, aber man sollte Kalkbrenner auch nicht auf die Klavierkonzerte reduzieren, die Klavierstücke sind anders.

Gruß Martin
Thomas133
Hat sich gelöscht
#73 erstellt: 25. Mrz 2013, 21:10

Kreisler_jun. (Beitrag #71) schrieb:
Der Ruf Beethovens ruht aber nicht auf irgendwelchen WoO-Werken und der Chopins nicht auf einer Handvoll Polonaisen aus der Jugend. Die werden größtenteils auch nicht öfter aufgeführt als etwas von Hummel oder so.


Hab ich das etwa behauptet? Ich wollte damit sagen dass es Menschen gibt die jedem kleinsten Furz von den großen Komponisten unglaubliche Aufmerksamkeit schenken - wie war das noch als vor nicht allzu langer Zeit ein kleines Klavierstück von Mozart aus Kindheitstagen entdeckt wurde? Was für ein Medien-Hype kam auf (ich glaube sogar eine Pressekonferenz soweit ich mich erinnern kann),allemöglichen Zeitungen berichteten, in einem anderen Klassikforum wurde darüber gleich eine Diskussion begonnen. Das finde ich ehrlich gesagt lächerlich...wäre wenigstens ein Konzert oder eine Symphonie aus seinen Wiener Tagen entdeckt worden dann versteh ich das natürlich, aber so.
Außerdem bist du mir auch ein Schlingel erwähnst du einen Hummel der sicher noch - wenn auch sicher selten - etwas mehr auf Konzertprogrammen stattfindet als zB ein Burgmüller oder Kalkbrenner.


Aber bei Chopins Konzerten vs. Kallkbrenner bis Du ziemlich allein auf weiter Flur. Natürlich müssen Pianisten auch mal Stücke spielen, bloß weil sie populär sind. Aber was Popularität und Virtuosität betrifft, werden Chopins Konzerte vermutlich von Griegs, Tschaikowskys erstem oder Rachmaninoffs 2. und 3. übertroffen. Dennoch sind sie natürlich recht populär und werden seit Jahrzehnten von Pianisten sehr häufig aufgeführt und eingespielt, weit häufiger als zB die Konzerte Webers und Mendelssohns. Ich glaube nicht, dass das unter Zwang geschieht, sondern weil Pianisten diese Werke tatsächlich hoch schätzen.


Glaube ich nicht dass ich da allein auf weiter Flur bin wenn ich schon so andere Meinungen über Kalkbrenner nicht nur in diesem Forum gelesen habe, du solltest nicht den Fehler machen deinen persönlichen Geschmack als die letztgültige Instanz zu betrachten. Ich sage ja nicht dass Chopin seine Klavierkonzerte nicht anhörbar wären und das Kalkbrenner jetzt wohl Welten besser wäre. Den grossen Unterschied den du aber scheinbar zu beiden bzgl. den Klavierkonzerten ausmachst kann ich nicht nachvollziehen. Wer sagt dir das diese Panisten nicht auch andere relativ unbekannte Klavierkonzerte schätzen (falls sie sich damit überhaupt näher befasst haben) sie aber trotzdem nicht ins Konzertprogramm nehmen aus Angst nicht den Konzertsaal damit füllen zu können?

@ Martin
Das ist ja der Teufelskreislauf, eins ergibt das Andere wird Kalkbrenner nicht angeboten können ihn gewisse Menschen erst garnicht entdecken (höchstwahrscheinlich werden die wenigsten Klassikhörer bei "Kleinmeistern" auf Youtube stöbern) und haben ihn nicht viele entdeckt gibt es auch keine Nachfrage und somit dann halt auch kein Angebot womit sich der Kreis schließt. Es ist sicher schwer diesen Kreis einmal zu durchbrechen, da ist es für jeden Pianisten einfacher die Chopin-Klavierkonzerte einzuspielen und sich einer gewissen Verkaufszahl (da diese ja schon etabliert sind) sicher zu sein. Nicht alle Labels haben schließlich so eine Philosophie wie zB cpo, glaube nicht dass zB die Deutsche Grammophon wo ein guter Teil der bekanntesten Interpreten unter Vertrag sind sich auf die Nase geschrieben hat den Leuten (zum. teilweise) die "Kleinmeister" näher zu bringen.
Martin2
Inventar
#74 erstellt: 25. Mrz 2013, 21:20
@ Thomas

Ja, Kalkbrenner hat es enorm schwer. Bei Hummel findet sich immerhin einiges von Spotify, bei Kalkbrenner nichts und bei Youtube eine nicht so gute Auffführung des 2. Klavierkonzerts in grausigem Klang.

Da die JPC/ Hyperion CDs wieder 20 Euro kosten ( das Sonderangebot ist verstrichen) , werden sich die Leute es zweimal überlegen, ob sie soviel Geld in einen Komponisten investieren, den sie kaum kennen.

Es ist dann wirklich bedauerlich, daß es die Golden Age Box nicht mehr gibt, denn diese war ein wirklich erschwinglicher Weg, sich mit vieler Musik auseinanderzusetzen, einschließlich Kalkbrenner. Schade!

