Leinsdorf, Erich : Noch ein Vergessener?

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Hüb'
Moderator
#1 erstellt: 28. Sep 2004, 07:11
Hallo Forum,

eine eBay-Auktion hat mich auf diesen Dirigenten gebracht. Meine Suche hier im Forum erbrachte keinen einzigen (!!) Beitrag, in dem der Name dieses Künstlers genannt wird. Ich besitze nicht viele Aufnahmen mit Leinsdorf. Spontan fallen mir nur ein wundervoller "Sommernachtstraum" und die Beethoven'schen Symphonien ein (beides RCA).
Welche Aufnahmen besitzt ihr? Was ist suchens- und empfehlenswert? Wer hat eine Idee, warum Leinsdorf heute so in der Versenkung verschwunden ist (ok, immerhin ist er 1993 verstorben :D)?

Hier eine Kurzbiographie:

"Geburtstag: 4. Februar 1912 in Wien, Österreich
Todestag: 11. September 1993 in Zürich, Schweiz

Ab 5 Klavierunterricht. Studium an der Musikhochschule und an der Wr. Universität. Assistent von Bruno Walter und Arturo Toscanini bei den Salzburger Festspielen 1934-37. Über Toscaninis Empfehlung Debüt an der Metropolitan Opera 1937 mit "Walküre". Nach Artur Bodanzskys Tod 1939 Übernahme des deutschen Repertoires an der Met. 1943 Chef des Cleveland Orchestra, 1947-1956 Musikdirektor der Rochester Philharmonie. 1956-57 Musikdirektor der City Opera (New York) und 1957-62 Musikberater bei Rudolf Bing an der Met. 1962-69 Chefdirigent des Boston Symphony Orchestra. Danach rege Reisetätigkeit in den USA, Europa (Bayreuth 1959 u. 1972) und Israel. 1978-81 Leitung des Berliner Radio-Symphonieorchesters. Einsatz für bereits vergessene Werke (so dirigierte er z.B. die 1. Platteneinspielung von Korngolds "Die tote Stadt" oder führte Kreneks "Karl V." an der Wiener Staatsoper 1984 auf).

Andreas Sperlich" (Quelle: http://www.klassika.info/Dirigenten/Leinsdorf/lebenslauf_1.html)

Auch der Umfang der erhältlichen CDs ist nicht gerade beeindruckend, bedenkt man die Anzahl von CDs aus Billig(st)-Serien und den Anteil historischer (vor ca. 1955) Aufnahmen.

Viele Grüße,

Frank
Hilda
Stammgast
#2 erstellt: 28. Sep 2004, 08:57
Hallo Frank,

mir ist Erich Leinsdorf eigentlich nur als Operndirigent begegnet. Ich habe von ihm aus den RCA-Budgetreihen folgende Aufnahmen:

Puccini - Tosca (Mit Milanov und Bjoerling)
Pucicni - Madama Butterfly
Verdi - Aida
Verdi - Un Ballo in maschera

Ich kenne ihn leider nicht aus Repertoire, daß mir sehr am Herzen liegt. Von den oben genannten würde ich Tosca und Aida als 'eher zu meinen Favoriten' zählend bezeichnen und da gibt es IMHO bessere Alternativen. Die Aufnahmen hatte ich auch eher wegen den Sängern gekauft...

Es gibt ja wohl noch eine recht gelobte Walküre auf Decca, sowie ein Lohengrin auf RCA (und Macbeth mit Rysanek) - aber bei den 'Nicht-Opern' kann ich gar nix dazu sagen.

Gruss
Klaus
op111
Moderator
#3 erstellt: 28. Sep 2004, 11:21
Hallo Frank und Klaus,

mir ist Leinsdorf eher als Operndirigent in Erinnerung. Mit Stokowski teilt er die Neigung zu dem was Stoki "symphonic synthesis" nannte, er fertigte symphonische Auszüge aus "Parsifal", "Pelleas et Melisande" und anderen Opern an.

in meiner Sammlung habe ich nur wenige Aufnahmen, ich schätze mal mindestens die:
"Pelleas et Melisande" Suite, Berliner Ph., Abbado

Verdi, Macbeth (frühe Fassung), mit Warren, Rysanek, RCA

Korngold, "Die tote Stadt" RCA

Brahms, Klavierkonzert op. 83, S. Richter, Chicago Sy., RCA

@Klaus: gab es nicht auch mal Walküre / Lohengrin mit Vickers und Leinsdorf?

