Juno - sehr empfehlenswert!

+A -A
Autor
Beitrag
george
Stammgast
#1 erstellt: 21. Mrz 2008, 13:03
Juno, der kleine Film, der sich gegen das große, böse Hollywood stemmt, ein Film der gnadenlos gehypt wird, eine gar nicht so tolle Story (und für viele von uns sicherlich alles andere als hochinteressant)... muss man darauf reinfallen?

Ich habe ihn nun zum zweiten Mal gesehen, konzentriert auf Zelluloid, so wie es sich gehört ;-) und ich bin BEGEISTERT!

Ja, es ist ein Film über ein schwangeres Mädchen, nein, es gibt weder Thrill noch Raumschiffe, davon abschrecken lassen sollte sich NIEMAND - ob Männlein ob Weiblein, ob 16 oder 60! Das Skript ist einfach wunderbar, jeder Charakter liebevoll gezeichnet, der Film überraschend und doch nachvollziehbar, die Darsteller (Ellen Page!) KLASSE!

Ich will niemandem vorschreiben, diesen Film schwäbischen Mammuts oder einem Remake eines US-amerikanischen TV-Films vorzuziehen, aber denkt darüber nach!

Was mich persönlich erstaunt hat: Ich hatte erstmals das Gefühl insbesondere die Beweggründe und Emotionen der Adoptivmutter nachvollziehen zu können, obwohl sich dies eigentlich meiner persönlichen Sphären entzieht!? Ist das nicht ein Zeichen für Qualität? Ein Film, der nicht das Thema rüberbringt, für welches man sich von vornerein interessiert, sondern die Augen für Neues öffnet?

Wenn möglich allerdings die Originalversion sehen, für nicht sattelfeste Gemüter auch gern mit Untertiteln, aber die Dialoge und ihr Vortrag machen den Film erst komplett!

Ich überlege stark, ob ich den Kinojahr-Favoriten "There will be blood" von meinem Thron stoße...

Zustimmungen und (begründete) Kritik an meiner "Verblendung" ;-) gerne posten!

Hier noch ein ganz netter Bericht über die Drehbuchautorin:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/437738

P.S
Sorry für den neuen Thread, doch wenn ich mir andere heiß angekündigte Fort-Fortsetzungen der xten Comicverfilmung ansehe, kann ich mir den erneuten Hinweis auf diese Perle nicht verkneifen, nachdem mein Oscar 2008-Thread ein wenig traurig vor sich hin gammelt...
Luca14
Stammgast
#2 erstellt: 22. Mrz 2008, 16:09

george schrieb:

P.S
Sorry für den neuen Thread, doch wenn ich mir andere heiß angekündigte Fort-Fortsetzungen der xten Comicverfilmung ansehe, kann ich mir den erneuten Hinweis auf diese Perle nicht verkneifen, nachdem mein Oscar 2008-Thread ein wenig traurig vor sich hin gammelt...


Guten Tag,

hab einfach etwas Geduld. Juno ist gerade 3 Tage im Kino, die Resonanzen werden nach und nach hier eintrudeln. Was die Oscars anbetrifft: In Dtl. waren die vielfach nominierten Filme einfach noch nicht zu sehen oder starteten mit gefühlten 7 Kopien. Dieser Aspekt trat 2008 besonders stark in Erscheinung, meiner Ansicht nach. Deshalb waren die Meinungen zu den Gewinnern eher verhalten.

Schöne Ostern
NErDi
Gesperrt
#3 erstellt: 22. Mrz 2008, 20:47
fand ihn auch sehr gut... ist doch die kleine von hard candy oder
BU5H1D0
Inventar
#4 erstellt: 24. Mrz 2008, 18:47
Juno ist in der Tat ein fantastischer Film!!! Kein auf den Massenmarkt zugeschnittenes, Humor-beschnittenes 08/15-Teenie-Filmchen sondern ein ehrliches, böses, fieses und trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen) sehr eingehendes Drama mit einem genialen Humor. Der Humor ist einfach der Hammer. Hab selten soviel gelacht.


Geschützter Hinweis (zum Lesen markieren):

"Bin sofort hierher gefahren nachdem ich mir den Ultraschallschleim runtergewischt hatte..."
Hab selten ein gesamtes Kinopunblikum so lachen gehört!! Einfach genial!!!

