Große russische Chormusik

Hallo Thomas,

es gibt diese Tage, an denen ich mich an großer russischer Chormusik nicht satt hören kann.

ich glaube, da hab' ich was für Dich. Aber Vorsicht! Kann süchtig machen!
Hier möchte ich auf eine der ausgezeichnetsten Aufnahmen, die ich je gehört habe, eingehen, und zwar die von Alfred Schnittke stammenden zwölf 'Bußpsalmen' - manchmal werden sie auch 'Bußverse' oder 'Bußlieder' genannt - zu englisch 'Psalms of Repentance' für gemischten Chor a capella, komponiert 1988. Es handelt sich um folgende CD:

Alfred Schnittke (1934-1998):
Psalms of Repentance / (Zwölf) Bußpsalmen für gemischten Chor a capella 1988
Swedish Radio Choir, Tõnu Kaljuste
Aufnahme: Stockholm, 02/1996
ECM 1583 / 453 513-2



Vielleicht auch eine Musik für jene, die sich bisher von Schnittkes polystilistischen, manchmal extrem disharmonischen und schwierig zu hörenden instrumentalen Werken haben abschrecken lassen. Hier, in den Bußpsalmen, präsentiert sich ein anderer, ein ernstzunehmender geistlicher Komponist, der für die Besetzung Chor deutlich harmonischer und eingängiger schreibt als das meiste seines orchestralen Oeuvres. Es gibt zwar auch hier einige starke harmonische Reibungen, diese werden jedoch meist gegen Ende eines Satzes bzw. am Schluß des Werkes aufgelöst.
Die Sätze 1-11 haben Text, nur der 12. - der mit Abstand effektvollste - kommt ganz ohne Worte aus, wird teils gesummt, teils auf Vokalisen gesungen. Und hier haben, finde ich, Chor, Dirigent und Aufnahmetechnik ein wahres Wunder vollbracht. In manchen Passagen gewinnt man den Eindruck, daß ein ganzes Orchester spielt, angefangen von den unheimlichen Bässen am Beginn des 12. Satzes, die sich wie Kontrabässe, einige Takte später wie Celli anhören usw. Am besten ist dieser Effekt natürlich mit einer guten Anlage und Boxen mit einem großen Klangvolumen herzustellen.
Insgesamt ist es eine das Kennenlernen absolut lohnende CD, zwar mit Versen von schwarzer Trauer, jedoch auch einer wahrhaft himmlischen Musik und eine glänzende, dem hohen Rang des Werkes angemessene Einspielung.


Aus den gleichen Gründen kann ich folgende Schnittke-CD, obwohl mit gerade mal 44 Minuten Spieldauer arg knapp bemessen, wärmstens empfehlen:

Alfred Schnittke (1934-1998):
Choir Concerto / Konzert für gemischten Chor a capella 1984/85
Russian State Symphonic Cappella, Valéry Polyansky
Aufnahme: 1991
Chandos 9332



Schöne Grüße
Johannes

Hallo Johannes (Pink),

danke für die Antwort. Die Bußpsalmen sind so gut wie gekauft.

Anmerkung kurz danach: Allerdings sehe ich gerade bei amazon, dass die CD nicht mehr verfügbar ist. Mal schauen, ob ich sie noch irgendwo zu einem vernünftigen Preis finde. Leider sind die ECM-Platten ja oft vergleichsweise teuer, haben dafür aber im Gegenzug oft eine fantastische Klangqualität.

Thomas

Hallo Thomas,

muß ja nicht unbedingt amazon sein, oder? Bei jpc gibt es beide CDs jedenfalls noch.

Johannes

Hallo,

ja, russische Chor-Musik ist schon etwas ganz besonderes, ich bin selber ein großer Fan davon.

