unterschätzte Künstler

+A -A
Autor
Beitrag
Szellfan
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 16. Okt 2010, 08:01
Hallo zusammen!
Im Läster- thread hat vor längerer Zeit jemand den Vorschlag gemacht, doch auch ein solches Thema einmal anzuschneiden.
Wäre doch auch ein Platz, an welchem jeder mal seine heimlichen Favoriten näher beleuchten kann, die möglicherweise kein anderer kennt.
Unabhängig von Stil, Art des Genres oder Grad der Lebendigkeit, werfe ich hier ein paar Namen ins Feld, die mir spontan dazu einfallen.
Sara Mingardo
Rudolf Kehrer
Maria Grinberg
Samuil Feinberg
Frans Brüggen (als Dirigent)
Hermann Scherchen
Leonid Kogan
Diego Fasolis

Liste ließe sich fortsetzen, aber zum Anfang soll's genügen.
Für mich alles Leute, die sich, ohne je wirklich im Rampenlicht zu stehen, jeder auf seine Art, wirklich verdient gemacht haben oder machen. Künstler, die nicht sich selbst meinen, sondern die Musik, um es etwas prononciert auszudrücken.
Bin auf Eure Favoriten gespannt und durchaus auch auf eine Neuentdeckung.
Herzliche Grüße, Mike
Martin2
Inventar
#2 erstellt: 16. Okt 2010, 20:11
Maurice Abravanel natürlich, mit dem ich immer mal wieder, wie Frank oder Franz sich ausgedrückt haben "um die Ecke komme". Ich werde mal demnächst ihm einen Thread widmen.

"Erstklassiger Dirigent eines zweitklassigen Orchesters" hat ihn mal jemand genannt. Das Utah Sinfonieorchester ist gut, aber eben kein absolutes Weltklasseorchester.

Wiegesagt: Ich werde demnächst mal einen Thread über ihn eröffnen, habe einiges von ihm - Mahler, Sibelius, Grieg und Berlioz - und enttäuscht hat er mich nie.

Gruß Martin
Szellfan
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 17. Okt 2010, 04:17
Hallo Martin,
natürlich!
Den hatte ich jetzt vergessen.
Wobei mir sein Mahler besonders am Herzen liegt.
Aber mehr jetzt nicht, wenn Du einen Thread aufmachen möchtst.
Aber, weil Grieche und auch Mahler: Mitropoulos gehört dann auch hierher.
Herzlichen Gruß, Mike
P.S.: Barbirolli!


[Beitrag von Szellfan am 17. Okt 2010, 04:23 bearbeitet]
Szellfan
Hat sich gelöscht
#4 erstellt: 17. Okt 2010, 08:04
Hallo zusammen,
da ich mal wieder eine schlaflose Nacht habe, also viel Zeit, kann ich vielleicht zu den von mir oben genannten Namen doch auch kurz erklären, warum ich diese Leute genannt habe.
Sara Mingardo, eine recht junge italienische Altistin- dabei, so jung ist sie nun auch nicht mehr.
Sehr charmant, aber das tut hier nichts zur Sache. Hat eine sehr wohlklingende Altstimme, was an sich ja eher selten ist, dabei aber eine sehr umfangreiche Tessitura, kann, wenn sie will, wie ein Tenor klingen, aber auch durchaus in Sopranlagen vorstoßen. Nur, sie macht eben selten von diesen Extremlagen ihrer Stimme Gebrauch, sondern legt Wert auf Natürlichkeit und nicht darauf, ihre Stimme "vorzuführen" oder Gezwitscher abzuliefern. Außerdem verfügt sie über eine ausgezeichnete Technik, was ja heute so selbstverständlich nicht ist, die Stimme liegt immer sehr natürlich auf dem Atem, sie kann Legato singen und ihr Vibrato ist "genau richtig", nicht so groß, aber sie klingt auch nie so schrecklich gerade, daß die Stimme leblos würde.
Es gibt von ihr leider nur sehr wenige Solo- CDs, alle aber erschienen bei Naive/ Opus 111. Besondere Empfehlung von mir das Vivaldi "Stabat Mater" mit Alessandrini. Abgesehen davon, Herr Scholl und Co., das Stück ist tatsächlich für eine Frau komponiert. So innig und geradezu versunken ist einfach keine andere Aufnahme.
Rudolf Kehrer.
Ab und zu sieht in diesem Forum ja auch Markus Schirmer vorbei, der dessen Schüler ist. Kehrer unterrichtet in Freiburg. Ursprünglich irgendwo aus der UdSSR, kennengelernt habe ich ihn mit einer alten LP mit Beethovens Fünftem Klavierkonzert mit Kondraschin. Das russische Orchester nun eben nicht gerade mein Geschmack bei Beethoven, obwohl ich Kondraschin schätze. Aber Kehrer scheint das Stück wirklich aus den Noten zu spielen und nicht anderswo "abgehört" zu haben, die Kadenz gleich zu Beginn ist bei ihm auch eine und nicht zahm eingegliedert in den musikalischen Fluß. Sehr maskulin vom Spiel, aber nicht a la Tatstenlöwe, sondern selbstbewußt, stark, aber nicht laut.
Sonst kenne ich nur eine einzige CD, die vielleicht noch erhältlich ist, Live- Mitschnitte, ich glaube bei Vista Vera, vielleicht kann Herr Schirmer da weiterhelfen. Auch hier wieder: Kehrer scheint Traditionen einfach zu ignorieren und spielt, was er selbst in den Noten liest. Was ja nicht heißt, daß er nun unbedingt anders sein will als alle anderen, er kommt oft zu ähnlichen Ergebnissen wie andere auch, an vielen Stellen aber auch nicht und das läßt aufhorchen und überzeugt sehr, wenn man sich darauf einlassen möchte.
Maria Grinberg.
Eine ältere Russin, hierzulande eher unbekannt, ebenfalls Pianistin. Sie hatte das große Pech, unter eine der Säuberungsaktionen Stalins gefallen zu sein und war für lange Jahre irgendwo in einem Arbeitslager. Erst spät hat sie also die paar Aufnahmen gemacht, die von ihr existieren.
Soweit ich weiß, bekommt man hier ausschließlich ihre Einspielung aller Beethoven- Sonaten bei Melodia.
Das allerdings ein Zyklus, den man kennen sollte. Sie speilt die Sonaten mit einem außerordentlichen Formbewußtsein, nie intellektuell wie Brendel, aber immer intelligent und nirgends routiniert. Wenn ich mir einen Beethoven- Zyklus beurteilen möchte, höre ich zuerst immer die op.90. So eine "kleine" Sonate, aber als Bindeglied vom "mittleren" zum "späten" Beethoven ziemlich schwierig zu machen, weil sie so vielschichtig ist. Maria Grinberg gelingt es, das Stück als Ganzes hörbar zu machen, die Sätze gehen sozusagen auseinander hervor und wirken wie aus einem Guß. Nicht extra zu erwähnen, daß sie den "frühen" Beethoven eben ganz anders liest als den "späten", da hört man schon durchaus noch den Haydn durchlächeln bei so mancher frühen Sonate und der späte "gemahnt" eben nicht schon an Schubert oder Chopin, was man so oft lesen muß, sondern klingt bei ihr wirklich wie diese Eigene Welt, in der Beethoven da komponiert hat.
Kaufen? Muß es sein? Es muß sein!
Samiul Feinberg.
Noch so ein alter Russe.
Vor ein paar Jahren sorgte er in der Presse kurzzeitig mal für Aufruhr, als seine Aufnahme des Wohltemperierten Klaviers hierzulange für ein paar Monate auf dem Markt war.
Ist aber auch eine grandiose Aufnahme! Ich weiß bloß nie, wie Feinberg das eigentlich macht. Man hört jede Nebenstimme, doch nie so vorgeführt wie bei Gould, alles ist immer fließend, dabei variiert er seine Tempi dauernd. Und über allem hat man immer die Hauptstimme präsent und folgt der Musik ganz natürlich und selbstverständlich. Es gab noch eine andre CD mit Bach- Klavierwerken, die erste Partita, zwei Toccaten und eigene Transkriptionen verschiedener Oregelwerke. Die hab ich mal einem Kollegen kopiert, der, mit seinen sechzig Jahren immer noch der Meinung war, Bach sei langweilig. Am nächsten Tag leuchteten seine Äuglein. "Uas ist ja Belcanto! Du hattest recht, Bach ist nicht langweilig".
Es existiert außerdem noch eine Platte mit Schumann- Sachen, die Grande Humoresque, das frühe Allegro op.9 und die Waldszenen. Gerade letztere beistern mich immer wieder. Mal nicht diese Geheimniskrämerei, schon gar nicht die Suche nach der Neurose wie bei Afanassiev, sondern eher fast so etwas wie "Lieder ohne Worte". Beim "Vogel als Prophet" hört man den Vogel umherflattern, daß da auch ein Geheimnis dabei ist, hört man auch, das Stück wirkt bei Feinberg umso "grusliger", weil er nicht versucht, das Geheimnis zu lüften, sondern das dem Hörer überläßt.
Kaufen kann man jetzt, so weit ich weiß, nur noch ein paar Beethoven- Sonaten bei Monopol, darunter die op.109.
Wenn ich mir die anhöre, was selten vorkommt, dann mag ich anschließend tagelang nichts mehr hören, weil ich einfach den Eindruck dieser Sonate nicht mehr los werde.