Zum Thema Chopin / Kalkbrenner. Die Klavierkonzerte beider Komponisten haben ihre jeweilige Stärken. Ich würde die von Chopin vorziehen, Chopin hat eine Begabung für Melos, die Kalkbrenner so nicht hat, aber die Kalkbrenners sind auch sehr interessant und haben durchaus ihre eigenen Qualitäten.
Hörbert
Inventar
#75 erstellt: 25. Mrz 2013, 23:57
Hallo!

Ich sehe eigentlich nicht daß Aufführungszahlen oder der allgemeine Bekanntheitsgrad eines Werkes oder eines Komponisten ein realer Qualitätsmaßstab darstellen könnte, denn wäre das so müßte man wohlmöglich "An der schönen blauen Donau" oder auch den "Schatzwalzer" völlig neu interpretieren.

Im übrigen denke ich das sich gerade auf dem Markt für klassische "Konservenmusik" schon seit geraumer Zeit ein grundlegender Wandel anbahnt, seit etwa zehn Jahren verlieren die die großen Mayor-Labels mit ihren auf hohe Verkaufszahlen abzielenden Mainstreamprogramm mehr und mehr an Boden während es spezialisierten Nischenlabel derweil prächtig geht.

Auch wenn gerade Kalkbrenner hier noch nicht in den Fokus geraten ist so wird das mit ziemlicher Sicherheit noch kommen, als Beispiel möge Karl Ditters von Dittersdorf gelten von dem man vor 10-15 Jahren gerade mal einige seiner Kontrabaßkonzerte auf Tonträger bekommen hat und der mittlerweile auf mehr als 100 Tonträgern verewigt ist.Auch Hummel ist mittlerweile mit gut 50 Tonträgern vertreten.

Ich denke das das heutige Mainstreamprogramm noch etwas schrumpfen wird und dafür noch eine ganze Reihe von "Kleinmeistern" den Sprung in den Tontragermarkt gelingen wird, im übrigen denke ich wird sich das früher oder später auch in der gängigen Aufführungspraxis wiederspieglen.

Im übrigen würde ich es eigentlich ganz gut finden wenn wir hier und jetzt in diesem Tread ein wenig mehr über empfehlenswerte Werke auf derzeit erhältlichen Tontragern vom eben diesen Kleinmeistern schreiben würden so das wir alle -soweit interesiert- davon profitieren können:

Da es aber nix bringt nur darüber zu Reden anstatt es auch zu tun mache ich einfach einmal den Anfang und zwar mit einem Komponisten der ebenso vergessen ist wie Kalkbrenner aber erst wesentlich später geboren wurde:

Ludwig Thuille (1861-1907)

Thuille war nicht nur ein Kommilitone von Richard Strauss und galt zur Jahrhundertwende als einer der Führenden Köpfe der Neudeutsche Schule.
Eines seiner be,merkenswertesten Werke ist das Sextett Op.6 das allerdings eher etwas an Brahms gemahnt als an Wagners oder Bruckners Tonsprache.Des weiteren gibt es noch Aufnahmen seiner einzigen Symphonie seines Klavierkonzertes seines Klavierquintwtts und seiner beiden Streichquartette.

Ich finde Thuilles Sextett sowie sein Klavierquintett Op.20 recht hörenswert, zwar geht er nicht wesentlich über Brahms hinaus aber seine Musik strahlt heitere Gelassenheit aus fernab des zu seiner Zeit so beliebteb dramatischen Gestus.

MFG Günther
Szellfan
Hat sich gelöscht
#76 erstellt: 26. Mrz 2013, 14:02
Hallo Günther,
ganz Deiner Meinung: Reden bringt nix.
Darum hier auch mein Beitrag, auch wenn nur ein link:
http://concerthuis.r...ding_van_Ton_Koopman

Drei große Kantaten Telemanns, zwei Erstaufführungen in neuer Zeit.
Und doch dabei die Frage: interpretiert man "Kleinmeister" als solche, werden sie dann zu welchen? Nimmt man sie ganz ernst, so wie hier Koopman, wieweit steht ihre Musik einem Bach z.B. noch nach?
Nun denn, Neugierde wird stets belohnt, sei es bei Hartmann oder bei Telemann!
Herzliche Grüße,
Mike


[Beitrag von Szellfan am 26. Mrz 2013, 14:02 bearbeitet]
Hörbert
Inventar
#77 erstellt: 26. Mrz 2013, 19:50
Hallo!

@Szellfan

Ich denke mal das wir es ruhig großzügig halten können bei der auslegung des Begriffes Kleinmeister wenn niemand dagegen Einwände hat würde ich das gerne so halten das wir eigentlich (fast) alles hier im Tread sammeln könnten ausser eben den Mainstream.

MFG Günther


[Beitrag von Hörbert am 26. Mrz 2013, 20:35 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#78 erstellt: 26. Mrz 2013, 20:46
Ja, das verspricht ein interessanter Thread zu werden. Das heißt er war schon vorher interessant, weil die lebhaften Diskussionen sehr interessant waren. Aber nun kann dieser Thread sicher zu der einen oder anderen Entdeckung führen.

