Aufnahme klassischer Musik - Manipulationsmöglichkeiten

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Antracis
Stammgast
#1 erstellt: 18. Nov 2003, 20:44
Tag zusammen,
also, dass Aufnahmen mit klassischer Musik (Studio und Live) heftig nachbearbeitet werden, ist sicherlich keine News, die hier jemanden von den Sitzen reißen wird.
Ich habe allerdings vor einiger Zeit mal schmunzelnd ein ca. 20 Jahre altes Interview mit Herbert von Karajan im Fernsehen gesehen, wo Ihn ein Reporter äußerst kritisch zur nachträglichen Bearbeitung "seiner" Aufnahmen befragte. Damals war das wohl noch eher ein Geheimwissen. Jedenfalls nahm ich den Bericht zum Anlass, mich mal zu fragen, was eigentlich gemacht wird. Also, nicht nur, ob eine "Korrektur" nachträglich technisch möglich ist, sondern was in der Praxis routinemäßig umgesetzt wird.
Leider hab ich dabei feststellen müssen, dass ich wenig technischen Durchblick habe und hoffe jetzt, dass mich da jemand mal aufklären kann.

Nehmen wir also mal eine Live-Aufnahme, großes Orchester. z.B. Sir Simon Rattles Debüt in Berlin, Mahlers Fünfte. Von EMI konserviert, 14 Tage später schon im Laden, mit großem technischem Aufwand - vermute ich - hier in der Philharmonie mitgeschnitten.
Das da nun - fevelhafterweise - die vermeintlich "gelungensten" Sätze aller beiden Abende zusammengeschnitten werden, ist ja meist schon aus dem Booklet ersichtlich, weil da mehrere Tage aufgeführt sind. So weit, so schlimm also. Das man "blockweise" bastelt, also z.B. die ersten 100 Takte vom Montag und dann nach einer günstigen Schnittstelle mit einem anderen Abend weiter macht, ist sicher auch Standard. Wenn nun der Solotrompeter die einleitende Fanfare verkiekst, ist es sicher auch kein Problem, dass er das nachträglich noch mal einspielt und es eingefügt wird. Das liegt noch in meiner Vorstellungskraft. Sympatischerweise wird offensichtlich nicht alles retouschiert - mir ist z.B. ein "verkiekster Sonnenaufgang" in der "Alpensinfonie" (Aufnahme Tielemann/Wiener Phil/DG) aufgefallen.
Wie ist es jetzt aber z.B., wenn ein einzelnes Instrument in einem großen Tutti daneben geht. Ist es da auch kein Problem, das nachträglich geradezubiegen, indem nur der Musikus das spielt und man es dann irgendwie "reinmogelt", oder muss das ganze Orchester die Stelle wiederholen. Bei der Fünften wäre ja z.B. der finale Choral ein geeignetes Beispiel. Wie weit wird da gegangen ?
Und welche Möglichkeiten hat man überhaupt beim Schneiden ? Also, ist es z.B. möglich mitten in der Tuttistelle einen Schnitt zu machen, und mit einer anderen Aufnahme fortzufahren, ohne dass es der Otto-Normalhörer merkt, weil ein Tonguru da an ein paar Computerreglern gedreht hat ?

Abschließend: Was wird noch so gemacht ? Also, ich hab da wirklich nur beschränkte Vorstellungskraft. Den Klang eines Klaviers kann man sicher auch irgendwie "schöner" machen, eine Singstimme sowieso. Also, für Hinweise, die mir auch die letzten Illusionen rauben, wäre ich dankbar.
Als Konzertsaaldauergast klingt mir das doch eh alles viel zu glatt.

Grüße
Anti


[Beitrag von Antracis am 18. Nov 2003, 20:49 bearbeitet]
Albus
Inventar
#2 erstellt: 19. Nov 2003, 10:50
Morgen,

auf alle möglichen Fragen gibt es Antworten in Bob Katz, Mastering Audio Science and Art, FocalPress, 2002, Euro 32,00 oder so - bei amazon.de.

