Qualität Röhrenverstärker

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DIDID
Ist häufiger hier
#1 erstellt: 30. Okt 2005, 16:13
Hallo Forum,

ich habe einmal eine Frage an die Messtechniker unter Euch.
Warum ist z.b. ein Röhrenverstärker trotz rel. "einfacher"
Schaltung und schlechten Messwerten klanglich trotzdem
so gut ?

Ich besitze z.b. einen Röhrenverstärker mit EL34
Gegentaktendstufen.
Diese klingen tonal ähnlich meinem Onkyo-
Transistorverstärker.
Nur die "Zisch"-Laute werden "sanfter" nicht leiser
wiedergegeben. (schwer zu beschreiben)
Ausserdem ist der Bassbereich an meinen 4Ohm-Lautsprechern
geringfügig "schlanker" dafür aber konturierter und mit
mehr "Biss".
Die "Räumlichkeit" lasse ich jetzt bewusst einmal aussen vor.

Ein Quercheck mit einem guten Kopfhörer (Sennheiser)
direkt am CD-Kopfhörerausgang Sony CDP 338ESD
ergibt, dass die Wiedergabe des Röhrenverstärkers
ähnlicher dem Kopfhörer ist, als z.b. der Onkyo.

Ein Vergleich an einem anderen Lautsprecher (der Q1 von KEF)
ergab ein ähnliches Bild, wenngleich die Unterschiede
der Verstärker an diesem LS deutlicher auffallen.
Anscheinend sind die KEF wesentlich präziser (besser)
als meine LS.

Die techn. Daten des Röhrenverstärkers sind folgende.:

Leistung : 2x40W RMS (0dB)8 und 4Ohm
Frequenzgang : 10Hz-40kHz +/- 1.5dB
THD : < 1% (0dB)
S/N : > 90dB
Dämpfungsfakt: > 20 4/8Ohm

Die techn. Daten des Onkyos

Leistung : 2x70W/100W RMS 8/4Ohm
Frequenzgang : 2Hz-70kHz +/- 1dB
THD : <= 0.08%
S/N : 100dB
Dämpfungsfakt: 60 /8Ohm


Im Voraus für Eure Antworten vielen Dank.

Gruss Dietmar
richi44
Hat sich gelöscht
#2 erstellt: 30. Okt 2005, 18:16
Der deutlich geringere Dämpfungsfaktor kann je nach Box den Klang beeinflussen. Dies nicht nur im Bass, sondern generell. Um das mit grösserer Wahrscheinlichkeit zu bestätigen, müsste man die Impedanzkurve der Lautsprecher haben.

Da der Klirr bei einem Röhrengerät relativ linear mit der Leistung ansteigt und vor allem K2- und K3-Anteile aufweist, wirkt er harmonischer als der geringe Klirr eines Transistorverstärkers, der plötzlich in ein Clipping kommt, das einen hohen Klirranteil höherer Ordnung besitzt.
K2 und K3 kann zu mehr Fülle des Klangs beitragen, aber auch zu einer vermeindlich gesteigerten Dynamik. Bei linearem Anstieg des Klirrs glaubt das Ohr, das ja ähnlichen Klirr erzeugt, die lauten Stellen wären lauter, also höhere Dynamik.

Warum Zischlaute sanfter klingen, lässt sich aus diesen Angaben nicht eindeutig erklären. Zischlaute werden scharf empfunden, wenn sie von hochfrequentem Klirr (Grundfrequenz über 4 kHz) begleitet sind. Dies kann durch Übersteuerungen der Eingangsstufe geschehen, vor allem, wenn der Lautstärkeregler erst nach der ersten Stufe angeordnet ist. Da sind Röhrengeräte einfach "toleranter".