Der lebt noch: Frans Brüggen.
Eben habe ich mal wieder seine Einspielung des Beethoven- Violinkonzerts gehört. Wenn die doch nur nicht so scheußlich aufgenommen wäre! Hört man darüber hinweg, dann stimmt musikalisch irgendwie alles. Ist ja kein Virtuosenkonzert, sondern schwer. Schwer, damit es leicht klingt. Und harmonisch ziemlich vertrackt. Brüggen wählt ein zügiges Tempo. Recht hat er! Dazu muß man ja nicht die Metronomangaben lesen um zu hören, daß ein flüssiges Tempo einfach besser paßt. Brüggen nimmt die Bläserstimmen sehr wichtig und so entsteht oft ein wunderbarer Dialog zwischen dem Soilisten und dem Orchester, eben dieses Miteinander, das mir eigentlich bei allen anderen Aufnahmen fehlt.
Gibts inzwischen für knapp sechs Euro in einer Budgetreihe bei der Decca zu kaufen.
Die für mich wichtigsten Aufnahmen Brüggens allerdings sind für mich die Haydn- Sinfonien. Sind leider nicht vollständig. Zu den Aufnahmen habe ich mich schon ausführlich andernorts geäußert (Thread zum Thema: welche Dirigenten arbeiten mit variablen Tempi), darum hier nur kurz, daß in meinen Ohren so Haydn klingen muß, mit Humor, die Pausen respektierend und wirklich ernstgenommen.
Hermann Scherchen.
So ein wichtiger Mann und heute nimmt kaum noch einer Notiz von ihm. Ohne ihn gäbe es Xenakis nicht und viele andere innerhalb der Neuen Musik. Man muß sie ja nicht mögen.
Als Dirigent war er einer der ersten, der Haydn richtig ernst genommen hat, manchmal mit sehr eigenwilligem Ergebnis. Manche Tempi sind unspielbar, die er sich da vorstellt. Insgesamt aber lohnend, weil bei Scherchen eben nichts nach "Papa Haydn" klingt, sondern man sich manchmal am Kopf kratzt und denkt; ach, daher hat das Beethoveb also...
Wichtig auch Scherchens Mahler, den mal jemand als hysterisch beschrieb. Hm, erscheint mir nicht ganz die richtige Formulierung zu sein. Viel mehr habe ich den Eindruck, daß Scherchen Mahler durch die Brille der Neuen Musik liest. Und dabei äußerst rücksichtlos ist, was Schönklang angeht. So einen wilden, zerklüfteten, krachenden ersten Satz einer Zweiten kenne ich einfach nicht. Und auch kein so anrührendes Adagio der Zehnten. Anrührend? Klingt seltsam, aber das ist für mich die pure Schönheit bei Scherchen, voller Zartheit und Wehmut. Und diese überaus schneidenden Cluster bestätigen das doch nur! Ist es das, was Schönberg meinte mit dem Satz Musik aus dem Jenseits?
Als ich diese LP damals noch zum ersten Mal gehört hab, hab ich hinterher gezittert wie Espenlaub und hab erstmal 'n Schnaps gebraucht und einen langen Spaziergang um mich wieder zu sammeln.
Leonid Kogan.
Wieder ein Russe, diesmal Geiger. Einer, weshalb ich solche Schöngeister wie Hillary Han einfach nicht hören mag. Ich schätze einfach dessen Geigenton, geradezu stählern, aufrecht und nie sentimental. Sogar die ganzen "Schmachtfetzen" Tschaikowskis werden spannende Musik. Absolut perfekt sein Paganini, aber eben doch auch mehr als Virtuosenkonzerte. Seine Mendelssohn/ Bruch- Platte ist, besonders meim Bruch- Konzert, die einzige für mich, die nicht "tropft", sondern ein doch ganz schönes, romantisches Violinkonzert entstehen läßt.
Großartig auch der Mitschnitt der Beethoven- Sonaten mit Gilels. Dabei geht es zwar nicht so harsch zu wie manchmal bei Kremer/Argerich, und doch ist das hellwach, perfekt im Dialog, denn weder Kogan noch Gilels drängen sich nach vorn.
Trotzdem ist die Frühlingssonate so charmant, aber doch auch kein Frühblüher, sondern "Große Musik". Die Kreutzersonate hat jene Vehemenz, die ich oft sonst vermisse, aber es müssen einem die Saiten ja trotzdem nicht um die Ohren fliegen. Einfach alles mit Geschmack, doch nicht geschmäcklerisch.
Und sein Erstes Schostakowitsch- Konzert gehört sowieso in jede Sammlung, egal daß das live und eher mono ist. Das erinnert mich immer wieder an die frühen Callas- Aufnahmen aus Mexiko, denn da beherrscht sie ja auch mit einer unglaublichen Präsenz den ganzen Rest. Und doch bleibt die Balance zum Orchester gewahrt. So wild und doch kontrolliert, scheinbar ohne technische Schwierigkeiten, das kann man nicht besser machen. Anders vielleicht, siehe Frau Hahn, aber diese herbe und so persönliche Musik bleibt es bei ihr eben nicht des Schostakowitsch, der in seiner Musik das sagt, was er mit dem Wort nicht konnte (durfte).
