Gänsehautstellen

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lydian
Stammgast
#51 erstellt: 17. Feb 2005, 11:40

jeanne schrieb:

Hallo, damit ihr euch nicht so allein fühlt:
Im "großen Tor von Kiew" in Mussorgskis "Bildern einer Ausstellung " der Übergang kurz vor dem Finale, wo es so richtig düster und Moll und traurig klingt, hin zur Wiederholung des Hauptthemas, wo es dann auch musikalisch "golden" strahlt und glänzt. Dieser Übergang, dabei hat's mich regelmäßig.


Hallo Jeanne,

das kann ich nachvollziehen! Aber auf welche Fassung der Bilder beziehst du dich hier? Meiner Meinung nach kommt diese Passage (und andere auch) am besten in der Orchestrierung von Ashkenazy zum Ausdruck.

Habe gestern wieder eine meiner ca. 20 Aufnahmen der 4. Sinfonie von Sibelius gehört. Der 3. Satz - :schwelg: - wo man immer meint, die Musik steigert sich zum Höhepunkt.....aber irgendwie wird nix draus.....und wenn man schon meint das war´s jetzt......... dann kommt er doch noch.

Gruß,
Steff
cosmicauto
Ist häufiger hier
#52 erstellt: 17. Feb 2005, 11:45
aus:
Erich Wolfgang Korngolds "Die tote Stadt"

"Mariettas Lied"

Für mich eines der der schönsten und bewegendsten Liebesduette!

Viele Grüße
Cosmicauto
ph.s.
Inventar
#53 erstellt: 17. Feb 2005, 22:30
In der Missa solemnis von Luigi gibt es zwei Stellen, die mich immer wieder erschauern lassen:
Im Credo der Übergang zwischen dem incarnatus est und dem et resurrexit

Im Agnus Dei die Stelle beim dona nobis pacem, wo zum miserere nobis nach dem Sopran die Trompeten, Posaunen und der Chor einsetzen.

Philipp
Oolong
Ist häufiger hier
#54 erstellt: 18. Feb 2005, 09:49
Hallo Philipp,

welchen Luigi meinst Du? Ich kenn nur von Cherubini eine Missa solemnis (meinst Du die, könnte ich Deine Einschätzung verstehen!)Oder kennst Du einen ganz persönlichen Luigi, der Messen komponiert?

Gruß
Stefan
ph.s.
Inventar
#55 erstellt: 18. Feb 2005, 19:36

Oolong schrieb:

welchen Luigi meinst Du? Ich kenn nur von Cherubini eine Missa solemnis (meinst Du die, könnte ich Deine Einschätzung verstehen!)Oder kennst Du einen ganz persönlichen Luigi, der Messen komponiert?

Ich meine schon DEN Luigi!
Nur ich kenne ihn schon so lange, da hat er mir erlaubt, dass ich ihn so nennen darf. Aber du willst gar nicht erst wissen, wie er mich nennt

Philipp
Oolong
Ist häufiger hier
#56 erstellt: 20. Feb 2005, 14:47

ph.s. schrieb:

Ich meine schon DEN Luigi!
Nur ich kenne ihn schon so lange, da hat er mir erlaubt, dass ich ihn so nennen darf. Aber du willst gar nicht erst wissen, wie er mich nennt


Mich interessiert schon wie er Dich nennt, wenn Ihr Euch,wie ich vermute,nach 1821 häufiger am Pariser Konservatorium getroffen habt... Aber nur wenn es Deine Kräfte zulassen- in Deinem hohen Alter geht leicht etwas zu Bruch!

Aber hier kommt, ganz im Ernst eine neue Gänsehaut, eine ganz große:

Allegris " Miserere mei" in der Aufnahme mit den Tallis Scholars!

Klingt, als säße man auf einem Ehrenplatz in der Sixtinischen Kapelle!

Gruß
Stefan
ph.s.
Inventar
#57 erstellt: 20. Feb 2005, 15:33

Oolong schrieb:
Mich interessiert schon wie er Dich nennt, wenn Ihr Euch,wie ich vermute,nach 1821 häufiger am Pariser Konservatorium getroffen habt


Sprechen wir jetzt wirklich vom selben Luigi? Paris und Konservatorium dort?
Seinen Kosenamen für mich will ich nicht verraten, das wäre mir peinlich!
Von dem Allegris hab ich auch noch nie etwas gehört! Wird wohl Zeit nach deiner Schilderung.

Philipp
mathemike
Schaut ab und zu mal vorbei
#58 erstellt: 20. Feb 2005, 22:39
Den mentalen Höhepunkt erlebe ich immer, wenn Günter Wand im 4.Satz von Bruckners 5.Sinfonie (NDR 1989) in die Coda 5 Minuten vor dem Ende eindringt. Unbeschreiblich. Geistig, seelisch und körperlich DAS Erlebnis aller Klassikeinspielungen für mich.
Oolong
Ist häufiger hier
#59 erstellt: 21. Feb 2005, 10:30

ph.s. schrieb:


Sprechen wir jetzt wirklich vom selben Luigi? Paris und Konservatorium dort?


Hallo Philipp,

also wenn Du DEN Luigi Cherubini meinst, den ich kenne, war der seit 1822 bis zu seinem Tode 1842 Direktor des Pariser Konservatoriums.

Das Miserere von Gregorio Allegri hat tatsächlich - neben tollen musikalischen Effekten- eine spannende Geschichte aufzuweisen:
Allegri war Priester und seit 1629 Tenor im päpstlichen Chor der Sixtinischen Kapelle. Überhaupt hat er fast sein ganzes Leben im Dienst von Papst Urban VII verbracht.
Das neunstimmige Misere ( Vertonung des 51. Psalms)wurde bis 1870 jedes Jahr in der Gründonnerstagsliturgie in der Sixtinischen Kapelle gesungen - und nur da!Die Sixtina hatte die Exklusivrechte an diesem Werk, wer Abschriften vom Stimmenmaterial anfertigte, wurde exkommuniziert!

Aber man hatte die Rechnung ohne Mozart gemacht: der soll als 14Jähriger 1770 das Werk gehört haben und im Anschluß habe er es aus dem Gedächtnis aufgeschrieben!Wer weiss...!?

Gruß
Stefan
hiver05
Ist häufiger hier
#60 erstellt: 21. Feb 2005, 16:09
Als ich das erste Mal in einem vollbesetzten Sinfonieorchester mitgespielt habe, habe ich total die Gaensehaut bekommen:
Berlioz, Symphonie phantastique, 4. Satz am Anfang.
Die Pauken von hinten, man hoert den Gang zum Hochgericht, Warten auf den Einsatz, die Celli kommen dazu, die Bratschen... war Wahnsinn.
ph.s.
Inventar
#61 erstellt: 23. Feb 2005, 02:12
@ Stefan

also wenn Du DEN Luigi Cherubini meinst, den ich kenne, war der seit 1822 bis zu seinem Tode 1842 Direktor des Pariser Konservatoriums.

