Foldes, Andor: Pour le Piano: Der Pianist Andor Foldes

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Jean_de_la_Tourette
Ist häufiger hier
#1 erstellt: 29. Jun 2009, 20:04
Bonsoir!

Ein weiterer Beitrag aus der Reihe >POUR LE PIANO<: Heute geht es um den Tastenmagier Andor Foldes.



Am 21. Dezember des Jahres 1913 erblickte Andor Foldes (eigentlich Földes) in der Pianisten-Metropole Budapest das Licht der Welt. Er gehörte zum Kreise derer, denen der Weg des Wunderkindes bestimmt war – und die auch den Übergang zum gereiften und professionellen Musiker geschafft hatten, durchaus geprägt von Problemen, die solch eine Entwicklung, solch ein Reifeprozess in sich birgt.

Er war Sprössling einer –beschränkt auf die mütterliche Abstammungslinie - hochmusikalischen Familie. Seine Mutter war eine gute, jedoch nicht herausragende Pianistin. Der Onkel Istvan Ipoly gründete als Bratschist das Budapester Streichquartett. Ein weiterer Onkel – Laszlo Ipoly – galt als geigerisches Wunderkind, das sogar Joseph Joachim vorspielte, jedoch bereits mit vierzehn Jahren verstarb. Die Tante Jolanda Ipoly betätigte sich als Sängerin und Gesangslehrerin.

In diesem von Musik erfüllten Elternhaus war es nicht verwunderlich, dass der kleine Andor im zarten Alter von fünf Jahren Klavierunterricht von seiner Mutter erhielt. Seine Ausbildung wurde fortgesetzt bei den ungarischen Pianisten/Pädagogen Tibor Szatmari und Ernst von Dohnányi an der Franz-Liszt-Hochschule für Musik in Budapest. Dort erhielt er bei Leó Weiner auch eine Ausbildung im Fach Komposition. Dies hatte zur Folge, dass er später den Klavierkonzerten von Beethoven und Mozart eigene Kadenzen hinzufügte, die er auch veröffentlichte. Bei Ernst Unger erlernte er schließlich das Dirigieren. Eine umfassende Ausbildung, die ihm zuteil wurde.

Sein erstes Konzert fand im Mai 1922 mit der Budapester Philharmonie statt. Auf dem Programm stand das Klavierkonzert in B-Dur, KV 450, von W. A. Mozart. Beim Franz-Liszt-Wettbewerb in Budapest gewann er 1932 den 1. Preis.

Im Jahre 1929 spielte er Béla Bartók dessen Sonatine vor. Ab diesem Zeitpunkt blieben beide Musiker in engem Kontakt, der bis zu Bartóks Tode am 26. September 1945 andauern sollte. Foldes hatte nicht nur Bartóks Œuvre für Klavier einstudiert und immer wieder aufgeführt und sogar für die Tonkonserve eingespielt, es fand auch ein intensiver Austausch mit dem Komponisten über die „ideale“ Interpretation der Werke statt. Ein Umstand, der ihn neben einem exzellenten auch zu einem authentischen Bartók-Interpreten machte, da er sehr penibel die Anmerkungen Bartóks memorierte und umsetzte. Bedauerlich, dass seine Aufnahmen aktuell schwer bis gar nicht greifbar sind.

Ab 1934 führten ihn ausgedehnte Konzerttourneen quer durch Europa, bis ihn der Ausbruch des 2. Weltkrieges im Jahr 1939 dazu veranlasste, in den USA ins Exil zu gehen. Ab 1940 tourte er mit dem Geiger und Landsmann Joseph Szigeti durch die USA. 1947 spielte er die amerikanische Erstaufführung von Bartóks Klavierkonzert G-Dur, Sz. 95. Seit 1948 war er amerikanischer Staatsbürger. 1957 übernahm Foldes die Klavier-Professur an der Hochschule für Musik Saar in Saarbrücken vom verstorbenen Walter Gieseking. Als Pädagoge war er dort bis zum Jahr 1965 tätig, gab aber seine Konzerttätigkeit bis zu seinem Lebensende nie auf.

Zwei Dinge zeichneten ihn als Meister seines Faches aus: Die stark ausgeprägte Verzahnung von Intellekt und technischem Vermögen sowie das „lautlose Üben“ von Stücken, die er auf einer täglichen Basis nicht am Instrument, sondern in Gedanken durchging.

Zu den Pianisten, die er – teilweise noch als Kind - im Konzert erlebte und die ihn nachhaltig beeindruckten, gehörten: Eugène d’Albert, Sergej Rachmaninoff, Alfred Cortot, Joseph Lhevinne und Alfred Backhaus. Sein Repertoire ist gekennzeichnet durch ein breit gefächertes Spektrum, das von Bach bis hin zu Bartók, Kodály und Strawinsky reicht. In reiferen Jahren bildeten die Werke von Bartók, Beethoven, Mozart und Schubert für ihn den Olymp der Klavierliteratur.

Erst ab den 1960er Jahren keimte die Betätigung als Dirigent wieder in ihm auf, die jedoch nicht näher beleuchtet werden soll, da dieser Thread den Pianisten Andor Foldes thematisieren möchte.

Er war aber nicht nur in musikalischen Dingen umfassend gebildet. Die Kunst im weitesten Sinne des Wortes interessierte ihn außerordentlich. Zahlreiche Kunstwerke in seinem Zürcher Haus legten Zeugnis davon ab. Kosmopolit der er war, beherrschte er mehrere Sprachen . Es war ihm stets ein Bedürfnis, sich mit den Lenkern und Gestaltern seiner Zeit persönlich auszutauschen. Dabei ging es freilich überwiegend um außermusikalische Themen. Beispielhaft seien hier genannt: J. F. Kennedy, H. Schmidt, J. Nehru, I. Gandhi, der Philosoph B. Russell, Th. Mann, F. Werfel, S. Beckett, M. Frisch, F. Dürrenmatt, O. Kokoschka und H. Moore.

Auch schriftstellerisch war er tätig. Zu seinen Publikationen gehören:
- Wege zum Klavier. Limes Verlag, Wiesbaden 1963
- Gibt es einen zeitgenössischen Beethoven-Stil? Limes Verlag, Wiesbaden 1963
- Erinnerungen. Limes Verlag, Frankfurt a. M. / Berlin 1993

Andor Foldes verstarb am 9. Februar 1992 in Herrliberg/Zürich.

Dieser Essay wurde durch die Lektüre nachfolgender Werke genährt, die ich nur empfehlen kann (aktuell nur antiquarisch zu beziehen):
- Wolf-Eberhard von Lewinsky: Andor Foldes, Rembrandt-Reihe Bd. 61, Verlag Rembrandt, Berlin 1970.
- Andor Foldes: Erinnerungen, Verlag Limes, Frankfurt a. Main/Berlin 1993.

Cordialement
JdlT
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