Gruß
Franz
Markus_Berzborn
Gesperrt
#4 erstellt: 28. Sep 2004, 11:37
Es gibt ein paar schöne Prokofiev-Aufnahmen von Leinsdorf auf RCA.
Für Freunde etwas abgelegeneren Repertoires möchte ich auch das Klavierkonzert von Elliot Carter mit dem Pianisten Jacob Lateiner empfehlen (RCA LSC 3001).
In späteren Jahren hat Leinsdorf drei Einspielungen für das kleine Sheffield-Label gemacht (Prokofiev, Wagner, Stravinsky), die klanglich grandios sind. Es handelt sich dabei um Direktschnitte, was bei großem Orchester ja wirklich Seltenheitswert hat. Daher sollte man sich da, wenn möglich, die LP-Version besorgen. Die CDs sind zwar auch nicht schlecht, aber im direkten Vergleich mit den Direktschnitten nur ein müder Abklatsch.

Gruß,
Markus
Hilda
Stammgast
#5 erstellt: 28. Sep 2004, 12:12
@Franz-J

die Walküre ist Leinsdorf/Vickers

amazon.de

klingt von der Besetzung her sehr interessant.

Der Lohengrin ist mit Sandor Konya und enthielt als damals einzige Aufnahme (wenn ich mich recht erinnere), die lange Version der Gralserzählung (sonst nur noch bei Barenboim zu haben)

amazon.de

Gruss
Klaus
op111
Moderator
#6 erstellt: 28. Sep 2004, 12:19

Hilda schrieb:
die Walküre ist Leinsdorf/Vickers
Der Lohengrin ist mit Sandor Konya und enthielt als damals einzige Aufnahme (wenn ich mich recht erinnere), die lange Version der Gralserzählung (sonst nur noch bei Barenboim zu haben)

Danke Klaus,
muß mal schauen ob Domingo (Solti) auch die kurze Fassung wählt. Manchen Tristan-Sängern bleibt im 2. Aufzug ja auch einiges erspart.
Gruß
Franz
plume
Hat sich gelöscht
#7 erstellt: 28. Sep 2004, 21:19
Irre ich mich, oder hat Leinsdorf nicht auch, bevor er einiges für RCA aufnahm, alle Mozart-Sinfonien von vorne bis hinten für Westminster aufgenommen?? Ist da nicht sogar neulich etwas wieder aufgelegt worden? Rein physiognomisch erinnert mich L. immer an William (Hans-Wilhelm) Steinberg aus Kölle, der auch kaum noch bekannt sein dürfte. S. hat übrigens auch für die Firma COMMAND seinerzeit audiophile Platten aufgenommen, irgend soetwas mit "35mm Film" (alles hier Geschriebene unter dem Vorbehalt meiner schwindenden Gedächtniskräfte...)

Markus_Berzborn
Gesperrt
#8 erstellt: 28. Sep 2004, 22:28
Keine Angst, Dein Gedächtnis ist einwandfrei.
Sowohl das mit den Westminster-LPs von Leinsdorf als auch mit den Command-LPs von Steinberg ist völlig richtig.

Gruß,
Markus
hemmi
Ist häufiger hier
#9 erstellt: 28. Sep 2004, 23:15
Ihr Lieben,
hatte noch das Glück, Herrn Leinsdorf "live" im Gasteig/München zu erleben, mit dem Orchester des Bayerischen Rundfunks. Das Programm bestand aus Werken von Hans Pfitzner (Orchestermusik zu Palestrina) und Richard Strauss (4 Männerchöre, Sinfonia Domestica) und es war Anfang der 90er, also relativ kurz vor seinem Tod.

