Wie mißt man ?

+A -A
Autor
Beitrag
pelmazo
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 24. Sep 2008, 12:06
Für diesen Thread dachte ich mir, man könnte in einem Artikel pro einzelnem Parameter beschreiben wie der in der Praxis (oder ggf. auch nach Norm) gemessen wird. Falls sich daraus eine Diskussion ergibt sollte die in einem anderen Thread passieren, zu dem ggf. verlinkt werden kann. Einen allgemeinen Diskussionsthread gibt's hier, das hindert jedoch nicht daß man für einzelthemen auch eigene Threads aufmachen kann.

Die einzelnen Beiträge sind daher wie eigene Artikel aufzufassen und können/sollen vom Ersteller bei Auftauchen weiterer Erkenntnisse auch gepflegt werden. Wenn's anfängt unübersichtlich zu werden dann wird's hier im ersten Beitrag auch mal ein Inhaltsverzeichnis geben.

Die Information soll nicht nur für diejenigen nützlich sein, die die Parameter selbst messen wollen, sondern insbesondere auch für diejenigen, die Meßwerte verstehen und interpretieren wollen. Mit zum Thema gehört daher auch die Frage, was man mit dem Meßwert anfangen kann, und worauf man achten muß wenn man die Meßwerte vergleichen will.
pelmazo
Hat sich gelöscht
#2 erstellt: 24. Sep 2008, 14:47
Die Verstärkerleistung

Die Verstärkerleistung ist die elektrische Leistung, die ein Verstärker an die Last liefert. In der Regel will man erfahren wie viel Leistung ein Verstärker maximal liefern kann, und man muß dazu zur Vergleichbarkeit wissen, welche Randbedingungen dafür gelten.

Da die Verstärkerleistung zu den werbewirksamsten Verstärkermerkmalen gehört, wenden viele Hersteller Meßmethoden an, die besonders hohe Zahlenwerte ergeben ohne daß das für die normale Anwendung noch sinnvoll ist. Für die Bewertung von Meßwerten ist es daher in diesem Fall besonders wichtig, die Randbedingungen zu kennen, die bei der Messung gegolten haben. Es gibt nämlich keinen Konsens darüber, welche Meßmethoden bzw welche Meßbedingungen die richtigen sind. Es gibt zwar Normen, aber auch die erlauben eine gewisse Variation.

Leistung wird in Watt angegeben, aber da es bei Audio um Wechselstromsignale geht beginnt hier schon die erste Komplikation: Es gibt einen Unterschied zwischen Wirkleistung und Blindleistung. Das muß man im Auge behalten. Bei der Messung wird das Problem üblicherweise dadurch umgangen, daß man als Last einen ohmschen Widerstand verwendet. Dann ist die Blindleistung = 0, und man kann die Wirkleistung bestimmen indem man einfach den Effektivwert der Ausgangsspannung des Verstärkers mißt. Der Nachteil ist daß ein realer Lautsprecher sich oft anders verhält, daß folglich diese Art der Messung nicht unter ganz "realistischen" Bedingungen stattfindet.

Will man die Wirkleistung mit einer realistischen Last (entweder ein Lautsprecher oder eine stumme Nachbildung davon) bestimmen, dann genügt es nicht mehr, die effektive Ausgangsspannung allein zu messen, man braucht ein richtiges Leistungsmeßgerät, das auch die Phasenbeziehung zwischen Strom und Spannung korrekt auswertet.

Es gibt keine normierten Lautsprecher oder Nachbildungen für so eine Messung, denn die verschiedenen Lautsprecher unterscheiden sich zum Teil stark, und man konnte sich nicht auf einen einheitlichen Test einigen. De facto gilt daher die Messung mit ohmscher Last als die Standardmethode, zumal sie am einfachsten durchzuführen ist.

Für die Interpretation des Meßergebnisses bedeutet das, daß sich ein Verstärker bezüglich seiner maximalen Leistung an einem realen Lautsprecher deutlich anders verhalten kann als es der Meßwert aussagt, nämlich besonders dann wenn der Lautsprecher stark vom Verhalten eines ohmschen Widerstandes abweicht (siehe seine Impedanzkurve).