Ich habe eigentlich ganz simpel den Luigi gemeint, der dich da von der Seite gerade so wild anschaut War vielleicht etwas unklar meinen Kosenamen für ihn zu verwenden. Aber dadurch hast du mich immerhin auf eine andere interessante Spur gebracht, die ich sicher noch etwas weiter verfolge, weil ich Messen ja so gerne höre....




Aber man hatte die Rechnung ohne Mozart gemacht: der soll als 14Jähriger 1770 das Werk gehört haben und im Anschluß habe er es aus dem Gedächtnis aufgeschrieben!


Wo du das erwähnst: so eine ähnliche Geschichte habe ich auch einmal im Zusammenhang mit Mozart gehört. Aber dass es dabei um diesen Cherubini ging wusste ich nicht. Ich muss gestehen dieser Name hat mir eigentlich überhaupt nicht viel gesagt. Aber das wird sich in nächster Zeit sicher ändern!!

Liebe Grüße Philipp
Oolong
Ist häufiger hier
#62 erstellt: 23. Feb 2005, 10:27
Hallo Philipp,

da hab ich tatsächlich ein wenig auf der Leitung gestanden - an Deinen Bonn/ Wiener " Luigi" hab ich überhaupt nicht gedacht In seiner " Missa solemnis" ist übrigens auch für mich das berühmte Trompetensignal im Dona nobis pacem eine Gänsehautstelle, ein Menetekel der friedlosen Welt in der wir leben.Dieses in der Bitte um den göttlichen Frieden eingebaut zu hören, rührt mich stets sehr an!

Also, Grüß mir Deinen " Luigi" und bis bald!

Stefan

P.S.:Nur zur Klarstellung:die überlieferte Großtat des 14jährigen Mozart hat NICHTS mit Cherubini zu tun!Er soll das Miserere von Allegri kopiert haben.
ph.s.
Inventar
#63 erstellt: 24. Feb 2005, 02:29
da hab ich tatsächlich ein wenig auf der Leitung gestanden - an Deinen Bonn/ Wiener " Luigi" hab ich überhaupt nicht gedacht

War von mir auch wirklich unglücklich formuliert! Wie soll man denn da auch drauf kommen. Ich habe diesen Kosenamen aus dem Büchlein "Der junge Beethoven"; Dort nennt ihn der Autor Ludwig Schiedermair an manchen Stellen so.

Nur zur Klarstellung:die überlieferte Großtat des 14jährigen Mozart hat NICHTS mit Cherubini zu tun!Er soll das Miserere von Allegri kopiert haben

Das habe ich wieder verwechselt Danke für den Hinweis, denn meine Nachforschungen wären so sicherlich bald im Sand verlaufen....

Grüße Philipp


[Beitrag von ph.s. am 24. Feb 2005, 02:32 bearbeitet]
lydian
Stammgast
#64 erstellt: 25. Feb 2005, 11:40
Moin,

habe gestern Abend wieder Boris Godunow gehört. Die Krönungsszene, wenn das Volk Boris nach dessen Monolog huldigt.......es überläuft mich immer. Das Wissen um die Umstände, wie Boris zur Zarenkrone gekommen ist, spielt da wohl auch mit.
Gestern war es die Karajan-Aufnahme (die Glocken sind klasse!), aber bei anderen geht es mir nicht anders.

Gruß,
Steff
Molteris
Ist häufiger hier
#65 erstellt: 26. Feb 2005, 00:47
Absolute Gänsehautstellen:

1. Monteverdi - Vespro della Beata Vergine, 1987 Aufnahme unter Jürgen Jürgens (Choreinsatz "omnes" im Audi Coelum)
2. Monteverdi - Messe a 4 (Anfang des Credo und "osanna" im Sanctus)
3. Bruhns - Kleines Präludium in e-moll, Lorenzo Ghielmi (Echo nach der Toccata)
4. Schütz - Musikalische Exequien, Herreweghe/Collegium Vocale (Choreinsätze)


[Beitrag von Molteris am 26. Feb 2005, 02:14 bearbeitet]
Uwe_Schoof
Ist häufiger hier
#66 erstellt: 28. Feb 2005, 00:13
Hallo zu meinem zweiten, und sehr angenehmen Beitrag,

der späte Beethoven benetzt mich mit Gänsehäuten, auch Brahms ... , und zwar die ganzen Werke hindurch.
Aber, wenn ich ehrlich bin: die letzten Minuten von Debussys "La Mer" und besonders Allan Petterssons Sinfonie mit Chor (ich glaube die 12.) habe ich schon Dutzende Male gehört. Die Gänsehaut verschwindet einfach nicht!

Uwe
Oolong
Ist häufiger hier
#67 erstellt: 28. Feb 2005, 17:32
Hallo Uwe,

herzlich willkommen hier im Forum!

Schön, mal wieder zu erfahren, daß es Fans von " La Mer" gibt!Obwohl ich Debussy eigentlich mag, gelingt es mir schon seit Jahren nicht, Zugang zu diesem Werk zu finden. Es ärgert mich regelrecht!Aber das liegt mit Sicherheit an meinen Ohren...

Aber gestern hab ich eine tolle neue Hörerfahrung gemacht:" In the Fen Country" von Vaughan Williams.Das einleitende Solo des Englischhorns wird von der Viola übernommen...da bleibt das Herz stehen!Unglaublich! (Aufnahme mit dem New Zealand SO - Naxos)

Gruß
Stefan
walter_f.
Hat sich gelöscht
#68 erstellt: 28. Feb 2005, 18:02

Es ärgert mich regelrecht!Aber das liegt mit Sicherheit an meinen Ohren...


Hallo Stefan,

da liegt's mit Sicherheit nicht dran. Was manche Leute ihren Ohren zutrauen, wundert mich immer wieder - sie scheinen das reinste "Hilfshirn" zu beinhalten.

Noch passiert alles im Gehirn - wir hören nur mittels der Ohren ;).

