Test: RP HJE 50 – verkehrt oder verkannt?

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The_figurehead
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 03. Mrz 2006, 12:39
Wenngleich der Panasonic RP HJE 50 hierzulande eher ein Exot ist, rauscht er gelegentlich doch durch den deutschen Blätter- und Forenwald. Beurteilt wird er dabei mehr schlecht als recht. Im englischsprachigen Raum gibt es aber einige Stimmen, die vermuten lassen, dass der RP mehr Potenzial bereithalten könnte, als woanders erkannt wurde. Da ich für unterwegs einen Ohrhörer brauchte, der mich mehr als Earbuds von der Umwelt abschotten sollte und einige Einschätzungen anderer User recht vielversprechend klangen, fühlte ich mich animiert, dem RP mal auf den Zahn zu fühlen.

Der RP HJE 50 ist mit 16 Ohm keine besonders kompliziert zu treibende Last, spielt jedoch aufgrund einer relativ normalen Empfindlichkeit nicht unbedingt lauter als gewöhnlich 32-Hörer. Frisch aus der Box klingt der RP an einem guten Quellgerät halbwegs manierlich: spritzig, detailliert, das Klanggeschehen ist sehr gut losgelöst von den Membranen. Die Höhen sind prägnant aber nicht giftig, die Mitten schlank aber nicht blutleer. Einzig der Bass ist tendenziell zu dünn. Schon in diesem Zustand zeigt sich, wie wichtig beim RP ein korrekter Sitz ist: Dichten die Silikonaufsätze nicht richtig ab oder, was sich genauso verheerend auswirkt, sitzt der RP nicht tief genug im Ohr, wird die im Übrigen auch später schlanke Basswiedergabe zu einem Desaster.

Nach der kurzen Prüfung des RP macht er zunächst 30 Stunden lang Bekanntschaft mit meiner XLO Burn in-CD. Seine Performance nach dieser Behandlung ist schon eindeutig anders als im uneingespielten Zustand, aber es dauert noch gut weitere 50 bis 70 Stunden, bis der RP aus seinem Dornröschenschlaf vollends erwacht.

Zwei Dinge fallen am RP sofort auf: Da ist zum einen der nicht bis in die untersten Oktaven reichende aber dafür unheimlich aufgeräumt wirkende Bass. Tieftonfreaks wird die gebotene Leistung unter Garantie nicht ausreichen. Präzisionsfanatiker wie ich hingegen freuen sich, dass Bässe als Töne und nicht als Geräusche dargestellt werden.
Zum anderen ist da diese für einen 30-Euro Ohrhörer ungeheure Transparenz des Klangbildes, was ich persönlich gar nicht hoch genug anrechnen kann. Die Instrumente haben Luft, der Klang verbackt nicht zu einem flächigen Gebilde, sondern atmet. Bei guten Aufnahmen lassen sich Instrumente und Instrumentgruppen sehr gut voneinander separieren, wobei sogar die Abbildung einer räumlichen Tiefe gelingt. Raumeffekte verpuffen daher nicht, sondern entfalten durchaus ihre Wirkung. Der RP agiert beeindruckend leichtfüßig und locker. Erleichtert wird ihm dies dadurch, das er eben keine überflüssigen Pfunde im Tief-, Grund- und Mitteltonbereich mit sich herumschleppt. Da dieser Leichtigkeit in den unteren und mittleren Frequenzbereichen ein sauberer, klarer, ausgedehnter aber nicht überzeichneter Hochtonbereich gegenübersteht, klingt der RP insgesamt gesehen analytisch im besten Sinne. In Bezug auf die Durchhörbarkeit von Aufnahmen geht auch meinem leicht modifizierten Koss PortaPro die Puste aus. Er langt zwar tiefer in den Oktavkeller hinein, doch die Leichtigkeit und Luftigkeit des RP erreicht er zu keinem Zeitpunkt und bei keiner Aufnahme (unmodifiziert schneidet er in diesem Bereich noch schlechter ab, allerdings ist mein Koss mittlerweile gut zehn Jahre alt und klingt möglicherweise anders als ein Koss jüngeren Datums).

Die Qualität unterschiedlicher Quellen auszuloten, fällt dem RP recht leicht. So ließ sich in meinem Test der klangliche Unterschied zwischen einem Creative MuVo TX und einem JVC XL-P63 problemlos heraushören.