Die Angabe des Frequenzgangs erscheint mir ein wenig zu gut für einen Röhrenverstärker. Allerdings gibt es Firmen, die den Frequenzgang nicht bei voller oder halber Leistung angeben, sondern beispielsweise bei 1W. Man müsset also diese Angabe zusätzlich haben. Weiter ist bekannt, dass der Klirr auch nicht unbedingt bei voller Leistung gemessen wird und schon gar nicht über den ganzen Frequenzbereich, sondern meist bei 1kHz.
Wenn man von diesen "Beschönigungen" ausgeht, ist bei etwas gehobener Lautstärke der Bass etwas abgeschwächt, was schlanker wirkt. Andererseits erzeugt der Klirr im Bass eine Betonung in der Oktave und Oberquint, was den Biss erhöht.

Ein Vergleich Kopfhörer zu Lautsprecher ist nicht unproblematisch. Da sind solche Feststellungen durchaus möglich.

Gesammthaft muss man sagen, dass die röhrentypischen Unzulänglichkeiten vielen Musiktiteln "schmeicheln" und einen Klang vorgaukeln, der angenehm ist, nicht aber der eigentlichen Aufnahme entspricht.
DIDID
Ist häufiger hier
#3 erstellt: 31. Okt 2005, 00:58
Hallo Richi,

vielen Dank für Deine Antwort.

Dass Röhrengeräte einen höheren Klirranteil als Transistor-
verstärker haben, ist mir klar.
Mich wundert nur, dass sich das so wenig störend auf die
Musikwiedergabe auswirkt.

Momentan beschäftige ich mich mit Verstärkern aus der
<600Euro-Klasse. Diese verfärben den Klang subjektiv
auf jeden Fall mehr als der Röhrenverstärker.
Deren Klirrfaktorangaben sind mit <0.1% angegeben, was
ich im Vergleich vor allem mit dem Onkyo nicht so recht
glauben kann.

Speziell Klirrfaktormessungen sind für mich jedoch nicht so
einfach möglich, da ich das erforderliche Messequipment nicht
besitze bzw. zu teuer ist.
Darum meine Frage zu diesem Thema.

Gruss Dietmar
Mas_Teringo
Inventar
#4 erstellt: 31. Okt 2005, 02:12
Der Klirrgrat verwundert mich auch jedesmal wieder. Liegt er doch angeblich bei günstigeren Verstärkern meist sogar niedriger als bei höherpreisigen. Röhren sind hier auch keine Ausnahme. Man nehme mal die Cayin 9085D Monoblöcke. Kosten >10000€ und haben einen Klirrgrad von 2%. Wer so einen Preis ausgibt erwartet doch guten Klang - sehr guten. Daher bin ich immer wieder verwundert über diese hohen Werte und schaue beim Verstärkerkauf meist nicht auf die Daten, sondern verlasse mich auf meine Ohren.
richi44
Hat sich gelöscht
#5 erstellt: 31. Okt 2005, 13:15
Bei einer reinen Hör-Beurteilung kommt es schon sehr auf die CD an.
Wenn man sehr gute Klassikaufnahmen hat und sehr oft ind Konzert geht, lernt man mit der Zeit, wie ein Orchester klingt, ob es einem nun gefällt oder nicht.
Wenn man aber moderne, elektronische Musik zum Testen verwendet, so kennt man mit Sicherheit das Original nicht, weil es kein Original gibt. Im Konzert hängt da die PA-Anlage, die bei der Plattenaufnahme nicht mit in der Kette war. Und ohne PA ist nichts zu hören. In diesem Fall sibt es einfach keinen direkten Vergleich, sondern nur das "Gefällt mir" oder "Gefällt mir nicht".
Hifi soll ein Musikstück ohne Veränderung wiedergeben. Wenn es dann schlecht klingt, kann das am Raum, an den Bausteinen (Geräte und Lautsprecher) oder an der Aufnahme liegen. Aber es soll nichts verändert werden. Ein Röhrengerät hat daher mit Hifi eigentlich nichts zu tun, allerdings kann es gerade das Quäntchen Musikalität bringen (durch seine Fehler), das man sonst vermisst.