Karajan zB hat den Anfang der Eroica achtmal spielen und aufnehmen lassen, um später das schönste Eröffnungstutti aussuchen zu können. Sängerinnen, die den höchsten Tönen nicht mehr gewachsen waren, half man technisch nach, indem eine andere Person (zunächst unbekannt überhaupt, später bekannt geworden) die Passage meisterte und fummelte diese alsdann in die Aufnahme hinein.

Aber, über den Alltag des Mastering, informiert auch die Fachzeitschrift Production Partner, 'im gut sortierten Bahnhofsbuchhandel und im guten Kiosk' - aber 'nicht überall wo es BILD gibt'.

MfG
Albus


[Beitrag von Albus am 19. Nov 2003, 10:51 bearbeitet]
martin
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 21. Nov 2003, 10:55
Hi Antracis,

zur Technik kann ich auch nichts sagen.
Vorgestern war ein Produzent von MDG im Radio, der sich zur Produktion äußerte. Demnach werden für eine Kammermusik-CD etwa 3 Tage etliche Takes von bestimmten Sequenzen aufgenommen und anschließend 3 Tage zusammen geschnitten. Die erste Schnittfassung wird noch den Künstlern vorgespielt, um deren Wünsche zu berücksichtigen.

Grüße
martin
drbobo
Inventar
#4 erstellt: 24. Nov 2003, 07:29
Hallo,
ich besitze zwar kein Insiderwissen, wenn man sich aber kaum oder nur mässig bearbeitete Aufnahmen (wie z.B. Celicbidace) im Vergleich zu gerne hochglanzpolierten Aufnahmen von Karajan anhört, kann man sich vorstellen, dass nicht "nur" aus den "besten" Sätzen eine "perfekte" Aufnahme zusamengestückelt wird.
Ob damit allerdings das richtige "Musik-erleben" gefördert wird, (Celibidace lehnte ja "Konserven" völlig ab) bleibt fraglich. Musik und Theater entstehen ja doch auch aus einer Art "Vorspiel" situtation, auch wenn das Publikum nicht aktiv beteiligt ist. Das "Erleben" einer einmaligen Aufführung ist aber m.e. trotz aller technischen Tricks und Suround-Technik nicht zu simulieren, da eben nicht nur der Hör-Eindruck relevant ist.
Markus
Inventar
#5 erstellt: 24. Nov 2003, 08:50
Ein mir bekannter Klassik-Pianist, der selbst ein eigenes Tonstudio besitzt, hat sich einmal über die von mir bis dahin als Referenz angesehene Klavierplatte eines seiner Kollegen (mit Weltruf, einer der ganz großen) geäußert. Er behauptete, er habe diese Aufnahme einmal untersucht (es handelt sich dabei um eine analoge Studioaufnahme) und festgestellt, dass nahezu nach jedem Takt ein Schnitt erfolgt.

Ich möchte mich nicht bzgl. des Pianisten äußern, der diese Behauptung aufgestellt hat, auch möchte ich nicht den Namen des "Klaviergotts" nennen, der diese Aufnahme eingespielt hat. Seitdem höre ich aber diese Platte mit anderen Ohren. Allerdings muss ich auch sagen, dass, sollten diese Behauptungen stimmen, es handwerklich hervorragend gemacht ist, da die Kontinuität des Spiels in keiner für mich hörbaren Weise gestört wird.