Einen Nachteil hat die Abstimmung des RP natürlich: Anders als der Koss hat er bei klapprigen Aufnahmen und schmalbrüstigen Wiedergabegeräten nichts zuzusetzen. Der Panasonic ist also auf gutes Futter und einen guten Lieferanten angewiesen, um wirklich Freude zu verbreiten, während der Koss fast immer irgendwie ganz nett klingt und Fehler der restlichen Kette besser kaschiert. Der RP ist hier schonungsloser.

Alle Klangeindrücke wurden übrigens mit linear betriebenen Quellgeräten ermittelt. Zum einen halte ich nicht viel von nachträglichen Manipulationen, zum anderen kann ich den Klang eines Gerätes nicht wirklich beurteilen, wenn ich zunächst am Klang herum biege.

Da dies mein erster In Ear-Hörer ist, kann ich bezüglich des Tragekomforts keine Vergleiche ziehen. Für sich betrachtet trägt sich der RP sehr angenehm. Ich verwende das kleinste Polster. Zwar passt auch das größte Polster in mein Gehörkanal, aber der Hörer sitzt dann minimal weniger tief im Ohr als mit dem kleinsten Poster, was sich wie oben erwähnt deutlich auf die Basswiedergabe auswirkt. Mit der Kabelführung der rechten Seite hinter dem Nacken habe ich keine Probleme. Im Alltag finde das praktischer als die Y-Führung. Unter audiophilen Gesichtspunkten wäre die Y-Führung natürlich vorzuziehen (gleich langer Signalweg auf beiden Seiten).

Die Abschottung von der Außenwelt ist beim RP ganz passabel. Man ist akustisch nicht vollständig von der Umgebung abgeschnitten, andererseits treten auch lautere Geräusche gegenüber der Musikwiedergabe nie in den Vordergrund. Akzeptabel ist die Übertragung von Bewegungsgeräuschen über das Kabel. Leichte Scheuergeräusche, die beim Gehen entstehen, werden nicht übertragen. Generell gilt: Je näher am Ohrhörergehäuse die Einwirkung von außen auf dem Kabel wirkt, desto deutlich ist der Mikrofonieeffekt.

Fazit: Der RP ist ein hervorragend leicht aufspielender Ohrhörer. Ganz wichtig bei diesem Ohrhörer ist, dass er wie alle In Ear-Designs richtig sitzt (d.h. richtig abdichtet und tief genug sitzt) und zusätzlich eingespielt ist. Beides wirkt sich hörbar auf den Klang aus. Zu bedenken ist bei all dem, dass es hier um einen 30 Euro-Hörer geht. Er stößt keine vielfach teureren Boliden vom Thron, leistet aber für seine Preisklasse erstaunlich viel.
Ob der RP 50 der KSC unter den In Ears ist, wie einige User bei head-fi äußern (Äußerungen übrigens, auf die ich erst nach Ende meines Tests stieß) , vermag ich nicht zu beurteilen, da ich den KSC klanglich nicht kenne. Klar für mich ist allerdings, dass der RP vor meinem alten PortaPro keine Angst haben muss. Klar ist aber auch, dass beide tonal ganz andere Ansprüche beim Hörer abdecken wollen. Insofern bin ich mit einer Einschätzung „besser oder schlechter“ vorsichtig. Das ist in meinen Augen eher eine Geschmacksfrage. Aber immerhin: es ist eine Geschmacksfrage.

Eines noch zum Abschluss: Speziell bei allen Hörern, die man sich in das Ohr hängt oder steckt, spielt die Anatomie des Ohres und des Ohrkanals eine wichtige Rolle bezüglich der erlebbaren Klangqualität. Heißt: Was bei mir gut klingt, kann sich bei einem anderen schlecht anhören. Ist leider so. Erst bei ohraufliegenden oder ohrumschließenden Hörern wirken sich anatomische Unterschiede nicht mehr so gravierend aus. Das sollte man bei Klangbeurteilungen anderer immer im Hinterkopf haben.


[Beitrag von The_figurehead am 03. Mrz 2006, 14:49 bearbeitet]
m00hk00h
Inventar
#2 erstellt: 03. Mrz 2006, 14:04
...klingt für mich sehr nach EP630.
Auch wenn ich ihn nie gehört habe, treffen deine Beschreibungen doch ziemlich exakt auch auf den Creative zu.

Aber danke, dass du deine Gedanken mit uns teilst und das review so schön ausformuliert hast. Die Zeit nehmen sich leider viel zu wenige.