Für mich ist Juno der besten Film seit langem!!!



NErDi schrieb:
fand ihn auch sehr gut... ist doch die kleine von hard candy oder


Jepp, ist das gleiche Medl!!!


[Beitrag von BU5H1D0 am 24. Mrz 2008, 18:48 bearbeitet]
whatawaster
Inventar
#5 erstellt: 27. Mrz 2008, 18:20
Hi,

ich habe den Film auch gesehen und ich fand ihn ebenfalls wunderbar. Und auch die Musik sollte nicht unerwähnt bleiben, denn die passt unheimlich gut und der Film wäre ohne diese einfach nicht der, der er eben ist.

Mich hat der Film sehr berührt (und ich werde bald 32). Es kommen einfach die Gefühle hoch, als man noch so 17 war und einfach das Leben genoss. Alles war so unbeschwert es gab noch Vieles zu entdecken und im Rückblick war's einfach eine wunderbare Zeit.
Juno hat mir davon eine gute Portion zurückgebracht und es kamen mir mehr als einmal Freudentränen in die Augen.

Ich kann also wirklich nur jedem raten, sich Juno anzusehen.

Gruß

Peter
soralina
Ist häufiger hier
#6 erstellt: 27. Mrz 2008, 19:24
Kenne Juno bisher nur von den Vorschauen im Fernsehen. Scheint aber wirklich ein witziger Film zu sein. Dachte erst am Anfang des Trailers "boah wie öde" aber gegen Ende des Trailers hatte ich richtig Lust auf den Film. Er macht mich neugierig.

Werd ihn mir wohl, wenns ihn mal auf DVD gibt, anschauen. Ich habs nicht so mit einem Kinosaal wo alle die ganze Zeit lachen lol da krieg ich ja nichts mehr mit.
george
Stammgast
#7 erstellt: 28. Mrz 2008, 02:00
Es wäre schade, wenn der oberflächliche (Trailer-)Eindruck eines Teenie/Highschool/Zwanghaftindie-Films Besucher abschreckt - ich hatte mir sogar (unbegründete) Sorgen gemacht, welches Publikum sich wohl im Saal einfinden würde

Der Hype, der Monate vor dem dt. Kinostart in der Heimat entflammte, erscheint mir schon fast schädlich: erschreckend viele Kritiken befassen sich krampfhaft nur noch mit der Fehlersuche und machen sich dabei - Verzeihung - meines Erachtens schlicht lächerlich.
Selbst ich war beim ersten Sehen derart von Erwartungen "zugedröhnt", dass sich der wirkliche Genuss tatsächlich erst beim zweiten Mal einstellte - andererseits verhilft dieser "Hype" dem Film zu ungeahnter Popularität und damit hoffentlich auch seinen Machern und ähnlich ambitionierten/talentierten Kollegen zu mehr Unabhängigkeit in ihrem Schaffen, denn es gibt genügend Projekte die für eine prof. Umsetzung ein mehrfaches des Budgets benötigen, aber sicherlich keine Einmischung der Geldgeber (braucht es die überhaupt?)!

Die Blu-Ray ist schon so gut wie bestellt!
LiK-Reloaded
Inventar
#8 erstellt: 31. Mrz 2008, 20:31
Hello

Wir haben Juno am Sa. gesehen. Schöner Film. Durchaus unterhaltsam und nett gemacht. Durchgehend witzig und ganz prima gespielt von Ellen Page. Eine Mädchen zum "gernhaben". Trotzdem:

Geschützter Hinweis (zum Lesen markieren):

Für eine Kömödie zu wenig komisch. Für tiefer gehende Unterhaltung wird "das Thema" nur sehr oberflächlich und geschönt dargestellt. Für Ami-Verhältnisse mal richtig coole Eltern! Ich dachte auf Sex steht dort noch immer die Todesstrafe..?! Aber der Film will ja weder Teeniekomödie sein, noch Drama. Bei dem Thema ist der Grat dazwischen schmal... Entgegen der vorherigen Anmerkung fand ich gerade die Musik total dürftig!