Zum Schluß wirds leichter, Diego Fasolis.
Dirigent, Chorleiter, Cembalist, Organist, wirkt in der italienischen Schweiz.
Haputbetätigungsfeld ist die Barockmusik, aber nicht ausschließlich, es gibt bei Chandos eine Doppel- CD mit Eisler Chorwerken, die ich für sehr gelungen halte.
Aufnahmen gibt es eine ganze Reihe, die meisten bei Arts erschienen, wenige bei Claves und neuerdings einige bei Virgin. Der Händelsche "Faramondo" ist manchem sicher untergekommen, der sich für Barockoper interessiert.
Hier zwei besondere Aufnahmen: Vivaldi "Die vier Jahreszeiten". Was, die? Ja die! Kann man nicht mehr hören? Doch, kann man. Nicht nur, daß Fasolis hier eine Fassung spielt, die Pisendel für Dresden erstellt hat, also mit einem reichen Bläsersatz im Orchester, was der Musik sehr viel Farbe gibt, das Bukolische im "Frühling" und zu Hörnern im Herbst muß man ja nichts erzählen.
Gespielt aber sehr bildhaft, man kann die dazugehörigen Sonette ja mitlesen, das wird hier absolut passend umgesetzt ohne doch plakativ zu werden. Auch muß nicht "Holz gehackt" werden wie bei Il Giardino Armonico und auch keine Mätzchen wie bei Kennedy, um den betrunkenen Bauern hörbar zu machen. Kleine Tricks reichen doch auch, ein bißchen neben dem Takt gegeigt und schon taumelt da einer. Also wer glaubt, das sei abgedroschene Musik, der kann hier mit Sicherheit seine Meinung revidieren. Übrigens, ich habs auch live gehört, die können das wirklich so, daß ist kein Studio- Kunstprodukt.
Zum Abschluß eine der wenigen perfekten Platten, die ich kenne.
Da stimmt alles. Klangbild (zwei Mikrophone am richtigen Platz), Interpretation und Musik.
Ich meine die Bachschen Motetten, erschienen bei Arts blue.
Wunderbarer Chorklang, homogen, absolut sauber, aber nicht so instrumental wie viele britische Chöre.
Fasolis' Lesart aber ist etwas Besonderes, denn er geht da weiter als Rene Jacobs mit der Teilung in Chor und Solistenensemble. Basis ist ihm der Text, und, ganz platt ausgedrückt, läßt er Solisten singen, wenn im Text von "ich" die Rede ist und den Chor, wenn der Text von "wir" spricht.
Das wirkt dann oft sehr kontemplativ, man vergesse ja nicht, daß das wohl überwiegend Trauermusiken sind. Aber auch geradezu jubelnd, wenn der Chor das kleine Ensemble ablöst um Gotteslob anzustimmen.
"Gott fähret auf mit Jauchzen" hätte meine Überschrift sein können, so ist es eben Schlußsatz.
Herzliche Grüße, Mike
Joachim49
Inventar
#5 erstellt: 17. Okt 2010, 14:50
".... die kein anderer kennt". Dafür sind ein paar der genannten Namen wohl doch zu berühmt.
Brüggens Haydn wurde vor kurzem hier noch sehr lobend besprochen. Gut, er hat keine grosse internationale Karriere gemacht. Aber er war mit dabei als die HIP-Welle Ende der 60-er Jahre begonn (nämlich auf der Blockflöte). Er hatte später sein eigenes HIP-orchester (Orkest van de 18de eeuw), mit dem er viele oft gelobte Aufnahmen gemacht hat. Ansonsten arbeitet er sehr regelmässig mit dem Niederländischen Radiokamerorkest. Ich halte es gut für möglich, dass er selbst nicht an einer grossen internationalen Karriere interessiert ist. Wer ihn gesehen hat, weiss, dass er offensichtlich beim Laufen sehr grosse Schmerzen hat. Er schleppt sich auf den Dirigentenstuhl und verlässt die Bühne nicht zwischen den Stücken. (Keine Ahnung, was das problem ist: Arthrose? Rücken?). Auch seine Dirigierbewegungen sind sehr sparsam. Du meinst den Beethoven mit Zehetmair, nehm ich an. Kann mich dem Lob nur anschliessen.
Scherchen ist auch kein unbekannter. Er war einer der ganz grossen in der Nachkriegszeit, als die 'Neue Musik' in Deutschland wieder ein Existenzrecht bekam. Sein Beethoven ist gewaltig, sowohl die Wiener als auch die späteren Schweizer Aufnahmen. Die Wiener Eroica ist wahnsinn pur. Auch ein grosser Bachfan. Bin übrigens auf der Suche nach seinem Messias.
Wenn man Kogan nicht kennt, dann liegt das vielleicht am Alter. In den frühen 70-er Jahren war er wirklich weltberühmt, auch weil die udssr sich damals ein bisschen 'geöffnet' hatte. Seine Aufnahmen waren wirklich grossartig (ich hatte Paganini und Beethoven als LP). Gidon Kremer hat ihn glaube ich als sehr 'linientreu' charakterisiert und die beiden waren wahrscheinlich keine guten Freunde.