Bei den Klirrangaben ist wie erwähnt zu beachten, ob der Klirr spezifiziert ist, also bei welchem Pegel und welcher Frequenz gemessen, oder ob nichts steht. Dann ist er am besten Punkt des Übertragungsbereichs gemessen.
Und bei Transistorgeräten kann man entweder den Klirr minimieren, indem man starke Gegenkopplungen verwendet, was zu TIM führen kann (kurzzeitiger Klirr bei Überlagerung anhaltender und sprunghafter Töne). Oder man nimmt einen gewissen Klirr in kauf, um TIM zu reduzieren.

Wenn man sich also auf die Ohren verlässt, bekommt man möglicherweise etwas, das einem gefällt, aber hifi-technisch nicht ganz "dicht" ist. Wenn man sich aber auf die Messwerte verlässt, kann man das Selbe erleben, weil nur die guten Messwerte veröffentlicht werden.
Mas_Teringo
Inventar
#6 erstellt: 31. Okt 2005, 13:46
Das würde ja heißen, dass ein Mensch der zu der Gattung gehört, dem das echte Original nicht optimal gefällt, den von einer Reproduktion kommenden Klang als "besser als das Original" einstufen könnte.

Einerseits hast Du recht, dass man mit Hifi versucht möglichst nah an das Original zu kommen, aber will man das um jeden Preis? Versucht man mit Hifi nicht auch einfach einen möglichst hohen Hörgenuß zu erreichen? Deshalb ist es ja so subjektiv. Wenn dann jmd ein vom Original abweichenden Klang bevorzugt, ist das vielleicht "originalgetreu", jedoch sehr wohl "HiFi", da es zu "hohem Genuß" führt.
Tulpenknicker
Inventar
#7 erstellt: 31. Okt 2005, 14:43
Hallo zusammen,

da es hier wieder um HIFI und Orginalgetreu geht möchte ich mich auch wieder zu Wort melden: Was überhaupt ist Orginalgetreu?

Eine Studioaufnahmen? Wohl kaum, schon alleine wenn man einen übereifrigen Tontechniker ranlässt der solange am Mischpult herumorgelt bis es "ihm" (oder "Ihr") gefällt hat das nichts mehr mit HIFI zu tun....

Doch was genau entspricht einem Orginal? Liveaufnahmen!! z.Bsp. ein klassisches Konzert, wer es einmal miterlebt hat, weiß ganz genau wie es zu Hause klingen müsste (gilt für alle Musikrichtungen), doch auch beim Livekonzert kommt es darauf wo man genau sitzt oder steht, denn jeder Raum hat seine eigenen Charakteristika....

Okay, an dieser Stelle genug, wenn jemand eine Anlage hat, die ihm klanglich sehr gut gefällt, warum sollte er dann sich eine andere zulegen die die HIFI-Norm noch strenger erfüllt aber ihm keinen Spass macht...


Gruß,

Nils
DIDID
Ist häufiger hier
#8 erstellt: 01. Nov 2005, 14:33
Hallo Nils,

es ging mir nicht um absolut originalgetreu. Ich habe eben
auch einen Gegentakt-Röhrenverstärker in Ultralinear-Schaltung.
(Er stammt von 1995 und läuft immer noch mit der Original-Röhrenbestückung.)
Diese Schaltung wurde glaube ich so um 1965 veröffentlicht!

Aktuelle Verstärker wie z.b. der oft zitierte Dynavox VR70e basieren ebenfalls auf dieser Grundschaltung.
Mich wundert nur, wie gut dieser Verstärker bei der Musikwiedergabe abschneidet, obwohl doch die techn. Daten
gegenüber einem Transistorverstärker grottenschlecht sind.

Ich erinnere mich da auch noch an einen JVC-Verstärker
(getr.Vor-Endstufe),der damals in der HIGH-END-Klasse
angesiedelt war, hervorragende Messwerte aufwies, aber trotzdem furchtbar schlecht klang. (z.b. akustische
Instrumente wie vom Syntesizer) Der Sony aus meinem anderen
Beitrag hörte sich übrigens so ähnlich an.