Grüsse
Walter
Uwe_Schoof
Ist häufiger hier
#69 erstellt: 01. Mrz 2005, 00:56
Hallo Stefan
schönen Dank für Dein Willkommen.
Auch ich möchte keinesfalls sagen, dass "La Mer" so sehr in die Tiefe geht wie z.B. der späte Beethoven. Das sehen wir wohl ähnlich.
Aber irgendwie ist es für mich wie ein Gemälde - oder wie ein Naturerlebnis. Und das Ende in voller Lautstärke - wie heimlich naschen!!!
Gruß,
Uwe
Oolong
Ist häufiger hier
#70 erstellt: 01. Mrz 2005, 17:38

Uwe_Schoof schrieb:

Aber irgendwie ist es für mich wie ein Gemälde - oder wie ein Naturerlebnis. Und das Ende in voller Lautstärke - wie heimlich naschen!!!


Oh,Graus! Genau dieses Ende ist es, was mich quält!Und dann auch noch volle Lautstärke -oh, nein, da geh ich dem guten Claude aber schleunigst aus dem Weg!Obwohl ich ein großer Freund impressionistischer Naturschilderung bin, kann ich das Meer in dieser Musik leider nicht sehen, erst recht nicht riechen!Dennoch wünsche ich Dir noch viele genussreiche Fahrten über Debussys Ozean! Ich selbst halte mich in diesem spätromantischen Spektrum an meine geliebten Engländer.In Moment ist immer noch Vaughan Williams in meinem CD- Player zu Gast - hab gestern die "Fantasie über ein Thema von Thomas Tallis" wieder und wieder gehört. Von den dunklen Streicherfarben krieg ich einfach nie genug!

Gruß
Stefan

P.S.an Uwe:Wenn ich Dir eine Empfehlung geben darf- hör doch mal in die Werke von Arnold Bax hinein, die könnten, glaub ich, Deinen Geschmack treffen!Ich mag sie sehr!Und über den späten Beethoven - was soll ich sagen- er ist einfach lebensnotwendig!


[Beitrag von Oolong am 01. Mrz 2005, 17:41 bearbeitet]
Oolong
Ist häufiger hier
#71 erstellt: 07. Mrz 2005, 10:00
Meine musikalische England- Reise ist noch nicht zu Ende: nach Elgars Cello-Konzert und Holsts" Planets" zurück zu Vaughan Williams.Da ich viel geistliche Musik höre, mußte es auch mal seine Messe g-moll sein.Das " Gloria" hat mich sehr beeindruckt in seiner Fortschreibung archaischer Klangwelten in VWs eigener Klangsprache. Toll!

Gruß
Stefan
Oolong
Ist häufiger hier
#72 erstellt: 14. Mrz 2005, 10:38
Jedes Jahr in der Passionszeit erschüttern mich die Responsorien von Carlo Gesualdo.Aufnahmen tragen den Titel "Tenebrae" nach ihrer liturgischen Verwendung in den nächtlichen Stundengebeten in der Nacht des Gründonnerstags,des Karfreitags und des Karsamstags.Gesualdo hat als Fürst von Venosa seine Frau und ihren Liebhaber getötet und versank später in schlimmste Gewissensqualen.Diese Qualen macht er körperlich spürbar in seiner Musik für die dunkelsten Stunden des Kirchenjahres.Tiefste Verzweiflung in atemberaubende Töne gesetzt - das MUSS man mal gehört haben!

Ich hab diese Werke in einer Gesamtaufnahme mit dem Hilliard-Ensemble ( makellos gesungen!), dem Taverner Choir unter Parrott ( Auszüge in den liturgischen Kontext gebettet durch gregorianische Antiphonen - ganz toll) und freu mich jetzt auf eine Neuerwerbung der Herreweghe- Einspielung.

Gruß
Stefan
Aristipp
Stammgast
#73 erstellt: 31. Okt 2005, 10:17
Schade, dass dieser Thread wieder eingeschlafen ist, deshalb hol ich ihn mal aus der Versenkung. Zwar höre ich ein Werk am liebsten ganz und freu mich "über alles", aber für diese Momente, in denen es einem die Thränen (mit th) in die Augen treibt und sich die besagte Gänsehaut einstellt, lebt meinereiner natürlich auch.

Eben gerade wieder gehört und besagte Phänomene zum x-ten mal erlebt:
Monteverdi: Or che 'l ciel e la terra (Petrarcas 164. Sonett):
Nunmehr, da Himmel, Erde schweigt und Winde,
Gefieder, Wild des Schlummers Bande tragen,
Die Nacht im Kreise führt den Sternenwagen,
Und still das Meer sich senkt in seine Gründe:

Nun wacht' ich, nun sinn' ich, glüh' und wein' und finde
Nur sie, die mich verfolgt mit süßen Plagen.
Krieg ist mein Zustand, Zorn und Mißbehagen:
Nur, denk' ich sie, winkt Friede mir gelinde.

So strömt, was mich ernährt, das Süß' und Herb',
Aus eines einz'gen Quell's lebend'gem Strahle,
Dieselbe Hand gibt Hellung mir und Wunden.

Und daß mein Leiden nie ein Ziel erreiche, sterb'
Und ersteh' ich täglich tausendmale,
So weit entfernt noch bin ich, zu gesunden.

(Monteverdi nimmt natürlich den italienischen Text):
Hor che 'l ciel et la terra e 'l vento tace
e le fere e gli augelli il sonno affrena,
Notte il carro stellato in giro mena
e nel suo letto il mar senz'onda giace,

veglio, penso, ardo, piango; e chi mi sface
sempre m'è innanzi per mia dolce pena.
Guerra è 'l mio stato, d'ira et di duol piena,
et sol di lei pensando ho qualche pace.

Cosí sol d'una chiara fonte viva
move 'l dolce et l'amaro ond'io mi pasco;
una man sola mi risana e punge;

e perché il mio martir non giunga a riva,
mille volte il dí moro e mille nasco,
tanto da la salute mia son lunge.

In den letzten Takten gibt es ein himmlisches Crescendo, die Stimmen erheben sich gen Himmel... Im 18. Jahrhundert hätte man sowas "englisch" genannt und damit nicht die Briten gemeint.
Ich habe nur eine Aufnahme von dem Werk, auf einer (aufnahmetechnisch miserablen) Sampler-CD mit dem Monteverdi-Chor: Jubilate.

amazon.de

Der Chor ist super, wer mir aber eine Alternativversion vorschlägt, würde mir auch sehr helfen...

Grüße,

Matthias
Gantz_Graf
Hat sich gelöscht
#74 erstellt: 01. Nov 2005, 18:16
Gänsehautstellen, die mir gerade spontan einfallen (es gibt sicher viele wichtige mehr!) (leider fehlt mir die korrekte Terminologie, um Musik beschreiben zu können, ich lerne noch)

- Beethovens 6, der Übergang vom Gewittersturm in die Schönheit des letzten Satzes.

