Vollaktivierung Infinity SM 155 & Einsatz als Linienstrahler in der Beschallung

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stoneeh
Inventar
#1 erstellt: 15. Jul 2020, 19:27
Hallo liebes Forum,

Gegenstand des Berichts sind Infinity SM (Studio Monitor) 155, HiFi-Standboxen der Einstiegs- bis Mittelklasse aus den 90ern, von denen wir aufgrund des Wirkungsgrads (& entsprechenden Maximalpegels) und schönem oldschooligen Sound ein Paar über lange Jahre als private Party-Lautsprecher, und nun seit 2016 in (Quasi-?)Linienstrahler-Anordnung mit Subwoofer-Unterstützung zur Event-Beschallung verwenden.

Die Background-Story folgt später im Thread; zuerst berichte ich euch vom Umbau der einzelnen Box, von ganz am Anfang bis zum Endresultat:



Als erstes wurde via einer Nahfeld-Messung der einzelnen Wege ohne Frequenzweiche die Ausgangsbasis ermittelt:

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Anhand dieser Messung wurde in Erwägung gezogen, nicht wie original (laut Tech. Manual) bei 500 Hz vom Tieftöner zum Mitteltöner zu trennen, sondern deutlich tiefer. So kann der Mitteltöner wirklich den gesamten Mittelton, d.h. den gesamten Frequenzbereich von Stimmen und Instrumenten, übernehmen, und muss sich diesen Frequenzbereich nicht mit den anderen Schallquellen teilen. Es war stark anzunehmen, dass dies dem Klang nur förderlich ist.

Was die Messung ebenfalls offenbart sind Gehäuseresonanzen bei 180 und 360 Hz, die durch die Gehäusehöhe von Innenmass 96 cm bedingt sind (original ist keinerlei Dämmmaterial in der Box vorhanden).


Tieftöner:

Der nutzbare Frequenzbereich ist mit zmd. bis ~500 Hz vollkommen ausreichend für unser Vorhaben. Die Ausreisser im Frequenzgang bis dahin sollten durch Bekämpfung der Gehäuseresonanzen beseitigt werden können.
Da ich im Forum ab und an gelesen hatte, dass man Resonanzen auch via EQ rausziehen könne, habe ich in Zuge dessen interessehalber einen messtechnischen Vergleich gestartet.

Wasserfalldiagramm Ausgangszustand - man erkennt das für Resonanzen typische lange nachschwingen:

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Wasserfalldiagramm mit schmalbandigem PEQ:

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Wasserfalldiagramm mit Dämmmaterial - ca. die unteren 20cm der Box wurden mit Dämmwolle vollgestopft:

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Und hier der Frequenzgang für alle drei Varianten im Vergleich - goldgelb flat / original, hellgelb mit EQ, grün mit Dämmmaterial:

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Wie man sieht, man kann mit EQ zwar auch die Resonanz rausziehen, aber muss den Frequenzbereich ganz schön im Pegel absenken, um die Resonanz im Wasserfalldiagramm sichtbar, und für's Ohr hörbar, zu eliminieren. Viel besser geht's mit Dämmaterial, womit ohne Pegelverlust die Resonanz und das lange nachschwingen ausreichend minimiert bzw. quasi beseitigt werden kann.

Mit dem anbringen des Dämmmaterials nahe des Gehäusebodens wurde auch gleich das sich dort befindliche Bassreflex-Rohr, das nun, da die Boxen ab nun eh nur noch als Satelliten / Tops laufen sollen, nicht mehr benötigt wird, und nur negative Auswirkungen hätte, effektiv verschlossen.


Mitteltöner:

Erstmal ist wichtig zu wissen, dass der Mitteltöner ein eigenes Gehäuse hat, und man somit die weiteren Gehäuseresonanzen der eigentlichen Lautsprecherbox nicht zu berücksichtigen braucht:

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Zu eruieren war nun also, in welchem Frequenzbereich der MT eingesetzt werden kann.

