Haydn, Joseph: Sinfonie Nr 94 "mit dem Paukenschlag"

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Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 24. Apr 2004, 13:58
Hallo Forianer,

Wenn man bedenkt, daß Haydn wohl einer der führenden Sinfoniker der Musikgeschichte ist, manche wollen in ihm sogar den Begründer der "Klassischen Sinfonie sehen, dann ist er in diesem Forum (bis jetz noch) unterrepräsentiert.
Ebenso auf CD. Kaum je ein Zyklus wurde vollendet.


Woran das liegt ist mir nicht ganz erklärlich, vieleicht liegt es aber an der schier unüberschaubaren Menge (je nach Zählung 104 oder 105 überlieferte, erhaltene Werke), die Haydn auf diesem Gebiet geschaffen hat.Allerdings unterscheidet er sich in einem wichtigen Punkt von anderen "Vielschreibern": Jede Sinfonie ist individuell einzigartig, keine ist ein Massenprodukt.
Dazu kommt, daß der Zeitraum ihres Entstehens sich auf ca 50 Jahre erstreckt, also auch die Stilrichtungen haben sich inzwischen geändert.

Das von mir gewählte Thema ist diesmal die Sinfonie Nr 94 "Mit dem Paukenschlag" oder auf englisch "Surprise", die zur Gruppe der sogenannten "Londoner" Sinfonien zählt, weil sie im Rahmen eines London-Gastpiels entstanden, das Haydn auf Intiative der Londoner Impresario Salomon gab, wo Haydn zur Komposition neuer Sinfonien und deren Aufführung in London verpflichtet war. Die Bezahlung war allerdings nicht fürstlich sondern eher königlich.

Die Sinfonie beginnt mit einem betörenden Adagio, das allerdings einem energischen Vivace weicht. Den Namen hat das Werk aber durch den 2. Satz, das Adagio, ein einfaches "Ohrwurm-Thema" das an einer besonders leisen Stelle durch einen Knalleffekt aufhorchen lässt. Das Thema wird fünf mal variert und verklingt dann. Der dritte Satz erinnert am ehesten an einen bäuerlichen Tanz,mir fiel dabei der Holzschutanz aus Zar und Zimmermann ein, ein Rezensent verglich mit Breughels Bauernbildern, soweit liegt das ja nicht auseinander. Der vierte Satz erinnert wieder ein wenig an Mozart und ist äusserst raffiniert komponiert, vordergründig gedoch strahlend und leicht zugleich. Die Uraufführung war am 23. März 1792 in London.

Die Auswahl an Einspielungen ist an sich passabel, aber nicht jeder große Dirigent der Haydn eingespielt hat, vermochte Haydns spezifischen Ton zu treffen. So würde ich beispielsweise sowohl Karajans, als auch Soltis Zugang als nicht besonders geglückt betrachten. Haydn ist IMO stets ein Meister feinster Nuancen, du die werden bei beiden Maestros doch unterschlagen. Die Einspielungen sind nicht im eigentlichen Sinne "schlecht", doch fehlt ihnen das "gewisse Etwas" das Haydn ausmacht. Man könnte vermuten, daß sich Haydns Sinfonien eben lediglich in HIP interpretationen ädiquat realisieren, das stimmt aber nicht.
Daß modernes Orchester, feinste Feinheiten, Lieblichkeit, Struktur, und hohe Durchhörbarkeit unter einen Hut zu bringen sind belegt Eugen Jochums Aufnahme von 1972/73 IMO aufs beste. Bei Karajan fehlt IMO das Temperament, Solti steh unter "Dauerspannung" was dem Werk nicht gut tut, manche Details gehen so verloren.

Aber jetz bin ich gespannt einige von Euch, andere Vorschläge zu diesem Werk haben. - Eigentlich bin ich mir da ganz sicher.

Gruß aus Wien
Alfred
embe
Stammgast
#2 erstellt: 25. Apr 2004, 01:03
Hi,
soll ich es sagen?
Der gute George Szell macht das super mit seinen Cleveländern auf Sony. Klingt wieder fast nach Gardiner oder Mackerras
Lustig ist ein Vergleich mit Lenny, gleiches Label
Harnoncourt mit dem Concertgebouw lässt Haydn regelrecht explodieren.
Dorati ist ein Mann der Mitte, alles im Lot aber auch ein wenig langweilig.
Mehr Aufnahmen höre ich momentan nicht.
Auf LP habe ich noch Colin Davis, hat sich in meinem Gedächtnis nicht eingeprägt.
Muss wieder mal LP hören
Gruß
embe
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 25. Apr 2004, 03:08
@embe


Der gute George Szell macht das super mit seinen Cleveländern auf Sony. Klingt wieder fast nach Gardiner oder Mackerras


Also, daß er es super macht, bestreite ich nicht, allerdings klingt sein Haydn eher nach Beethoven (was auch seine Reize haben kann.Störend ist allerdings der (relativ) hohe Rauschpegel. Mit Gardiner würde ich Szell nicht vergleichen, eher mit Krips.