- Allan Pettersson Symphonie #6, absolutes Highlight ist die verträumte, langgezogene Melodie (die aus dem vorletzten der Barfußlieder), die nach der Hälfte der Symphonie einsetzt, im Hintergrund herrlich die Snare Drums (kenne den deutschen Begriff nicht). Es ist die reine Liebe, die daraus spricht, anders kann man das nicht nennen. Ich kann die Stelle genau benennen, da es dieser Tage nur die CPO-Aufnahme gibt: Ist da bei 37:37 Min.
Nite_City
Stammgast
#75 erstellt: 01. Nov 2005, 23:17
Hallo,

ich hätte auch noch was beizusteuern:

Gustav Mahler "Das Lied von der Erde" (Otto Klemperer mit Christa Ludwig und Fritz Wunderlich):
Wenn Ludwig in "Der Einsame im Herbst" mit ihrem Text beginnt ("Herbstwinde wallen bläulich...") kommen mir schon beim ersten Wort die Tränen.
(Ich müsste mir mal eine andere Einspielung besorgen und prüfen ob das an ihr oder am Werk selbst liegt.)

Claude Debussy "La Mer":
Das Crescendo am Ende von "De l'aube à midi sur la mer". Einfach herrlich und majestätisch!
(Auch wenn einige hier das Werk nicht mögen.)

Auch das Leitmotiv der Solovioline in Rimsky-Korsakovs "Scheherazade" ist so eine Stelle. (Obwohl hart an der Kitschgrenze...)

Grüße,
Michèl


[Beitrag von Nite_City am 01. Nov 2005, 23:18 bearbeitet]
Gantz_Graf
Hat sich gelöscht
#76 erstellt: 21. Feb 2006, 21:50
Gänsehaut bringt mir dieser Tage:

Mahlers Zweite[1] aka "Resurrection/Auferstehungssymph.", 4. Satz "Urlicht". Wenn die Sängerin in diesem Übergang der Entspannung zum "...wird mir ein Lichtchen geben..." einschwenkt, ists um mich geschehen.

[1] Hier Chailly/RCO


[Beitrag von Gantz_Graf am 21. Feb 2006, 21:51 bearbeitet]
JohnD
Stammgast
#77 erstellt: 22. Feb 2006, 01:03
es gibt stellen, die funktionieren immer. mit jedem, in jeder aufnahme.

1. bruckner 5-IV, choral am ende der reprise.
2. magnard 4-IV, choral in den tiefen bläsern
3. ravel, ma mère l'oye, der schluss
4. monteverdi, hor che'l ciel, schluss

hab ich getestet.
Nite_City
Stammgast
#78 erstellt: 22. Feb 2006, 15:50
Hallo

hatte gestern Abend auch eine Stelle, allerdings anders als die meisten hier:
Charley Yves' 2. Symphonie, der Schluss des Finales im 5. Satz. (ihr wisst was ich meine ).
Das Problem war nur, dass ich gestern Abend schon fast eingeschlafen war und dann mit Angstzuständen hochgefahren bin...

Viele Grüße,
Michèl

@ Gantz_Graf: das mit dem Urlicht ist wahr!


[Beitrag von Nite_City am 22. Feb 2006, 15:53 bearbeitet]
Amadé-Franz
Ist häufiger hier
#79 erstellt: 01. Nov 2006, 00:26
Hallo Klassiker,

hat seit Januar keiner mehr eine Gänsehaut und kalte Schauer beim Musikhören erlebt?

Wäre schade. Würde mich freuen wenn sich der Austausch wiederbelebte.

Als ich mein 'Betthupferl' einlegte, nicht selten diese CD, bekam ich Gänsehaut und kalte Schauer schon mit dem ersten Anschlag. Es ist meine CD für die einsame Insel! An Impuls, Feinheit, Virtuosität, Musikalität, ... einfach alles. Die Musik, die Interpretation begeistern mich immer wieder aufs Neue. Eine Herzensangelegenheit diese Empfehlung.

http://www.amazon.de...6212?ie=UTF8&s=music

Würde mich freuen Resonanz zur Aufnahme zu bekommen. Vielleicht kennt der eine oder andere Lev Vinocour und seine Hände im 3/4-Takt.

Genauso erfreut es mich von anderen Gänsehäuten zu lesen.

Schönen Abend im Walzertakt

Franz


[Beitrag von Amadé-Franz am 01. Nov 2006, 00:27 bearbeitet]
JohnD
Stammgast
#80 erstellt: 02. Nov 2006, 03:49
Na dann wollen wir doch mal..

- Ravel, Ma Mère L'Oye, der Schluß
- Bruckner 5, Finale, Reprise des Chorals
- Magnard, 3, Finale, die Steigerung des Choralthemas...
- Der Schluß von Langgaards Sphärenmusik
- Der Schluß von Monteverdis "Hor Che'l ciel"
sound67-again
Gesperrt
#81 erstellt: 02. Nov 2006, 11:24
Zuletzt Shostakovich, 13. Symphonie "Babi Yar"

Die Stelle, in der der Bass (in der deutschen Version) im I. Satz ("Babi Yar") singt:

"Muss niederknien ... werd' angeschrien ... und angespien"

Grandiose Symbiose aus Text und Musik.

Gruß, Thomas
WolfgangZ
Inventar
#82 erstellt: 05. Nov 2006, 03:18
Hallo, ihr Gänsehäutigen!

Was, glaub ich, hier noch nicht genannt wurde:

Honeggers 2. Sinfonie, wenn im drängenden Finalsatz die Trompete gegen Ende den Choral anstimmt und im Schlusstakt die Streicher abstürzen

Besten Gruß, Wolfgang
Laubandel
Ist häufiger hier
#83 erstellt: 06. Nov 2006, 12:50
Hallo zusammen,

eine "Gänsehautstelle", die mich schon als kleinen Infanten berührt hat:
Beethoven, Siebte, 1. Satz, kurz nach der Reprise des Hauptthemas; da gibt es eine kleine Holzbläserkadenz über das Hauptthema, eingeleitet von der Solooboe mit einem Skalenauftakt, der Themenachsatz wird dann von den vier Holzbläsersolisten durch Dur und Moll weitersequenziert. Gibt immer noch jedesmal Gänsehaut; eine ungemein zärtliche Stelle. Beethoven scheint da etwas ganz besonderes im Sinn gehabt zu haben, "wie durch Zufall" fängt die Stelle genau im Takt 300 an.

Zweimal Bruckner:

Die Coda im ersten Satz der Siebenten, mit der grollenden tiefen E-Pauke, etwas ganz Unwirkliches, da reiche ich später einmal einen kleinen Aphorismus nach.