Die andern (von Szellfan erwähnten) sind mir mit Ausnahme von Fasolis unbekannt.

Was wären meine Geheimtips? z.B. der Pianist Alexander Lonquich, der Sänger Wolfgang Holzmair, der Dirigent Stefan Honeck, das St. Lawrence Stringquartett (Kanada), die junge Geigerin Suyoen Kim, oder - sehr unterschätzt (und inzwischen sehr alt) - der (Chor)Dirigent Robert Shaw (Atlanta), dessen Schubertmessen (Telarc) für mich Spitzenklasse sind. Auch ein heute fast vergessener Name: Guiomar Novaes.

Aber Sir John Barbirolli, der anglo-italiener (mehr anglo) mit dem Flachmann, welcher Elgarfreund kennt ihn nicht? Er war Chef der New Yorker, hat Mahler mit den Berliner Philharmonikern aufgenommen (und mit seinem Halléorchester), Brahms mit den Wiener Philharmonikern, grossartigen Sibelius, leider keinen übzerzeugenden Bruckner. Es gibt eine Barbirolli Society und bis heute ein umfangreiches Angebot auf CD. (noch vor kurzem eine grosse EMI-Box). Auch Mitropoulos ist ein berühmter Name.

Freundliche Grüsse
Joachim
Kreisler_jun.
Inventar
#6 erstellt: 17. Okt 2010, 16:11
Brüggen war einige Jahrzehnte lang der berühmteste Blockflötist überhaupt. Und als Dirigent hat er in den 1980ern eine große Zahl von Aufnahmen gemacht: Beethovens und Schuberts Sinfonien komplett, viel Haydn und Mozart, einiges an Bach und anderer Barockmusik usw. In dieser Zeit war das bei der reinen Instrumentalmusik mehr als Gardiner u.a. HIPisten, die asl Chorleiter begonnen hat, gemacht haben.
Inzwischen ist der 75 Jahre alt, wie Joachim sagte, gesundheitlich angeschlagen. Dennoch las ich neulich im Netz, dass im nächsten Jahr oder so eine Neuaufnahme der Beethoven-Sinfonien, sowie der Konzerte (mit Bezuidenhout am Fortepiano) sowie irgendein Bach-Chorwerk kommen sollen.

Die genannten russischen Pianisten kenne ich nur dem Namen nach; Kogan ist aber auch schon länger kein Unbekannter. Selbst wenn Oistrakh international sehr viel bekannter war, sind Kogans Aufnahmen seit längerer Zeit greifbar.

viele Grüße

JK jr.
Szellfan
Hat sich gelöscht
#7 erstellt: 17. Okt 2010, 19:00
Hallo Joachim,
um nicht sofort wieder aus dem Forum verbannt zu werden, frage ich vorsichtig: Du suchst den "Messias" mit Scherchen- welche? Die mono, die finde ich persönlich besser, oder die stereo?
Kaufen kann man so weit ich weiß, beide nicht mehr, aber ich wüßte, für beide einen link...
Ansonsten schön, die Diskussion zu lesen, obwohl ich ja eben nicht unbekannt, sondern unterschätzt geschrieben habe.
Danke für den Tip mit Lonquich. Aber ist der nicht auch so ein "EMI- OPfer"? Was gibts denn noch?
Ja, da ich einen ziemlich engen Kontakt habe zu Brüggens Manager, Brüggen gehts ja schon ewig nicht gut, mal besser, mal schlechter, aber ans Aufgeben denkt er noch lange nicht.
Übrigens freut Euch schonmal, die Beethoven- Konzerte mit Bezuidenhout werden großartig, ich habe live drei bis fünf gehört, besonders ein solches Viertes ist mir nicht untergekommen bisher.
Herzliche Grüße, Mike
Joachim49
Inventar
#8 erstellt: 17. Okt 2010, 20:54
Hallo Mike,
Du hast recht, du schreibst im Titel "unterschätzt", aber dann sprichst du selbst von 'heimlichen' Facvoriten, die 'keiner kennt'. Deshalb ging's bei mir auch ein bisschen durcheinander mit unbekannt/unterschätzt. Was links betrifft. Wir hier schon einmal eine Diskussion über die Rechtslage bei historischen Aufnahmen (Aufnahme älter als 50 Jahre und Text/Musik älter als 70 Jahre). Da dürfte Scherchen eigentlich kein Risiko sein. Deshalb hatten wir ja in den Musikquiz, die hier einmal recht beliebt waren, immer nur historische Aufnahmen verwendet. Ich bin auch neugierig auf Brüggens Beethovenkonzerte mit Bezuidenhout. Ich habe Brüggen einmal live erlebt, mit der Eroica, einer Haydnsinfonie und Haydnarien. War ganz toll - in einem kleinen Saal einer früheren Klosterschule (Mechelen). Die Balance zwischen den Streichern und Bläsern war in der Tat ganz anders, als wir es heute gewöhnt sind.
Freundliche Grüsse
Joachim
Szellfan
Hat sich gelöscht
#9 erstellt: 17. Okt 2010, 21:17
Hallo Joachim,
naja, ich hab mich ja selbst beim Schreiben ganz schön verfranst, außerdem bin ich gespannt, was ich selbst vielleicht noch so für Tips bekomme, denen ich dann mal nachhören kann.
Manchmal schmort man ja doch im eigenen Saft.
Wie ich schon schrieb, ausführlicher über Brüggen habe ich mich ja geäußert im Thraed über Dirigenten mit variablen Tempi.
(links gelöscht)