Dabei denke ich, daß "gezielte Tips" einfach sehr hilfreich wären und sind. Beispielsweise kenne ich einige Musik von Telemann, die mir sehr zusagt, wie etwa die Don Quixote Suite, anderes dann wieder, was mich einfach nur furchtbar langweilt. Nur Langeweile können eben auch die "Großmeister" verbreiten .

Gruß Martin
FabianJ
Inventar
#79 erstellt: 27. Mrz 2013, 00:42
Ist Telemann ein "Kleinmeister"? Ich habe neben einer Aufnahme der Tafelmusik nur 3 1/2 weitere CDs mit Musik von diesem Komponisten und habe ansonsten noch zwei, drei Kantaten und seine Brockes-Passion live und/oder online gehört.

Im Verhältnis zum Gesamtwerk ist das natürlich nicht viel, aber von dem was ich bisher von ihm gehört habe steht er für mich mit Händel auf einer Stufe. Da ich persönlich Händel sicher nicht in die "Kleinmeister"-Schublade stecken würde, gehört Telemann für mich auch nicht dort hinein.

Und falls er doch dort hineingesteckt werden müsste, wäre das auch nicht weiter tragisch. Seine Musik wird dadurch ja nicht schlechter.

Was CDs von ihm betrifft würde ich diese beiden empfehlen:
jpc.de
Das Konzert für 3 Violinen ist in dieser Fassung ein richtiger Ohrwurm und auch die anderen Konzerte und Orchestersuiten sagen mir sehr zu.

jpc.de
Vor allem die Kantate "Du aber, Daniel, gehe hin" hat es mir angetan.

Wobei, diese CD-Tipps haben in diesem Thread wohl nichts verloren. Hier geht es schließlich um "Kleinmeister".

Mit freundlichem Gruß

Fabian


[Beitrag von FabianJ am 27. Mrz 2013, 00:50 bearbeitet]
Hörbert
Inventar
#80 erstellt: 27. Mrz 2013, 09:57
Hallo!

@Szellfan

Bevor deine eigentlich recht wichtige Frage :


....Und doch dabei die Frage: interpretiert man "Kleinmeister" als solche, werden sie dann zu welchen?..


untergeht. ich denke zwar ja, ebenso wie man einen der großen so schlecht interpretieren kann das er gegen einen der Kleinmeister regelrecht abstinkt, -aber hier wäre sowohl als auch-, noch die Frage der Beweisbarkeit anhand von Aufnahmen zu führen.

Obwohl du wie auch ich und etliche andere hier den hohen Stellenwert der interpretation für ein Werk oder einen Komponisten nicht anzweifeln ist ganz allgemein der Stellenwert der Interpretation m.E. umstritten.

Zwar bin ich persönlich ohne wenn und aber der Ansicht das es einem inspirierten Dirigenten mit einem guten Orchester durchaus gelingen kann aus schon verdautem Gold zu machen und deine Frage sich für mich deswegen aus dem einfachen Umkehrschluß beantwortet, -allein der Nachweis fehlt noch-.

MFG Günther
Wilke
Inventar
#81 erstellt: 27. Mrz 2013, 10:34
Hallo Fabian,

für mich persönlich ist Telemann ein Großmeister. !

Interessant wäre die Frage, ob z.B. Stockhausen oder Ligetti Großmeister sind.

Diese Komponisten werden ja nur von einer absoluten Minderheit gehört (m.E.).

gruß Ralf. (ich hoffe, ich habe Hörbert nicht auf die Palme gebracht).
Hörbert
Inventar
#82 erstellt: 27. Mrz 2013, 11:41
Hallo!

@Wilke


... Frage, ob z.B. Stockhausen oder Ligetti Großmeister sind...


Häresie

Nein hast du natürlich nicht.

Mit der Frage wirfst du ein Thema auf das letztendlich erst in 100-200 Jahren gültig beantwortet werden kann und dem man sich gegenwärtig nur indirekt nähern kann.

Noch 1920 war z.B. Brahms nicht unumstritten, Wagner genausowenig, es gab durchaus Stimmen die ihnen nicht mehr als den Rang von Kleinmeistern zuerkannten, Schuhmann wurde lange als der Größte der Kleinmeister gehandelt, Schubert kaum zur Kenntniss genommen.

So wurden z.B. die Werke von Max Reger (1873-1916) bis ca. 1960 regelmäßig aufgeführt sind heute aber nahezu vom Spielplan der meisten Konzerthäuser fast verschwunden, seine musikhistorische Bedeutung ist umstritten, andererseits ist sein Œuvre so gut wie vollständig auf dem Tonträgermarkt dokumentiert, -es wird also offenbar gekauft. -Wie soll man ihn einordnen-?

Von Stockhausen kennt man wie auch z.B. von Schönberg in der breiten Masse der Klassikhörer zumindestens den Namen wenn auch nicht das Werk, aber das war vor einigen Jahrzehnten auch bei Bruckner und Mahler so, von Max Reger oder Ligeti kennt ein Großteil der Klassikhörer vermutlich nicht mal den Namen aber ihr Œuvre ist auf dem Tonträgermarkt teilweise besser dokumentiert und leichter erhältlich als das Œuvre Stockhausens.