Der C-Dur-Mittelteil des Gesangsthemas in der Neunten.
Da geht eine Paradieslandschaft von überirdischer Schönheit auf (die Themenanteile drumherum sind selbst schon sehr schön).

Josef Suk: Das Reifwerden (Zrání), gleich der Anfang, dann die Coda, wo er sein Wiegenlied "Komm lieber Tod, komm sachte" zitiert.

Langgaard, 4. Symphonie, die Stelle mit dem Choralzitat "Freu dich sehr, o meine Seele", die Sturmmusik und das Glockengeläut (dargestellt durch Bläser).

Grüße

laubandel
Reiner_Klang
Stammgast
#84 erstellt: 06. Nov 2006, 17:02
Noch etwas aus dem Schatz des größten aller großen Musiker:

BACH: Die Kunst der Fuge (auf der Orgel gespielt, Schluß)

Der letzte Contrapunctus bricht unvollendet mit der Tonfolge B-A-C-H ab. Pause. Dann der demütige Choralsatz "Vor deinen Thron tret' ich hiermit..." - angeblich vom erblindeten Johann Sebastian Bach wenige Tage vor seinem Tod seinem Schwiegersohn Altnikol diktiert.

An dieser Stelle steht mir erst die Gänsehaut einen Meter hoch und dann rollen die Tränen, ohne daß ich dies irgendwie beeinflussen könnte! Jedesmal und rettungslos!
Zerebralzebra
Hat sich gelöscht
#85 erstellt: 06. Nov 2006, 19:17

Reiner_Klang schrieb:
Der letzte Contrapunctus bricht unvollendet mit der Tonfolge B-A-C-H ab.

Im Radio habe ich an dieser Stelle mal etwas ganz anderes erlebt: lange Pause. Dann sagt der Moderator: "Oh, da ist wohl die CD kaputt."
Da kann man auch eine Gänsehaut kriegen.



Z.
Reiner_Klang
Stammgast
#86 erstellt: 06. Nov 2006, 19:28

Zerebralzebra schrieb:
...Dann sagt der Moderator: "Oh, da ist wohl die CD kaputt."


Normalerweise hätte man dann als nächstes einen dumpfen Schlag hören müssen, mit dem der zuständige Musikredakteur den Moderator zu Boden streckt.

Als Vorgesetzter hätte ich diesen Moderator außerdem für zwei Monate zu MTV oder VIVA strafversetzt. Ohne Bewährung!
AladdinWunderlampe
Stammgast
#87 erstellt: 07. Nov 2006, 02:35
Lieber Reiner,

ich hoffe, es hat keine negativen Auswirkungen auf Deine Gänsehaut, aber...

...die Kunst der Fuge ist von ihrer kompositorischen Faktur eher für das Cembalo als für die Orgel gedacht, wenn auch eine Aufführung auf der Orgel verhältnismäßig gut zu bewerkstelligen ist.

... die unvollständige Fuge ist von Bach möglicherweise schon 1748 niedergeschrieben worden; ob sie tatsächlich die Schlussfuge der Kunst der Fuge darstellt, oder ob noch weitere Fugen folgen sollten, steht nicht fest. Sicher ist strenggenommen nicht einmal, ob das Stück wirklich zur Kunst der Fuge gehört, denn das Hauptthema erscheint in dem überlieferten Teil nirgends; möglicherweise war es als viertes Sogetto gedacht, denn es lässt sich recht gut mit den 3 bereits eingeführten Sogetti kombinieren; ob dies aber wirklich Bachs Intention war, ist eine bloße (wenn auch recht wahrscheinliche) Vermutung.

...das Choralvorspiel Vor Deinen Thron tret' ich hiermit, BWV 668a, gehört nicht in den musikalischen Zusammenhang der Kunst der Fuge, sondern ist erst nach dem Tode Johann Sebastian Bachs von seinem Sohn Carl Philipp Emanuel in die Druckfassung eingefügt worden. Es ist auch wahrscheinlich nicht Bachs letzte Komposition, denn es stellt erstens eine erweiterte und unverzierte Fassung der kleinen Choralbearbeitung Wenn wir in höchsten Nöten sein, BWV 641, aus dem Orgelbüchlein dar, das bereits um 1715 entstanden war. Und zweitens liegt die erweiterte Version noch in einer zweiten, geringfügig abweichenden Abschrift (BWV 668) vor, so dass es so aussieht, als ob der blinde Bach kurz vor seinem Tode lediglich eine geringfügige Überarbeitung eines schon längst ausgearbeiteten Stückes vornahm.


Der Großartigkeit der Musik - die im Falle der Choralbearbeitung mit ihrer deutlichen Anlehnung an den Stil Pachelbel übrigens ein bißchen antiquiert anmutet und nicht so recht Bachs kompositorischen Stand von 1750 zu repräsentierten scheint - tut das freilich keinen Abbruch. Allerdings scheint es mir manchmal recht interessant zu sein, sich zu fragen, woher die "Gänsehaut" (wenn sie denn sein muss) eigentlich kommt: von der Musik selbst oder von den Mythen, die sich um sie ranken?


Herzliche Grüße
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 07. Nov 2006, 03:18 bearbeitet]
Reiner_Klang
Stammgast
#88 erstellt: 07. Nov 2006, 12:13
Lieber Aladdin,
ich freue mich über Deine profunden Kenntnisse der Materie. Die nackten Fakten sind mir allerdings auch bekannt. Derzeit füllt Literatur zum Thema J.S.Bach bei mir viereinhalb Regalfelder (ohne die neue MGG).

Du stellst am Schluß Deiner Ausführungen genau die richtige Frage: Warum lieben wir eine bestimmte Musik? Warum packt sie uns plötzlich ganz elementar? Für mich spielt sich das auf sehr unterschiedlichen Ebenen ab:

Es gibt erstens Musik, die mich in einer bestimmten Situation und Stimmung erfaßt, ohne daß ich irgendetwas über diese Musik wissen muß. Das ist gut und wunderschön und von jedem unmittelbar erlebbar. Hier sind wir wohl bei dem Urthema "Gänsehaut" oder "Baucherleben".

Zum zweiten gewinnt substanzreiche Musik immer stärker an Reiz und Faszination, wenn ich mehr darüber lerne und erfahre. Musikalische Architektur, Feinheiten der Instrumentierung, Entstehungsgeschichte, ggf. Textbezüge oder inhaltliche Absichten, Biographie des Komponisten etc. etc. Damit gehe ich anders an das Hören dieser Musik heran und werde entsprechend viel kritischer bezüglich unterschiedlicher Interpretationen. Hier kommt zum Bauch der Kopf.