Natürlich: Schöner Film, nette Unterhaltung! Aber wie die vorangehenden Superlative zustande kommen entzieht sich meinem Verständnis!

Wer Juno sooo klasse fand, soll sich (ohne Sch...) mal dies ansehen. Trotz Low Budget sehen ich den tatsächlich in allen Belangen mindestens einen Punkt vor Juno. Ausser natürlich im Niedlichkeitsfaktor der Hauptrolle. Die kleine Ellen ist schon cool...

Vll. hat ja jemand beide gesehen und kann Vergleiche ziehen.
george
Stammgast
#9 erstellt: 01. Apr 2008, 15:39
Ich versuche einmal stichpunktartig mit meiner Auffassung auf die wichtigsten Kritikpunkte der meisten negativen Rezensionen einzugehen:

- Man muss seine eingefahrenen Vorstellungen von Teenie-Komödien und seine persönliche Meinung über diese Schwangerschaften ebenso abschütteln, wie den Oscar-Hype, welcher i.d.R. epochale Machwerke erwarten lässt.

- Es gibt genügend von der Pubertät geplagte, verantwortungslose, kurzsichtige, ignorante, rebellische "Teenies" - es gibt aber auch Menschen wie Juno, nur weil diese sich nicht derart in unser Bewusstsein drängen wie prügelnde Halbstarke, Paris Hilton und Co und es diesen Charakter auch vorher im Kino nicht gab, muss man sich daran gewöhnen (bzw. auch diesen Teil der Gesellschaft wieder in Erinnerung rufen). Juno ist allerdings überfordert und an einigen Stellen auch naiv - nur wird dies durch ihr freches Mundwerk und den Rückhalt der Familie "kaschiert". Aber schon ihre Freundin Leah zeigt ein etwas anderes Teenie-Bild, sie entspricht schon eher dem unreifen Eindruck der meisten Jugendlichen.

- Ähnlich denke ich über die anderen Charaktere, insbesondere Junos Eltern. Sie nehmen die Schwangerschaft keineswegs auf die leichte Schulter, versuchen allerdings den Schock nicht an der Tochter auszulassen und verhalten sich verantwortungsvoll - wie die meisten Eltern. Aber auch hier kennen wir nur eine andere öffentliche Darstellung: Verwahrloste Kinder, welche schwanger werden (verdammt, denkt an eure Jugend, eine ETWAS andere Begebenheit und ihr wärt ganz schnell in dieser Situation, auch ohne Alkohol-Eskapaden und Drogenexzesse - passiert es nicht doch so leicht?) - trinkende Eltern, ein zerrüttetes Elternhaus - alles Szenerien, welche schon auf etlichen deutschen "Plattenbau"-Filmen breitgetreten wurden. Gibt es das? Ich befürchte es, aber nur weil "Juno" uns eine ungewohnte Perspektive zeigt, muss es nicht unrealistisch sein (wie auch viele Filme mit Happy End kategorisch als unrealistisch beschimpft werden).

- Die Charaktere sind speziell, aber realisitisch und in sich schlüssig. So beruht z.B. ein Großteil von Junos Aktionen auf ihrer Erfahrung mit dem Elternhaus und dem Wunsch nach einer intakten Familie für ihr Kind.

- Der Regisseur bezeichnet die Schwangerschaft nicht als zentrales Thema sondern das Erwachsenwerden aller Beteiligten am Schauplatz "Schwangerschaft" - ich denke dies trifft es auf den Punkt und entkräftet auch ewige "pro-life" / "pro-choice"-Debatten, welche wir nicht in diesem Ausmaß kennen und als einziger Aspekt "Amerikanisch" statt universell wirkt.
Wenn man es doch darauf festmeißelt: Juno trifft eine Entscheidung ("Choice") aufgrund subjektiver Beweggründe - eine derart realistisch wirkende Darstellung habe ich bisher im Kino nicht erlebt!

- wie bei fast allen Qualitätsproduktionen gab es meines Wissens auch bei diesem Film keine Anpassung an Geschmäcker, Änderungen durch das Studio, Anbiederung an Moralvorstellungen etc. - der Film wurde ursprünglich so erdacht, wie er jetzt zu sehen ist - ich kann da nicht das geringste Stück "Hollywood" (im negativen Sinne) erkennen.

