Tempo von Beethovens Werken

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AH.
Inventar
#1 erstellt: 03. Aug 2022, 22:14
Hallo,

in der Beethoven-Box von Dohnany (Telarc) wird behauptet, im Tempo von Beethovens Metronom-Angaben zu sein. Es wirkt auf mich viel zu schnell.

https://www.amazon.d...9557797&sr=8-1-fkmr2

Laut Frau Prof. Grete Wehmeyer ist dieses Tempo prinzipiell alla breve (doppelt so schnell). Melzel erfand damals das Metronom und Beethoven hat am Ende seines Lebens alles verzweifelt metronomisiert. Das Tempo wurde nach Beethovens Tod geändert, was ist schon eine Zählzeit, meinte Prof. Wehmeyer, tic oder tic tac?

Das richtige Tempo finden wir demnach ungefähr bei Celebidache auf der CD mit der 4. und 5. Sinfonie, deren Kopfsätze in meiner Erinnerung ca. 10 Minuten dauern.

Die Artikulation von Beethoven ist nach meiner besten Kenntnis "Musik als Klangrede" (Aufnahme: Hans Pfizner, 1907). Beethoven war damals gar nicht "rhythmisch" gespielt.

Gruß

Andreas


[Beitrag von AH. am 04. Aug 2022, 13:38 bearbeitet]
Khampan
Ist häufiger hier
#2 erstellt: 07. Aug 2022, 15:30

AH. (Beitrag #1) schrieb:
in der Beethoven-Box von Dohnany (Telarc) wird behauptet, im Tempo von Beethovens Metronom-Angaben zu sein. Es wirkt auf mich viel zu schnell.

was in der Box behauptet wird, weiß ich nicht, spielt auch keine Rolle, man kann es ja leicht selbst nachprüfen. Dohnanyi hält sich zum Teil an die Metronomangaben, zum Teil ist er langsamer. Zu schnell wirkt auf mich nichts. Schade dass er einige Wiederholungen weglässt (5., 7. und 9. Sinfonie).


AH. (Beitrag #1) schrieb:
Laut Frau Prof. Grete Wehmeyer ist dieses Tempo prinzipiell alla breve (doppelt so schnell). Melzel erfand damals das Metronom und Beethoven hat am Ende seines Lebens alles verzweifelt metronomisiert. Das Tempo wurde nach Beethovens Tod geändert, was ist schon eine Zählzeit, meinte Prof. Wehmeyer, tic oder tic tac?

hier schmeißt du einiges durcheinander. Grete Wehmeyer hatte die lustige Idee, dass Beethovens Metronomangaben heutzutage falsch verstanden werden, und man alles halb so schnell spielen müsse. Ohne zu bedenken dass das zu hunderten von Widersprüchen und unausführbaren Beispielen führt, und dass es aus Beethovens Zeit Berichte über die Spieldauern von Sinfonien gibt, die sehr gut mit den heutigen übereinstimmen. Dass Beethovens Metronomangaben häufig unausführbar wären, war bis in die 1970er Jahre kursierende Lehrmeinung, die schon damals vielfach widerlegt war (Leibowitz, Scherchen, Toscanini). Wer heute noch Wehmeyers Theorie ernst nimmt, dem ist nicht zu helfen.


AH. (Beitrag #1) schrieb:
Das richtige Tempo finden wir demnach ungefähr bei Celebidache ...

"Das richtige" Tempo ist das was ein Dirigent für sich für richtig hält. Vorausgesetzt er kann in seinem Tempo eine überzeugende Interpretation darbieten.
AH.
Inventar
#3 erstellt: 08. Aug 2022, 15:49
Hallo,

das richtige Tempo ist vom Komponisten.

Stilgerechtes Spiel
Stilgerechte Instrumte
Stilgerechte Temperaturen

"Macht es richtig" Prof. Grete Wehmeyer.

Ein guter Musiker ist etwa so neutral, wie ein guter Lautsprecher.