Das Thema BACH ist bei mir zutiefst emotional besetzt. Sein Werk ist für mich - um es mit einem mathematischen Ausdruck zu bezeichnen - das globale Maximum der Musik. Zu der musikalischen Genialität kommt für mich seine in dieser Kombination ebenfalls vorher und nachher unerreichte theologische Kompetenz. Und schließlich als drittes Element meiner Verehrung ist mir J.S.Bach als Mensch unglaublich nah (ich weiß gar nicht, wie viele Biographien ich inzwischen gelesen habe, selbst besitze ich zwölf).

Zu dem von mir geschilderten Erleben mit der Kunst der Fuge gehört für mich die erwähnte Geschichte und der Choral. Ob dies musikwissenschaftlich präzise ist oder nicht, ist mir in diesem (wie in manch anderem) Zusammenhang wurscht, weil es ein stimmiges Bild schafft. Hier kommen mir Werk und Mensch nicht nur intellektuell, sondern auch emotional nahe. Neben Bach könnte ich hier noch eine ganze Reihe weiterer Beispiele nennen (Heinrich Schütz, Rudolf Mauersberger mit "Wie liegt die Stadt so wüst", Anton Bruckner, Max Reger, Hugo Distler u.v.a.)

Bei allem Wissensdrang möchte ich mir auch diese Seite des Erlebens bewahren. Oft genug wird zerlegte, analysierte und wissenschaftlich-kritisch dekonstruierte Schönheit nur noch ein Trümmerhaufen - ohne daß ich Dir diese Absicht unterstellen möchte!

Vollständig ist für mich Musikerleben nur mit beiden Elementen: "Kopf" und "Bauch". Und dazu gehören berührende Geschichten. In diesem Sinne.
AladdinWunderlampe
Stammgast
#89 erstellt: 07. Nov 2006, 12:40
Lieber Reiner,

vielen Dank für Deine sehr abgewogenen Gedanken zur Frage nach der Art und Weise, wie Musik uns "ergreifen" kann. Die einzige Erfahrung, die ich nicht unmittelbar teilen würde, ist die, das "zerlegte, analysierte und wissenschaftlich-kritisch dekonstruierte Schönheit" oftmals nur noch einen "Trümmerhaufen" der Musik übrig ließe. Ich habe im Gegenteil den Eindruck, dass Musik um so beredter wird, je genauer ich sie kenne - und zwar auch auf der Ebene des emotionalen Erlebens. Und dann macht es auch nichts, wenn sich der romantische Mythos, der möglicherweise um ein Werk gewoben ist, als Trugbild erweist - denn die Musik ist auch ohne diesen Schleier stark und intensiv genug, um sowohl mein Gefühl als auch meinen Verstand zu berühren. "Trümmerhaufen" scheinen mir dagegen nur dann von einer Musik übrig zu bleiben, wenn Ihre Aura nicht auf ihrer kompositorischen Faktur beruht, sondern nur auf der Art, wie sie biographisch, medial oder wie auch immer inszeniert wird. Und ich reagiere ein wenig empfindlich, wenn ich den Eindruck habe, man versuche mich durch solche Inszenierungen zu überreden, eine Schönheit anzuerkennen, die im Phänomen selbst nicht begründet ist. Schwache Musik wird auch durch die ergreifendste Geschichte nicht besser. Starke Musik bedarf dieser Geschichte nicht.


Herzliche Grüße
Aladdin
Reiner_Klang
Stammgast
#90 erstellt: 07. Nov 2006, 13:30

AladdinWunderlampe schrieb:
Schwache Musik wird auch durch die ergreifendste Geschichte nicht besser. Starke Musik bedarf dieser Geschichte nicht.


Lieber Aladdin, das war je eine schnelle Antwort!
Den ersten der oben von Dir zitierten Sätze kann ich sofort unterschreiben, den zweiten nur mit Einschränkung.

Völlig abwegige, konstruierte, inszenierte oder sonst von Selbstdarstellern oder Marketingexperten beigetragene Mythen sind auch für mich der Sache abträglich und dem Objekt (der betrachteten Musik) schädlich. Insofern einverstanden!

Andererseits ist selbst bei guter Datenlage unser Wissen über Leben und Umfeld von Komponisten vergangener Zeiten Stückwerk. Kleine Geschichten, die nahe an der gesicherten Datenlage bleiben, können uns meiner Meinung nach helfen, ein lebendigeres Verständnis von Mensch und Werk zu entwickeln. Es wäre beispielsweise unmöglich, einen lebendigen biographischen Film über Menschen vergangener Epochen zu drehen, ohne Dialoge zu erfinden. Das ist auch eine Art von "Nach-Schaffen", wie jede gute Interpretation der Musik. Und die Nähe dieser Nachschöpfung zur "Wahrheit" oder zur "Kernsubstanz" zeichnet den Interpreten wie den Biographen für mich aus.

Ich kann es nur wiederholen: So, wie von Dir beschrieben, bereitet mir das Wissen Freude und tieferes Verständnis und erschließt mir weitere Dimensionen einer Musik. Die illustrierende Vorstellung oder die Geschichte ordnet das Kunstwerk in einen Lebenszusammenhang ein (Bsp. die musikalische Unterschrift BACH unter den letzten Contrapunctus und das "sein-Lebenswerk-aus-der-Hand-geben-und-vor-Gott-treten" des todesnahen Bachs mit dem angefügten Choral). Mir ist das eine schöne Ergänzung, doch das mag jeder anders sehen. Man könnte hier noch einen Austausch zur Idee der "absoluten Musik" eröffnen, aber das würde diesen Thread thematisch dann völlig verlassen.

N.B. Mir ist wohlbekannt, daß meine Haltung u.U. auch den Zugang zum Werk von Künstlern erschwert, zu denen ich keine auch emotionale Nähe finden kann. Hierzu gehört vor allen andern für mich Mozart, aber auch eine Reihe lebender Komponisten, deren Begegnung und persönliches Erleben mir jede Beschäftigung mit ihrem Werk verleidet hat. An der Spitze der letzteren nenne ich nur beispielhaft Stockhausen und Pintscher.
JohnD
Stammgast
#91 erstellt: 08. Nov 2006, 05:24
Pintscher... ja den hab ich aus dem Radio als unglaublich eingebildeten Langweiler in Erinnerung. Die Musik sagte mir nicht viel.
Stockhausen ist durchgeknallt, aber seine Musik ist prima.

Die Gänsehautstellen sind wie ich meine einfach nur Klänge, die physisch wirken, was live meist viel besser rüberkommt.
Man muss die Musik nicht verstehen, um bei der Wiederkehr des Chorals in Bruckners 5. Gänsehaut zu kriegen. Das klappt immer, hab ich bei vielen Leuten schon ausprobiert.

