Ensemble Recherche

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Mellus
Stammgast
#1 erstellt: 14. Nov 2008, 16:15
Gestern abend habe ich eine ganze Weile lang Musik gehört und dabei zielsicher nur CDs herausgegriffen, die vom Ensemble Recherche eingespielt wurden. Da ist mir nicht nur aufgefallen, wie viele CDs ich von ER besitze, sondern auch, was für famose Musiker das sind! Alles in allem also genug gute Gründe, ihnen mal einen Thread zu widmen.

Wer ist überhaupt das Ensemble Recherche? Hier der Pressetext von ihrer Homepage:


Ensemble Recherche schrieb:
Das ensemble recherche ist eines der profiliertesten Ensembles für neue Musik. Mit über 450 Uraufführungen seit der Gründung 1985 hat das Ensemble die Entwicklung der zeitgenössischen Kammer- und Ensemblemusik maßgeblich mitgestaltet. Das neunköpfige Solistenensemble hat mit seiner eigenen dramaturgischen Linie einen festen Platz im internationalen Musikleben gefunden. Neben seiner ausgedehnten Konzerttätigkeit wirkt das ensemble recherche bei Musiktheaterprojekten mit, produziert für Hörfunk und Film, gibt Kurse für Instrumentalisten und Komponisten und bietet dem musikalischen Nachwuchs Einblick in seine Probenarbeit.

Das Repertoire beginnt bei den Klassikern des ausgehenden 19. Jahrhunderts, reicht u.a. vom französischen Impressionismus über die Zweite Wiener Schule und die Expressionisten bis zur Darmstädter Schule, dem französischen Spektralismus bis zu avantgardistischen Experimenten der Gegenwartskunst. Ein weiteres Interesse des ensemble recherche gilt der zeitgenössischen Sicht auf die Musik vor 1700.
Von der enormen Bandbreite des Repertoires zeugen über 50 CDs.

Das ensemble recherche veranstaltet zusammen mit dem Freiburger Barockorchester die jährlich stattfindende Ensemble-Akademie Freiburg, die ein Forum für die Weiterbildung professioneller Musiker im Ensemblespiel in Alter und neuer Musik und für die Begegnung beider Musikbereiche bildet. Die Musiker des ensemble recherche geben Kurse an Musikhochschulen und unterrichten bei den renommierten Internationalen Ferienkursen in Darmstadt.

Das ensemble recherche organisiert sich in Eigenregie und hat eine eigene Konzertreihe an seinem Standort in Freiburg.


Eine CD, die u.a. das ER eingespielt hat kennen wir alle zumindest dem Cover nach, da AladdinWunderlampe sie hier mit einer großen Abbildung empfohlen hat, nämlich Mark Andre.

Das ER hat auch Kammermusik von Brian Ferneyhough eingespielt:
,


Kammermusik von Salvatore Sciarrino:
,

oder, in der Streicherformation Trio Recherche, diese Wahnsinnsaufnahme von Wolfgang Rihms Streichtrio:


Viele Grüße,
Mellus
Tannoymann
Stammgast
#2 erstellt: 20. Nov 2008, 20:54
Hallo!
Ein großartiges Ensemble! Ich hab auch einigen mit ihm. Wie ist die Ferneyhough Einspielung? Ich schätz diesen Komponisten sehr, allerdings miss ich seine Stücke sehr oft Hören, da die Komplexität ziemliche Anforderungen stellt.
Grüße
Willi
Mellus
Stammgast
#3 erstellt: 21. Nov 2008, 12:43
Hallo Willi,

was die von Dir angesprochene Komplexität angeht ist die abgebildete CD sicher keine Ausnahme. Ich habe mir bisher vor allem das letzte Stück auf der CD, Incipits, vorgenommen, wohl weil es auf den ersten Höreindruck am eingängsten war. Incipits ist eine mit Streichern und Perkussion reizvoll besetzte Kammermusik. Bisher höre ich es sehr sprachnah, d.h. aus gestischen Elementen bestehend, die zu einem Dialog verwoben werden. Interessanterweise scheint mir das Stück kein richtiges Ende zu haben. Es heißt ja auch Anfänge (Plural!). Vermutlich bezieht sich die lateinische Version auf das Incipit der frühmittelalterlichen Buchherstellung: Bücher hatten keinen Titel sondern wurden über ihren ersten Satz bzw. den Beginn ihres ersten Satzes identifiziert -- dem Incipit. Dann wäre das Stück tatsächlich nur ein Anfang (oder mehrere Anfänge), der (die) jedoch bereits auf die Möglichkeiten des kommenden Textes verweist (verweisen).

Wie ist die Einspielung? Tja, da ich keine andere kenne habe ich keine Vergleichsmöglichkeit. Aber die CD ist bei Stradivarius erschienen. Und dieses Label (zusammen mit dem Ensemble Recherche natürlich) sollte für Qualität stehen.

Ich bin kein besonderer Ferneyhough-Kenner. Neben der abgebildeten CD habe ich noch sein 4. Streichquartett (und dem, was da noch dabei ist). Interessant erscheint mir Ferneyhough allerdings allemal. Was kennst Du denn von ihm?

