Nilsson, Birgit: Isoldes letzter Liebestod

Liebe Musikfreunde,

auch wenn ich mich emotional stärker zur altgolden leuchtenden Stimme Kirsten Flagstads hingezogen fühle, so hat mich doch die Nachricht von Birgit Nilssons Tod heute sehr bewegt. Seit Ende der fünfziger Jahre (also fast nahtlos an Flagstad anknüfend) bis zu ihrem Bühnenabschied galt Birgit Nilsson unangefochten als führende Wagner-Sopranistin. Die stets humorvolle und selbstironische Schwedin ist, wie erst nach der Beerdigung in aller Stille auf dem kleinen Friedhof ihres Geburtsortes Västra Karup im südschwedischen Bezirk Schonen öffentlich bekannt gegeben wurde, im Alter von 87 Jahren gestorben.

Ihr kaltsilbrig-strahlender, sehr voluminöser Sopran wird die Menschheit auf vielen, unvergänglichen Einspielungen (ich nenne nur mal "Die Walküre" unter Leinsdorf und Solti, "Siegfried" und Götterdämmerung unter Solti, "Tristan und Isolde" unter Böhm, "Salome" und "Elektra" unter Solti) begleiten, so lange die so genannte klassische Musik gehört wird. Mit der Nilsson ging die letzte Stimme der goldenen Ära des Wagner-Gesanges. Man fragt sich, ob es jemals eine Nachfolgerin geben kann. In Aussicht ist eine solche nicht.

DPA:
"Nilsson hatte bis in die siebziger Jahre hinein als Sopranistin auf allen großen Opernbühnen der Welt zwischen Mailand, New York und Bayreuth rauschende Triumphe gefeiert. Zum ersten Mal sang sie 1953 in Bayreuth unter Paul Hindemith die Solopartie in Beethovens neunter Symphonie. Nach ihrer von der Presse als "triumphal" gefeierten Isolde, die sie 1957 ebenfalls auf dem Grünen Hügel in einer Inszenierung von Wolfgang Wagner gab, galt sie als führende Wagner-Sopranistin. "Queen of the Wagnerians" nannte sie 1971 die "Herald Tribune".

Ihre unangefochtene Stellung behielt sie bis zum endgültigen Abtritt von der Bühne Mitte der achtziger Jahre - ein Grund dafür war wohl auch ihr gar nicht divenhaftes Auftreten in der Öffentlichkeit: Ein Großteil ihrer Fanpost beruhe darauf, "dass ich mit dem Sexstar Brigitte Nielsen verwechselt werde", erklärte die schwedische Bauerntochter selbstironisch kurz vor ihrem 80. Geburtstag und verwies darauf, dass sie und die ehemalige Stallone-Geliebte "ein üppiger Brustkasten" vereine.

1995 veröffentlichte Nilsson ihre Autobiografie, die ein Jahr darauf in Deutschland unter dem Titel "Ein Leben für die Oper" erschien. Schwedische Kritiker fanden die Erinnerungen so amüsant, dass sie Nilsson den "Humorpreis '97" verliehen.

Das boomende Operngeschäft der letzten Jahre verfolgte die Schwedin zuletzt mit offener Skepsis. Dass selbst Sänger auf kleinen Opernbühnen heute mit Mikrofonen ausgerüstet werden, hielt sie für gefährlich. "Aber das Publikum hat faule Ohren und will alles sehr laut haben", so ein typischer Kommentar Nilssons. "

Viele Grüße,
Steff