Analytisches Hören Antrainieren?

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simonsmile
Schaut ab und zu mal vorbei
#1 erstellt: 27. Mai 2012, 12:19
Hi
Ich höre häufig klassische Musik und spiele auch intensiv Klavier, habe wohl ein relativ gutes relatives Gehör, das Absolute habe ich aber nicht.
Jetzt ist es so, dass ich die Musik eigentlich nur nach dem Gefühl höre, ich lausche dem Melodieverlaulf oder auch der Bassentwicklung, aber halt blöd gesagt nur "jetzt gehts ein Bisschen rauf und jetzt wieder ein Bisschen runter".
Die Form erkenne ich schon ab und zu (Exposition, Durchführung, Reprise, Kadenz oä), wenn ich glück habe merke ich auch noch wann der Grundton wieder kommt aber es gibt Leute die hören die Stufen oder auch noch in welcher Umkehrung das möchte ich auch können. Ich glaube damit lässt sich die Musik nochmals ganz anders hören. Klar wird da sehr viel routine dabei sein aber ich denke wenn ich einfach nur friedlich zuhöre komm ich nicht viel welter. Weiss jemand wie man sich das antrainieren kann?
Mir ist schon klar, dass das nicht von heute auf morgen geht aber vielleicht gibts ja spezielle Übungen oder Dinge auf die man achten kann?

mfg
Hörbert
Inventar
#2 erstellt: 28. Mai 2012, 10:40
Hallo!

Ich denke mal jeder hört Musik auf seine Weise und analytisches Hören ist nur eine Art Musik zu genießen wie jede andere Art auch. Natürlich spricht nichts dagegen sie die anzutrainieren wenn du Spaß daran hast. M.E. bist du ohnehin auf dem besten Weg dazu.

Entscheident ist doch der Spaß den man an der Musik selbst hat und nicht die Art und Weise in der die Rezeption der Musik stattfindet.

Bei mir selbst liegt eher eine Mischform vor, je öfter ich ein Stück in einer mir schon bekannten Interpretation höre um so weniger "analytisch" höre ich, -das ändert sich nur wenn ich diese mir bekannte Interpretation mit einer anderen mir weniger oder gar nicht bekannten Interpretation vergleiche, hier höre ich dann wieder analytischer.

Ausser aufmerksamen Zuhören sind, -je nachdem wie gut du mit der Musiktheorie vertraut bist und mit dem Notenbild einer Partitur etwas anfangen kannst-, mitlesen in einer Partitur eventuell eine große Hilfestellung. Hier solltest du allerdings mit kleineren anspruchloseren Werken anfangen und nicht gleich mit Schönbergs Variationen für Orchester oder einer Symphonie von Brahms loslegen.

MFG Günther
Kreisler_jun.
Inventar
#3 erstellt: 28. Mai 2012, 10:58
Als Klavierspieler kannst Du sicher recht gut lernen, harmonische Verläufe zu hören. Ich kann es normalerweise nicht (natürlich höre ich Dur-Moll-Wechsel und bei wirklich überraschenden Harmoniewechseln, dass hier sich etwas tut, aber nicht was), obwohl Noten lesen und eine Partitur mitverfolgen, da ich nur einige Jahre ein Melodieinstrument gespielt habe und nur zu den einfachsten Akkordfolgen theoretische Harmonielehre kenne.

Du müsstest Dir ein Buch zur Harmonielehre (oder online gibt es sicher auch etwas) besorgen und die enstprechenden Akkordfolgen auf dem Klavier nachspielen und so einprägen. Dann bei harmonisch eher einfachen Stücken versuchen, die Folgen herauszuhören und ggf. auch nachspielen. So ähnlich lernt man das wohl (oder so würde ich versuchen, es zu lernen, wenn ich wollte).
Abgesehen davon: viel Hören, Partituren mitverfolgen, Kommentare lesen, die Erfahrung kommt mit der Zeit