Die Beiträge von richi44 sind interessant, da er einen
Zusammenhang der jeweiligen Klirr-Anteile auf die
Musik-Wiedergabe aufzeigt.
Die Wiedergabe des Röhrenverstärkers "klingt" auf jeden
Fall für mich richtiger, als die der aktuell günstigen
Transistorverstärker.
Die Unterschiede zwischen "guten" Transistor und Röhren-
verstärkern sind dann wieder eher marginal und
Geschmackssache.

@Mas_Teringo
Als Musiker kann ich mir durchaus vorstellen, die Instrumente
in einem Aufnahmestudio mit wenig/keinen Raumreflektionen
aufzunehmen und abzumischen. Die Wiedergabe ist dann so,
als wenn die Instrumente im Wiedergaberaum gespielt werden
würden.
Dies kann bei kleinen Besetzungen z.b. Jazz durchaus
"gut" klingen.
Bei kleineren Ensembles, wenn die Umgebung eine Rolle
spielt (z.b. bei Kirchenmusik), möchte man dann durchaus
auf der fertigen Aufnahme den Aufnahmeraum mit abgebildet
haben.

Gruss Dietmar
Mas_Teringo
Inventar
#9 erstellt: 01. Nov 2005, 18:03
Ich verstehe zwar, was Du mir geschrieben hast, jedoch ist mir das warum nicht klar. Habe ich etwas dem widersprechendes geschrieben?
pragmatiker
Administrator
#10 erstellt: 02. Nov 2005, 22:21

DIDID schrieb:

Aktuelle Verstärker wie z.b. der oft zitierte Dynavox VR70e basieren ebenfalls auf dieser Grundschaltung.
Mich wundert nur, wie gut dieser Verstärker bei der Musikwiedergabe abschneidet, obwohl doch die techn. Daten
gegenüber einem Transistorverstärker grottenschlecht sind.


Servus Dietmar,

Ich vermute mal, daß die üblichen "Prospektdaten" von Verstärkern (egal ob Röhre oder Transistor) für den klanglichen Eindruck, den man aus der jeweiligen Gerätegattung gewinnt, zweitrangig sind.

Ein - aus meiner Sicht (und nach jahrelanger Beschäftigung mit dem Thema) - vielleicht ganz wesentlicher Unterschied zwischen Röhre und Transistor sind die unterschiedlichen Leerlaufverstärkungen. Diese Leerlaufverstärkung liegt bei Röhrenverstärkern (schon aus ökonomischen Gründen - Röhrenanzahl) in aller Regel deutlich unter der von Transistorverstärkern. Und damit kann eine globale Gegenkopplung (die sog. "über-alles-Gegenkopplung") nicht so stark greifen wie bei Halbleiterverstärkern - so überhaupt eine globale Gegenkopplung vorhanden ist. Um nun dem Gegenkopplungsfetischismus gleich vorzubeugen: Auch bei den vielgerühmten "nicht" gegengekoppelten Röhrenverstärkern sind in aller Regel lokale Gegenkopplungen auf Stufenebene vorhanden (die sich ab und an auch schon mal hinter subtiler Schaltungstechnik verstecken und auf den ersten Blick gar nicht zu sehen sind).

Eine globale Gegenkopplung verbessert - wenn sie richtig gemacht ist - die meßtechnischen Eigenschaften eines Verstärkers (und hier insbesondere die Verzerrungen und den Dämpfungsfaktor, sprich den dynamischen Innenwiderstand). Aber: eine globale Gegenkopplung dreht korrigierenderweise IMMER an einem Signal herum, dessen Ursprung bereits in der Vergangenheit liegt. Sinus- und rechteckförmig und meinetwegen noch mit zwei diskreten Frequenzen gleichzeitig lassen sich mit einer globalen Gegenkopplung meßtechnisch sehr schöne Ergebnisse erzielen - inwieweit sich diese Art der Verhaltenskorrektur eines Verstärkers (und etwas anderes ist eine Gegenkopplung nicht) nachteilig auf ein komplexes Musiksignal auswirkt, ist meßtechnisch nur äußerst schwer zu erfassen - hier ist das Gehör gefragt. Immerhin: Röhrenschaltungen lassen sich prinzipiell relativ leicht ohne globale Gegenkopplung betreiben, wenn man das möchte - etwas, was mit Halbleiterschaltungen (Sperrschicht-FET's mal ausgenommen) aufgrund des völlig anderen Kennlinienverlaufs dieser Bauelemente so ohne weiteres nicht geht.