Ganz toll übrigens auch Gabrielis "Omnes Gentes" a 16 mit McCreesh. Wenn da am Ende die Bassposaunen mit ihren tiefsten Tönen reinbraten, bleibt keine Haut ungerührt.
alidoro
Ist häufiger hier
#92 erstellt: 03. Jan 2007, 13:57
Hallo liebe Zielgruppe,

die folgenden Stellen lösen nicht nur Gänsehaut bei mir aus - mir kräuseln sich sogar die Fußnägel:

Beginn des langsamen Satzes von KV 488 (zB gespielt von Rubinstein oder Gulda)

Purcell, Dido und Äneas - der Beginn von Didos Klage über den Liebesverrat des Äneas, Übergang vom Rezitativ zur Arie "When I am laid in earth" - HIP hin, HIP her, hier gibt es nur eine Wahl: Dame Janet Baker.

Wagner, Rheingold, Einzug der Götter in Walhall, das Aufschimmern des nach dem Donnerschlag von Froh und Donner erschaffenen Regenbogens (in der Solti Aufnahme kracht der Donner bei Weitem am lautesten , umso schöner der Regenbogen-Effekt)

Mahler, 2. Sinfonie - eine permanente Gänsehauterfahrung in Live-Konzerten, insbesondere im Finale - die gelungenste Aufführung habe ich in Köln mit dem Boston SO unter Ozawa erlebt, seitdem höre ich das Stück kaum noch auf CD, da selbst die beste Aufnahme nicht annähernd den Klangrausch und das emotionale Wechselbad des Live-Erlebnisses ersetzen kann. Ich lasse keine für mich erreichbare Aufführung aus.

Cheers,

Alidoro
swjatoslaw
Hat sich gelöscht
#93 erstellt: 15. Jan 2007, 13:18
Wie es alidoro in Bezug auf die 2. Mahler geschrieben hat, fallen auch mir beim Kramen in der Erinnerung nach eigenen Gänsehauterfahrungen mit Musik vor allem Live-Erlebnisse ein. Das erste Vladimir Horowitz-Konzert, das ich erlebt habe, am 11. Mai 1986 in der Hamburger Musikhalle (ich habe ihn dann später noch in Frankfurt gesehen sowie sein allerletztes Konzert besuchen dürfen, ebenfalls in Hamburg). Er spielte zu Beginn die Sonate h-moll L. 33 von Domenico Scarlatti - und das war wirklich Gänsehaut pur. Ich habe es einfach nicht fassen können, wie man solch einen Ton, solch einen Gesang dem Klavier entlocken kann. Bis dahin habe ich zwar alles angehäuft, was ich an Schallplattenaufnahmen von Horowitz bekommen konnte, und mich sehr intensiv mit seinem Spiel auseinandergesetzt (obwohl nicht Horowitz, sondern Swjatoslaw Richter mein Lieblingspianist ist, aber das ist ein anderes Thema). Doch den Horowitz-Ton live hören zu können, schlug alles andere. Und deswegen fällt mir zum Thema Gänsehaut auch noch einmal Horowitz ein: als er sein zweites Konzert in Hamburg am 21. Juni 1987 gab, wusste man natürlich noch nicht, dass er das letzte Mal in seinem Leben öffentlich spielte. Aber das Verklingen der letzten Zugabe (ein Moszkowski-Bravourstück) war ebenfalls so ein Gänsehautmoment, in dem man es fast hätte ahnen können. Dieses Spiel war so einmalig, dass danach eigentlich nichts mehr kommen konnte.

Als junger Bursche habe ich mich mit der Unbefangenheit, die man vielleicht nur als 14-jähriger hat, einfach mal vormittags in die Hamburger Musikhalle begeben und mich, nachdem ich durch den Künstlereingang geschlichen bin, in den Saal gesetzt. Ich wollte mal sehen, was da tagsüber so läuft. Und ohne dass ich auch nur eine Spur von Ahnung hatte, dass sie in der Stadt ist, erlebte ich dort eine Probe des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg mit Aldo Ceccato am Pult und - Martha Argerich am Klavier! Sie probten das 3. Klavierkonzert von Prokofiew. Das war ein Klangrausch, wie ich ihn nicht für möglich gehalten hätte. Und es war, als spielten sie nur für mich! Denn ich war der einzige Zuhörer im Saal und wurde zum Glück auch nicht weggeschickt.

Ein weiteres Gänsehauterlebnis: ebenfalls als Zaunkönig mitzulauschen, wie Jewgenij Kissin sich damals beim Schleswig Holstein Musik Festival in Lübeck vor dem Konzert einspielte. Es drang phänomenales Klavierspiel durch die geschlossenen Saaltüren (ich war etwa zwei Stunden vor dem Konzert da) und irgendwie gelang es mir, in den Saal zu kommen.

Aber da dieser Thread ja vor allem Gänsehautstellen behandelt (nicht Gänsehauterlebnisse), möchte ich mit einer solchen schließen: der Einsatz des Klaviers im zweiten Satz des Klavierkonzerts fis-moll op. 20 von Alexander Scriabin nach der etwa 1 1/2 Minuten langen Orchestereinleitung. Zu empfehlen etwa in der Einspielung Ashkenazy/Maazel (Decca) oder Ugorski/Boulez (DG). Ich habe es, als ich diese Zeilen schrieb, noch einmal ausprobiert. Obwohl ich diesen langsamen Satz in- und auswendig kenne, war sie wieder da: die Gänsehaut...

Herzliche Grüße,
Joachim aus Hamburg
babelizer
Stammgast
#94 erstellt: 15. Jan 2007, 18:26
Also bei mir und das hält sich jetzt schon seit Jahren, kommt das perfekte Gänsehautfeeling beim Klavierkonzert No. 2 von Rachmaninoff auf wenn Martha Argerich in die Tasten haut .... einfach zu schön für diese Welt

Gruß
Torsten
daniel5993
Hat sich gelöscht
#95 erstellt: 15. Jan 2007, 20:10
Hallo!!!!

Mein absolutes "Gänsehauterlebnis" bekomme ich bei der
----------39 Symphonie--- 2.Satz----(KV 543)---Mozart--------

So was wirklich "abgefahrenes" Geniales finde ich nirgentwo anders!!!

Der Geniale Melodienreichtum mit dem Mozart immer wieder aus dem unendlichen Stillen zuschlägt. (besonders in diesem zweiten Satz)

Da kann man nur Danke sagen, für dieses geniale Schaffen unseres "Herrn" Mozart!

daniel
Gantz_Graf
Hat sich gelöscht
#96 erstellt: 17. Jan 2007, 23:17
Erwähnte ich Bruckner 8, das Finale? Das muß doch jedem Bruckner-Freund nahe gehen. Ich bin schlecht im Beschreiben der Musik, mangels Fachterminologie.