Gruß

Andreas
Khampan
Ist häufiger hier
#4 erstellt: 08. Aug 2022, 16:24

AH. (Beitrag #3) schrieb:
Ein guter Musiker ist etwa so neutral, wie
... ein Computerprogramm zur Musikwiedergabe? Wie eine Maschine?

Sorry, du hast vermutlich nie selbst Musik gemacht.
Übrigens folgt Celibidache weder Beethovens Metronomangaben (so wie sie üblicherweise verstanden werden) noch der Empfehlung von Grete Wehmeyer. Er ist genau irgendwo dazwischen. Was macht er denn falsch?

"Spielen Sie, wie Sie wollen, aber spielen Sie es schön" (Johannes Brahms)
flexiJazzfan
Inventar
#5 erstellt: 08. Aug 2022, 18:20
https://www.br-klass...nien-falsch-100.html

Da haben sich Leute viel Mühe gemacht, aber doch kein "richtiges" Ergebnis gefunden.

Gruß
Rainer
Khampan
Ist häufiger hier
#6 erstellt: 08. Aug 2022, 19:42

flexiJazzfan (Beitrag #5) schrieb:
https://www.br-klass...nien-falsch-100.html

Haha, eine "Studie zu mysteriösen Tempoangaben bei Beethoven"

Was ist da mysteriös, und was ist eine Studie?

Diese "Studie", über die Antonia Morin da berichtet, ist nichts anderes als reine Spekulation. Und gleich am Anfang stellt sie eine steile These auf: "Denn einige Metronomzahlen, die Beethoven in seinen Werken verlangt, sind schlicht unspielbar schnell."
Soso. Sagen wir eher, ungewohnt schnell und gewiss auch sehr ungemütlich zu spielen. Aber der Spielbarkeitsnachweis ist für alle erbracht.
Als unrealistisch würde ich einzig das angegebene Tempo des Trios im 2. Satz der 9. Sinfonie anführen. Hans Zender hat das mal durchgezogen, aber das Ergebnis überzeugt mich nicht. Dann gibt es noch eine zweifelhafte Metronomzahl (weil ungewohnt langsam!) im Finale der 9., die überwiegend als Ablese- oder Druckfehler interpretiert wird
Ansonsten alle nachweislich spielbar und plausibel. Wenn auch herausfordernd, und das ist Beethoven immer, nicht nur in Bezug auf die Tempi.
Merkwürdigerweise gibt es ein paar Sätze, die von einigen Dirigenten (wenn auch geringfügig) schneller genommen werden als nach der Metronomzahl: Finale der 5. und 7. Sinfonie, 2. Satz der 9.

Das beste an dem verlinkten Bericht ist der Schluss, wenn auch eine Binsenweisheit: "dass Beethoven seine Tempoangaben ohnehin nicht als exakte Angabe verstanden haben wollte, sondern als Orientierung. Denn eines steht fest, Tempo hin oder her: Eine korrekte Metronomzahl allein garantiert noch keine gelungene Beethoven-Interpretation."
flexiJazzfan
Inventar
#7 erstellt: 08. Aug 2022, 21:13
Ich wusste nicht, dass dieser dreiste auftrumpfende Ton nicht nur bei den Technikthreads sondern auch bei Themen der klassischen Musik der Normalfall ist. Ich habe zu BR Klassik verlinkt, ha, ha … Dort wird über jemand berichtet, der 36 Werke mal durchgeforstet hat um die Tempi zu analysieren, das ist ein bisschen Arbeit aber noch keine „Studie“ , ha, ha …
Na ja
Gruß
Rainer
Khampan
Ist häufiger hier
#8 erstellt: 08. Aug 2022, 23:15

flexiJazzfan (Beitrag #7) schrieb:
...dieser dreiste auftrumpfende Ton...

Hallo Rainer,
mit meinem dreist auftrumpfenden Ton warst nicht du gemeint für die Verlinkung, sondern so unwissenschaftliche und unzutreffende Behauptungen wie "mysteriöse Tempoangaben" und "schlicht unspielbar".