Ein zweiter Punkt betrifft die Bandbreite - und damit den Frequenz- und Phasengang. Und hier haben Röhrenschaltungen (bedingt durch die Eigenschaften des Bauelementes Röhre) in der Regel die Nase vorn - wenn man den Ausgangsübertrager ausklammert!. Mit einem ordentlich entworfenen und aufgebauten (kleine Kapazitäten, kurze Kabelverbindungen etc.) Röhrenverstärker (ohne bandbreitenbegrenzende Schaltungsteile wie Rauschfilter etc.) sind bis zum Ausgangsübertrager normalerweise ohne weiteres Leistungsbandbreiten bis zu mehreren Megahertz möglich - und innerhalb dieser Leistungsbandbreite ist dann auch der Phasengang mehr oder weniger linealglatt. Natürlich sind solche Leistungsbandbreiten prinzipiell auch mit Transistorschaltungen mit entsprechender Dimensionierung möglich, nur müssen sie der Schaltung vom Entwickler dann explizit anerzogen werden - bei Röhrenschaltungen ist die Bandbreite (ohne den Ausgangsübertrager) mehr oder weniger ein Abfallprodukt. Der Ausgangsübertrager ist (bezogen auf die mögliche Bandbreite des vor ihm liegenden Verstärkers) ein katastrophal schlechtes Bauteil - aber: es ist nur ein Bauteil, in dem sich die Frequenzgangbegrenzung und die frequenzabhängige Phasendrehung konzentriert, so daß sich in der Regel ein homogener Verlauf dieses Verhaltens ergibt. Und das ist m.E. der Unterschied zu Halbleiterschaltungen, in denen je nach Auslegung mehrere Stufen (mit unterschiedlichen Eckfrequenzen, Phasendrehungssteilheiten etc.) jeweils ihren Anteil zum Gesamtfrequenz- und Phasengang des Verstärkers beitragen - der dann vielleicht nicht mehr so homogen und bruchlos verläuft (auch wenn die Frequenzgrenzen u.U. sehr viel weiter gefaßt sind wie bei Röhrenverstärkern). Speziell ein homogener, bruchloser Verlauf des Phasengangs ist meiner Meinung nach aber ein ganz entscheidendes Kriterium für die zeitrichtige Wiedergabe von Musik (etwas, was in Hörberichten oft mit einer weiten und offenen Bühnendarstellung bezeichnet wird).

