Vergleichendes Hören von Interpretationen

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Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 15. Mai 2004, 15:28
Hallo,

manche von euch mögen ja den Eindruck gewonnen haben, daß einige von uns sich lediglich damit befassen, verschiedene Versionen eines Werkes im Vergleich zueinander anzuhören, und anschließend "Läuse" zu suchen (so sagt man bei uns in Österreich )
Eigentlich ist das aber (zumindest bei mir) nicht der Fall.
Üblicherweise spiele ich nicht zwei Interpretationen gegeneinander aus, sondern lasse jede auf mich einwirken, d.h.ich begebe mich in die Hand des Interpreten (meiner Wahl, natürlich). Ob er ein Werk, dramatischer oder liyrischer, tänzerischer oder gravitätischer, extrovertiert oder introvertiert (Mahler !) darbietet, es ist seine Sache, solange ein gewisser Rahmen nicht überschritten wird.
Lediglich, wenn ich für ein Forum schreibe, hinterfrage ich das was ich schreibe nochmals kritisch, und dann höre ich "vergleichend". Das ist notwendig um alte Vorurteile, aber auch Vorlieben, die man im Laufe der Jahre aufgebaut hat, zu beseitigen, oder zumindest abzumildern.

Solches hören bietet zwar manchmal tiefe Einsichten, indes Genuß ist es nur selten, weil eine Identifizierung mit einer Interpretation nur schwer möglich ist. Es ist, als würde man abwechselnd Wiener Schnitzel, Zwiebelrostbraten und Sachertorte testen um herauszufinden was am besten schmeckt.
Dennoch ist es wichtig, wenn man verbal vergleichen will.

Wie hört Ihr ?
Vergleichend ?
Unabhängig ?
immer nur denselben bevorzugten Interpreten ?

Jüngere Teilnehmer werden die Frage gar nicht voll nachvollziehen können, denn die stellt sich anfangs erst gar nicht, man lernt gerade erst das Repertoire kennen.
Ich beispielsweise begann erst vergleichend zu hören, als ich Werk in besetimmten Interpretationen zu lieben begann, die mich früher eher langweilten oder abstießen.

Wie ist das bei Euch ?

Gruß
Alfred
Cliowa
Ist häufiger hier
#2 erstellt: 15. Mai 2004, 17:37
Obwohl ich mich als "jüngeren Teilnehmer" bezeichnen würde, kann ich die Frage durchaus nachvollziehen. Für mich ist es wichtig, ein Stück einfach richtig durchzuhören, die volle Dosis abzubekommen, was nicht bei allen Interpretationen immer glücklich macht. Doch bevor ich behaupte, eine spezielle Aufnahme gefalle mir nicht, möchte ich sie schon ganz und gar durchgehört haben, möglichst auch ein paar mal. Dann kommt natürlich schon die Frage auf, weshalb mir jetzt die eine Interpretation besser gefällt als die andere.
Wenn man ein Werk das erste mal hört, und es einem sehr gefällt ist man leicht dazu verleiten, die gehörte Interpretation als Beste zu nehmen und alle anderen damit zu vergleichen. Das erfordert dann schon Zeit, sich umzugewöhnen.
Des weiteren höre ich eigentlich gerne Stücke und lese die Partitur dazu, da das doch schon einigen Aufschluss über die Interpretationshaltung gibt. Dann sind aber nicht immer die werktreuesten Interpretationen die Besten, da entscheidet einfach das Gefühl.
Richtig klar definieren, warum mir eine Aufnahme besonders gefällt fällt mir generell schwer. Aber auch ich höre nicht die einzelnen Interpretationen, um dann eine davon als "definitiv" zu finden und den Rest wegzulegen.
Grüsse...Cliowa
Antracis
Stammgast
#3 erstellt: 15. Mai 2004, 18:49
Wenn ich denn vergleichend höre, dann gibt es dazu einige unterschiedliche Anlässe, folglich weicht auch die Methode ab.

Variante 1

Wie Alfred schon beschrieb, wenn ich etwas fürs Forum höre oder wenn ich z.B. einem guten Freund einen Tipp/Rat/auskunft geben möchte, höre ich wirklich analytisch vergleichend. Das ist aber auch wirklich eine der seltenen Ausnahmen. Genuß steht dabei nicht im Vordergrund. Allerdings auch unproblematisch, es geht ja eher um das kritische Hinterfragen des eigenen Eindruckes.

Variante 2

Der problematischste Fall: Ich höre vergleichend im Geschäft. Problematisch deshalb, weil die Erfahrung lehrt, dass man selten soviel Zeit und Ruhe hat wie daheim. Und weil manche wirklich herausragende Interpretation sich einem erst nach oftmaligem Hören erschließt. So bleibt manches leider zurück, was mitgenommen werden sollte. Andererseits ist für mich ein "neutraler" oder gar negativer Ersteindruck durchaus ein Grund, nochmal später reinzuhören.

Variante 3

Das eigentliche "vergleichende" Hören daheim, wobei es sicher nicht so stattfindet, wie sich das die meisten vorstellen. Meist ist es nämlich so, dass ich bei einer Interpretation hängen bleibe. Beispiel:
Ich hörte monatelang immer mal wiedder "Beethovens Neunte" in der Gardiner-Aufnahme. Durch eine wohlwollende Besprechung wurde ich auf die bei der DG wiederveröffentlichte Fricsay-Einspielung aufmerksam ( persönliche Bemerkung am Rande zu dieser CD: oa woansinn!! :D). Im Geschäft überzeugte sie mich anfangs gar nicht, zu Hause gefiel Sie mir mit jedem mal hören besser. Ich höre die Gardinereinspielung im Moment gar nicht mehr, glaube aber doch vergleichend zu hören, da ich ihre Interpretation doch gut im Gedächnis hatte. Von Zeit zu Zeit hole ich dann eine der "alten" Aufnahmen auch wieder hervor, meist bleibt Sie dann aber auch wieder eine Zeit im Vordergrund.

Das "klassische" parallele Vergleichshören kommt eigentlich nur zum Tragen, wenn ein Kumpel vorbeischaut.


Gruß
Anti


[Beitrag von Antracis am 15. Mai 2004, 18:51 bearbeitet]
GrafSpee
Ist häufiger hier
#4 erstellt: 16. Mai 2004, 11:55
Hallo

Wie schon wo ander erwähnt kann ich nur sagen das es zwei Gesichtspunkte gibt. Einmal den technischen und den Musikalischen.
Bin ich am bauen an meiner Anlage und am justieren des Tonabnehmers höre ich schon vergleichend was die Klangquallität betrifft.

Höre ich Musik möchte ich das vergessen.
Es kommt dann noch auf den Dirigenten an.
Er sollte nich in unseren Zeitgeist und den Takt der jetzigen Zeit in diese Musik bringen.
Auch sollte es nicht ein Wettrennen von Plattenherstellern sein um mit technischen Verbesserungen zu glänzen.

Es gibt Stücke von Beethoven die ich mir bestimmt schon 700 mal angehört habe. Ohne das ich vergleichen will reißt es mich förmlich hoch wenn es eine Veränderung gegeben hat.
Beethoven versucht uns ein Bild zumalen. Manche Leute denken ein leuchtender gelber oder roter Fleck ist ein Zeichen von Quallität da er ja so frisch wirkt.

Mfg.

GrafSpee
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