- Die verdammte dt. Synchro, ich habe inzwischen einige Sequenzen direkt vergleichen können und muss ganz eindeutig sagen, dass hierbei wirklich mehr als das übliche Flair verloren geht - ganze Bedeutungen werden "plattgewalzt" - schade, deshalb: OV!

Genug geschrieben, erklärt und beworben, letztlich liegt es doch in den Augen des Betrachters - lasst euch einfach nicht von Vorurteilen ablenken und bildet euer eigenes Urteil

@Loch_im_Kopf
So sieht man sich wieder, nun auf der gegnerischen Seite (-> old men)

Ich verstehe den Respektabstand vor solch mächtigen Begriffen wie "Meisterwerk", "Meilenstein", "Film des Jahres" etc. aber ich habe einige Filme gesehen und habe mich auch immer wieder dabei ertappt, wie ich gewisse Filme gut finden WOLLTE und andere abwertete, obwohl sie mich viel mehr berührten, da sie nicht meiner Vorstellung von Kino entsprachen - verstehst du was ich meine?
Juno ist schon konzeptionell schwer in eine Reihe mit "der Pate", "Apocalypse Now", "Schindlers List", "Silence of the lambs" etc. einzuordnen, aber ich denke das nach "American Beauty" es kein Film mehr verdient hätte als "Juno", da er in seiner Quintessenz genau das bewirkt, wonach Kino strebt:
Hunderte Menschen starren auf ein Lichtspiel an einer Leinwand und fühlen sich an einen anderen Ort versetzt - und können sich gänzlich öffnen - insbesondere emotional.

Ich habe deine Kritik zu Kirschblüten gelesen und finde die Parallen amüsant, wie wir beide auch für uns atypische Kinoerlebnisse verständlich machen wollen und bewerben

Ich habe versucht mir diesen Film anzusehen, bin aber nach dem Anfang durch die meines Erachtens typisch deutsche, billige Inszenierung (Videokameras!) abgeschreckt worden, zudem erschien mir die Darstellung flach (vielleicht bekomme ich nur die ganzen miesen Machwerke der Schauspieler nicht aus dem Kopf) - fairerweise sollte ich dem Film aber noch eine zweite Chance geben


[Beitrag von george am 01. Apr 2008, 15:41 bearbeitet]
LiK-Reloaded
Inventar
#10 erstellt: 01. Apr 2008, 18:34
Herrjeh,

lass Dich bloss nicht durch meine bescheidene Meinung beirren. Ist nur meine. Du musst Dich für nichts rechtfertigen. Ich hoffe nicht, dass ich Dich zum seitenlangen Tippen verleitet habe..? War keine Absicht! Es ist aber tatsächlich so, dass ich mich mit Superlativen schwer tue. Für die OV ist mein Englisch wahrscheinlich auch nicht ausreichend (reicht gerade so für den englischen Teil in Kirschblüten ). So wars bei mir (natürlich nur) die deutsche Fassung. Aber ich bin echt beeindruckt, welche Facetten und Nuancen man in einem Film wie Juno oder auch Old Men erkennen kann (besonders die wahnsinnig coolen Kritiken auf Kino.de) - wenn man denn nur richtig will!

Wenn man nicht will, bleibt es ein Film über eine flippig-coole minderjährige Schwangere, die dem Rest der Welt zeigt, dass Kinderkriegen in dem Alter eigentlich doch gar kein wirkliches Problem ist. Mit uns sassen wirklich nur noch drei Mädchen im Junoalter im grossen Multiplex-Kino. Ich wüsste zu gerne mal deren Statement zum Film...

Ich habe ja auch nie behauptet, dass es ein schlechter Film wäre! Der ist schon ok. Ok im Sinne von ziemlich gut. Wenns aber um richtiges Beeindrucken geht, grad im Sinne des von Dir angesprochenen "berührens", dann geht mir dieses billige "Butoh-Gehampel" weit mehr an die Nieren!