Erich Leinsdorf war mir damals schon gut bekannt und ich war überrascht, daß das Konzert relativ schlecht besucht war.

Leider kann ich mich nicht mehr an Details erinnern, aber ich weiß noch, daß es ein sehr beeindruckendes Erlebnis war. Ich weiß noch, daß es besonders die Klangfarben des Orchesters waren.

Herr Leinsdorf war sehr lebhaft, ja tänzerisch in seinen Körperbewegungen, sein Dirigat und seine Zeichengebung jedoch knapp und präzise.

CD: Verdi - Macbeth (Rysanek/Warren); Ballo in Maschera (Price/Bergonzi/Merill/Verrett/Grist); Puccini - Turandot (Nilsson/Tebaldi/Björling) und ebenfalls Die tote Stadt von Korngold (Alle RCA). Außerdem habe ich noch eine Walküre aus der MET von 1941 (gibt es auch bei NAXOS)(Traubel/Melchior/Schorr/Kipnis/Varnay/Thorberg), allerdings auf ca 3 Stdn. gekürzt, was damals dort mindestens bei Aufführungen üblich war, die für das Radio mitgeschnitten wurden.

Ich habe auch noch die Aufnahme von Brahms 2weitem Klavierkonzert mit S. Richter und Chicago Symphony und Mahler 5 Symphonie mit dem Boston Symphony; auch RCA.

Ich glaube, daß bei diesen Aufzählungen schon zwischen den Zeilen auch der Grund dafür zu finden ist, daß Leinsdorf so gut wie vergessen ist. Er hat einen großen Teil seiner Arbeit in Amerika geleistet und auch für den dortigen Markt seine Aufnahmen gemacht.

Herzliche Grüße
Hemmi
Albus
Inventar
#10 erstellt: 29. Sep 2004, 13:12
Tag,

Erich Leinsdorf - unvergessen, weil ...

In Hamburg dirigierte Leinsdorf gelegentlich das NDR-Sinfonieorchester. Unvergessen ist er mit seiner 2. Sinfonie von Robert Schumann, der Gedächtnisanlaß ist der letzte Satz. Darin schlug Erich Leinsdorf ein so schnelles Tempo, so dass das Orchester, insbesondere die Flötisten, passagenweise nicht folgen konnten. Im Steckenbleiben vereint, nahm das Orchester das nachfolgend mindere Tempo unsicher auf. Mitglieder wissen noch heute davon zu erzählen: "Leinsdorf war die Unmöglichkeit seines Tempos völlig gleich. Das interessierte den nicht." Man hatte schon während der zwei Proben darüber kurz diskutiert. Aber, Leinsdorf wollte es nicht anders. Unvergessen dies Geschehen. Die Aufnahme kommt dann und wann im Programm von NDR Kultur, man schüttelt immer wieder den Kopf, lächelnd. Musik ist eben idealiter Höheres als die banalen Instrumente und Instrumentalisten. Recht hatte er, der Herr Erich Leinsdorf.

MfG
Albus
Markus_Schirmer
Schaut ab und zu mal vorbei
#11 erstellt: 29. Sep 2004, 21:49
Arthur Rubinstein schreibt in seinen Memoiren über Leinsdorf - er wurde oftmals mißverstanden, galt als kühl und "musikalisch berechnend" - wahr ist vielmehr, es gibt unglaublich tiefgehende, berührende Aufnahmen, gerade mit diesem Meisterpianisten. Die Rubinstein collection bietet einige Klavierkonzerte, welche einen wunderbaren Dialog zwischen Solist und Dirigent offenbaren.

M.Schirmer
Markus_Berzborn
Gesperrt
#12 erstellt: 30. Sep 2004, 01:14

Markus_Schirmer schrieb:
galt als kühl und "musikalisch berechnend"


Das ist interessant - den Eindruck habe ich aber nun wirklich nicht aus den Aufnahmen, die mir vorliegen.

Gruß,
Markus
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