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Klingen alte Aufnahmen natürlicher?!

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op111
Moderator
#51 erstellt: 03. Okt 2008, 15:03

Kreisler_jun. schrieb:
Das prominente Blech ist wohl eher eine Solti/Chicago-Spezialität, die mit der Klangtechnik sicher nur in zweiter Linie zu hat.

Live klingen die Chicagoer Blechbläser schon so ähnlich wie auf den Aufnahmen, auch wenn statt Solti Boulez am Pult steht.
Der üble Ruf des "Chicago S. O. Sounds" resultiert m.E. vor allem aus einigen tontechnischen Entgleisungen, die sich u.a. in manchen Aufnahmen der Brucknersinfonien finden.
Soltis Wiener Schumann ist auch ziemlich blechlastig, ebenso sein Wiener Ring, Salome, Elektra ... (alles Decca).
Karajans 8. Dvorak - um 1960 in Wien aufgenommen (Decca) -könnte besonders im Schlusssatz mühelos auch als Solti-Exzess durchgehen.
op111
Moderator
#52 erstellt: 03. Okt 2008, 15:13

cr schrieb:
Umgekehrt bringt natürlich zu viel Baß schon Probleme.
Wenn man zB die Telarc-CDs
Stokowski/Kunzel (wo die Bach Toccata in D drauf ist) oder
Ring ohne Worte (Maazel) anhört, dann hat man das Gefühl, es ist immer noch nicht wirklich laut, obwohl einen das Wattmeter bereits eines Besseren belehrt.


ebenso geht es mir mit Maazels Le Sacre (Cleveland O.). Wo die tiefen Register von Trommel und Pauke so außerhalb jeder vernünftigen Proportion dominieren, daß man auch im alleinstehenden Einfamilienhaus den Rest des Orchesters nicht auf eine angemessene Lautstärke bringen kann.
Ich habe die Aufnahme mal mit einer EV Sentry III gehört - die Peaks im Bass kamen auf über 100W, dann fürchtet man aber, die Türen würde es aus den Angeln reissen.
Accuphase_Lover
Inventar
#53 erstellt: 03. Okt 2008, 15:49

Franz-J. schrieb:

Dass mehr auf den Bändern drauf war als den Schneidstichel erreichte, zeigen moderene Neuabmischungen - Abbados 2. Brahms kommt mit einem schon etwas übertriebenen Decca-Bassfundament daher.

Vermutlich wollte man dem durchschnittlichen (Hifi- ?) Equipment des damaligen LP-Konsumenten nicht zu viel zumuten.


Diesen Eindruck habe ich auch !
Das scheint mir mal wieder eines der Probleme bei uns gewesen zu sein, daß man sich selbst beim Recording noch besonders zurückgehalten hat.

Es widerspricht aber sowohl dem HiFi- wie eigentlich auch dem musikalischen Gedanken, Musik dynamisch und spektral reduziert zu reproduzieren.
Was letztendlich den von manchen so hochgelobten DG-Technikern kein besonders gutes Zeugnis ausstellt !



Grüße


[Beitrag von Accuphase_Lover am 03. Okt 2008, 15:50 bearbeitet]
op111
Moderator
#54 erstellt: 03. Okt 2008, 16:20

Accuphase_Lover schrieb:
Es widerspricht aber sowohl dem HiFi- wie eigentlich auch dem musikalischen Gedanken, Musik dynamisch und spektral reduziert zu reproduzieren.
Was letztendlich den von manchen so hochgelobten DG-Technikern kein besonders gutes Zeugnis ausstellt !


Wobei ich hervorheben möchte, daß es hier um die Techniker beim Mastering geht, nicht das Aufnahmeteam, das ja meistens den gesamten Frequenzumfang auf die Mehrkanalbänder gebracht hat.
Wahrscheinlich ist es nicht mal Unfähigkeit oder ungeeignetes Equipment, sondern eine bewusste Klangmanipulation. Ob es sich hier um unangebrachten Einfluss des Zeitgeists handelt oder eine generelle Direktive der DG, vermag ich nicht zu sagen.

Als Vergleichsobjekt für unterschiedliche Aufnahmeästhetik/unterschiedliches Mastering bietet sich z.B. die 6. Mahlersinfonie mit dem Chicago Symphony Orchestra an,
die 1969 mit Solti für Decca aufgenommen wurde und 10 Jahre später im selben Raum mit Abbado für die DG.
Der Unterschied ist so gravierend, dass man im Blindvergleich nicht einmal glauben mag, dass die DG-Aufnahme aktuelleren Datums ist.
Accuphase_Lover
Inventar
#55 erstellt: 03. Okt 2008, 16:44

Franz-J. schrieb:

Accuphase_Lover schrieb:
Es widerspricht aber sowohl dem HiFi- wie eigentlich auch dem musikalischen Gedanken, Musik dynamisch und spektral reduziert zu reproduzieren.
Was letztendlich den von manchen so hochgelobten DG-Technikern kein besonders gutes Zeugnis ausstellt !


Wobei ich hervorheben möchte, daß es hier um die Techniker beim Mastering geht, nicht das Aufnahmeteam, das ja meistens den gesamten Frequenzumfang auf die Mehrkanalbänder gebracht hat.