Ich hatte ja den grossen Vorteil, gar überhaupt nichts von dem Film zu erwarten. Ich will nicht sagen, dass ich anfänglich sogar mit nem dicken Hals im Kino gesessen hätte, aber gelangweilt war ich schon von meiner eigenen Erwartung. Über die ersten (echt guten) Gags begann ich mich dann auf den Film einzulassen, die Charaktere zu verstehen, lieb zu gewinnen und letztendlich völlig im Film, den (am Ende) tollen Bildern und wunderbarer passender Musik zu versinken. Ich fands dann tatsächlich sehr beeindruckend. Todtraurig aber wirklich gut...

Billig bleibt aber natürlich billig und was nicht geht, geht nicht - wahrscheinlich auch nicht beim zweiten Versuch...
Advanced
Stammgast
#11 erstellt: 01. Apr 2008, 23:51
Hab mir den Film heute Abend angeschaut und muss sagen ein wirklich sehr guter und sehr schöner Film den ich absolut zu meinen Favoriten zählen muss! Auch ich hab mich nur aufgrund positiver Reviews in den Film locken lassen da der Trailer auf mich einen ganz anderen Eindruck gemacht hat. Bin jetzt aber froh mir den Film angeschaut zu haben Wirklich was gutes in meinen Augen!
Moosman
Inventar
#12 erstellt: 02. Apr 2008, 00:15
Tut dem Streifen bitte einen Gefallen: Seht ihn euch beizeiten noch mal auf Englisch an. In der Synchroversion verliert gerade Juno selber (also Ellen Pages Charakter) sehr viel von ihrem Charme, ihrer jugendlichen Bissigkeit und der Film als Gesamtwerk einiges an seinen extrem witzigen Bonmôts. Allerdings kommt in der Originalversion auch raus, dass die Dialoge in der Tat etwas zu künstlich sind - aber darauf ist man ja von der deutschen Version ohnehin vorbereitet.

Alles in allem ist der Film toll und locker von starken Schauspielern gespielt, hat einen sehr natürlichen "Flow" und einen umwerfenden Soundtrack.

Das oberflächlich schwere Thema wird dabei niemals vergessen, aber der Film nimmt sich selbst halt einfach nicht auf so pathetische Art und Weise ernst, was selten bei amerikanischen Filmen so gut gelingt, wie bei diesem.
Gerson
Stammgast
#13 erstellt: 03. Apr 2008, 18:57
Also, da man hier sehr neugierig gemacht wurde, habe ich mir den Film auch angesehen. Und für gut befunden.
Er ist herzerwärmend, charmant, die Darsteller sind allesamt sehr sympathisch und dazu kommt ein toller Soundtrack.
Die Geschichte ist durchweg interessant, nie langweilig, leicht beschwingt, meist sehr authentisch, oft lustig, und das ohne auf die billigen Gags aus zu sein, die man sonst in solchen Filmen vermutet.
Gut so. Man kann hier eigentlich jede Sekunde genießen, das ganze macht einfach immerzu Freude, zu jeder Zeit.
Die Thematik wurde mit dem nötigen Ernst, aber wiegesagt ohne zwanghaftes sich-selbst-ernstnehmnen umgesetzt, das ist wohltuend. Letztendlich zwar vorhersehbar, aber das ist eigentlich gänzlich egal.
Es ist einfach ein Film, der glücklich macht und den man fast nur mögen kann. Allerdings nicht mehr, mir unbegreiflich warum man sich jetzt so derart überschlagen muss in den Kritiken, das ist alles unnötig, ich würde den Film eher als ein feines Kleinod bezeichnen denn als großartiges Meisterwerk.
Warum man gleich so austicken muss versteh ich einfach nicht. Ja, es ist ein toller Film, aber dabei sollte man es auch belassen. Zum Glück habe ich den Film unvorbelastet ohne großartige Erwartungen angesehen, ohne dass mich überschwängliche Kritiken zu sehr tangiert hätten. Hab mich davon wohl zu recht vorher weitgehend ferngehalten.

george
Stammgast
#14 erstellt: 04. Apr 2008, 00:01
Ich benutze den Thread einfach mal aus gegebenem Anlass zur Diskussion über Filme und Erwartungen daran allgemein und versuche mir einfach auch mal selbst meiner inneren Logik klar zu werden, warum ich Juno oder auch meine "Best Picture"-Favoriten entsprechend gewählt habe, Kritiken können wir schließlich überall lesen. Es soll hier nicht um ein Verteidigen individueller Meinungen bis aufs Blut gehen (obwohl ich zugeben muss, dass ich Juno ins Herz geschlossen habe ), sondern vielleicht einfach auch mal die Gelegenheit zum Austausch von "Basiswissen" für zukünftige Kinobesuche/Rezensionen.