Harnoncourt mit dem Concertgebouw lässt Haydn regelrecht explodieren


Ja, und mich gleich mit. Ich habe nicht allzuviel Haydn von ihm, aber das genügt um sagen zu können, daß er Haydn mit seiner "explosiven" ich würde sagen, "ruppigen" Spielart
nicht gerecht wird, "schöne Stellen" werden mutwillig "aufgerauht" und berauben die Stücke ihres "lieblichen" Charakters, auch eine Facette bei Haydn.


Dorati ist ein Mann der Mitte, alles im Lot aber auch ein wenig langweilig.

Für ganz junge Mitleser erwähne ich an dieser Stelle, daß dieser Zyklus bei Erscheinen massenhaft Schallplattenpreise einheimsen konnte, allerdings habe auch die Aufnamen immer als ein wenig zu "neutral und langweilig " empfunden.

Mit Colin Davies konnte ich eher selten etwas anfangen.


Gruß
Alfred
TobeyW
Ist häufiger hier
#4 erstellt: 06. Mai 2004, 14:08
Wer Haydn mit modernem Orchesterklang mag, bitte. Ich kann die "Londoner Symphonien" mit Brüggen und Kuijken (beide Midprice )empfehlen. Mir persönlich gefällt die Kuijken-Einspielung eine Spur besser, aber das ist wie immer eine Geschmacksfrage.
Haydn a la Jochum oder Szell braucht man das wirklich, ich jedenfalls nicht.
Antracis
Stammgast
#5 erstellt: 06. Mai 2004, 16:20

Haydn a la Jochum oder Szell braucht man das wirklich, ich jedenfalls nicht.


Ich schon

Habe mir ja vor einer Woche nicht zuletzt auf Empfehlung aus diesem Forum den "Londoner" Schuber mit Jochum zugelegt



und habe an diesem Neuerwerb beständig immer mehr Spaß, was wohl auf Haydn wie auch auf Jochum zurückzuführen ist.
Ich empfinde es als ungemein spannend musiziert. Die Ecksätze sprühen nur so vor Vitalität, die Mittelsätze haben oft einen herrlich humorigen Unterton. Ironisch feinsinnig in so manchem Andante, in den Menuetten dann eher bäuerlich derb, ohne aber vulgär zu wirken.
Insgesamt finde ich das Klangbild eigentlich nie zu "fett", eher beeindrucken mich die brillianten Streicher des London Philharmonic in so mancher Tutti-Stelle.

Gruß
Anti


[Beitrag von Antracis am 06. Mai 2004, 16:28 bearbeitet]
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#6 erstellt: 07. Mai 2004, 00:48
Hallo Anti,

Bin ich froh, daß Dir die Aufnahme gefällt.
Natürlich liest man immer wieder vom gemächlichem Jochum und vom langweiligen Böhm. etc etc..

Aber ich hab mir die Jochum Kassette (meine hat eine CD weniger, enthält nämlich nur die "Londoner Sinfonien"
kritisch angehört. Selbst ich war erstaunt wie frisch, an manchen Stellen geradezu agressiv sie ist.

Meiner Meinung nach muß man die Jochum Aufnahme kennen (d. h.nicht besitzen)um sich über Haydn-Interpretationen des vergangenen Jahrhunderts ein komplettes Bild machen zu können.

Es ist ja nicht so, daß alle Dirigenten und Orchester des 20. Jahrhunderts Fehlinterpretationen vollbrachten, bloß weil sie Haydn nicht "historisch informiert" oder "kammermusikalisch" aufführten.
Natürlich war auch den Dirigenten um sagen wir mal 1970 (und früher) bekannt, daß ihre Aufführung nicht "historisch korrekt" war, aber man setzte sich nicht nur darüber hinweg, nein man war sogar stolz darauf, daß modernes Instrumentarium die "alten Meister" in "Neuem Glanz" erstrahlen ließ....

TobeyW

Ich kann Deine Ablehnung von modernem Instrumentarium teilweise verstehen. Ich nehme an, Du hast diese Werke zuerst in kleiner, oder historischer Besetzung gehört.
Diese Prägung bleibt Dir (es gibt Ausnahmen) üblicherweise
fürs Leben. Da bin ich irgendwie besser dran, ich kann beide Interpretationsansätze geniessen. Wobei es ja auch bei den HIP-lern gravierende Unterschiede gibt.
Meine Präferenz für Haydn liegt hier bei den Aufnahmen die Roy Goodman mit "the Hanover Band" gemacht hat, aber auchg jene von Bruno Weil (es gibt nicht viele) liegen mir.
Das Thema kann aber gerne im entsprechenden Thread: HIP oder HOP...... ausführlicher diskutiert werden.