Im Übrigen sollte man das Rätselraten vielleicht wieder aktivieren? Klingt ja ganz lustig.
Herzliche Grüße, Mike


[Beitrag von Szellfan am 18. Okt 2010, 09:33 bearbeitet]
Szellfan
Hat sich gelöscht
#10 erstellt: 18. Okt 2010, 06:30
Hallo zusammen,
darf ich nun selbst noch einen Namen einwerfen?
Den "kleinen Igor" wie Strawinsky Markevitsch so böse genannt hat.
Sicher kein Unbekannter, aber ein Unterschätzter.
Dabei gibt es ja wieder eine Reihe seiner Aufnahmen zu kaufen, wie üblich aber die EMI wieder die Firma, die sich um ihre Geschichte so wenig kümmert, gerade aus deren Katalog fehlt viel.

Eine Aufnahme wird wohl nie aus dem Katalog verschwinden, seine Berlioz "Symphonie fantatstique".
Zu recht, wie ich meine. Eine schon betagte, aber dennoch gut klingene DG- Einspielung mit dem Orchestre Lamoureux.
Dabei könnte ich mir das jetzt einfach machen und schreiben, daß Markevitsch selbst mal opiumabhängig war, also weiß er, wovon er da "spricht". Das würde aber nicht die unerhörte Präzision dieser Aufnahme erklären, die auch da noch hörbar ist, wo viele andere schummeln, z.B. bei den Bläser- Glissandi am Beginn des letzten Satzes. Auch die rhythmischen Widerstände innerhalb des Werkes sind hörbar gemacht, aber ohne irgendwie "didaktisch" sein zu wollen.
Alles immer im Sinne des Ausdrucks, auch die durchaus hässlichen Töne.
Wirklich ein großer Wurf diese Aufnahme.

Sicher kennen viele seine Aufnahmen des "Sacre", wieder zu haben bei Testament. Dabei fehlt auf dem Markt ein Mitschnitt, den es bei Cascavelle gab von 1982, gekoppelt mit seinem eigenen "Flug des Icarus".
Da war Markevitsch schon fast taub, und doch stimmt hier die Balance noch "besser" als in den Studioproduktionen und sie ist rhythmisch noch präziser.

Außerdem war Markevitsch ein sehr hörenswerter Komponist, die Marco Polo/Naxos- CDs lassen das ahnen. Scherchen war sein Kompositionslehrer und der war der Meinung, als M. ins Dirigierfach wechselte, er verlöre damit seinen besten Schüler.

Selbst auch Dirigierlehrer, man liest oft, Barenboim war sein Schüler. Seltener kann man lesen, daß Markevitsch Barenboim weggeschickt habe mit dem Satz: "Lernen Sie erstmal das eine richtig".
(Auweia, Joachim wird mich jetzt steinigen).

Vom Markt verschwunden bedauerlicherweise seine Beethoven- Aufnahmen, die in der Tempowahl zwar nicht so weit gehen wie Scherchen in Lugano oder bei der späten Eroica oder Leibowitz, aber doch recht zügig sind und sehr fein ausgehört.
Kein Wunder, der Mann konte ja auch Haydn.
Ich kenne eine wunderbare 104, und seine "Schöpfung" halte ich noch immer für eine gelungendsten fernab der historischen Aufführungspraxis.

Hörenswert auch seine Brahms- Aufnahmen, gibt einen Mitschnitt mit Arrau vom zweiten Konzert. Markevitsch war wohl auch ein ausgezeichneter Begleiter, was die Aufnahme der beiden Mozart- Konzerte mit Clara Haskil nicht unbedingt vermuten läßt. Ich glaube, die beiden hatten zu unterschiedliche Sichtweisen auf Mozart. Aber bei Brahms mit Arrau treffen sich zwei, die hervorragend harmonieren.
Und bei der Vierten mußte ich erst nochmal genau hinsehen, ob ich aus dem Plattenschrank auch die richtige DG- Platte geangelt hatte. Aber hatte ich, der Carlos Kleiber stand noch drin.
Was ich jetzt höre, ist keine Musik, sondern mein Kater schreit nach Futter.
Also herzliche Grüße, Mike
Szellfan
Hat sich gelöscht
#11 erstellt: 18. Okt 2010, 10:38
Hallo zusammen!
Wie wär's mit Leon Fleisher?
hatte gerade einen kleinen mail- Wechsel, da ging es auch um Genuss.
Klar, Fleisher kennt man, jeder heute. Man kennt ihn und unterschätzt ihn doch dabei.
Ich rede nicht von seinem Schicksal, ich rede von ihm, von seinem Zugang zu Musik.
Habe ihn in Brüssel live gehört, hab mir ein Autogramm geholt, was ich sonst fast nie mache.
Kennt jemand den Film, der vor Jahren auf ARTE lief? Das war zu Zeiten, als er begann, seine rechte Hand gerade wieder benutzen zu können.
In diesem Film spielt eine junge Asiatin "La Valse", perfekt, das kann nun wirklich nicht jeder!
Aber er nimmt sie beiseite und fragt, ob sie jemals einen Strauß- Walzer getanzt hätte. Nein? Tanzt mit ihr und sie setzt sich dann an den Flügel und hat verstanden.
Ich als Zuschauer habs auch und ich könnte weinen wegen seiner Art, Menschen Musik nahe zu bringen.
Einer der allerallergrößten Musiker, Menschen, Künstler, die mir je begegnet sind.
Eine ganz tiefe Verbeugung an dieser Stelle vor ihm!
Mike
hifikeks
Stammgast
#12 erstellt: 28. Okt 2010, 12:46
scheint so als unterhielte sich hier jemand mit sich selbst...
Szellfan
Hat sich gelöscht
#13 erstellt: 28. Okt 2010, 14:27
Hallo hifikeks,
hat der auch schon bemerkt und tut das jetzt auch lieber ohne daß es jemand bemerkt.
Grüße, Mike
Martin2
Inventar
#14 erstellt: 28. Okt 2010, 17:13
Hallo Mike,