Dort, so etwa 3 Minuten vor der Generalpause, wo die Violinen ansteigend Spannung aufbauen, dann die Pauken wuchtig einsetzen, dann eben die Generalpause mit folgenden unglaublichen Aufbau und den düsteren, leisen Pauken, einzig dafür lohnt es sich schon zu leben
Wer zufällig Günter Wand/BPO hat: ich meine ab 19:30. Da kann ihm nur der Herrgott die Hand geführt haben.

Ein kleines Aber: Bruckner bricht für meinen Geschmack hier leider zu schnell die Spannung und Stimmung ab, er hätte das Finale besser ausschmücken können.


[Beitrag von Gantz_Graf am 17. Jan 2007, 23:21 bearbeitet]
WolfgangZ
Inventar
#97 erstellt: 18. Jan 2007, 20:34
Hallo, Daniel!

Der zweite Satz der Es-Dur-Sinfonie! Ja, das kann ich gut nachvollziehen!

Bei Mozart sind es manchmal abrupte Tonartrückungen, die mich fasziniereren. Ein ganz spezifisches Beispiel:

Das Klavierkonzert in G, KV 453, der zweite Satz: Ein markantes fünftaktiges Thema, das aufgrund der Melodieführung zwischen C und G schillert und auch auf diesem Ton endet, von den Streichern vorgetragen, endet mit einer Generalpause; es folgen Gegenbewegungen und Figurationen in den Bläsern oder im Klavier, vielfach in moll, das Thema wird mehrmals wiederholt. Am meisten packt mich immer, wenn nach einer dieser Wiederholungen etwa in der Mitte des zehnminütigen Satzes nach der Fermatenpause das Klavier kraftvoll in Es-Dur einsetzt, also recht weit weg von den Ausgangstonarten C bzw G, aber im Terzabstand, also nicht trüb oder exotisch, wenn noch weiter entfernt (was für Mozart noch nicht typisch wäre, eher für Beethoven oder Schubert), sondern festlich. Genial!

Gruß, Wolfgang
daniel5993
Hat sich gelöscht
#98 erstellt: 18. Jan 2007, 20:47
Hallo WolfgangZ!

Ist gut zu hören, das es auch hier noch Leute gibt, die von Mozart's Musik fasziniert sind!

Ich habe hier das Gefühl, dass in diesem Forum alle Komponisten durchgekaut werden, aber einer der genialsten, scheint hier kaum jemanden zu interessieren.

Kann ja sein das ich mich Irre, aber das ist hier mein Eindruck!

Gruß
daniel
Kreisler_jun.
Inventar
#99 erstellt: 18. Jan 2007, 23:17
Mit dem Mittelsatz des G-Dur-Konzerts gehe ich völlig d'accord (ich glaube auch, ich weiß, welche Stelle Du meinst).
Eine weitere Lieblingsstelle ist im Seitenthema im Hauptsatz der Prager Sinfonie, wenn dieses Motiv wehmütig zwischen Moll und Dur changiert.
Und im d-moll (oder doch c-moll?)Klavierkonzert die eigentlich völlig übliche Wiederkehr eines Nebenthemas in der Reprise in Moll, die aber derart erschütternd wirkt, als sei nun jegliche Hoffnung dahin.

Und natürlich "Contessa, perdono" und die Mittelsätze im Klarinettenkonzert und KV 595 u.v.a.



JK jr.
Gantz_Graf
Hat sich gelöscht
#100 erstellt: 04. Nov 2007, 10:45
Ralph Vaughan Williams
Fantasia on a theme by Thomas Tallis


Das Hauptthema, das am Anfang durch das Orchesta gespielt wird, ist schon toll.

Aber so 2-3 Minuten vor Schluß wird das Hauptthema durch ein Violinensolo (unterstützt durch ein paar Nebenstimmen) intoniert: Einfach nur unglaublich ergreifend. Auf der ewigen Suche nach Gold habe ich hier Diamanten gefunden.

Hier eine Analyse des Werks: http://www.agentsmith.com/rvw/guides/tfguide.html


[Beitrag von Gantz_Graf am 04. Nov 2007, 11:07 bearbeitet]
Kings.Singer
Inventar
#101 erstellt: 04. Nov 2007, 17:25
Hatte ich zwar an anderer Stelle schon einmal erwähnt aber der Vollständigkeit halber nenne ich sie auch hier:

Antonin Dvorak - Requiem
Die a capella Stellen des vierstimmigen Männerchores im ersten Teil des Requiems. Für sich gesehen haben sie schon einen gewissen Gänsehautfaktor, aber wenn man sie jeweils im Zusammenhang hört, sind sie noch eindrucksvoller.


Und was mir gerade noch einfällt:

Sergei Rachmaninoff - Großes Morgen- und Abendlob
Zum Beispiel am Beginn der Nummer zwei singt der tiefe Bass des Männerchores in Begleitung des Alt-Solos einen Ton, den ich bisher als tiefer als das Große C ausmachen konnte (Kontra B oder Kontra H?). Je nach Chor und Aufnahmebedingungen mehr oder weniger hörbar.
Aber wenn laut genug kann ich mich daran nicht satt hören.


Viele Grüße,
Alex.


--- EDIT ---

Wo ich in dem Thread gerade mehrfach Anton Bruckner und Pauken lese...

Anton Bruckner - Messe in f-moll
Die Auferstehung im Credo ist absolut ungeschlagen. So eine Inszenierung der Auferstehung habe ich noch nie gehört. Da haben wir im Voraus die Unterstimmen des Chores, die Jesus vom C bis zum As in das Reich der Toten hinabsteigen lassen. Dann in ganz zarter Manier und ohne weitere Begleitung die Posaunen, die seit jeher für Tode, Tage des ewigen Gerichts etc. verantwortlich sind in einer viertaktigen Phrase und dann absolute Stille.
Nach der Generalpause geht es im Allegro weiter, die Pauken grollen (auf E) und dann setzen alle zwei Takte die Instrumentengruppen des Orchesters in ihrer Lage von unten nach oben ein (16tel im Allegro mit Oktavsprüngen usw. - das Grollen wird immer stärker). Zuletzt der Chor achtstimmig in hoher Lage (Sopran 1 z.B. auf Gis'') - "et resurrexit".

Das nenne ich mal eine Auferstehung!


[Beitrag von Kings.Singer am 04. Nov 2007, 17:38 bearbeitet]
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