Ich denke man muss zunächst für sich persönlich klar stellen, was man von der Kunstform "Film" überhaupt erwartet, was einen guten Film ausmacht, was ein Meisterwerk in diesem Genre definiert.

Nach vielen Filmen kristallisierte sich für mich heraus, dass es nicht einzelne Schauwerte sind (jeden Elfjährigen kann man mit markigen One-Linern und fetten Effekten hinter dem Ofen hervorlocken) sondern alles eine schlüssige Einheit bilden muss, die mehr als nur die Summe ihrer Bestandteile zu ergeben scheint. Das macht den Film auch so unglaublich schwer zu meistern: es bedarf dem Geschick vieler Personen, einige Tragen die Hauptlast (Hauptdarsteller, Skript), andere addieren dazu mehr als nur den Feinschliff (Regie, Kamera, Musik, Schnitt). Letztlich arbeiten Sie aber alle nur dem Storytelling zu, den Charakteren (in den meisten Filmen geht es nun einmal um Menschen) und der Etablierung einer emotionalen Bindung zu diesen (Angst, Hass, Liebe etc.) - zudem verbirgt sich hinter diesem "Vehikel", welches den Zugang der Story zum Zuschauer aufbaut noch ein Subplot, ein oder mehrere zusätzliche Bedeutungsebenen, die dem Film über seine spezielle Geschichte hinaus Gewicht verleihen. Alles was wir während des Sehens oder im Nachhinein als Einzelfaktoren warnehmen (schauspielerische Leistung, Storytwists, Spannung, Explosionen...) dient letztlich nur dem Transport dieses Inhaltes, der inhaltlichen/emotionalen "Message" des Kunstwerks "Film".

"Juno" ist oberflächlich betrachtet eine kleine Geschichte, schlimmer noch: eine Komödie. Aber wertet das den Film wirklich gegenüber hochtrabenden Epen ab? In der Kritik tut es das wirklich und auch mir fällt schwer, z.B. einen Vergleich mit "There will be blood" herzustellen. Also habe ich mich ganz unbefangen versucht zu fragen: "Welcher der Filme der letzten Zeit hat dich berührt/Eindruck hinterlassen/ist im Gedächtnis verblieben?" Ich habe mir Juno einmal angesehen und hatte exakt den hier vielfach geäußerten Eindruck: Lustiger, kleiner Film, Punkt!
Ich habe ihn mir aus bestimmten Begebenheiten heraus nochmals ansehen "müssen". Und was war? Ich freute mich auf den Kinobesuch, ich habe jedes Detail, jede Minute genossen und habe neue Aspekte/"Subinhalte" wahrgenommen. Alles subjektiv, andere können diesem Film auch nach dem xten Ansehen keinen höheren Wert abgewinnen.

Der Film startet als Komödie, teils sogar mit einer leicht angestrengt wirkenden Attitüde (man lese die ersten paar OV-Dialogzeilen) - man ist amüsiert. Dann beginnt man die Charaktere wirklich lieb zu gewinnen, all ihre Handlungen sind überraschend, folgen jedoch ihrer inneren Logik. Schließlich kippt der Film elegant in die dramatische Ebene, wobei der vorige Teil eingebunden wird (Junos anfangs "cooles" bis kaltschnäuziges Verhalten wandelt sich in Verzweiflung mit dem Entschluss zu Handeln, Erwachsen zu werden) und wird letztlich mit einem weiteren kleinen Twist absolut harmonisch zu Ende gebracht. Letztlich ist dieser kleine Schauplatz, die Schwangerschaft eines Teenagers, eine Parabel über das Erwachsenwerden, über den "Maturity-Level" der Charaktere (auch der, die eigentlich schon längst Erwachsen sein sollten) - genau so wie Daniel Day-Lewis'-Ölsuche eine ganze Gattung Mensch in ihrer Gier und Machtstreben umschreibt, was aber durch zentrale, "starke" Themen wie Gewalt/Tod und einer über mehrere Jahrzehnte ablaufenden Storyline (ein beliebtes Mittel fast aller "Bestenlisten"-Filme: "der Pate", "2001", "Citizen Kane", "die Verurteilten") auch jedem Zuschauer ins Gesicht gerieben wird, dass wir hier nicht nur EINEM Menschen zusehen, sondern dahinter eine viel größere Bedeutung vermuten müssen.