Eine Möglichkeit wäre es neben den großen vier (Bach, Hayden, Mozart, Beethoven) allenfalls noch Brahms, Mahler und Bruckner unter die ganz großen einzuordnen und den gesamten Rest als Kleinmeister zu sehen.

MFG Günther


[Beitrag von Hörbert am 27. Mrz 2013, 11:51 bearbeitet]
Szellfan
Hat sich gelöscht
#83 erstellt: 27. Mrz 2013, 12:46
Hallo,
den Telemann hab ich natürlich aus reiner Provokation hier eingeworfen, zumal er weiter oben ja ins Gespräch gebracht wurde.
Je länger ich darüber nachdenke, um so mehr sehe ich zwei Blickwinkel: den einen der Zeitgenossen und den anderen aus dem Abstand.
Martin hält Haydns frühe Sinfonien für grobschlächtig....aus dem heutigen Blickwinkel heraus und misst sie an den späten Sinfonien, an Mozart, an Beethoven. Aber nicht an Dittersdorf, Sperger, Monn...
Und was sind, mit Verlaub, denn Schuberts frühe Sinfonien? Ebenso hilflose Versuche, eine eigene Sprache zu entwickeln im Angesicht eines Haydn und Mozart, von deren Musiksprache sich Schubert noch längst nicht gelöst hatte, sie aber dennoch nicht annähernd so perfekt beherrschte wie Haydn und Mozart selbst.

Da wird, besonders Anfang des 20. Jahrhunderts, mal von Hugo Riemann, mal von Adorno, eine abfällige Äußerung über Telemann oder Händel gemacht und schon bildet sich tatsächlich etwas wie ein Kanon.
Händels Opern langweilig? Aus Adornos Sicht schon. Mit damaligen Mitteln, gekürzt, noch schlimmer, Arien umgestellt, sind sie auch langweilig! Aber anders betrachtet ist Händel der größte Opernkomponist vor Mozart, der mit wenigen Mitteln Charaktere zu zeichnen versteht wie keiner sonst.

Rinaldo Alessandrini gibt Strawinsky ja auch recht: Vivaldi sei der langweiligste Komponist der Welt, der 400mal das selbe Konzert geschrieben hat. Aber Alessandrini ist ein Spötter, denn er fügt hinzu, daß Strawinsky das gar nicht anders erleben konnte, so wie man damals Vivaldi musiziert hat (I Musici & Co.).

Manchmal hilft das Blindhören, nicht wissen, was man hört. Telemann sowieso, aber so mancher Graupner oder Gebel geht ohne zu hinterfragen locker als Bach "durch".
Christian Bach als Mozart, so manch Holzbauer oder Michael Haydn auch.

Allerdings wäre ich wirklich neugierig, wie man Henze, Ligeti, Rihm in hundert Jahren einordnet....heute sind sie für mich Großmeister.

Und als Ergänzung wieder einen link:
http://concerthuis.r...nesPassion_van_Gebel

Ein starkes Werk, das einem Bach nicht nachsteht!
Herzliche Grüße,
Mike
Hörbert
Inventar
#84 erstellt: 27. Mrz 2013, 13:23
Hallo!

@Szellfan

Stravisky selbst droht heute schon wohlmöglich das Schicksal Ravels, -ein Komponist von dem man nur noch ein einziges Werk in der breiten Masse der Musikhörer kennt (Le Sacre du Pintemps) dabei war er einmal die "Skandalnudel" der mödänen Musikwelt, -wenn nicht gar das Schicksal Erik Saites-. (Man hat schon mal was von ihm gehört, -aber was-?)

Schönberg wird wohl überdauern, -Webern auch-, -denke ich mal-. Hauer ist heute schon bloß ein Name, -wer kennt schon sein zauberhaftes Violinkonzert oder seine Zwolftonspiele-?
Alban Berg? Wer weiß.

MFG Günther
Wilke
Inventar
#85 erstellt: 27. Mrz 2013, 16:13
Wie können ja in 100 Jahren noch mal darüber diskutieren
WolfgangZ
Inventar
#86 erstellt: 27. Mrz 2013, 16:34
Mag sein, dass Ihr Recht habt, Meister Hörbert, Meister Szellfan, Meister Wilke ... Ich wäre optimistischer, und wer von Strawinsky wirklich nur die Frühlingsweihe kennt, der kennt die auch nicht wirklich. Satie wiederum kann man schlecht mit Strawinksy vergleichen. Der war ein skurriler Individualist, ein bewusster Dilettant mit einer beachtlichen Nachwirkung, aber die Stücke von ihm, die man nicht kennt, also das Meiste außer den Gymnopédies, den Gnossiennes oder dem Ballett Parade, sind meines Erachtens, und mit Verlaub, auch nicht der Rede wert. (Böse Menschen sagen vermutlich, dass überhaupt nichts von ihm der Rede wert ist ... )

Hauer? Das klingt nun schon interessanter. Wie komme ich an eine empfehlenswerte Aufnahme des Violinkonzerts?