Ein weiteres Problem ist, wie lange ein Verstärker die Leistung kontinuierlich abgeben können soll. Manche Verstärker können eine kurze Zeit lang ziemlich viel Leistung abgeben, würden aber überhitzen oder abschalten wenn es länger anhält. Das muß kein Nachteil sein, denn Musik ist ja kein gleichmäßiges Signal, sondern hat Impulse und leisere Stellen. Für die Interpretation des Meßwertes ist es aber wichtig, denn ein solcher Verstärker käme bei einer Dauermessung schlechter weg, ohne daß das beim normalen Musikhören relevant wäre. Verwandt mit dieser Frage ist auch ob man bei einem mehrkanaligen Verstärker nur einen Kanal gleichzeitig belastet oder alle zusammen.

Die meisten Verstärker können die theoretisch höchste Leistung abgeben wenn man sie mit einem Rechtecksignal maximaler Amplitude betreibt. Im Grunde wird dann die Last (abzüglich irgendwelcher Schaltungsverluste) abwechselnd mit der positiven und der negativen Betriebsspannung verbunden. Dabei wird noch nicht einmal besonders viel Hitze im Verstärker selbst erzeugt, allerdings wird das Netzteil dabei maximal gefordert (das nebenbei gesagt dafür nicht unbedingt ausgelegt sein muß). Für die normale Musikwiedergabe ist dieser Wert allerdings völlig unsinnig. Die einzige praktische Relevanz hat dieser Wert darin, daß er die extremste Situation für die Last darstellt, salopp gesagt kann man damit eine unterdimensionierte Last (also z.B. einen Lautsprecher) am schnellsten und effektivsten durchbrennen.

Schon viel praxisgerechter ist die Sinusleistung, bei der man mit einem Sinussignal (bei üblicherweise 1kHz) arbeitet, und so weit aufdreht bis der Klirrfaktor einen vorher festgelegten Grenzwert erreicht. 1% ist ein üblicher Grenzwert, aber man findet auch andere, kleiner oder größer. Auch das muß ein Verstärker nicht unbedingt unbegrenzt lange verkraften, daher ist es durchaus interesant zu wissen ob es sich um eine Dauerleistung handelt oder ob das bloß kurzzeitig gemessen wird. Mit Musik hat das zwar immer noch wenig zu tun, aber es kommt dabei immerhin ein Wert raus der schon in annähernd praxisrelevanten Größenordnungen liegt und dabei noch relativ einfach zu messen ist. Ein definitiver Nutzen des Meßwertes ist, daß man aus ihm auf den in der Praxis nutzbaren "Spannungshub" am Ausgang des Verstärkers schließen kann. Daraus ergibt sich die maximale Höhe von Signalspitzen, die der Verstärker noch relativ unverzerrt verarbeiten kann. Es ist sozusagen die "Aussteuerungsgrenze" des Verstärkers.

Ein Signal, das sich den Eigenschaften von Musik weiter annähert, wäre rosa Rauschen, denn das hat eine Energieverteilung über die Frequenz, wie sie auch ungefähr bei Musik erwartet werden kann. Bloß kann man davon schlecht den Klirrfaktor messen, weswegen man nicht ganz so einfach ein Kriterium angeben kann wie weit man aufdrehen darf zur Messung. Mit der Nennleistung hatte die frühere DIN 45324 (ist zurückgezogen) eine entsprechende Messung auf der Basis von rosa Rauschen genormt. Da gegenüber der Sinusleistung meist nur gut die Hälfte als Zahlenwert herauskommt ist die Angabe inzwischen nicht mehr so weit verbreitet.

Die tatsächlich abgebbare Leistung beim Abspielen von Musik wird, so interessant das auch wäre, üblicherweise nicht gemessen, und sie wäre auch meist erheblich unterhalb der Sinusleistung. Das hat mehrere Gründe:
  • Die Musik variiert zu stark, und man kann kein einheitliches Meßsignal definieren.
  • Es ist schwer einheitlich festzulegen, welche Art und welches Ausmaß von Verzerrungen noch tolerabel ist, und wie man sie mißt
  • Mit realen Lautsprechern als Last wäre es ohnehin wieder anders.

