Vivaldi: ein Konzert 500 mal geschrieben?

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Csasis
Neuling
#1 erstellt: 03. Dez 2005, 20:43
Hi Leute,
Ich wollte fragen, wie ihr über die Aussage Stravinskys denkt, dass "Vivaldi ein Konzert 500mal komponiert hat"?
Insofern hatte Vivaldi wirklich einen sehr individuellen Stil, besonders bei seinen frühen Werken (Seine späten unterscheiden sich schon von den frühen, ja.).
Trotzdem würde ich gerne wissen, was ihr davon haltet.
Ist euch Vivaldi teilweise zu ideenlos?
Speziell den Geigern unter euch, die merken ja besonders wenn sie immer wieder dieselben Läufe etc in den Konzerten spielen...
embe
Stammgast
#2 erstellt: 04. Dez 2005, 02:20
Hallo Csasis,
welche Konzerte Strawinsky damals gesehen oder gehört hat
weisst du nicht

Bei Vivaldi kommt es auf die Sichtweise an und ob man diese
Musik mag.
Zufällig mag ich sie
Und wenn ein fähiges Ensemble Vivaldi spielt gibts immer wieder was zum Staunen.
Strawinski hat wohl auch nie ein Originalklang Ensemble von heute gehört, ich denke er täte jetzt seine Meinung revidieren.
Hör dir mal den Vivaldi, sagen wir mal von I Musici aus den 60 igern an und vergleiche mit Carmignola und Marcon...
da sind Welten dazwischen.
Aber ob ich mir ne Gesamtaufnahme zulegen würde?
Wahrscheinkich nicht...da müsste ich ja monatelang Vivaldi hören und es gibt ja noch soviele andere gute Barockkomponisten....da reicht ein Leben nicht aus...

Sagenumwobener, fast verschwundener Thomas meinte aber einst
Vivaldi sei Kinderkram....


Gruß
embe
Hüb'
Moderator
#3 erstellt: 04. Dez 2005, 11:55
Moin!

Ganz verschwunden ist Thomas (aka Sound76) ja nicht. Er schreibt jetzt unter einem sehr ähnlichen Namen ausschließlich im Hifi-Bereich unseres Forums.

Grüße

Frank
Kreisler_jun.
Inventar
#4 erstellt: 04. Dez 2005, 13:12
Man sollte sich vielleicht nicht auf Stravinsky, sondern auf den Zeitgenossen JS Bach verlassen, der Vivaldi hinreichend schätzte, um seine Musik zu bearbeiten und als Vorbild für den eigenen Konzertstil zu nehmen. Gewiß sind nicht alle hunderte von Konzerten gleichermaßen gut (ich kenne natürlich auch nur ein paar), aber bereits das außerordentlich abwechslungsreiche op.3 straft die Aussage Lügen. Ich stimme zu, dass man besser zu neueren historisch orientierten Aufnahmen (Biondi, Alessandrini, Carmignola, Giardino Armonico usw.) greifen sollte.

viele grüße

JK jr.
Martin2
Inventar
#5 erstellt: 04. Dez 2005, 14:23
Also ich muß sagen, bei der wirklichen Unmenge großartiger klassischer Musik, die es nun mal gibt, ist bei mir der Vivaldi ziemlich unter die Räder geraten. Händel, Bach und Purcell finde ich nun mal interessanter. Von Monteverdi, der allerdings viel früher gelebt hat, würde ich auch gerne mehr kennen.

Habe allerdings ein paar Vivaldischeiben ( ziemlich billige und vermutlich auch nicht überragende). Müßte ich mal wieder hören.

Ich gebe auch zu, ich habe ein paar Vorurteile gegenüber Vivaldi. Der Kult, der um die "Vier Jahreszeiten" getrieben wird ( mein Gott, das dürften inzwischen die meist eingespielten Stücke der klassischen Musik überhaupt sein) nervt mich.

Ich gebe zu, ich habe mich auch schon mal zu einer herablassenden Bemerkung über Vivaldi hinreißen lassen. Inzwischen wäre ich da vorsichtiger. Und vielleicht liegt es ja auch an den Interpretationen, daß Vivaldi bei mir noch nicht so recht gezündet hat. Womit ich sagen will, daß Vivaldi eben ganz nett zu hören ist, ohne daß man ihn ganz ernst nimmt. Vivaldi ist eben auch enorm zugänglich. Händel finde ich beim ersten Hören oft langweilig - um mich für die Musik dann beim zweiten, dritten oder sogar nochmaligem Hören doch für ihn begeistern zu können. Dieses Phänomen kenne ich von Vivaldi nicht.

Ich glaube für die meisten Leute ist Vivaldi so eine Art "easy going" Barock, was sich ganz nett anhört und was sie ganz gerne mal einlegen. Vielleicht tut das Vivaldi aber auch wirklich unrecht.

Hat Vivaldi eigentlich auch Opern geschrieben? Hat er vielleicht auch eine tragische, dramatische, problematische, tiefgründigere Seite, die mir bisher verborgen geblieben ist?

Gruß Martin
embe
Stammgast
#6 erstellt: 05. Dez 2005, 11:10
Hallo Martin,
du kennst nicht das Vivaldi Album von der Bartoli
Dramatik pur!
Auch die DVD Viva Vivaldi ist ein MUSS!
Dann wäre noch Emanuel Cencic der Countertenor mit ner
fantastischen Kantaten CD bei Capriccio erschienen.
Eine Superscheibe!
Vivaldi hat schon Opern, Oratorien und Kantaten geschrieben.
Allerdings ne komplette Oper halte ich nicht durch.
Bei diesen ganzen Rezitativen und Sprechgesängen werde ich sehr hibbelig....
Zum easy going:
Wer bei Carmignolas Vivaldi Cds nicht aus dem Sessel fällt
ist eher ein I Musici Fan.
Da kann man kaum entspannen dabei, da gehts rund...