Wolfgang
arnaoutchot
Moderator
#87 erstellt: 27. Mrz 2013, 16:47

WolfgangZ (Beitrag #86) schrieb:
Hauer? Das klingt nun schon interessanter. Wie komme ich an eine empfehlenswerte Aufnahme des Violinkonzerts?


So furchtbar viele wird es da nicht geben. Ich bin weit entfernt, das Werk genau zu kennen, aber ich habe diese hier.

amazon.de
Thomas133
Hat sich gelöscht
#88 erstellt: 27. Mrz 2013, 20:02

Szellfan (Beitrag #83) schrieb:

Manchmal hilft das Blindhören, nicht wissen, was man hört. Telemann sowieso, aber so mancher Graupner oder Gebel geht ohne zu hinterfragen locker als Bach "durch".
Christian Bach als Mozart, so manch Holzbauer oder Michael Haydn auch.


Das unterstütze ich gleich. Da kam mir jetzt auch der Gedanke ob wir hier nicht so etwas machen könnten, indem Jeder seine favorisierten Stellen (ganze Sätze wären wohl zu lange) relativ unbekannter Komponisten ohne Betitelung als Hörbeispiele online stellen könnte und nur für Diejenigen denen das gefällt per PN (damit auch noch Andere in den Genuss eines "Blind-Hörens" kommen) aufgelöst wird. Also keine Rätseln im eigentlichen Sinne weil hier Niemand suchen muss sondern nur per PN nach dem Namen zu fragen.
Das wäre doch viel effektiver und auch spannender als einfach nur CD´s zu verlinken oder meint ihr nicht?

Ich wüßte schon was ich nehmen würde - wäre das von Seiten der Moderation her machbar?

grüße
Thomas
WolfgangZ
Inventar
#89 erstellt: 27. Mrz 2013, 22:08
Hauer / Zeisl

amazon.de

Danke an arnaoutchot! Rabl und die Wiener dürften ein Faible für das alternative Fin de siècle haben. Den "Kleinmeister" und Zeitgenossen Hauers Erich Zeisl wird man fast nur über zwei cpo-CDs erreichen können - eine mit Liedern, die ich nicht besitze, und die obige mit einem sehr aparten Klavierkonzert expressiv-neoklassizistischen Zuschnitts.

Wolfgang

PS: Und Hauers Violinkonzert ist bestellt!


[Beitrag von WolfgangZ am 27. Mrz 2013, 22:11 bearbeitet]
Klassikkonsument
Inventar
#90 erstellt: 28. Mrz 2013, 00:31

Hörbert (Beitrag #84) schrieb:
, -wenn nicht gar das Schicksal Erik Saites-. (Man hat schon mal was von ihm gehört, -aber was-?)


Entschuldigung, das liegt doch wohl schon auch ein bisschen an der Musik selber. Die minimalistisch-leichtgewichtigen "Gymnopedies" (oder wie die heißen) klingen ja auch ziemlich ähnlich, auch wenn es da eine bevorzugte geben mag. Ich bilde mir ein, mich nicht zu weit aus dem Fenster zu hängen, wenn ich sage, dass Saties Musik für sich genommen qualitativ und sinnlich nicht so schrecklich viel zu bieten hat. Im Sinne von Hörgenuss m.E. absolut verzichtbar.
Die Bedeutung von Satie scheint mir ganz in der Reflexion über Musik zu liegen. Dafür braucht man seine Werke nicht zu hören, denn da gibt es einfach nix zu hören.
So wie Andy Warhol. Seine Werke braucht man sich auch nicht anzugucken, obwohl er in der Geschichte der Kunst unverzichtbar ist. Denn da gibt es nix zu sehen. Warhol konnte nicht malen und nicht zeichnen, vielmehr thematisiert er die Wahrnehmung von Marken wie Campell's oder die Monroe. Unerlässlich, aber kein Sehgenuss im eigentlichen Sinne.
Um zur Musik zurückzukehren: Ein ähnlicher Fall ist 4'33'' von John Cage. Man braucht nie eine Aufführung davon erlebt zu haben, um zu kapieren, warum das so ein wichtiges & bahnbrechendes Werk ist. Allerdings kann man hier im Gegensatz zu Satie nicht sagen, dass es nix zu hören gäbe. Vielmehr wollte Cage dem Publikum die Ohren öffnen für das, was traditionell als Gegenteil der Musik gilt und bei der konventionellen Rezeption entweder als störend empfunden oder gleich herausgefiltert wird. Cage ist also weitaus bedeutender und auch sinnlicher als Satie.


Hauer ist heute schon bloß ein Name, -wer kennt schon sein zauberhaftes Violinkonzert oder seine Zwolftonspiele-?


Hauer ist bei mir zwar auf dem Radar, aber nicht mit sonderlich hoher Priorität. Ich habe keine so großen Probleme mit der Idee eines Werk-Kanons oder der zunächst einmal unnachvollzogenen Bewertung durch Autoritäten.
Die erfüllen für mich einfach die pragmatische Funktion einer ersten Orientierung. Ich kann und will nicht alles kennenlernen. Ich brauche Zeit, um ein einzelnes Werk, einen Komponisten, ein Genre, eine Epoche kennenzulernen.
Das ist für mich allerdings kein Grund, anderen ihre Prioritäten ausreden zu wollen.



