Prinzipielle Frage - Faltung

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Joe_Fender
Stammgast
#1 erstellt: 24. Feb 2011, 13:40
Hallo!
Ich spinne gerade an dem Gedanken eines Transmissionline-Subwoofers.
Der Lautsprecher liegt vor, also habe ich die Länge der Line nach der üblichen Formel (für ein Viertel der Wellenlänge) berechnet und möchte die Line einmal falten.
An dieser Stelle wirf sich mir folgende Frage auf:
Wenn ich die Line einfach einmal falte, die halbe Länge der Line "vorne" die zweite Hälfte dahinter, so kommt "im Knick" noch eine gewisse Länge hinzu!
In einem Fall sind das bei 194cm Linelänge knapp 30cm!
Deswegen frage ich mich, WO misst man die Line- (Horn-,...)Länge?
In der Mitte der Line? An der äußersten Linie, an der innersten?
Und wie dimensioniert man die Knicke dann?
Ich hoffe es ist klar was ich meine, wenn nicht kann ich ja ne Skizze hinzufügen um das zu verdeutlichen...
Grüße
Joe
Square_1
Ist häufiger hier
#2 erstellt: 24. Feb 2011, 17:17
Glaube immer in der Mitte! Alles andere macht eigentlich keinen Sinn...


LG
richi44
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 24. Feb 2011, 17:42
Kann sein, dass meine Antwort etwas "exotisch" klingt, aber es hängt damit zusammen.
Wenn Du Musikinstrumente betrachtest, so gibt es z.B. das Alphorn, das aus einem langen dünnen Rohr besteht. Dass es am Ente trichetrartig aufgeweitet ist lassen wir mal beiseite. Andererseits gibt es relativ dicke Röhren, wie sie in der Pfeifenorgel im Bass verwendet werden.
Das Alphorn muss ohne irgendwelche Klappen verschieden hohe Töne wiedergeben können, die Orgelpfeife einen möglichst reinen Basston. Das bedeutet, dass das Verhältnis von Länge zu Durchmesser das Instrument befähigt, neben dem eigentlichen Grundton auch höhere Frequenzen wiederzugeben. Je nach Lippenspannung kann der Alphornbläser verschiedene Töne anspielen.

Wenn Du jetzt eine TML mit geringem Durchmesser bauen würdest, würde das Ding genau wie das Alphorn neben der Grundfrequenz eine Vielzahl von Oberwellen produzieren. Dies verstärkt die Welligkeit des Frequenzgangs. Ist der Durchmesser grösser, wird der hohe Frequenzanteil geringer und damit nimmt die Welligkeit im Mitteltonbereich deutlich ab. Es ist aber nicht nur der Durchmesser, welcher einen Einfluss auf die Sauberkeit des Mitteltonbereichs hat, sondern auch die Faltung. Einfach mal angenommen, die Länge wäre 2m, so ergäbe dies (ohne Verlängerung gerechnet) eine Wellenlänge von 8m, was einer Frequenz von 42,5Hz entspricht. Hast Du nun eine Faltung genau bei 1m, so entsteht neben der eigentlichen Wellenlänge von 8m auch eine Resonanz bei 4m oder 85Hz. Die Box wird Dir also einerseits den Bass schön bringen, wie Du es möchtest, aber sie wird Dir die Oktav des Basses "aufplustern".

Konkret hast Du eine Resonanz bei 42,5Hz und eine bei 85Hz. Diese Resonanzen sind dann dominant, wenn der Rohrquerschnitt relativ gross ist. Bei einem geringeren Rohrquerschnitt entstehen viele weitere Resonanzen bis hinauf zu (Mehrfache von 42,5Hz in unserem Beispiel) 255Hz.
Wenn Du die Faltung nicht genau auf die Hälfte legst, sondern die Längen ungleich verteilst, so entstehen neben der Grundresonanz (hier 2m = 42,5Hz) z.B. noch 76.5Hz und 93,5Hz. Diese beiden Resonanzen sind nicht mehr so dominant, weil sie immer nur von einem Rohrstück gebildet werden und das andere, falsch abgestimmte die Resonanz bedämpft. Bei dieser Bemessung wird vermutlich auch die Grundresonanz etwas weniger deutlich ausfallen und damit die Bassunterstützung der TML etwas geringer sein, aber der Klang wird ausgeglichener.