Wenn Du schon Formen erkennst und auf einzelne Stimmen achtest usw., hörst Du wahrscheinlich jetzt schon "analytischer" als die meisten Hörer, die sich als "Gefühlshörer" bezeichnen, zudem mit der Erfahrung als Klavierspieler. Du musst bedenken, wie viele Leute Musik hören, die niemals ein Instrument gespielt haben oder Noten lesen können oder solche, die zwar Musik machen/gemacht haben, aber diese Erfahrung nicht bewusst beim Hören einsetzen.
simonsmile
Schaut ab und zu mal vorbei
#4 erstellt: 28. Mai 2012, 15:39
Vielen Dank ersteinmal für die Antworten
Dann werde ich mich wohl mal im I-net ein Bisschen umschauen und nach einem geeigneten Buch suchen.
@ Hörbert Was könnten denn z.B anspruchslose Werke sein? Ich habe einen relativ beschränkten Horizont mit Vorliebe für Bach, Mozart, Beethoven, Chopin und Rachmaninoff und die soweit ich informiert bin nicht gerade den Ruf anspruchslos zu sein

Und Partituren anschauen klingt nach einem guten Vorschlag allerdings frage ich mich grad wo ich die finden kann. Das dürfte zimlich teuer werden wenn ich bei jeder Symphonie oä in den Laden gehen muss ^^
Hörbert
Inventar
#5 erstellt: 28. Mai 2012, 15:56
Hallo!

Hm, einiges aus Mozarts Klavierwerk fällt mir dazu spontan ein auf jeden Fall seine frühen Sonaten. Oder auch die Walzer und Mazurken von Chopin. Bei Rachmanninov die beiden Klaviertrios. Mit einiger Übung auch die frühen Sonaten von Beethoven oder auch seine frühen Streichquartette und natürlich die drei Klaviertrios des Op.1. Das sollte als "Übungsmaterial für die erste Zeit mehr als genügen. Ob danach noch mehr "Anschauungsmaterial notwendig ist kann man jetzt noch nicht beurteilen.

Ja, Partituren sind recht teuer, aber es gibt -zumindestens in einigen größeren Städten- eine öffentliche Bibilothek die auch einen Grundstock an Partituren zur Verfügung hat, hier ist das Ausleihen dann zumeist unproblematisch da die Nachfrage nicht allzu hoch ist. Inwieweit du die dann zumindestens auszugsweise Kopieren kannst weiß ich allerdings nicht, hier mußt du dich mit dem gültigen Gesetz vertraut machen.

MFG Günther
Kreisler_jun.
Inventar
#6 erstellt: 28. Mai 2012, 16:22
http://imslp.org/wiki/Hauptseite

hat sehr viel in älteren rechtefreien Notenausgaben. (Rachmaninoff vielleicht eher nicht, da der noch keine 70 Jahre tot ist.)

Der Anspruch der Musik hat nicht viel damit zu tun, wie schwierig es ist, in einer Partitur mitzukommen...
WolfgangZ
Inventar
#7 erstellt: 28. Mai 2012, 17:37
Die von Kreisler verlinkte Seite ist ausgezeichnet und wird von mir mittlerweile recht häufig genutzt.

Rachmaninow beispielsweise wirst Du zum Teil auf jeden Fall lesen können; manche (späteren) Werke sind möglicherweise gesperrt, obwohl vorhanden. Es gibt da ja auch Unterschiede in den einzelnen Ländern, was das Urheberrecht betrifft.

Gerne lese ich überschaubare Partituren mit, also Klavierwerke und Kammermusik. Auch klassische, romantische und - dort wo möglich - modernere Solokonzerte genauer kennenzulernen, macht auf diese Weise Spaß, da man sehr häufig die Solostimme und den Orchesterauszug als (zweite) Klavierstimme bequem mitlesen kann.

Bemerkenswerterweise gibt es von manchem weniger bekannten Klavierkonzert beispielsweise eher einen solchen Auszug für zwei Klaviere als die originale Partitur zu besichtigen.