Gruß
aus Wien

Alfred
Antracis
Stammgast
#7 erstellt: 07. Mai 2004, 22:02
Hallo Alfred,
wie gesagt, "gemächlich" oder gar "langweilig" gehts bei Jochum nach meinem Empfinden in diesen Aufnahmen wirklich nicht zu. Bisher am kräftigsten eingeprägt - hab ja noch lange nicht alles gehört - hat sich mir der 4. Satz der Sinfonie Nr. 103. Mal abgesehen von der erstklassigen Leistung der Bläser ist das wirklich so musiziert, dass die Bezeichnung Allegro con spirito ernst genommen wird: Das London Philharmonic (Die Streicher!) geht ab wie Nachbars Katze. - aber halt ohne dabei die feinsinnige Musik Haydns zu überrollen.

Die Sammlung ist auch sehr gut bei ClassicToday besprochen worden. Nicht, dass das viel aussagen würde, nur stimme ich mal ausnahmsweise mit einem Kritiker überein.

Gruß
Anti


[Beitrag von Antracis am 07. Mai 2004, 22:24 bearbeitet]
kleinerhanswurst
Ist häufiger hier
#8 erstellt: 07. Mai 2004, 22:30
Wem die DG-Aufnahmen gefallen, der wird bei folgenden mglw. vom Hocker fallen:

amazon.de

Alles noch einen Tick spritziger, transparenter und zumindest in den ersten CD-Inkarnationen besser aufgenommen. Die Qualität der Dresdner in den 70er steht ja völlig außer Frage: Jochums Bruckner, Kempes Strauss und Sawallischs Schumann ...

Hans
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#9 erstellt: 07. Mai 2004, 22:42
Hallo Anti,

Ich weiß gar nicht wer sich von uns beiden mehr freut.
Fast hätte ich mich nicht getraut die Empfehlung auszusprechen, notabene, weil es ja nicht eine sondern gleich 5 CDs sind !!! Wenn das ein Mißgriff wird, dann ists schlimm. Ausserdem ist es Deine Erstanschaffung dieser Werke, das ist besonders kritisch. Persönlich bin ich durchaus dafür, daß Du dir das ein oder andere Werk als Vergleich auf historischen Instrumenten zulegst, bevor Du weiter ausbaust, aber das hat keine Eile. Meine Meinung ist, daß speziell Haydn beide Lesarten gut verträgt, wenn sie von Könnern realisiert werden.
Du wirst mir aber vielleicht auch beipflichten, daß die Sinfonien Haydns wirklich hörenswert sind.
Allerdings, einen zu dicken Ton (Solti IMO) sollte man ihnen nicht antun, dann verlieren sie etwas essentielles.

Entgegen gelegentlich geäusserten Behauptungen, sind auch die frühen Sinfonien jeder ein Meisterwerk für sich. Sie sind lediglich "anders", nämlich "kammermusikalischer", deswegen nicht minder raffiniert. Aber übereile nichts...

Gruß aus Wien

Alfred

PS: Wenn ich Böhm oder Jochum "verteidige", dann tue ich das nicht (wie manche glauben) aus blinder Begeisterung. Ich möchte lediglich erreichen, daß sich jeder Klassikliebhaber ein "neutrales Urteil" bildet und nicht sagt: Solche alten Herren können einfach kein Temperament haben...
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#10 erstellt: 07. Mai 2004, 22:55

Wem die DG-Aufnahmen gefallen, der wird bei folgenden mglw. vom Hocker fallen:


Ist schon passiert.

Ich habe bis soeben geglaubt mehr oder weniger alles am Plattenmarkt zu kennen. Aber ich hab von dieser Aufbnahme noch nie was gehört. (es ist fraglich ob man sie bei uns ohne Vorbestellung bekommt) Eine oder die andere wer ich mir wohl noch davon zulegen. Frage ist wie viele es davon gibt.

Zur Beurteilung. "Besser" etc, sind Wertungen, die ich in Bezug auf Klassikeinspielunge ad acta gelegt habe, zmindest benutze ich sie nur in Ausnahmefällen. Immer wenn man etwas "verbessert" leiden andere Gesichtspunkte darunter, damit meine ich, daß jede Aufnahme nur einen "Point of view" darstellt. Ich habe das beim vergleichenden Hören der "Jahreszeiten" (Marriner, Karajan, Böhm) wieder beobachtet jede ist den anderen in Detailfragen überlegen, keine erfüllt jedoch alle Wünsche.

Gruß aus Wien

Alfred
kleinerhanswurst
Ist häufiger hier
#11 erstellt: 07. Mai 2004, 23:39

Zur Beurteilung. "Besser" etc, sind Wertungen, die ich in Bezug auf Klassikeinspielunge ad acta gelegt habe


Ich meinte die Aufnahmequalität, nicht die Interpretation an sich. In der DG-Aufnahme sind sowohl das Blech als auch das Schlagwerk nicht sehr gut aufgenommen.

Hans
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