Eine doppelte Empfehlung kann ich für 2 Werke von Schnittke geben:
Das bereits aufgeführte "Requiem" sowie das wundervolle "Choir Concerto", welches einem unablässig Schauer über den Rücken fahren lässt. Beides vereint auf einer sehr guten Doppel-CD, gesungen von einem exzellenten Chor, und das ganze zu einem unverständlich günstigen Preis:




Es gibt noch einige weiter große Chorwerke von Rachmaninov, alle in einem ähnlichen Stil wie op.37 (wenn auch nicht so sehr aus "einem Guss"), die ich ebenfalls empfehlen kann.

Leider sind mir keine weiteren deratig großen russischen Chorwerke bekannt. Jedoch gibt es eine Unzahl von CDs mit russischer orthodoxer Chormusik, viele davon sind sehr gut.


Abschließend ein Tip:
Es lohnt sich, zum Thema Chor ein wenig Nord-Westlich von Russland zu schauen:
Die baltischen sowie skandinavischen Staaten pflegen eine sehr lange und intensive Chor-Tradition; dort wirken/wirkten so wunderbare Komponisten von a-capella-Chormusik wie Rautavaara, Tormis, Nystedt, Pärt, Tubin und viele andere.
Hier meine ganz dicke Empfehlung:



Eine CD, in die ich mich nach dem ersten Hören sofort, hoffnungslos und entgültig verliebt habe und die ich zu einem der Schätze meiner Chor-Sammlung zähle..


Viele Grüße,

der Thomas

Hallo Thomas (Tratschwelle),

danke für deine Hinweise.

Die Entdeckung Skandinaviens steht mir, abgesehen von den Altvorderen wie Grieg und Sibelius, noch bevor. Irgendwann komme ich sicher dazu. Die von dir genannte Rautavaara-CD werde ich dann berücksichtigen.

Nun mag ich aber gerade den Klang der russischen Sprache so gern (obgleich ich bei meinen Versuchen, sie zu erlernen, damals in meiner Schulzeit in Hamburg kläglich gescheitert bin) und suche daher tatsächlich konkret nach russischen Stücken oder besser gesagt nach Chorwerken in russischer Sprache.

Gruß, Thomas (Mann, gibt das hier viele Tho-masse!)

Thomas228 schrieb:

[..] Nun mag ich aber gerade den Klang der russischen Sprache so gern (obgleich ich bei meinen Versuchen, sie zu erlernen, damals in meiner Schulzeit in Hamburg kläglich gescheitert bin) und suche daher tatsächlich konkret nach russischen Stücken oder besser gesagt nach Chorwerken in russischer Sprache.

Nagut, dann habe ich noch einige Tips:

Eine CD die mir sehr gut gefällt, ist folgende:



Das Werk von Martynov ist etwas ungewöhnlich. Es ist nicht modern, sogar das ganze gegenteil, nämlich stark geprägt von sehr früher orthodoxer Musik aus dem Mittelalter. Die Stimmen sind extrem "geradeaus", ohne Vibrato, völlig schnörkellos. Dadurch entsteht aber ein ungeheur intensiver Sound.

Außerdem habe ich noch folgende CDs:





Beste russische Chor-Tradition mit einem hervorragenden Solisten.


Viele Grüße,
der (noch ein) Thomas.

Eine große Entdeckung waren für mich die "Zwölf Gesängen op.27" von Tanejew mit dem Niederländischen Kammerchor unter Tonju Kaljuste (rec. 1999). Musik und Interpretation sind beide auf höchstem Niveau!

Ich bin zwar etwas spät mit meiner Antwort zu russischer Chormusik, doch lieber spät als nie ;-)

Für mich etwas vom schönsten was ich kenne, ist die Chormusik des Ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov (*1937). Wunderbar sind folgende CDs:



(Dem Label ECM verdankt Silvestrov eine immer grösser werdende "Fangemeinde" ausserhalb der ehemaligen Sowjetunion)



auf dieser CD des Labels Mega Disc ist vor allem die Cantata von 1977 wunderschön.



und auf der CD "on photography" ist die absulute Referenzaufnahme des Stückes Dyptich (1995) vorhanden.

Beste Grüsse