Schwieriger online zu erfassen sind allerdings komplette Orchesterpartituren, die es nicht als Klavierauszug gibt, da kommt man an der Maschine beim Umblättern nicht mehr mit. In diesem Fall wäre eine Partitur in Buchform zum genaueren Studium natürlich schon wesentlich besser.

ISMLP ist ein offenes Netzwerk, auf das Du selbst gescannte Noten hochladen kannst, wenn diese gemeinfrei sind.

Wolfgang
Thomas133
Hat sich gelöscht
#8 erstellt: 29. Mai 2012, 01:13
Eine andere Alternative bzw. Ansatz könnte sein über ein Programm das MIDI als Notenwerte darstellt und du das zum. über GM-Sounds deiner Soundkarte (bei Besseren über VST-Instrumente) hörbar machen lassen kannst, zu lernen. Da ich nur ein käufliches besitze kann ich jetzt leider keinen Vorschlag dazu machen, aber bei den gängigen wie Cubase, Logic oder reine Partitursoftware wie zB Sibelius oder Finale gibt es sicher jeweils günstigere Einstiegsversionen.
Ich hab da schon einige klassische Werke darüber analysiert und das tolle daran ist du kannst da zB bei schnelleren Werken das Tempo so langsam abändern wie du willst um besser mitlesen zu können so dass dir ja kein Detail entgeht. Da kommt manchmal erst so richtig zu Tage wie genial manches Werk bis ins kleinste Detail konstruiert ist auch wenn es bei normalem hören flüssig, eingängig klingen mag. Da ist zB die Viola-Begleitung am Anfang von Mozarts KV 550 die sonst in vielen Aufnahmen geradezu untergeht zu den anderen Streicher-Stimmen in so perfekter Anordnung das sich bei langsamen Abspielen erst diese wundervollen Akkordkombinationen hören lassen, da wurden die Violas nicht einfach nur so als rythmische zur Harmonie passenden Begleitung hingesetzt sondern immer so gewählt das sie für damalige Zeiten den bestmöglichsten Akkord zu den beiden Violinstimmen und Celli/Bässe ergeben. Das ist nur ein Beispiel von vielen, ich brauch dir glaub ich nicht zu sagen das da zB Bach auch meist sehr ergiebig ist in seiner Kunst der Polyphonie. Also für mich persönlich eine tolle Art und Weise um Werke richtig gut zu analysieren und ihnen auf den "Leib zu rücken".
Übrigens, alle Noten zu Mozart gibts auch auf der Online-Seite von der NMA
http://dme.mozarteum.at/DME/nma/start.php?l=1
gruß
Thomas
Ikhnaton
Neuling
#9 erstellt: 31. Mai 2012, 08:50
Also, um ein paar Vorschläge zu machen:

Analytisches Hören kommt durch Verstehen. Dazu muß man wissen, wann man etwa auf Stufenharmonik und wann man auf Kadenz- also Funktionsharmonik geht. Wenn im Bachschen Werk der Quintenzirkel rauf- und runtergewandert wird, kann das kein Funktionsanalytiker mehr erklären. Die Art und Weise der Quintschrittsequenz (Stufen) sehr wohl. Sehr gut und unterhaltsam dazu ist Diether de la Mottes Harmonielehre und auch sein Kontrapunkt. Da sind sehr viele Beispiele drin, die du dir vorspielen könntest und auditiv erfassen lernen kannst. Sehr gut - und auch schnell sehr schwer werdend - ist Clemens Kühn: Gehörbildung im Selbststudium. Zum Thema Gehörbildung findest du aber mit ein bisserl googerl aber auch interaktive Seiten, Programme, Höranleitungen (etwa von David Lucas Burge - Relative Pitch Eartraining - ist halt auf englisch).

Um dich vorzuwarnen: Ein gutes relatives Gehör anzutrainieren mit Umkehrungen, Kadenzverläufen und großen Intervallen, ist für viele sehr zeitaufwendig. Aber nicht unmöglich.
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