    Angaben wie "Musikleistung" oder gar "PMPO" haben wegen der völlig willkürlichen Meßmethode wenig bis gar keinen Erkenntniswert und taugen daher auch nicht für Vergleiche. Es handelt sich dabei um reine Marketinginstrumente. Wenn es ein Hersteller für nötig hält, zu solchen Angaben zu greifen, ist das meist kein gutes Zeichen.

    Genau genommen muß man bei solchen Messungen auch noch die Umgebungsbedingungen festlegen, damit sie wirklich vergleichbar sind. Das sind z.B.:
  • Umgebungstemperatur
  • Netzspannung (Nominal, untere oder obere Toleranzgrenze)
  • Aufwärmzeit vor der Messung und Belastung dabei
  • Betriebsart bzw. Belastung der unbenutzten Kanäle während der Messung
  • ggf. Meßbandbreiten, Meßzeiten oder andere spezielle Einstellungen und Charakteristiken des Meßgerätes.

    Die Meßmethode, die man heute noch am ehesten als allgemein verbreiteten Standard ansehen kann, ist in der Norm IEC 60268-3 festgelegt und mißt die Sinusleistung bei 1kHz und 1% Klirr, an einem ohmschen Widerstand mit der angegebenen Impedanz (z.B. 8 Ohm), nachdem alle Kanäle mindestens 1 Minute lang bei Vollast gelaufen sind und während der Messung weiter mit Vollast laufen. Dabei muß die Netzspannung den Nominalwert haben und die Umgebungsbedingungen denen entsprechen, die in den technischen Daten als normale Betriebsbedingungen angegeben werden (Betrieb im Kühlschrank gilt also nicht). Die eigentliche Messung gilt dabei der effektiven Ausgangsspannung, aus der man mit Hilfe der Lastimpedanz die Leistung rechnerisch ermittelt.

    Die Norm erlaubt weitere Varianten in der Meßmethode, aber dann muß man angeben inwiefern man von obigen Bedingungen abgewichen hat. Sämtliche Klangregler und ähnliche Manipulatoren, falls vorhanden, müssen jedenfalls so weit als möglich deaktiviert oder auf neutral gestellt sein.

    Die so ermittelte Leistung ist also keine Dauerleistung, denn der Verstärker braucht das nicht viel mehr als 1 Minute lang auszuhalten. Es ist aber auch keine Kurzzeitleistung, die bloß Sekunden oder Bruchteile davon zur Verfügung steht. Wenn in der einen Minute bereits eine Schutzschaltung zuschlägt dann muß man eben so weit zurückdrehen bis der Verstärker lange genug durchhält, auch wenn das dann niedrigeren Klirr ergibt als im Grenzwert festgelegt.


  • [Beitrag von pelmazo am 24. Sep 2008, 14:52 bearbeitet]
    Zarak
    Inventar
    #3 erstellt: 12. Jan 2009, 13:57
    Hallo (Pelmazo) !

    Ich hab noch ein Verständnisproblem und es paßt wohl am Ehesten hier rein.

    Bei LS ist ja normalerweise die Empfindlichkeit angegeben, die angibt wie hoch der Schalldruck in 1m Entfernung bei 2,83V (oder 1W) ist.

    Was mir jetzt Schwierigkeiten im Verständnis bereitet:

    Der Schalldruck ist doch letztlich die gehörte Lautstärke.

    Wenn diese Lautstärke des LS aber für eine feste Ausgangsspannung des Amp definiert ist, wie werden denn unterschiedliche Ausgangslautstärken der Tonträger dabei berücksichtigt ?

    Als mein Gedankengang ist folgender(ist sicher zu simpel)

    Zu einer bestimmten Stellung des Poti gehört eine entsprechende Spannung/Leistungsabgabe des Amp.

    Der Einfachheit halber z.B. 2,83V bei 9 Uhr Poti Stellung.

    Lege ich jetz ne laute CD bei 9Uhr Poti Stellung ein, ist die Lautstärke doch viel größer, als wenn ich eine leise aufgenommene CD einlege, obwohl ich am Poti und damit an der Ausgangsleistung des Amp nichts geändert habe.

    Wie paßt das aber damit zusammen, daß der LS doch einen festgelegten Schalldruck für die 2,83V hat, also immer gleich laut sein müßte ?