Gruß
embe
lydian
Stammgast
#7 erstellt: 05. Dez 2005, 13:43
Tach zusammen,

eine nette Diskussion um Vivaldi und insbesondere seine 4 JZ hat sich hier entwickelt.

Zur eigentlichen Frage sollte man noch bemerken, dass Stravinsky, als er o. g. Aussage machte, nur einen Bruchteil der Werke Vivaldis gekannt haben kann. Zur damaligen Zeit war die Quellenlage der "Alten Musik" noch nicht sehr erforscht. Und so ist es ihm auch passiert, dass er Musik eines Herrn von Wassenaer für seine Pulcinella verwendet hat - in dem Glauben, sie sei von Pergolesi

Gruß,
Steff

Nachtrag:
Mein Komponistenlexikon verzeichnet an Werken Vivaldis:
- ca. 450 erhaltene Konzerte
- 75 Sonaten
- 25 Sinfonien
- 3 Oratorien (davon eines erhalten, "Juditha triumphans")
- 45 weitere Sakralwerke
- 41 Kammerkantaten
- 49 Opern (davon 21 erhalten)


[Beitrag von lydian am 06. Dez 2005, 00:32 bearbeitet]
Hilda
Stammgast
#8 erstellt: 06. Dez 2005, 10:46
Hallo,

witzig, daß jetzt gerade ein Vivaldi-Thread hochkommt. Ich bin am Wochenende zufällig auch mal wieder am Ende des CD-Regals auf dem Boden herumgekrochen...

Bei Vivaldis Solokonzerte verliere ich ab und an den Überblick, halte aber La Stravaganza und vor allem L'Estro armonico sehr hoch in Ehren.

Erwähnen möchte ich Vivaldis geistliche Musik - neben dem bekannten Gloria vor allem die Solo-Stücke und das Dixit Dominus RV 594.

Gerade erst mit grossem Vergnügen gehört:



Ein Hammer...

Hinsichtlich Opern habe ich auf meinem 'bald anhören' Stapel die Oper 'Bajazet' liegen - die hab' ich mir wegen Biondi gekauft...



Dann gibt es da noch L'Olimpiade in einer Aufnahme mit Alessandrini - have ich aber schon länger nicht gehört... Hat mir aber durchaus sehr gut gefallen, wenn ich mich recht erinnere... Wer Händel-Opern mag, wird sicherlich bei Vivaldi nicht enttäuscht sein.

Gruss
Klaus
prometeo
Stammgast
#9 erstellt: 06. Dez 2005, 13:51

Hilda schrieb:


Dann gibt es da noch L'Olimpiade in einer Aufnahme mit Alessandrini - have ich aber schon länger nicht gehört... Hat mir aber durchaus sehr gut gefallen, wenn ich mich recht erinnere... Wer Händel-Opern mag, wird sicherlich bei Vivaldi nicht enttäuscht sein.

Gruss
Klaus


Habe mir die L'Olimpiade neulich in einer billigversion, aber mit zum Teil guten Sängern (Gerard Lesne) gekauft:




Die Aufnahme wirkt sehr direkt, die Musiker singen gewissermassen vor der Nase. Man hat das Gefühl, bei einem Kirchenkonzert in der ersten Reihe zu sitzen. Man hört wenn sie die Sänger räuspern etc. Ungewohnt aber spannend. Ich kann mich nicht entschliessen, ob ich die Aufnahme nun toll finden soll, oder ob's zu hobbymässig daherkommt. Aber der geniale Oper tut die Aufnahme auf alle Fälle keinen Abbruch.

Zu den Konzerten im Allgemeinen: Ich finde sie gut. Natürlich sind sie nicht so intellektuell oder fast akademisch wie Bach zum Teil, aber mit Händel kann Vivaldi allemal konkurrieren. Und Purcell steckt er IMHO in den Sack. Sie erschliessen sich halt relativ einfach, bieten ein gutes, entspannendes Erlebnis. Und das ist, was Vivaldi auch schreiben wollte. Soviel ich weiss. Manchmal hat man auch das Gefühl etwas schon gehört zuhaben, OK.

Schubert bietet mehr Tiefgang, aber das ist ja auch schon lange kein Barock mehr ...

Ganz hervorragend und ein echter Vivaldi-Tip finde ich auch folgende zwei CD's mit Cellokonzerten mit Roel Dieltiens.





[Beitrag von prometeo am 06. Dez 2005, 14:00 bearbeitet]
prometeo
Stammgast
#10 erstellt: 15. Dez 2005, 10:14
Im Bach-Buch von Christoph Wolff steht, dass Bach das modernere musikalische Denken und Komponieren zu wesentlichen Teilen aus Konzerten von Vivaldi gelernt hat. Natürlich ist Bach über Vivaldi hinausgegangen, genauso wie er alle anderen Vorbilder erst kopiert, verarbeitet und dann hinter sich gelassen hat. Aber so schlecht kann Vivaldi musikalisch also nicht sein, denn der Einfluss, welcher Vivaldi auf ihn ausübte sollte nicht unerschätzt werden.
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