Viele Grüße,
Mellus
Tannoymann
Stammgast
#4 erstellt: 21. Nov 2008, 15:58
Hallo Mellus!
Ich kenn vom Ferneyhough noch 2. 3. 4. Streichquarett, Kurze Schatten, Trittico per G.S und Terrain. Es gibt leider keine sehr große Diskographie und einiges ist schon wieder vergriffen. (so, wie auch vom wesentlich eingänglicheren von mir sehr geschätzten Peter Maxwell Davis, von dem ich extrem viel hab). Zum ensemble recherche möchte ich - neben den tollen bei Kairos erschienenen Aufnahmen - noch 2 ganz große Einspielungen hinzufügen: Gerard Grisey: Vortex temporum, R. Haubenstock-Ramati: Streichtrios. Sciarrino hab ich natürlich auch, fang aber relativ wenig damit an.
Viele Grüße
Willi
Mellus
Stammgast
#5 erstellt: 21. Nov 2008, 20:21
Hallo Willi,

die beiden von Dir emfohlenen Einspielungen kenne ich noch nicht. Auch von Peter Maxwell Davies kenne bis auf den Namen nichts. Dass man mit Sciarrino wenig anfangen kann, kann ich nachvollziehen, obwohl ich seine Musik leiden kann. Mir kommen Sciarrinos Stücke häufig so vor wie ein Text, der aus Buchstaben gesetzt sind, die oben und unten abgeschnitten wurden, so dass nur noch ihre Mittellänge, also die Höhe beispielsweise eines "a", übrig ist. Der Text ist deshalb materiell reduziert, bleibt aber noch lesbar (das kann man zu Hause ausprobieren). Ein anderes Bild wäre das einer absorbierenden Schicht, durch die hindurch die Töne zu uns kommen. Dann kann man sogar etwas Utopisches in Sciarrinos Musik (hinein-?) hören. (Irgendwie habe ich gerade meine metaphorische Phase. )

Viele Grüße,
Mellus
AladdinWunderlampe
Stammgast
#6 erstellt: 26. Nov 2008, 23:55
Liebe Musik-Rechercheure,

irgendwie habe ich diesen Thread zu einem der wichtigsten Ensembles der Neuen Musik bisher übersehen. Nach all den Empfehlungen zu Mark Andre, Brian Ferneyhough, Gérard Grisey und Salvatore Sciarrino, die ich nachdrücklich unterstützen möchte (auch wenn mir Sciarrino persönlich nicht so liegt, aber es geht hier ja um die Ausführenden), bleibt mir gar nicht mehr viel zu ergänzen.

Empfehlenswert ist aber auf jeden Fall noch eine Einspielung mit zwei gewichtigen Kammermusikwerken von Bernd Alois Zimmermann:

Bernd Alois Zimmermann: Présence, Intercommunicazione
Ensemble Recherche
Yukiko Sugawara (Klavier)
Karl-Rudolf Menke (Sprecher)
1 CD, Wergo WER 6605-2



Im Falle des von Zimmermann als "Ballet blanc en cinq scénes" apostrophierten Werkes Présence, bei dem es sich ja nur dem äußeren Anschein nach um ein Klaviertrio handelt, ist besonders hervorzuheben, dass das Ensemble Recherche - anders als das Ensemble Modern in der konkurrierenden Einspielung (RCA Victor Red Seal09026 61181 2) - auch die bei einer konzertanten Aufführung zu lesenden "Wortembleme" von Paul Pörtner sowie die der Partitur vorangestellte "Distribution" umsetzt, indem sie diese Texte von einem Sprecher vorlesen lässt - so, wie Zimmermann es für Radioübertragungen des Werkes vorgesehen hat. Dadurch entsteht auch vor dem inneren Auge des reinen CD-Hörers jenes surrealistische Szenario, um das es dem Komponisten in diesem merkwürdigen Stück ging, das flirrende, träumerische, stählerne Klaviertrio-Klänge mit poetischen Versen, pantomimischen Aktionen eines stummen "Speakers" sowie literarischen Allusionen an Cervantes' Don Quixote, Jarrys Roi Ubu und Joyces Ulysses verbindet. Und auch die bestürzende Intensität von Zimmermanns spätem Stück Intercommunicazione für Violoncello und Klavier wird in der Aufnahme mit dem Ensemble Recherche grandios umgesetzt.



Herzliche Grüße
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 26. Nov 2008, 23:57 bearbeitet]
Tannoymann
Stammgast
#7 erstellt: 27. Nov 2008, 18:06
Hallo!
Ich stimme voll zu, hab die Zimmermann Aufnahme übersehen. Allderdings ist die alte DG-Aufnahme mit Palm und den Kontarskys auch sehr gut. B. A. Zimmermann gehört sehr stabil trotz meiner vielen Geschackwechsel zu meinen Lieblingskomponisten.
Grüße
Willi
Mellus
Stammgast
#8 erstellt: 27. Nov 2008, 18:52

Tannoynmann schrieb:
B. A. Zimmermann gehört sehr stabil trotz meiner vielen Geschackwechsel zu meinen Lieblingskomponisten.