Jetzt zu Deiner eigentlichen Frage: Bei einem dünnen Rohr wäre es logisch, dass die Länge in der Mitte gerechnet würde, weil es keinen grossen Unterschied ergibt. Damit wird die Resonanz deutlich und schmal. Bei einem dicken Rohr kann man tatsächlich aussen oder innen messen und rechnen. Und das ergibt dann nicht eine scharfe Resonanzspitze, sondern eine flache Überhöhung.

Soweit kann man also das TML-Gehäuse mit dem Instrumentenbau vergleichen.
Nun soll aber eine Box nicht "klingen" sondern sich möglichst neutral verhalten, denn klingen soll die Musik und nicht die Kiste. Aber wie Du siehst spielt die ganze Dimensionierung eine Rolle. Je nach Abmessungen bekommst Du eine Basspfeife einer Orgel oder ein Alphorn oder ein Fagott oder einen Gartenschlauch. Und je nach Faltung ergeben sich neue Resonanzen, die möglicherweise erst etwas verzögert anschwingen und das Einschwingverhalten der Box hörbar verändern. Und dann spielt es noch eine Rolle, wie und wo und womit und wie stark Du die TML bedämpfst.

Konkret: Was bei einer geschlossenen Box zu erwarten ist, lässt sich leicht berechnen und abschätzen. Was bei einer Bassreflex passiert ist mit einem Programm und etwas Erfahrung behandelbar. Was aber bei einem Horn abgeht ist schon recht komplex und die Ansichten gehen da schon weit auseinander. Und bei einer TML ist mit den meisten Programmen Schluss. Die gehen von bestimmten Annahmen aus und vernachlässigen andere Punkte. Ob das berechnete Ergebnis dann dem entspricht was man erwartet ist mehr Zufall als Können und Wissen.
Es ist interessant, eine TML zu bauen. Aber das Ergebnis ist höchst ungewiss. Nur schon der Einsatz von 1 oder 2 Tieftönern oder die Veränderung der Faltung oder der Mensur (Rohrweite) oder der Bedämpfung hat sehr grossen Einfluss auf das Resultat. Und letztlich spielt bei so einem Konstrukt der Strahlungswiderstand eine Rolle und der ist je nach Aufstellung unterschiedlich.

Ich will Dir nicht den Mut nehmen, aber Dich vorwarnen. Wenn Du Zeit und Holz hast, kannst Du Dir eine Super Kiste bauen. Aber bis dahin wirst Du viel Zeit mit Säge und Leim verbringen und mehr Fehlkonstruktionen auf die Welt bringen als wirklich grosse Würfe.
Joe_Fender
Stammgast
#4 erstellt: 24. Feb 2011, 22:21
Hi!
Danke für die schnelle, lange und ausführliche Antwort!
Scheinbar hab ich "den Nerv" getroffen, das ist immer schön :-)

Mit Orgelpfeifen hab ich mich schon befasst und der Art und Weise wie (und den Gründen warum welche) Obertöne erzeugt werden!
Die Sache mit den Knicken und den daraus entstehenden Resonanzen war mir auch klar, aber du hast es sehr präzise erklärt, wieder was dazu gelernt :-)

Um genau zu sein geht´s mir einfach darum dass mir nicht ganz klar war an welcher "Linie" ich messen soll, sprich wie stark sich der Knick auf die Verlägerung oder Verkürzung der Line auswirkt.

Dass es verdammt schwierig und langwierig ist eine TML zu bauen hab´ ich schon das eine oder andere mal gehört :-)
Aber erstens ist das mehr ein Projekt um den Lautsprecher zu verbauen (er ist nicht einmal von allzuhoher Qualität) und der Sub wäre auch nicht für meine "Hauptanlage" (nicht dass ich so viele hätte) sondern für einen Raum im Keller, es wäre also ein "Spaßprojek", von dem ich mir erwarte ein bisschen etwas über TMLs zu lernen.
Experimentieren würde ich eher mit der Bedämpfung als mit dem Gehäuse an sich, einfach wegen der Aufwendigkeit, wie du selbst sagtest!

Danke noch mal für die, sry, geile Antwort :-)
Grüße!
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