Der dritte Punkt betrifft das Thema "Dämpfungsfaktor". Hier vertrete ich eine etwas andere Meinung als die, die allgemeines Gedankengut ist. Hierzu muß ich etwas ausholen: Ein Lautsprecher ist (von Elektrostaten mal abgesehen) ein elektrodynamischer Wandler - und damit ist die Membranauslenkung mehr oder weniger proportional zum fließenden Strom und nicht proportional zu der an den Lautsprecherklemmen anliegenden Spannung. Transistorverstärker sind jedoch auf niedrigsten Innenwiderstand gezüchtete, lupenreine Spannungsquellen. Steuert man mit einer solchen Spannungsquelle jetzt einen Lautsprecher in der Nähe seiner Resonanzfrequenz an, so geht dessen Impedanz hoch. Da die zugeführte Spannung (bei einem Transistorverstärker) jedoch gleich bleibt, ist dies gleichbedeutend mit einer geringeren zugeführten elektrischen Leistung - und damit weniger Schalldruck. Dieser Effekt wird sicher teilweise durch die Resonanzüberhöhung des Lautsprechers bei dieser Frequenz wieder kompensiert - aber eben nicht vollständig (sonst müßte das Lautsprecherchassis bei seiner Resonanzfrequenz eine fast unendlich hohe Güte haben, was aber gar nicht erwünscht ist). Dieser Effekt geht natürlich in den Frequenzgangverlauf der Kombination Verstärker-Lautsprecher ein. Bei Röhrenverstärkern stellt sich die Situation durch die Leistungsanpassung über den Ausgangsübertrager (die globale Gegenkopplung lassen wir hierbei der Einfachheit halber mal außer acht) anders dar: Steigt hier (z.B. bei der Resonanzfrequenz) die Lautsprecherimpedanz über ihren Nominalwert an, so steigt durch die Leistungsanpassung (die bei einem nicht global gegengekoppelten Verstärker gleichbedeutend mit einem Dämpfungsfaktor in der Gegend von eins ist) auch die Ausgangsspannung am Verstärkerausgang entsprechend an - und damit wird dem Lautsprecher bei diesen Impedanzmaxima (bezogen auf einen Transistorverstärker) mehr Leistung zugeführt. Dies kann sich - speziell bei Lautsprechern mit stark welligem Impedanzverlauf - meiner Meinung nach durchaus so auswirken, daß Unterschiede zwischen Röhren- und Transistorverstärkern am gleichen Lautsprecher bei sonst identischen Rahmenbedingungen klanglich deutlich vernehmbar sind. Auf der anderen Seite führt der den Röhrenschaltungen eigene, recht niedrige (verglichen mit Halbleiterschaltungen) Dämpfungsfaktor natürlich dazu, daß der Verstärker das Eigenleben des Lautsprechers schlechter "im Griff hat". Dies mag mit ein Grund für den den Röhrenverstärkern oft nachgesagten, "weicheren" Klang sein - auch hier gilt: die persönliche Präferenz beim Musikhören ist ausschlaggebend...und nicht die meßtechnischen Resultate (die ja, wie Du bereits erwähnt hast, bei Röhrengeräten grottenschlecht sein können).

Insgesamt ist die Kombination aus Schallwandler und vorgeschaltetem Verstärker als ein komplexes System (und damit als eine Einheit) anzusehen, bei dem die Gesamtheit der Einzelkomponenten die Wiedergabegüte bestimmt - deswegen kann es durchaus sein, daß ein bestimmter Lautsprecher an einem Röhrenverstärker (der mit seinen elektrischen Eigenschaften zufällig grade gut zu diesem Lautsprecher paßt) hervorragend klingt und derselbe Lautsprecher an einem Halbleiterverstärker eher enttäuschend klingt - der umgekehrte Fall ist natürlich auch jederzeit möglich. Meßtechnisch ist sowas mit Amateurmitteln kaum verläßlich zu erfassen - und auch viele Firmen, die sich in diesem Bereich austoben, tun sich damit nicht gerade leicht.

Die bei Röhrenverstärkern (verglichen mit Halbleiterverstärkern) andersartige Zusammensetzung des Klirrspektrums und der "weichere" Übergang in die Begrenzung bei Übersteuerung tun vielleicht noch ein übriges dazu, daß der Klang von Röhrenverstärkern oft als angenehmer empfunden wird.

Vielleicht ist ja auch noch die (im Normalfall) geringe Stufenzahl (verbunden mit einer in der Regel einfachen Schaltungstechnik mit wenigen Bauelementen) von Röhrengeräten (verglichen mit Halbleitergeräten) ein Grund dafür, daß diese Dinger so klingen, wie sie klingen - Verstärkerstufen und Bauteile, die nicht vorhanden sind, können auch keinen Klang beeinflussen.

Ich möchte zum Schluß nochmal eine Analogie zu dem Thema: was ist richtig? bemühen: Die allermeisten Leute hören sich lieber Mozart etc. als z.B. Stockhausen oder Benjamin Britten an - auch wenn die Protagonisten der "modernen" Musik vielleicht viel näher an der reinen Lehre der Musiktheorie sind...aber Mozart etc. klingt für viele einfach harmonischer und spricht einen auch emotional eher an...auch wenn die Musik mehrere hundert Jahre alt und vielleicht - aus der Sicht der Musiktheoretiker - nicht perfekt ist. Und genauso kann's ja mit Röhrenverstärkern auch sein: Theoretisch in keiner Weise perfekt, aber sie sprechen einen - auch emotional - einfach an....weil möglicherweise das akustische Gesamtergebnis einfach harmonischer "rüberkommt"...