Gruß,

Markus.
Albus
Inventar
#6 erstellt: 24. Nov 2003, 17:23
Tag,

nun, unsere ästhetischen Klangobjekte und Klanginstallationen sind technisch vermittelt, folglich mehr oder weniger tontechnische Artefakte. Dabei ist im Produktionszusammenhang zwischen Studio, Aufnahme, Mischung, Masterring alles möglich. - Artur Rubinstein im Gespräch mit Bert Whyte (Masterring), nach sorgfältigem Edit-Durchgang einer werdenden Platte mit Chopin Mazurken und Walzern. Rubinstein: "I would like to play as good as this guy, you know." Kommentar Bert Whyte: "That's it!" (von Whyte erwähnt, vor Jahren in einer Ausgabe der US-Zeitschrift Audio, in einem Artikel zur Masterring-Problematik).

MfG
Albus
Antracis
Stammgast
#7 erstellt: 02. Dez 2003, 17:52
Danke erstmal für die Infos. Werde mich da mal reinlesen. Ich fühle mich aber prinzipiell in meiner Annahme bestätigt, halt doch kräftig verschaukelt zu werden. Ob immer zum Wohle der Kunst, bleibt zu bezweifeln.
Zum Glück gibts ja noch die Livekonzerte - da sorgt dann der eine Hornkiekser hier oder die verdonnerte Oktave da für den Ausgleich.
Wobei die sich ja auch in einigen Live- Aufnahmen finden. Vermutlich ähnlich strategisch plaziert, wie der Hühnerdreck, der sich immer auf einem Ei in der Bioeierpackung findet - und die Quotenfeder.

Grüße
Anti


[Beitrag von Antracis am 02. Dez 2003, 17:54 bearbeitet]
drbobo
Inventar
#8 erstellt: 03. Dez 2003, 02:43
...oder doch nur überhört oder in allen Aufnahmen vorhanden?
Peter
Ist häufiger hier
#9 erstellt: 03. Dez 2003, 10:42
Wer hat denn geglaubt, dass nicht manipuliert wird? Warum sollte es in der Klassik anders sein als in der U-Musik?

Ärgerlich für mich ist jedesmal der Patzer einer jungen Frau Argerich in Chopins 1. Klavierkonzert - ausgerechnet im Höhepunkt des ersten Satzes - bei einem Preisträgerkonzertes. Oder doch eher der Charme eines Livemitschnittes?

Grüße
Peter
cr
Inventar
#10 erstellt: 03. Dez 2003, 13:09
Dass berühmte Sänger die hohen heiklen Töne auf Vorrat singen, ist ja hinlänglich bekannt. Damit kann die Singfähigkeit um viele Jahre verlängert werden, indem man diese einfach hineinschneidet.

Dennoch ist mir eine perfekte Aufnahme lieber als ein Livemitschnitt.
Live bin ich nur einmal dabei. Wenn ich aber denselben Patzer/Huster usw. immer wieder höre, stört das.
Miles
Inventar
#11 erstellt: 18. Dez 2003, 00:25

Dennoch ist mir eine perfekte Aufnahme lieber als ein Livemitschnitt.
Live bin ich nur einmal dabei. Wenn ich aber denselben Patzer/Huster usw. immer wieder höre, stört das.


Heute werden ja aus Kostengründen immer mehr Liveaufnahmen veröffentlicht, insbesondere bei grossen Orchestern. Ich habe noch nie einen Huster auf einer solchen Platte gehört. Da auch der Schlussapplaus sowie das obligatorische Massenräuspern in den Satzpausen fehlt bekommt man gar nicht mit dass es eine Live-Aufnahme ist.