ehe Du Dich hier weiter mit Dir selbst unterhältst: Mit dem Markewitsch gebe ich Dir recht: Habe eine schöne Box von ihm von der DG, die Kreisler Jr. damals empfahl und noch eine Aufnahme von Tschaikovskis 6.

Aber ist in diesem Thread eigentlich schon der Name Krips gefallen? So bekannt ist der heute glaube ich nicht mehr, aber ich bin mit seinen LPs der Beethovensinfonien sozialisiert worden ( langsamer Satz der Eroika: etwas über 14 Minuten) und war gerade gestern, trotz vielen Beethoven CDs, die ich besitze, aus gewissermaßen "nostalgischen Gründen" heraus dabei, ihn mir doch noch mal zu holen. Gabs für 14 Euro gebraucht. Immerhin habe ich noch seinen Don Giovanni.

Gruß Martin
Szellfan
Hat sich gelöscht
#15 erstellt: 28. Okt 2010, 17:33
Hallo Martin,
Du hast recht.
Den kennen heute kaum noch Leute. Schade, war immerhin Glenn Goulds Lieblingsdirigent, was auch das immer heißt.
Seine Aufnahme des "Don Giovanni" findet sich sicher in so manchem CD- Regal, wohl meistens wegen des berühmten "Wiener Mozart Ensembles", also der Sänger wegen.
Den Beethoven kenne ich auch, auch eine ganze Reihe Mozart- Sinfonien.
Nimmt nicht immer unmittelbar gefangen, denn alles scheint so selbstverständlich zu sein, daß man sich um nichts weiter Gedanken macht als um die Musik, die man gerade hört.
Und das genau ist es ja, ganz uneitel und elegant, alles entwickelt sich scheinbar mühelos aus sich selbst.
Keine Ecken und Kanten, die man heute so gern zu hören wünscht in diesem Repertoire, aber doch ja auch nicht glatt.
Daß er niemals im Vodergrund steht vor der Musik, sondern immer deren Diener bleibt, hat ihn vergessen machen.
Danke, daß Du an ihn erinnerst!
Und hiermit das Wort zurück an Dich, schreibe mal bitte von Deinem Wiederhören der Beethoven- Sonfonien, habe sie selbst schon "hundert" Jahre nicht mehr gehört.
Herzliche Grüße, Mike
*renrew*
Ist häufiger hier
#16 erstellt: 19. Feb 2011, 22:21
Hallo Martin,

Da ich erst jetzt auf dieses Forum gestoßen bin, kann ich mich erst jetzt zu dem Thema "unterschätzte Künstler" äußern. Auch ich könnte eine große Anzahl von Interpreten aufzählen, die entweder aus zu großer Bescheidenheit und Selbstzurücknahme, oder durch Liierung mit den falschen Labels, oder auch durch unglückliche Zeit- oder Lebensumstände , nicht die Aufmerksamkeit erreichten, die sie verdienten, oder die einfach viel zu schnell in Vergessenheit gerieten. Diese Erkenntnis ärgert mich immer wieder, und man würde so gerne alles dafür tun, um diese Vernachlässigung oder gar Geringschätzung zu revidieren!
Allerdings würde ich Hermann Scherchen, Frans Brüggen (als weltbekannter Blockflötist ohnehin nicht) nicht als unterschätzt bezeichnen, und Leonid Kogan schon gar nicht. Sicher ist Kogan in Europa nicht so bekannt geworden, doch unterschätzt wurde er deshalb doch m. E. nicht. Immerhin wird er allgemein neben David Oistrach als einer der größten Geiger seines Landes betrachtet und zu den ganz großen Geigern seiner Zeit gezählt. Der renommierte Musikkritiker Joachim Hartnack urteilte damals über ihn: "Ich habe einen neuen Heifetz gehört! Sein Spiel ist von kaum mehr zu übertreffender Klarheit, rhythmischer und agogischer Genauigkeit, Schönheit der Artikulation und Durchsichtigkeit in der Zeichnung musikalischer Figuren...", "furioses Temperament, ungewöhnliche dynamische Brillianz..."
Man schätzt an Kogan, daß er einesteils Bach stilvoll beherrscht, andererseits Paganini mit brilliantem Schwung zu spielen vermochte.
Ich selbst verfüge über formidable Schallplattenaufnahmen mit L. Kogan, und zwar die Beethoven Violinsonaten Nr. 1 und 3 mit dem exzellenten Pianisten Grigori Ginsburg, sowie das Violinkonzert von Vivaldi op. 12 Nr. 1, und das Konzert für 3 Violinen und Orchester op. 23 Nr. 1 (Tripelkonzert), mit seinem Sohn Pawel und seiner Frau Elisabeth Gilels.
Ich habe jedenfalls keineswegs den Eindruck, daß Leonid Kogan von einigermaßen informierten Musikliebhabern je unterschätzt wurde. Leider aber erging es ihm nicht viel besser als anderen großen Künstlern - wie übrigens auch dem großen französischen Geiger Christian Ferras, indem sein Ruhm für Kenner viel zu schnell verblaßt ist, was eben auch dadurch zu erklären ist, daß tatsächlich sehr viel hochtalentierte jüngere Geiger und Geigerinnen ständig wie aus dem Nichts nachkommen, die erst einmal die ganze Aufmerksamkeit der Musikwelt auf sich ziehen, was dann auch wieder verständlich ist.