Dies sind nur meine persönlichen Gedankensplitter - man kann sie teilen oder nicht. In jedem Fall sollte man Musik mit den Gerätschaften hören, die einem am meisten zusagen...Musik kann man eben nicht messen....



Bei kleineren Ensembles, wenn die Umgebung eine Rolle
spielt (z.b. bei Kirchenmusik), möchte man dann durchaus
auf der fertigen Aufnahme den Aufnahmeraum mit abgebildet
haben.


Kann ich nur bestätigen - wir haben vor vielen Jahren einmal einen Chor in einer anständigen Kirche und dann auch noch in einem kleinen Studio aufgenommen...trotz digitaler "Hallnachbearbeitung" etc. kam die Studioaufnahme in keiner Weise an die Kirchenaufnahme (die mit einfachsten Mitteln - zwei Mikrophone und hochwertiges analoges Tonbandgerät - gemacht wurde) heran.


Grüße


Herbert


[Beitrag von pragmatiker am 02. Nov 2005, 22:54 bearbeitet]
richi44
Hat sich gelöscht
#11 erstellt: 03. Nov 2005, 12:23
Ich möchte einige Stellen von Pragmatikers Beitrag noch etwas ergänzen:


wir haben vor vielen Jahren einmal einen Chor in einer anständigen Kirche und dann auch noch in einem kleinen Studio aufgenommen...trotz digitaler "Hallnachbearbeitung" etc. kam die Studioaufnahme in keiner Weise an die Kirchenaufnahme (die mit einfachsten Mitteln - zwei Mikrophone und hochwertiges analoges Tonbandgerät - gemacht wurde) heran.


Das besagt nichts anderes, als dass zur Beurteilung eines Klanges anständiges Material verwendet werden muss.
Ich habe vor rund 25 Jahren einen der ersten PCM-Prozessoren zum Testen bekommen, dazu einige hochwertige Konzertaufnahmen und habe mit diesem Teil selbst Aufnahmen gemacht (zwei AKG C414, selektiert, Chor, kleines Ensemble, Klavier, Orgel). Mit diesen Geräten liessen sich Aufnahmen in obiger Qualität, allerdings mit stabilem und richtigem Phasengang herstellen, im Gegensatz zu Analog-Tonbandgeräten. Diese Aufnahmen, die ich im Original als Konzertbesucher, teils als Mitwirkender kannte, dienten mir lange als Referenz. Und mit so etwas kann man Veränderungen in der Wiedergabe sehr gut feststellen. Und dabei brachten die Röhrengeräte Aufweichungen und unpräzise Wiedergabe zutage, wie sie im Original und bei einer sehr guten Transistor-Anlage nicht festzustellen waren.


Insgesamt ist die Kombination aus Schallwandler und vorgeschaltetem Verstärker als ein komplexes System (und damit als eine Einheit) anzusehen, bei dem die Gesamtheit der Einzelkomponenten die Wiedergabegüte bestimmt


Hier ist ein Problem vieler Geräte "begraben". Es gibt Transistorverstärker, die ausgezeichnete Messdaten liefern (die statischen Daten wie Klirr, Frequenzgang und Fremdspannungsabstand), die aber mit Musik probleme bekommen, weil dynamische, also kurze und flüchtige Ereignisse (durch die "Nach"-Wirkung einer Gegenkopplung) verzerrt wiedergeben. Und besonders, wenn der Lautsprecher keine konstante Last darstellt, sondern seine Impedanzkurve abenteuerliche Sprünge aufweist. In diesem Bereich kann der wenig oder nicht gegengekoppelte Röhrenverstärker im Vorteil sein.
Allerdings ist dann die Konsequenz das Dampfradio, der Konzertschrank oder der Gitarrenverstärker mit eingebautem Lautsprecher.
Bei jenen Geräten wurde und wird ein Lautsprecher ausgewählt und dann so lange an der Elektronik gebastelt, bis der Klang zufriedenstellend ist. Und gerade der geringe Dämpfungsfaktor zusammen mit der relativ hohen Eigenresonanz brachte eine Klangfülle (weil der Bass im Resonanzfall deutlich überhöht war, die das Hausfrauen- und -Herrenherz höher schlagen liess. Dies hatte und hat mit natürlicher Wiedergabe nun gar nichts zu tun.