"Hust- und Räusperchor mit Orchesterbegleitung" gibt es auf sowjetischen Live-Aufnahmen. Oder auf "Horowitz in Moskau". Für das russische Konzertpublikum muss das irgendwie ein Ritual sein. "Ich war wohl heute abend nicht gut, niemand hat mittendrin gehustet ..."
cr
Inventar
#12 erstellt: 18. Dez 2003, 02:07
Das liegt wohl daran, dass nachbearbeitet wird. Eine Live-Aufnahme in einem Stück 1:1 auf CD ist wohl eher die Ausnahme, denke ich mir.
cvs
Ist häufiger hier
#13 erstellt: 18. Dez 2003, 02:33
Wie cr schon richtig sagt: Die Konservierung auf Tonträger auch einer Live-Aufnahme ist für die Ewigkeit, und alles was technisch machbar ist (und heute ist vieles machbar) wird eingesetzt werden, um die Konserve zu perfektionieren. Und wenn dann alles a bisserl zu clean klingt... nun auch dafür gibt´s genügend Tools. Künstlich "dreckig machen" ist auch ´ne Kunst.
Jedenfalls ein Argument, gelegentlich mal wieder den Hintern aus dem Sessel zu kriegen und einem Live-Konzert körperlich beizuwohnen.
Antracis
Stammgast
#14 erstellt: 19. Dez 2003, 17:45
Live-Konzertbesuche sind sicherlich unerlässlich, da sie eine anders nicht erfahrbare emotionale Qualität bieten. Allerdings sind sie auch wichtig, um die "Realität" kennenzulernen. Das halt eine Live-Aufführung keine 100prozentige Perfektion zulässt, muss man auch erstmal kennenlernen. Da "kiekst" das Blech schon mal im Orchster, ob nun Berliner Philharmoniker oder nicht. Und auch Leute wie Volodos, Zimerman oder Kissin donnern die Oktaven mal arg daneben. Manchmal mehr, manchmal weniger. Wobei dass einer fesselnden Interpretation (meist) nicht im Wege steht. Aber es stimmt schon. Zu Hause im Wohnzimmer würde einen immer und immer wieder der selbe Patzer stören. Im Konzert ist es halt Teil des Erlebnisses.
Nun ja, und vor allem zeigt sich im Saal, wer wirklich was kann. Vor allem bei Sängern trennt sich da die Spreu vom Weizen, manchmal recht ernüchternd -> Schallplattentalente.

Grüße
Anti
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#15 erstellt: 20. Feb 2004, 14:46
Hallo Forianer,


Nach und nach durchforste ich das Forum nach "alten"
Threads, die mich interessierenmund da bin ich auf diesen gestossen. Ich könne mir vorstellen, daß auch neu Hinzugestossene etwas dazu zu sagen haben.


Aufgefallen ist mir vor allem folgender Satz.


Danke erstmal für die Infos. Werde mich da mal reinlesen. Ich fühle mich aber prinzipiell in meiner Annahme bestätigt, halt doch kräftig verschaukelt zu werden. Ob immer zum Wohle der Kunst, bleibt zu bezweifeln
.

Dazu mücht ich euch erst einmal in die Klangästhetik meiner
allerfrühesten Jugend (fast Kindheit) einführen.
Ich bin noch *heute* prinzipell von diesen Ansichten geprägt

Liveaufnahmen galten in den 60iger Jahren und auch noch lange danach, als Manko, (seh ich no heute so)teils wegen der Schwierigkeiten beim Schneiden,teils wegen der Publikumsgeräusche, wegen der Unkontollierbarkeit der Akustik und nicht zuletzt, wegen der Unmöglichkeit verpatzte Stellen endlos zu wiederholen.
Was ich damit sagen will ist, daß der Kunde nicht "verschaukelt" wurde. Es wurde ihm nie eingeredet, das was er auf Platte bekäme, wäre "Realität" des Konzertalltags. Im Gegenteil: Man zeigte bei teuren Opernproduktionen geradezu stolz im den Beiheften, welcher *Aufwand* getrieben werden musste, um *dieses perfekte Ergebnis* zu erzählen.
Im Buch des Wiener Kritikers Dr Franz Endler über Karajan, befinden sich 2 Kapitel eines Buches, das Karajan selbst geplant, dann aber doch aufgegeben hat. Eines dieser beiden Kapitel beschäftigt sich mit Klangästetik und Tontechnik.
Karajan, der ja technikbegeistert war, führt dabei aus, wie großartig es doch sei, durch die moderne Tontechnik, ein perfekteres Klangerlebnis als im Konzertsaal bieten zu können. ("Auf der Platte klingt es dann so wie ich es höre, wenn ich dirigiere")-Frei nach dem Gedächnis zitiert.