    Versteht ihr(du), was ich meine ?


    mfg

    Zarak
    pelmazo
    Hat sich gelöscht
    #4 erstellt: 12. Jan 2009, 14:36
    Eigentlich gehört das in den Diskussionssthread.


    Zarak schrieb:
    Versteht ihr(du), was ich meine ?


    Ich denke schon. Der Fehler ist hier:


    Zu einer bestimmten Stellung des Poti gehört eine entsprechende Spannung/Leistungsabgabe des Amp.

    Der Einfachheit halber z.B. 2,83V bei 9 Uhr Poti Stellung.


    Das stimmt nämlich nicht. Die Leistungsabgabe des Amp hat nicht direkt etwas mit der Potistellung zu tun. Als Extrembeispiel gibt der Amp so gut wie gar keine Leistung ab wenn die Quelle still ist, auch bei voll aufgedrehtem Poti.

    Normale Verstärker sind meist so aufgebaut:

    Dem eigentlichen Verstärker ist der Lautstärkeregler (und falls vorhanden auch Balance- und Klangregler) vorgeschaltet. Das heißt der eigentliche Verstärker arbeitet mit einer festen Verstärkung, und mit dem Lautstärkeregler kann man das Eingangssignal des Verstärkers abschwächen. Dreht man den Knopf ganz nach rechts, dann hat man keine Abschwächung, und das Eingangssignal geht direkt auf den Verstärker. Je weiter man den Knopf nach links dreht, je kleiner wird der Anteil des Eingangssignals, der auf den Verstärker gegeben wird.
    Zarak
    Inventar
    #5 erstellt: 12. Jan 2009, 17:33
    Ah ja - Danke !

    Also hängt die Leistung des Amps von der Eingangslautstärke des Amps ab und die regelt der Poti.

    Sorry wegen dem falschen thread, viel. können die mods die Beiträge ja verschieben ?
    (notfalls kann ich ich die posts auch per editieren "löschen")

    nochmal Danke !

    mfg

    Zarak
    Suche:
    Das könnte Dich auch interessieren:
    Sprungantwort - Was ist das überhaupt?
    Earl_Grey am 22.01.2007  –  Letzte Antwort am 26.07.2009  –  154 Beiträge
    Wellenwiderstand
    pelmazo am 05.05.2005  –  Letzte Antwort am 21.09.2012  –  87 Beiträge
    Impedanz und Widerstand: der kleine Unterschied
    Joe_Brösel am 30.03.2003  –  Letzte Antwort am 19.10.2013  –  41 Beiträge
    Frequenzgangmessungen selbstgemacht
    Joe_Brösel am 04.10.2003  –  Letzte Antwort am 25.04.2005  –  54 Beiträge
    Kombination von Stereo- und Surround-Anlage
    Master_J am 05.05.2005  –  Letzte Antwort am 22.11.2018  –  329 Beiträge
    Was tun wenn es nicht geht?
    Joe_Brösel am 04.02.2004  –  Letzte Antwort am 04.02.2004  –  2 Beiträge
    Fernsehsendungen in Dolby Digital
    Joe_Brösel am 27.09.2003  –  Letzte Antwort am 13.12.2010  –  71 Beiträge
    Über das Hören
    Joe_Brösel am 01.04.2003  –  Letzte Antwort am 10.04.2003  –  14 Beiträge
    Was ist Lippensynchronisation
    Joe_Brösel am 31.08.2003  –  Letzte Antwort am 13.03.2004  –  3 Beiträge
    Car-Hifi-Komponenten zuhause betreiben?!
    HinzKunz am 02.10.2005  –  Letzte Antwort am 10.01.2022  –  269 Beiträge
    Foren Archiv

    Anzeige

    Aktuelle Aktion

    Partner Widget schließen

    • beyerdynamic Logo
    • DALI Logo
    • SAMSUNG Logo
    • TCL Logo

    Forumsstatistik Widget schließen

    • Registrierte Mitglieder925.721 ( Heute: 11 )
    • Neuestes Mitgliedgune
    • Gesamtzahl an Themen1.551.048
    • Gesamtzahl an Beiträgen21.536.774