Gruß
Werner
*renrew*
Ist häufiger hier
#17 erstellt: 22. Feb 2011, 05:07
Hallo Mike,
Hallo Martin,

Noch ein paar Worte zu Eurem Beitrag vom 28.10.10 bezüglich Josef Krips.Als Neuling in diesem Forum las ich diesen erst jetzt.
Auch diesen Dirigenten würde ich keinesfalls als "unterschätzt" bezeichnen, allenfalls als heute zu sehr vergessen, wie so viele andere. Schließlich zählte Krips zu den bedeutendsten Dirigenten Österreichs des letzten Jahrhunderts neben Karajan, Krauss und Böhm. Gerühmt wurden seine Akribie, sein intensives und doch wohltuend unprätentiöses Musizieren, seine Sensitivität, seine Sicherheit, sein klassizistisch kontrolliertes Temperament.
Kritiker stellten unisono fest, daß ihm Haydn und Mozart im Blute liegen. Und tatsächlich bin ich von seinen Einspielungen einiger Haydn-Symphonien heute noch begeistert. Ich besitze von ihm Aufnahmen der Symphonie Nr. 92 mit den Londoner Symphonikern, und den Symphonien Nr. 94 und 98 mit den Wiener Philharmonikern, und diese Aufnahmen lassen nach meinem Geschmack keinerlei Wünsche offen. Ich habe mich sehr gefreut, daß sich endlich jemand wieder einmal an diesen großen Dirigenten würdigend erinnert.

Gruß
Werner
Szellfan
Hat sich gelöscht
#18 erstellt: 22. Feb 2011, 12:12
Hallo Werner,
Deine Formulierung "heute zu sehr vergessen" trifft es wirklich besser als meine "unterschätzt".
Das trifft ja auch auf Kogan zu, genauso wie auf Krips.
Wäre als Thread-Titel angemessener gewesen.
Somit verstehe ich Deinen Widerspruch zu Scherchen, Brüggen etc. auch viel besser.
Ich verstehe nur allzu oft dieses Vergessen nicht, denn so vieles was die Genannten gemacht haben, ist bis heute unübertroffen, aber als CD findet man diese Aufnahmen noch kaum mehr in irgendeinem Regal.
Jedenfalls freut es mich, daß Du hier schribst.
Herzliche Grüße, Mike
Schnuckiputz
Stammgast
#19 erstellt: 14. Aug 2011, 15:09
Lovro von Matacic ... kennt den noch wer diesen Dirigenten? Ich bin nicht genug "Musikkenner", um seine Bedeutung insgesamt richtig einschätzen zu können. Ich kenne ihn nur von einer Aufnahme von Webers "Freischütz" (mit Rudolf Schock, Claire Watson und Gottlob Frick), die auch heute noch meine Lieblingsaufnahme des Freischütz ist.

Den schon anderweitig erwähnten Josef Krips kenne ich von einer ebenfalls etwas in Vergessenheit geratenen Aufnahme von Mozarts "Entführung aus dem Serail" mit einem sensiblen Nicolai Gedda als Belmonte und Anneliese Rothenberger als Konstanze, die hier so anrührend und beseelt singt, daß sich auch diese Aufnahme bei meinen Lieblingsaufnahmen eingereiht hat.

Es gibt auch einige in Vergessenheit geratene Sänger, die z.T. das Pech hatten, zur gleichen Zeit aktiv tätig zu sein wie einige "Größen." Ein Paradebeispeil ist für mich dafür Ferrucio Tagliavini, der nicht nur zur selben Zeit sang wie Gigli, di Stefano, del Monaco usw., sondern dessen Stimme auch verblüffende Ähnlichkeit mit der von Gigli aufwies. Hier mal drei Beispiele für die Gesangskunst von Tagliavini:

http://www.youtube.com/watch?v=0ThsKNVICeQ

http://www.youtube.com/watch?v=JFXiHta3Qos&feature=related

http://www.youtube.com/watch?v=T0VdY83lPAo&feature=related
Szellfan
Hat sich gelöscht
#20 erstellt: 14. Aug 2011, 15:40
Hallo Schnuckiputz,
eine Überraschung!
Matacic ist völlig versunken, dabei gab/gibt es wundervolle Aufnahmen von ihm.
Besonders im Bereich der Romantik, Bruckner besonders.

Eine gewisse Szell-Nähe ist ihm eigen, er fühlt oft analytisch und denkt dabei sehr emotional.

Auch scheint er mir sehr sängerfreundlich gewesen zu sein, manchmal sogar zu sehr, weil er als Gestalter hinter ihnen zu verschwinden scheint (siehe "Freischütz", die ja nicht nur "Sänger-Oper, sondern auch "Orchester-Oper" ist)

Schön aber, daß er nicht vergessen ist, mich freut es sehr!
Herzliche Grüße, Mike
*renrew*
Ist häufiger hier
#21 erstellt: 14. Aug 2011, 17:05
Hallo Schnuckiputz,

Es freut auch mich ganz besonders, daß sich endlich wieder einmal jemand an JOSEF KRIPS erinnert und eine seiner Einspielungen rühmt. Ich bin ganz sicher, daß noch mehr Aufnahmen mit diesem erstklassigen Dirigenten, der neben Haydn und Mozart auch überschwengliche Kritiken für seine Schubert-Interpretationen erhielt, früher oder später eine Renaissance erleben und als CD auf den Markt gebracht werden.

Viele Grüße
Schnuckiputz
Stammgast
#22 erstellt: 14. Aug 2011, 20:52
Der Dirigent Erich Leinsdorf ist mir noch eingefallen. Der scheint mir mittlerweile auch etwas in Vergessenheit zu geraten, obwohl er vor allem durch einige hervorragende Opernaufnahmen für RCA von sich reden machte, u.a. die legendäre Einspielung der Turandot aus dem Jahre 1959 mit einer Traumbesetzung: Birgit Nilsson als Turandot, Renata Tebaldi als Liu und Jussi Björling als Kalaf.