Aber generell spukte der Gedanke vom Konzertsaal in den eigenen vier Wänden durch die Köpfe. In Zukunft wären Konzerte vielleicht überflüssig, weil es auf Platte ja doch viele besser klänge...."

Und leider muß ich sagen ist das zumeist auch so:
Den Charakter eines Konzertsaales einzufangen, gelingt nur, wenn man , wie bei den Münchner Celi-Mitschnitten wenig manipuliert. Dann hat man aber die Huster etc. Wird aber
nachträglich manipuliert, so hört man das mit teuersten Anlagen schließlich doch.

Der derzeitige Trend zu Livmitschnitten hat lediglich einen Grund; Er ist billiger für die Schallplattenindustrie.Eigentlich ist es eine Frechheit für "Resteverwertung"
(Der Konzertbesucher hat ja mit seinem Eintritt das Konzert bereits finanziert) noch den vollen Kaufpreis für eine CD zu verlangen.....

Gruß
aus Wien
Alfred
drbobo
Inventar
#16 erstellt: 22. Feb 2004, 00:52
Hallo,
bei Opernmitschnitten würde ich dir auf jeden Fall zustimmen, habe gerade eine Aufnahme aus der Mailänder Scala von 1951 oder 52 mit Callas (Bellini, Somnambula) gehört, Teile der Arien gehen im Beifallsturm völlig unter, die Sänger sind in wechselnder Lautstärke je nach Entfernung des einen, wohl im Zuschaueraum postierten Mikrophons,
Historisch interessant, musikalisch naja.

Konzertmitschnitte, mit entsprechendem tontechnischen Aufwand aufgenommen hingegen tendieren dazu vielleicht weniger perfekt zu sein, häufig ist aber eher der "Spannungsbogen" zu ahnen, oder der Versuch etwas besonders herauszustellen.
Vielleicht aber auch Einbildung.
Der Idealist in mir wünscht es sich zumindest so.
Und das hilft ungemein.
walter_f.
Hat sich gelöscht
#17 erstellt: 24. Feb 2004, 11:39

tendieren dazu vielleicht weniger perfekt zu sein, häufig ist aber eher der "Spannungsbogen" zu ahnen


Hallo Drbobo,
grade die Spannungsbögen machen für mich Musik erlebnisfähig. Mir macht meistens ein Konzert in der Musikhochschule mehr Spass als in der Philharmonie, weil's eben "menschennäher" ist. Deshalb bevorzuge ich auch alte "Living Stereos" und ähnliches - da ist noch EIN "Klankörper" vorhanden.
Dazu ein Ausschnitt aus einem Klemperer Interview:

Heyworth
Wollen Sie nicht das Band hören, um sagen zu können: "Das will ich nochmal machen" oder "Das kann ich verbessern"?

Klemperer
Ich bin eigentlich wenig interessiert daran.

Heyworth
Diese Detailkrämerei und Sucht nach technischer Perfektion irritiert Sie also?

Klemperer
Ja, natürlich. Schließlich ist Musik eine menschliche Sache. Es ist kein Unglück, wenn ein Hornist ein bischchen Speichel auf die Lippe bekommt und der Ton mißlingt. Gott im Himmel! Er ist ein Mensch. Allerdings. Das ist doch das Wichtigste.
Ich finde es besser, eine ganze Aufführung mitzuschneiden, als im Studio Aufnahmen zu machen. Können ruhig ein paar Fehler dabei sein. Jedenfalls, wenn ich Platten mache, dringe ich darauf, mindestens die Ouvertüren und ganze Sätze ohne Unterbrechung durchzuspielen. Acht Takte und nochmal acht Takte, diese entsetzliche Stückarbeit mache ich nicht. Ich mache nur so kleine Passagen, wenn ich muß. Wenn da zum Beispiel bei den Hörnern ein falscher Ton ist und sonst alles andere gut, dann bin ich dafür. Aber jetzt bleibe ich auf dem Podium sitzen, und die können kommen und mir erzählen, was sie wollen. Ich laufe nicht mehr hin und her, können die machen.