Die Bindung an die Charaktere, das Eintauchen in das "Junoversum" ist die erste große Qualität von "Juno", ich habe mich bei den danach gesehenen Filmen immer wieder dabei ertappt, wie ich einem exzellent gespielten, dramatischste Dinge (Krieg, Tot...) erlebenden Charakter an den Kopf werfen wollte: "Na und? Stirb doch!" So gesehen war es mir schon Recht, dass man Juno nicht zusätzliches kritikergewicht verpasst, indem man Paulie Bleeker in den Irak schickt...
Der zweite große Aspekt neben den ganzen "offensichtlichen" Qualitäten (Ellen Page, witzige Dialoge etc.), ist seine absolut souveräne, unagestrengt wirkende Erzählung/Inszenierung, alles wirkt federleicht und verdaulich und zeigt doch bei genauerem Hinsehen Tiefgang. Dagegen wirkt "There will be blood" schon fast quälend, was für mich schlussendlich doch Sinn gemacht hat, aber strenggenommen doch eine Unzulänglichkeit bleibt. Häufig werden in Bestenlisten "schwierige" und sperrige Machwerke genannt - muss das sein? Arrangiert man sich dort nicht doch selbst mit seinen eigenen, festgefahrenen Vorstellungen - so wie ein eingängiger Ohrwurm im Radio kein vielschichtiges Meisterwerk sein KANN/DARF?

"Juno" ist für mich nicht der beste Film aller Zeiten, dafür ist die Messlatte in den letzten Jahrzehnten zu hoch gehangen worden, aber ich denke er wird größere Spuren hinterlassen als so manch epochaler Schinken dieser Jahre!


[Beitrag von george am 04. Apr 2008, 00:13 bearbeitet]
Suche:
Das könnte Dich auch interessieren:
Black Mass (2015)
SFI am 24.04.2015  –  Letzte Antwort am 30.07.2015  –  4 Beiträge
Die Drei Musketiere (2011)
SFI am 26.05.2010  –  Letzte Antwort am 06.09.2011  –  28 Beiträge
Oscar Best Picture 2008 - eure Meinung
george am 20.02.2008  –  Letzte Antwort am 01.04.2008  –  6 Beiträge
Stepford Wifes
Sailking99 am 21.07.2004  –  Letzte Antwort am 22.07.2004  –  3 Beiträge
Die glorreichen Sieben (2016)
SFI am 23.05.2012  –  Letzte Antwort am 28.09.2016  –  43 Beiträge
Steven Spielbergs "München"
Hüb' am 20.02.2006  –  Letzte Antwort am 14.09.2006  –  20 Beiträge
Technik in eurem Kino
ph.s. am 08.03.2006  –  Letzte Antwort am 04.05.2010  –  66 Beiträge
Hostel
BMWDaniel am 24.04.2006  –  Letzte Antwort am 21.05.2006  –  86 Beiträge
PUSH
Tw10 am 26.01.2009  –  Letzte Antwort am 28.01.2009  –  4 Beiträge
Project X (2012)
manolo_TT am 22.01.2012  –  Letzte Antwort am 10.09.2012  –  16 Beiträge
Foren Archiv

Anzeige

Produkte in diesem Thread Widget schließen

Aktuelle Aktion

Partner Widget schließen

  • beyerdynamic Logo
  • DALI Logo
  • SAMSUNG Logo
  • TCL Logo

Forumsstatistik Widget schließen

  • Registrierte Mitglieder925.731 ( Heute: 2 )
  • Neuestes Mitgliedmobile-club-sounds
  • Gesamtzahl an Themen1.551.075
  • Gesamtzahl an Beiträgen21.537.493

Hersteller in diesem Thread Widget schließen