Das Mastering hatte ich natürlich mit einbezogen. Hätte ich erwähnen sollen.


Franz-J. schrieb:

Wahrscheinlich ist es nicht mal Unfähigkeit oder ungeeignetes Equipment, ...


Was ich auch eher glauben möchte, denn wir waren zu allen Zeiten technisch top, auch wenn wir es manchmal nicht zeigen (wollen). Ich glaube kaum, daß man bei der Decca Techniken nutzte, die in Deutschland unbekannt waren.


Franz-J. schrieb:

sondern eine bewusste Klangmanipulation.

Mir scheint es eher so.


Franz-J. schrieb:

Ob es sich hier um unangebrachten Einfluss des Zeitgeists handelt oder eine generelle Direktive der DG, vermag ich nicht zu sagen.


Man stellt halt in Deutschland gern sein Licht unter den Scheffel, und sei's im Recordingbereich !
Die Amerikaner sind da anders, die zeigen was sie haben.

Kulturelle Spezifitäten wirken sich offenbar in allen Bereichen aus.
Es soll ja Leute geben, denen die US-Klangästhetik nicht gefällt und die es zurückhaltender lieben. Nur frage ich mich, was manche Leute eigentlich im realen Konzert machen, wenn es ihnen auf Konserve bereits zu wuchtig zugeht.



Grüße
cr
Inventar
#56 erstellt: 03. Okt 2008, 16:46

Was letztendlich den von manchen so hochgelobten DG-Technikern kein besonders gutes Zeugnis ausstellt


Andererseits haben sich dann die CD-Kritiker wieder über zuviel Dynamik aufgeregt, bei Nielsens Sym. "Das Unauslöschliche" hat es dann geheißen, Karanjan spiele die meiste Zeit hinter verschlossenen Türen (war glaube ich noch in der HiFi-Stereophonie (U. Schreiber??).

Aber noch zu den DG-Technikern:
Am Anfang der Digitalaufnahmen gab es bei der DG leider sehr viele grauslich übersteuerte Produktionen (daß man Digitalaufnahmen nicht übersteuern darf (im Gegensatz zum Analogband, wo +3dB kein Problem ist), habe sogar ich schon damals gewußt). Ein absoluter Tiefpunkt ist die 2. Sym. von Mendelssohn mit Abbado (obwohl sehr gut dirigiert). Bei den Chor/Solo-Passagen reißt es einem den KH vom Kopf, so grausam bröselt es, und nicht nur einmal. Ich kann diese Sym. daher ab dem Chorteil nicht anhören und mußte auf schlechter interpretierte ausweichen, bzw. habe mir eine CD gebrannt, wo bis zum Chorteil Abbado drauf ist, und dann Chailly.
Accuphase_Lover
Inventar
#57 erstellt: 03. Okt 2008, 17:07

cr schrieb:
... habe mir eine CD gebrannt, wo bis zum Chorteil Abbado drauf ist, und dann Chailly. ;)


So kann man es auch machen.
Aber wenn das Klassik-Puristen hören !

Ich habe mal etwas mit Digital-Overs experimentiert (deren Problematik eigentlich auch anno dunnemals schon hätte klar sein müssen, auch der DG !) und festgestellt, daß man durchaus leicht übersteuern kann, ohne daß es gleich grausig klingt. Man sollte es natürlich nicht machen, schon gar nicht bei Klassik.
Allerdings ist die Hörbarkeit digitaler Übersteuerung immer abhängig vom Musikmaterial. Da gibt es durchaus Unkritisches, zumindest wenn man nur 1-2 dB übersteuert.

Daß dies Aussage im Widerspruch zu (fast !) allem steht, was zur Digitaltechnik zu sagen wäre, ist mir schon klar.
Durch "Herumprobieren" findet man machmal aber äußerst interessate Dinge heraus.

Aber grundsätzlich sind Übersteuerungen natürlich immer zu vermeiden, obwohl ich mir da bei Metal-Fans nicht so sicher bin.

Du hast schon recht, in der Frühzeit der Digitaltechnik hat man einiges unbeachtet gelassen oder eher lax gesehen. Über diverse Zusammenhänge war man sich gar nicht im klaren. An Intersample-Overs u. Ä. hat damals sicher keiner gedacht !



Grüße
op111
Moderator
#58 erstellt: 03. Okt 2008, 17:14

cr schrieb:
Andererseits haben sich dann die CD-Kritiker wieder über zuviel Dynamik aufgeregt


Schon vorher gab es diese Kritik.
Als Karajan Mitte der 1970er Bruckner aufnahm (die Serie mit den Fossilien auf dem Cover) hieß es, daß an den Pianissimo-Stellen Knistern, Bandrauschen und Rumpeln nebensächlich seien, da man vorallem die erbosten Nachbarn höre, die sich über das Superfortissimo davor beschwerten.

Bei Philips kam es gar nicht zu solchen "Dynamikexzessen", da Aufnahmeteams rigoros den Einsatz von Rauschunterdrückungssystemen ablehnten (gut hörbar bei Haitinks Mahler-/Brucknerzyklen).


[Beitrag von op111 am 03. Okt 2008, 17:15 bearbeitet]
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