[Beitrag von Klassikkonsument am 28. Mrz 2013, 00:35 bearbeitet]
Hörbert
Inventar
#91 erstellt: 28. Mrz 2013, 00:56
Hallo!

@Klassikkonsument

Bedingt kann ich dir da ja zustimmen:

Nur: Bei Eric Satie wären da noch die Vexations die zumindestens als Konzept Ähnlichkeiten mit diversen späteren Werken haben und auch bei zumindestens einem Werk Cages Pate gestanden haben.

http://de.wikipedia.org/wiki/Vexations

Vieles von Saites Œuvre war allerdings unmittelbar zeitbezogen und ist heute wohl nur noch schwer verständlich.

MFG Günther
Klassikkonsument
Inventar
#92 erstellt: 28. Mrz 2013, 02:23

Hörbert (Beitrag #91) schrieb:
Hallo!

@Klassikkonsument

Bedingt kann ich dir da ja zustimmen:

Nur: Bei Eric Satie wären da noch die Vexations die zumindestens als Konzept Ähnlichkeiten mit diversen späteren Werken haben und auch bei zumindestens einem Werk Cages Pate gestanden haben.


Scheint ein hochinteressantes Werk zu sein, aber eine vollständige Aufführung (~12 - 28 Stunden) möchte ich definitiv nicht erleben.
Da langt mir ein 10minütiger "Auszug":

'https://www.youtube.com/watch?v=dBhjGIdL5cM
Hörbert
Inventar
#93 erstellt: 28. Mrz 2013, 11:19
Hallo!

Zwar werde ich mir wegen den Vexations kein Bein ausreissen aber wenn einmal eine Aufführung in der Nähe meines Wohnortes sein wird werde ich mir die Zeit freischaufeln und Teilnehmen, auch wenn ich wohl nach einigen Stunden genug davon haben werde.

Auf Tonträger wird es natürlich immer nur Auszuge des Stücks geben und ich brauche das Stück auch nicht unbedingt in meiner Sammlung aber als Konzerterlebniss...

MFG Günther
silbendrexler
Ist häufiger hier
#94 erstellt: 28. Mrz 2013, 13:43

premierenticket (Beitrag #28) schrieb:
Chopin hatte nicht nur "Glück" - Chopin hatte einen Robert Schumann, der als Musikkritiker seine Größe erkannt und bekannt gemacht hat.


Und das macht für mich auch den entscheidenden Unterschied aus zwischen den Zeitgenossen Schumann und Chopin, die ich übrigens beide sehr gern höre. Wenn ein mir bis dato unbekanntes Klavierstück gespielt wird, und ich kann es nicht mit Sicherheit Schumann zuordnen (was mir meist gelingt), dann ist es gewiss Chopin. Sein Fantasie impromptu op. 66 habe ich so lange Zeit für Schumann gehalten. Es erinnert aber stellenweise auch zu stark an Schumanns Vertonung von "Im wunderschönen Monat Mai" aus der "Dichterliebe". Wer hat da wohl bei wem? Doch lassen wir das...

Ich habe mich ja schon an anderer Stelle als Schumann-Liebhaber geoutet - der in meinen Augen entschieden ein Großmeister (der Musik) ist, um hier zum eigentlichen Faden zurückzukehren. Bei Chopin ist es dann schwieriger, vielleicht muss man weiter differenzieren.

Chopin ist/war sicher ein Großmeister des Klaviers, aber ihn als Großmeister der Musik zu titulieren, in einem Atemzug mit Bach, Mozart, Beethoven (Schubert, Schumann, Brahms, die Reihe ließe sich fortsetzen), ist wohl übertrieben. Ist er deshalb also ein Seiten- oder Nischen-Meister. Oder dann doch ein Meister der Musik, aber eben kein Groß- (er) Meister. Wer oder was war Paganini? Großmeister der Violine, gewiss, aber der Musik? Und was unterscheidet dann einen Paganini von einem Wieniawski? Allein die Häufigkeit ihres aufgeführt werdens? Ihr seht, die Geschichte wird beliebig undurchsichtig, je mehr man ins Detail geht.

Lassen wir es doch der Einfachheit halber so machen:

Diejenigen, die wegen ihres musikalischen Gesamtwerks, und "Gesamt" bedeutet eben auch, dass sie zu jedem Genre (oder zumindest den meisten) etwas beigetragen haben, das dann auch zumindest gelegentlich aufgeführt wird (Schubert: Fierrabras, Schumann: Genoveva), sind und bleiben die Großmeister.

Die anderen, die sich halt vornehmlich einem einzelnen Genre (sei es einem Instrument, der Orchestermusik, dem Musiktheater etc.) verschrieben haben, sind die Meister. So kämen dann auch die großen Symphoniker wie Bruckner und Mahler, aber auch die Opernkomponisten wie Rossini, Verdi, Puccini zu ihrem Recht (bei Wagner wird's zugegebener Maßen für mich schwierig). Oder eben ein Chopin, oder auch ein Liszt.