Eigentlich hat eine Norm (auch die DIN45500) den Zweck, eine Kompatibilität und damit eine gewisse Universalität zu gewähren. Das bedeutet, dass sich Lautsprecher und Verstärrker beliebig kombinieren lassen, wenn sie sich an diese Norm halten.
Da heute über die 45500 nur noch gelächelt wird, gibt es wieder Konstellationen, die nicht kompatibel sind.
Solche (bewussten) "Unverträglichkeiten" kann man bei Aktivlautsprechern einsetzen, weil keine anderen Komponenten angeschlossen werden können, als jene, die geplant wurden. Man kann also je nach Lautsprecher mit dem Dämpfungsfaktor (sogar frequenzabhängig) spielen. Allerdings sind die Ergebnisse trotz allem mit guten Chassis besser, als wenn man mittelprächtiger Ware verbaut und dann mit (teils negativen) Innenwiderständen versucht, die Membranen irgendwie zu kontrollieren (es gab sogar Studiomonitore, die auf dieser Basis arbeiteten, aber in fast allen Studios wieder gegen höherwertige ersetzt wurden).

Ich möchte das Ganze mal so formulieren: Mir schmeckt der Christstollen unseres Bäckers besser als das Original aus Dresden.
Und so kann man es auch mit Röhrengeräten sehen.
Aber an einer "Bäckerolympiade" hätte mein Bäcker keine Chance, auch wenn er nach meinem Empfinden den besten Kuchen bäckt...
DIDID
Ist häufiger hier
#12 erstellt: 05. Nov 2005, 23:17
Hallo Forum,

ich bin unter der Woche geschäftlich unterwegs und kann darum
nur am Wochenende "aktiv" sein.

@Mas_Teringo

tschuldigung - hätte Nils gegolten.:hail

@richi44

Vielen Dank für die ausführlichen Erläuterungen. Ich besitze
selbst auch Eigenaufnahmen, die mir zur Beurteilung von
Komponenten sehr dienlich sind.
Persönlich mag ich Digital-Aufnahmen auch lieber als
Aufnahmen mit Analoggeräten.
Mich wundert nur, dass die aktuellen Transistorverstärker
(auch Surround) erheblich grössere klangliche Abweichungen
aufweisen, als meine "nostalgischen" Röhrengeräte.
Sind die Entwickler, die das früher gekonnt haben in "Rente"
gegangen ? - Ich kanns mir anders nicht erklären.

@Herbert

kann ich so nur bestätigen. Stereo-Mikrofone und zur
Bassunterstützung noch ein Grenzflächenmikrofon - damit
lassen sich sich schon sehr gute Aufnahmen realisieren.
Deine Ausführungen bzgl. Lautsprecher - Verstärker-
anpassung möchte ich noch folgendes zufügen.
Viele Hersteller stimmen die Tieftöner mit einer Güte
von >1 ab, damit bei rel. kleiner Membrane durch
eine Überhöhung im Bereich der Resonanzfrequenz ein
oberflächlich "kräftiger" Bass erzeugt wird.
Diese Abstimmung erfordert zwingend einen Verstärker mit
möglichst geringem Innenwiderstand, um das Eigenleben des
LS auf ein erträgliches Mass zu reduzieren.

Ich stimme z.b. meine Tieftöner meist nach Bessel (Güte ca.
0.6) ab, entzerre aktiv und habe dadurch keine Probleme mit
Resonanzen, da Nachschwingen stark reduziert bzw. nicht
vorhanden ist.
Dadurch sind die Unterschiede Röhre/Transistor an so einem
LS sehr gering.

Gruss Dietmar
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