Kleine Hörprobe mit Leinsdorf als Wagner-Dirigent (Walküre) ist hier zu finden:

http://www.youtube.com/watch?v=m8qVZ9ANRIU


[Beitrag von Schnuckiputz am 14. Aug 2011, 21:10 bearbeitet]
*renrew*
Ist häufiger hier
#23 erstellt: 15. Aug 2011, 01:15
Hallo Schnuckiputz,

Ja, ERICH LEINSDORF, der Wahlamerikaner aus Österreich ist genau so ein ärgerlicher Fall wie JOSEF KRIPS, d. h. ein hervorragender Dirigent - insgesamt wohl noch bekannter als KRIPS - der zwar zu Lebzeiten ganz hoch im Kurs stand, aber dann doch viel zu schnell vergessen wurde. Er war ja seit 1962 CHEFDIRIGENT DES BOSTON SYMPHONY ORCHESTRA als Nachfolger von CHARLES MÜNCH, dann Gastdirigent, u. a. auch in Bayreuth. LEINSDORF stellte stets das interpretierte Werk in den Mittelpunkt und zeigte tiefe Einsicht in das Innenleben einer Komposition und für den natürlichen Fluß der Musik. Man rühmte seine "Noblesse des Interpretierens". Auch achtete er auf jedes Sechzehntel. 1982 schrieb die Zeitschrift "Christ und Welt" über ihn: "Er ist kein Dompteur, kein Seiltänzer, kein Urviech, sondern ein Gentleman, der zum Manager wurde. Zugleich ist er selbst jener "Composer's Advocate", jener Anwalt des Komponisten, den er sich in seinem Buch mit demselben Titel unter dem idealen Dirigenten vorstellt.
LEINSDORF galt besonders als STRAUSS-Dirigent höchsten Grades.
Ich selbst schätze besonders seine Interpretation der frühen Mozart-Symphonien Nr. 21, 22, 23 und 24 mit den LONDONER PHILHARMONIKERN (LP beim label Westminster), die selbst aus diesen frühen Symphonien Meisterwerke macht.

Gruß
*renrew*
Ist häufiger hier
#24 erstellt: 15. Aug 2011, 01:58
Hallo Schnuckiputz,

Nochmals zu JOSEF KRIPS:

Ich persönlich schätze vor allem seine LP-Einspielungen bei Decca von HAYDN'S Sinfonie Nr. 92 ("Oxford") mit dem LONDON SYMPHONY ORCHESTRA, und Nr. 94 ("Paukenschlag") und Nr. 99, beide mit den WIENER PHILHARMONIKERN. Mit diesen wunderbaren Aufnahmen, auch von den beiden Orchestern her, muß man einfach endgültig zum Haydn-Liebhaber werden!

Viele Grüße
Martin2
Inventar
#25 erstellt: 15. Aug 2011, 09:16
Leinsdorf und Krips. Von Leinsdorf habe ich wohl eine Mahlers 1., die aber nicht zu meinen Lieblingen gehört.

Krips, ich sagte es wohl mal irgendwo, seine Einspielungen der Beethoven Sinfonien gehörten zu meinen prägenden Jugenderfahrungen. Beethovens 3. , der Trauermarsch, in 14 Minuten etwa, das erschien mir gerade richtig, gegenüber solchen Temposchleifern mit an die 18 wie Karajan oder Bernstein.

Irgendwann in einem Geschäft, sah ich den Beethoven mit Krips dann mal wieder, aber sehr teuer und als kaufmännisch denkender Mensch holte ich ihn mir nicht. Aber das wird irgendwann nachgeholt.

Krips habe ich aber noch, den Don Giovanni von 1955. Sehr schön.

Gruß Martin
Hüb'
Moderator
#26 erstellt: 15. Aug 2011, 21:55
Hallo,

zu Krips:
Seine Schubert 9 ist für Decca ist mir immer noch eine Lieblingsaufnahme des Werkes:

amazon.de

Und seine wunderbar volle Einspielung der späten Mozart-Sinfonien gehört ebenfalls zu meinen Allzeitfavoriten:

amazon.de

Grüße
Frank
Suche:
Das könnte Dich auch interessieren:
Brüggen, Frans (1934-2014)
FabianJ am 14.08.2014  –  Letzte Antwort am 05.09.2014  –  9 Beiträge
Allgemein: Unterschätzte Interpreten
Alfred_Schmidt am 10.05.2004  –  Letzte Antwort am 09.09.2004  –  6 Beiträge
Giulini, Carlo Maria: Ein Feingeist
Alfred_Schmidt am 02.04.2004  –  Letzte Antwort am 15.12.2013  –  64 Beiträge
Kempe, Rudolf - - - Ein Mann ohne Eigenschaften ??
Alfred_Schmidt am 27.02.2004  –  Letzte Antwort am 22.09.2010  –  27 Beiträge
Vonk, Hans: zu recht vergessen oder doch ein Bedeutender?
Hüb' am 01.09.2004  –  Letzte Antwort am 01.01.2005  –  22 Beiträge
Dirigent Charles Mackerras verstorben
Moritz_H. am 15.07.2010  –  Letzte Antwort am 16.07.2010  –  7 Beiträge
Kissin, Evgeny: Vom Wunderkind zum Künstler
Gene_Frenkle am 08.04.2008  –  Letzte Antwort am 30.04.2008  –  8 Beiträge
Knappertsbusch, Hans: Dirigent
vanrolf am 08.01.2005  –  Letzte Antwort am 10.01.2005  –  4 Beiträge
Barenboim, Daniel: Erstklassig als Pianist oder als Dirigent?
Alfred_Schmidt am 03.05.2004  –  Letzte Antwort am 09.11.2018  –  30 Beiträge
Schippers, Thomas: Der Dirigent T.S.
Mariusz35 am 16.10.2004  –  Letzte Antwort am 19.10.2004  –  6 Beiträge

Anzeige

Produkte in diesem Thread Widget schließen

Aktuelle Aktion

Partner Widget schließen

  • beyerdynamic Logo
  • DALI Logo
  • SAMSUNG Logo
  • TCL Logo

Forumsstatistik Widget schließen

  • Registrierte Mitglieder925.731 ( Heute: 1 )
  • Neuestes MitgliedTschoker
  • Gesamtzahl an Themen1.551.073
  • Gesamtzahl an Beiträgen21.537.425

Hersteller in diesem Thread Widget schließen