Heyworth
Glauben Sie, daß diese Gewohnheit einiger Dirigenten, ein Werk in einer Serie von winzigen Fragmenten aufzunehmen, den Sinn für die Form der Musik zerstört?

Klemperer
Vollständig, vollständig.

Heyworth
Glauben Sie, daß die Schallplatte die Hörer zu standardisierten Ansichten eines Werkes verleiten? Daß sie glauben, die Platte ist das Werk?

Klemperer
Das ist natürlich eine Gefahr. Aber ein einigermaßen musikalischer Mensch müßte doch die lebendige Aufführung der Platte vorziehen. Schliesslich ist 'ne Platte 'ne Platte. Und das kann nie dasselbe sein wie eine Aufführung. Aber Schallplatten bringen Musik dahin, wo man ein großes Orchester nicht hören kann. Sie sind nicht ideal, aber besser als nichts.

Heyworth
Sind Sie mit Ihren eigenen Schallplatten zufrieden?

Klemperer
Soweit ich sie kenne, bin ich zufrieden.

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Grüsse
Walter
op111
Moderator
#18 erstellt: 24. Feb 2004, 18:10
Hallo Walter,

ein wunderbar charakteristisches (f. Klemperer) Zitat aus der O. Klemperer Biografie schechthin (ist glaub ich nur noch im Antiquariat erhältlich).
Heyworth kenne ich noch aus seinen Sendungen f. den WDR, z.B. dem Musikrätsel London-Köln mit Wocker, Dibelius und Seifert.

Interesse an der Güte ihrer Aufnahmen gezeigt und damit auseinandersetzt haben sich, soweit öffentlich bekannt, unter den Stars der Szene nur wenige. Die bekanntesten sind wohl G. Gould, L. Stokowski, H. v. Karajan, G. Solti und E. Inbal.
Andere, wie Furtwängler und besonders Celibidache waren gegenüber dem Medium indifferent bis ablehenend.

Kennt jemand konkrete Aussagen dazu?

Walter, danke für das treffende Zitat
Franz


[Beitrag von op111 am 25. Feb 2004, 02:32 bearbeitet]
cr
Inventar
#19 erstellt: 24. Feb 2004, 19:50
Man kann eine Oper machen, ohne dass sich die Sänger je getroffen haben.

Noch ein Nachtrag zu Live-Aufnahmen: Auch ich bin damit aufgewachsen, dass Live-Aufnahmen was Billiges sind, das vor allem Labels machten, die kein Budget hatten.
Und wenn möglich, kaufe ich bei Klassik und Pop keine Live-Aufnahmen.
Erst unlängst habe ich mir eine Oper auf DVD live gekauft. Und selbst da stört mich die Klatscherei und das ewige Gehuste. Überhaupt wird nirgends soviel gehustet wie bei Konzerten. Man glaubt oft, dass sich die Leute das Husten für den Abend aufgehoben haben.
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#20 erstellt: 24. Feb 2004, 20:53
Positiv zur Schallplatte standen auch Ferencz Fricsy, aber nicht nur zu seinen, er war ein Künstler, der auch gerne welche *hörte*

Es gibt auch die Überlieferung einer Aussage Karl Böhms zu einer Quadrophonie-Aufnahme: Also das müssen sie gehört haben, das klingt ganz phantastisch !!!

Dabei dürfte er selbst gar keine gemacht haben....


Gruß
aus Wien
Alfred
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