Die Durchforstung von 36 Tempoangaben ohne ein belastbares Ergebnis ist für mich noch keine Studie. Ich habe die Tempoangaben auch "durchforstet" und gesehen, dass alle mindestens einmal realisiert worden sind, zuallermeist durchaus überzeugend. Deshalb bringt es mich so auf die Palme wenn jemand so tut als gäbe es das nicht. Sorry.

Ich gebe zu dass meine Posts besonders am Anfang sehr plakativ und provozierend waren. So empfand ich nämlich auch die Posts des Thread-Erstellers, den ich damit aus der Reserve locken wollte. War wohl die falsche Methode. Vielleicht bin ich hier überhaupt verkehrt.

Khampan
flexiJazzfan
Inventar
#9 erstellt: 09. Aug 2022, 16:54
Nun gut, dann wende ich mich statt unwissenschaftliche Journalistendarstellung zu zitieren meinen eigenen Überlegungen zu.

Ich bin ja eher der Liebhaber einer straffen, kühlen Musikaufführung, die nicht jeden Ton mit Bedeutung zelebriert und sich nicht auf jeder Verzierung betulich ausruht. Gedehnte Tempi verbinde ich mit Kirchengemeinden, die in „schönen“ Liedern schwelgen, während der Organist erfolglos drängelt oder Schlagersängern und -sängerinnen, die kleine Liedchen zu großen Hymnen aufbauschen wollen – es droht der Kitsch.

Auf der anderen Seite bin ich schon erstaunt, wenn Berufsmusiker eine Komposition wegen ihrer Komplexität in einem bestimmten Tempo für „unspielbar“ halten. In jeder Musikform erzeugt der sportliche oder zirkushafte Aspekt eines virtuosen Solos oder einer ebensolchen Gemeinschaftsleistung Begeisterung beim Zuhörer. Aber kann es wirklich sein, dass ein Komponist etwas aufschreibt, von dem er weiß, dass nur eine Elite von Musikern daraus überhaupt Musik machen kann, während die anderen nur sich und die Zuhörer nur damit quälen?

Ich kenne keinen Beruf, in dem man eine solche lange Ausbildungs- und Übungszeit hinter sich bringen muss, wie bei einem klassischen Musiker. Wenn dann ein Komponist ein Tempo vorschreibt an dem die Profis des Instruments verzweifeln, dann halte ich das für einen (Kunst) Fehler, genauso als wenn für die Posaune ein Akkord vor/aufgeschrieben wäre.
Insofern kann ich, in beide Richtungen, die biografische und technische Spurensuche zu dem Tempo, das ein verstorbener Komponist jeweils gemeint oder gewollt haben könnte, sehr gut nachvollziehen.

Diese Überlegungen sind aber m.E. völlig losgelöst zu sehen, von den technischen Fähigkeiten von Ausnahmemusikern, die mal eben ein Stück in doppelter Geschwindigkeit zu Gehör bringen, bei dem andere schon in „normalem“ Tempo ins Schwitzen kommen. Sie können das ja ruhig tun und sich der Bravo Rufe bei der Zugabe erfreuen, aber als kompositorische Leistung oder gar „Vorschrift“ würde ich das nicht verstehen.

Gruß
Rainer
Hans_Holz
Stammgast
#10 erstellt: 21. Aug 2022, 15:48

AH. (Beitrag #3) schrieb:
das richtige Tempo ist vom Komponisten.


Dann viel Spaß mit Chopin.


AH. (Beitrag #3) schrieb:

Stilgerechte Instrumte


Also Beethoven nur noch auf einem Fortepiano und Bach auf dem Cembalo oder noch besser dem Clavichord?


Temperaturen


Was wäre denn für Bach stilgerecht? Man weiß es nicht so genau.


Ein guter Musiker ist etwa so neutral, wie ein guter Lautsprecher.


Wenn das so wäre, bräuchte man von jedem Stück nur genau eine Version und die klänge wie ein quantisiertes MIDI-File.
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