Ich bin begeistert: Es "outen" sich ja immer mehr Zimmermannfans!

Die Wergo-CD hat es bisher noch nicht von meiner Wunschliste ins Wohnzimmer geschafft. Aber Eure Bekräftigung wir diesen Weg sicher beschleunigen.

Aladdin, schön übrigens, wie Du gekonnt den Namen Wolfgang Rihm in der Aufzählung Deines Beitrags vermeidest!

Viele Grüße,
Mellus
AladdinWunderlampe
Stammgast
#9 erstellt: 27. Nov 2008, 19:16

Mellus schrieb:
Aladdin, schön übrigens, wie Du gekonnt den Namen Wolfgang Rihm in der Aufzählung Deines Beitrags vermeidest!


Hallo Mellus,

für Musiklieber ist es natürlich immer gut, Zwischentöne und möglicherweise auch das Wachsen des Grases zu hören.

Dass ich den Namen "Rihm" vermieden habe, liegt aber schlicht und einfach daran, dass ich die betreffende CD nicht kenne und daher auch nicht empfehlen kann. Keinesfalls wollte ich damit eine Abwertung dieses Komponisten ausdrücken, dessen Schaffen ich freilich durchaus für qualitativ recht ungleichgewichtig halte und der auch zugegebenermaßen nicht im Zentrum meines Interesses steht. Gerade die von Dir empfohlene Kairos-CD sowie eine Einspielung des Chiffre-Zyklus mit dem Ensemble Modern stehen aber bereits seit längerem auf meiner Anschaffungsliste. Und die Hamletmaschine habe ich im Neue-Musik-Thread auch bereits einmal empfohlen.

Ich plädiere daher für "unschuldig".



Herzliche Grüße
Aladdin
Mellus
Stammgast
#10 erstellt: 28. Nov 2008, 01:49
Hallo Aladdin,

aus Mangel an Beweisen müssen wir Dich wohl ziehen lassen und Du musst in Deinem nächstem Beitrag nicht 50 mal "Wolfgang Rihm" an die Tafel schreiben.

Aber noch einmal zur Musik für drei Streicher: Höre Dir bitte vorher Auszüge oder mehr an! Ich bin mir ehrlich unsicher, ob Dich die CD begeistern wird. Die Musik finde ich roh, direkt, energiereich, ja primitiv, anarchisch. Sie hat aber nicht den Grad an sophistication wie ihn Musik von Iannis Xenakis aufweist, die man ansonsten mit den gleichen Prädikaten versehen kann. Rihms Musik für drei Streicher kann sich wirkungsästhetisch nur entfalten, wenn man Verstandesreflexion auszuschalten vermag. Es ist ein musikalisches Schlammbad. Wenn Du Dich hemmungslos suhlen möchtest, greif zu. Ein geistiges Niveau wie in der Hamletmaschine (zu der ich übrigens noch keinen rechten Zugang gefunden habe) wird man dort, meinem bescheidenem Eindruck nach, aber nicht finden.

Viele Grüße,
Mellus
Tannoymann
Stammgast
#11 erstellt: 28. Nov 2008, 13:33
Hallo!
Bei Rihm scheiden sich natürlich die Geister. Ich mag ihn aber und diese körperliche Art von Musik. Ich hab daher einen ganzen Stapel Rihm CDs. Sehr schätze ich auch den Lachenmann, auch ihn sammle ich. Jedenfalls freut es mich sehr, dass es in diesem Forum auch Freunde der neueren Musik gibt.

Willi
Mellus
Stammgast
#12 erstellt: 28. Nov 2008, 14:51
Hallo Willi,


Tannoymann schrieb:
Jedenfalls freut es mich sehr, dass es in diesem Forum auch Freunde der neueren Musik gibt.


Das freut mich auch, besonders dass es nun einen mehr zu geben scheint (obwohl Du Deinem HiFi-Alter nach schon graue Forum-Haare haben musst). Es gibt sogar einen eigenen Thread zur Neuen Musik -- falls Du den noch nicht gesehen hast. Vielleicht hast Da ja mal Lust, die Liste dort fortzusetzen, beispielsweise mit Deinem Lieblings-Rihm oder Deinem Lieblings-Lachenmann.

Viele Grüße,
Mellus
Tannoymann
Stammgast
#13 erstellt: 28. Nov 2008, 16:10
HAllo Mellus!

obwohl Du Deinem HiFi-Alter nach schon graue Forum-Haare haben musst

Nein! Ich hab eine Glatze!
Den neuen Musik Thread hab ich nicht gekannt, aber ich hab auch sehr lange eine Forumspause gemacht, weil ich in Sachen Vinyl im Analogforum unterwegs war. Ich hab aber an Hifi-Technik wenig Interesse mehr, da ich gut und glücklich ausgestattet bin und bewege mich daher lieber wieder in den Musik-Unterforen. Sobald ich ein bisschen mehr Zeit hab, werd ich ein paar Lieblingswerke vorstellen.
Liebe Grüße
Willi
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