Ach ja und was das "Hinter-Dem-Nacken"-Kabel angeht, spielt das längere Kabel quasie keine Rolle für den Sound.
Denn der Signalträger ist die Spannung, nicht der Strom. Und elektrische Felder breiten sich mit Lichtegeschwindigkeit aus, daher sollte das minimal längere Kabel keine so starke verzögerung haben, dass man das bemerkt, geschweige denn überhaupt messen könnte so ohne weiteres. Nur als Anmerkung meinerseits. Wer weiterhn nur auf Y-Kabel setzt, wird hiermit keines Falls verurteilt.

m00h
The_figurehead
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 03. Mrz 2006, 14:59
Wobei ich dennoch schätze, dass der Creative im Bass etwas kräftiger sein wird. Aber: So findet jeder den zu ihm passenden Hörer. Was auch gut ist.

Die Problematik mit den unterschiedlich langen Signalwegen ist wohl auch eher eine emotional-irrationale Betrachtung. Knallharte High Ender werden einen solchen Aufbau dennoch scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Ich habe den Weg bis zum High Ender nie ganz geschafft. Hat manchmal auch Vorteile
-resu-
Inventar
#4 erstellt: 03. Mrz 2006, 15:06

The_figurehead schrieb:
Knallharte High Ender werden einen solchen Aufbau dennoch scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Ich habe den Weg bis zum High Ender nie ganz geschafft. Hat manchmal auch Vorteile :)


Hi,
ich scheue "Teufel" nicht - schaue mich in den letzten Tagen schon immer bei Ihm um (www.teufel.de)

So´n Theater 10 + 2. Sub + Onkyo-Reciever ... das wär schon was

To Topic: Hier habe ich nichts zu zu sagen ^^

Gruss
Frank
The_figurehead
Hat sich gelöscht
#5 erstellt: 10. Mrz 2006, 13:30
Der RP hat nach einigen weiteren Betriebsstunden nochmal ein wenig nachgelegt. Der Bass ist noch etwas kräftiger geworden, ohne dabei an Kontur zu verlieren. Die gesamte Artikulation ist noch etwas feiner. Beispiele: Bei Klassikaufnahmen werden bei kleinen Besetzungen beispielsweise Atemgeräusche der Akteure oder Klappengeräusche von Instrumenten problemlos hörbar. Bei gut eingefangenen Orgelkonzerten kann man die Pedal- und Registerarbeit des Organisten hören. Bei einer anderen Aufnahme kann man feststellen, dass eine der Orgelpfeifen nicht ganz in Ordnung ist. Sie produziert durch einen unsauberen Luftabriss ein schepperndes Geräusch. Bei einigen Orchesternaufnahmen kann man sehr schön die entstehende "Unruhe" kurz vor einer Tutti-Passage vernehmen. Soloinstrumente sind deutlich vor dem Orchester platziert und es besteht keine Unklarheit darüber, wer wo sitzt. Dabei bleibt allen Instrumenten und Instrumentengruppen genügend Luft, so dass tatsächlich ein Orchester entsteht und kein kompakter, breiiger Klangkörper. Die Reihe ließe sich jetzt endlos fortsetzen. Kurz: Der Detailreichtum ist schlicht enorm, gepaart mit einem schlanken, sehr sauberen Grundton und einem präzisen, sehr konturierten Bass. Dass sich derartige Feinarbeit auch bei anderen Musikstilen auszahlt, liegt auf der Hand. Mäßige Aufnahmen, die bei Rock, Pop, Metal, Techno etc. ppp auch zu meinem Leidwesen eher häufig als selten vertreten sind, klingen über den RP aber weiterhin mäßig, aber das ist es, was ich möchte: Hören, was bei der Aufnahme eingefangen wurde und bei guten Aufnahmen diese soghafte Spannung erleben; dieses Hineinhören in das Klanggeschehen und damit in guten Momenten die Inbrunst der Akteure beim Spielen miterleben; emotional eingefangen werden, so dass am Ende die Füße im Takt mitwippen. Das ist es, was gute, luftig klingende Analytiker zu leisten vermögen. Das macht auch Spass, aber eben ganz anders als beispielsweise ein (modifizierter) Koss PortaPro oder andere saftig klingende Hörer.
Ungeachtet der Existenz eines CX 300 oder EP-630 würde ich nach meinen jetzigen Erfahrungen jederzeit wieder zum RP greifen. Doch nochmals als Hinweis: Sitzt der RP nicht richtig, findet all das Beschriebene nicht statt. Aber das ist der Haken aller In Ears.


[Beitrag von The_figurehead am 10. Mrz 2006, 14:01 bearbeitet]
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