Und die "Kleinmeister"?
Sind definitiv die, die irgendein niederklassiges Schallplattenlabel irgendwann mal aus der Versenkung gehoben hat, weil die gängigen "Repertoirepfade" einfach zu ausgelatscht sind (sind sie das wirklich?), z.B. Giovanni Giornovichi auf Arte Nova. Musik, die man einmal hört, und dann schnell wieder vergisst. Bei der einem aber auch überhaupt nichts fehlt, hätte es sie nie gegeben.

Während ich dies schreibe, bekomme ich übrigens "Im wunderschönen Monat Mai" nicht aus dem Kopf - hmmh. DAS würde mir fehlen. Wie vieles andere von Großmeister Schumann mehr...

In diesem Sinne
Lutz


[Beitrag von silbendrexler am 28. Mrz 2013, 13:46 bearbeitet]
premierenticket
Stammgast
#95 erstellt: 28. Mrz 2013, 15:22
Hallo Lutz,



silbendrexler (Beitrag #94) schrieb:


Und die "Kleinmeister"?
Sind definitiv die, die irgendein niederklassiges Schallplattenlabel irgendwann mal aus der Versenkung gehoben hat, weil die gängigen "Repertoirepfade" einfach zu ausgelatscht sind (sind sie das wirklich?), z.B. Giovanni Giornovichi auf Arte Nova. Musik, die man einmal hört, und dann schnell wieder vergisst. Bei der einem aber auch überhaupt nichts fehlt, hätte es sie nie gegeben.



*LOL* Ich hol mir schon mal eine extragroße Tüte Popcorn für die bevorstehende Diskussion - ich glaube nicht, dass das hier so stehen gelassen wird...

Bei Schumann jedenfalls sind wir einig. Eine der schönsten Entdeckungen der letzten Zeit für mich sind die "Gesänge der Frühe"...




Viele Grüße

Christian
Wilke
Inventar
#96 erstellt: 28. Mrz 2013, 15:24
Gut, dann müßten Ligetti, Stockhausen und Telemann auch Großmeister sein
silbendrexler
Ist häufiger hier
#97 erstellt: 28. Mrz 2013, 15:50

Wilke (Beitrag #96) schrieb:
dann müßten Ligetti, Stockhausen und Telemann auch Großmeister sein


Ligeti und/oder Lipatti?
In der Summe reicht's dann vielleicht so grad...

Aber Spaß beiseite, bei Telemann hätte ich persönlich da keine Bauchschmerzen.

@premierenticket/Christian: Versteh' ich. Seit der "Entdeckung" der Schumann-Box von Eric le Sage (ich schrieb an anderer Stelle bereits darüber) hör' ich fast nichts anderes mehr, das heißt, wenn der betagte Marantz-Player mal die CDs einliest :|. Das ist das einzige Manko an der Box. Endlich auch jemand (also le Sage, jetzt), der sich auch der kleineren Formen annimmt, hier insbesondere der "Sonaten für die Jugend" und dem "Album für die Jugend". Gerade letzteres bietet aus le Sages Händen das ein oder andere Kleinod...

Na denn wappne ich mich mal für den "upcoming shitstorm".

Schöne Grüße
Lutz


[Beitrag von silbendrexler am 28. Mrz 2013, 16:02 bearbeitet]
Kreisler_jun.
Inventar
#98 erstellt: 28. Mrz 2013, 16:32
Ich sehe das, wie gesagt, bei den Komponisten, die sich auf ein Genre konzentrierten anders. Kein Mensch interessiert sich für Schuberts Opern; sie wurden zu seinen Lebzeiten nicht gespielt und kein Wiederbelebungsversuch im 20. Jhd. hatte Erfolg. Wir würden Schubert, meine ich, nicht groß anders bewerten, wenn er diese Opern nicht geschrieben hätte.
Ebenso ist, um ein extremes Beispiel zu nehmen, der Einfluss Wagner so gigantisch (auch außerhalb der Musik), dass es doch schwer fällt zu meinen, er sei weniger bedeutend als Dvorak, bloß weil er nur Opern komponiert hat.

Telemann ist (und hier besteht ein gewaltiger Unterschied zu zB Kalkbrenner) ein Komponist, der zu Lebzeiten ohne Zweifel hoch angesehen und fraglos "auf der Höhe der Zeit" gewesen ist. Sein historisches Pech besteht zum einen darin, dass er zwar eigentlich noch einer Zeit angehört, in der Musik gerade nicht für die Ewigkeit komponiert und darum recht schnell wieder vergessen wurde. Zum anderen, dass zwei seiner Zeitgenossen mehr oder minder die ersten Komponisten waren, die eben in einigen zentralen Werken nicht vergessen wurde. Und Bach und Händel überstrahlten Telemann aus der Sicht des 19. Jhds. derartig, dass ihm direkt übel genommen wurde, zu Lebzeiten berühmter als Bach gewesen zu sein.

Anders als bei komponierenden Virtuosen wie Paganini oder Kalkbrenner finde ich Kleinmeister für Telemann daher nicht angemessen. Auch wenn es gute Gründe dafür gab, dass Händel eben nicht vergessen wurde und ein Teil von Bachs Musik zumindest Musikern vertraut blieb, während andere Barock-Großmeister recht schnell aus dem Bewusstsein verschwanden. Obwohl wie im Falle des angeblichen Vergessens Bachs hier einiges oft nicht so richtig dargestellt wird. ZB blieb Corellis Musik besonders in England das gesamte 18. Jhd. hindurch sehr beliebt und wurde immer wieder nachgedruckt (NB Triosonaten aus den 1680ern) und Rameau wurde in Frankreich auch nicht von heute auf morgen vergessen (hier scheint es dann wohl eine gewisse Zäsur mit dem Ende des Ancien Regime gegeben zu haben).
silbendrexler
Ist häufiger hier
#99 erstellt: 28. Mrz 2013, 18:23

Kreisler_jun. (Beitrag #98) schrieb:

Ebenso ist, um ein extremes Beispiel zu nehmen, der Einfluss Wagner so gigantisch (auch außerhalb der Musik), dass es doch schwer fällt zu meinen, er sei weniger bedeutend als Dvorak, bloß weil er nur Opern komponiert hat.


Nun hat ja der Wagner auch Symphonien komponiert, auch wenn es sich dabei zugegebenermaßen um Frühwerke handelt. Und mit Wagners Frühwerk habe ich auch weniger Probleme. Es sind mehr die 5- bis 6-stündigen Geschichten, sie sind halt "schon unmäßig lang", wie der leider inzwischen verstorbene Herbert Rosendorfer einmal schrieb (bzw. Mozart sagen ließ!).

Dabei ist das mit dem musikgeschichtlichen Einfluss Wagners gar nicht so falsch, sogar der oben erwähnte Dvorak hat ja, ich glaube in seiner 4ten Symphonie, Themen aus Tannhäuser verarbeitet. Aber es gehört m.E. auch eine gewisse Vielseitigkeit dazu, ein ganz Großer zu sein, und die geht mir bei Wagner z.B. ab. Bei Bruckner übrigens auch.

Und was für ein anderes Kaliber, um noch einmal das Beispiel Dvorak zu bemühen, ist dessen Rusalka, und das nicht nur wegen des "Lied an den Mond" (übrigens in meinem persönlichen Ranking das schönste Lied respektive die schönste Arie der Welt). Und das was einige Vorkommentatoren über dessen Klavierkonzert schreiben, kann ich nur bestätigen. Ein Werk, dass zu Unrecht viel zu selten aufgeführt wird. Da ist übrigens auch die Naxos-Aufnahme von J. Jando zu nennen, eine der schönsten DCs die dieses Label bislang hervorgebracht hat. Insofern ist Dvorak schon auch eher bei den Großen einzureihen.

Viele Grüße
Lutz
Klassikkonsument
Inventar
#100 erstellt: 28. Mrz 2013, 19:08

silbendrexler (Beitrag #94) schrieb:
Chopin ist/war sicher ein Großmeister des Klaviers, aber ihn als Großmeister der Musik zu titulieren, in einem Atemzug mit Bach, Mozart, Beethoven (Schubert, Schumann, Brahms, die Reihe ließe sich fortsetzen), ist wohl übertrieben. Ist er deshalb also ein Seiten- oder Nischen-Meister. Oder dann doch ein Meister der Musik, aber eben kein Groß- (er) Meister. Wer oder was war Paganini? Großmeister der Violine, gewiss, aber der Musik? Und was unterscheidet dann einen Paganini von einem Wieniawski? Allein die Häufigkeit ihres aufgeführt werdens? Ihr seht, die Geschichte wird beliebig undurchsichtig, je mehr man ins Detail geht.


Ein großer Chopin-Fan bin ich noch nicht. Aber wer so etwas Unglaubliches wie den letzten Satz seiner Sonate Nr. 2 komponiert, ist weitaus mehr als ein Meister seines Instruments. Schließlich war dieser Satz etwas Unerhörtes und klingt noch heute gelinde gesagt unkonventionell.
Klassikkonsument
Inventar
#101 erstellt: 28. Mrz 2013, 19:18

silbendrexler (Beitrag #99) schrieb:
Dabei ist das mit dem musikgeschichtlichen Einfluss Wagners gar nicht so falsch, sogar der oben erwähnte Dvorak hat ja, ich glaube in seiner 4ten Symphonie, Themen aus Tannhäuser verarbeitet. Aber es gehört m.E. auch eine gewisse Vielseitigkeit dazu, ein ganz Großer zu sein, und die geht mir bei Wagner z.B. ab. Bei Bruckner übrigens auch.


Dass Wagner in Sinfonien anderer zitiert wird, ist ja nur ein Indiz für seine musikgeschichtliche Bedeutung. Die wird doch nicht zuletzt in seinen Erweiterungen in der Harmonik und deren Folgen bei späteren Komponisten gesehen.


[Beitrag von Klassikkonsument am 28. Mrz 2013, 19:22 bearbeitet]
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