Das Wasserfalldiagramm der Nahfeldmessung (direkt vor der Membran) suggeriert eine Eignung bis um die 3 kHz mit einem "aufbrechen" (Membranresonanzen o.ä). danach:

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Etwas weiter weg, genau genommen auf 0,5m gemessen, zeigte sich aber ein deutlich anderes Verhalten. So war der Frequenzgang doch ein ganzes Eck anders, und insb. die vermeintlichen Membranresonanzen um die 5 kHz sind fast verschwunden:

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Eine plausible Erklärung dafür hatte ich weder damals, noch heute. Da aber schlicht und einfach niemand von uns mit dem Ohr am Lautsprecher hört, hab ich den Ergebnissen der Nahfeld-Messungen in Folge einfach wenig Achtung geschenkt, und mich rein darauf konzentriert, was auf Distanz stattfindet.
Laut der 0,5m Messung ist eine Trennung bei ~4, 5 kHz noch akzeptabel - was mir schon besser gefällt, da ich wie gesagt dem Mitteltöner bzw. den Mitteltönern aus klanglichen Gründen einen möglichst breiten Einsatz gönnen möchte. Ein Nebengedanke war auch, den Hochtöner, der bei der SM 155 tendenziell das limitierende Element beim Maximalpegel ist, durch die höhere Trennung zu entlasten.
Anmerken kann man an dieser Stelle ebenfalls, dass laut Hersteller original bei 5,5 kHz getrennt wird.


Hochtöner:

Rundum problemlos und unspektakulär. Einsetzbar von unter 2 kHz bis 20 kHz.

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Die Trennung wurde schliesslich folgendermassen realisiert:

TT zu MT: Tieftöner Tiefpass LR24 300 Hz, Mitteltöner Hochpass But12 300 Hz. Der Mitteltöner hat an der Trennfrequenz bereits einen natürlichen Abfall, was ihm schon eine fast passende Flanke und Phasenlage zum getrennten Tieftöner verschafft. Der But12 kam trotzdem noch drauf, als Lowcut, um die MT von unnötigem Hub zu befreien, und um in Frequenzgang und Phase das passende Gegenstück zum LR24 TP zu schaffen und für eine einwandfreie Addition der Wege zu sorgen.
MT zu HT: Mitteltöner TP LR24 4500 Hz, Hochtöner HP LR24 5500Hz. Die Lücke war für einen glatten Frequenzgang notwendig; trotz dieser ergibt sich interessanterweise mit LR24 beidseitig eine einwandfreie Addition der beiden Wege.


Gesamt gemessen sieht's dann so aus.
Achtung - gemessen wurde vertikal, d.h. die Box am Boden, nach oben zielend, und das Mikro in 3m Höhe von einem aus Dachlatten gebauten "Messturm" hängend, nach unten zielend. Im unteren Frequenzbereich ergeben sich deswegen Auslöschungen und Additionen zum vom Boden reflektierten Schall. Zudem wurde manuell gegated. Die Messung ist somit erst ab ein paar hundert Hz zu 100% aussagekräftig.
In rot, gelb, grün die Einzelwege, in violett die Gesamtmessung mit verpoltem Mitteltöner, und in grün die Gesamtmessung:

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Im beurteilbaren Frequenzbereich alles innerhalb von 3 dB. Einwandfreie Addition zwischen den Wegen.

Ausschwingverhalten:

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Komplett sauber; keine Gehäuse- oder Membranresonanzen über das gesamte Frequenzband.

Frequenzgang & Klirr in STEPS bei ca. 100 dB SPL:

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Hier zeigen sich keine gröberen Ausreisser. D.h. die drei Wege schaffen, wie man es sich wünscht, ca. den gleichen Pegel bei gleichen / ähnlichen Verzerrungsgraden.


Subjektiver Eindruck:

Zuerst mal, alle Einstellungsarbeiten wurden zwar mit Hilfe von Messtechnik durchgeführt - aber es wurde bei jedem Schritt probegehört, mit alternativen Settings verglichen, und am Ende hatte bei jedem Teilaspekt das Ohr das letzte Wort.
Insb. wurden bei TT zu MT Trennfrequenzen von 300 bis 700 Hz, und bei MT zu HT von 2 bis 6 kHz probiert, mit diversen Filtertypen und Steilheiten. Ebenfalls wurde EQing probiert, um den Frequenzgang noch gerader hinzubekommen; im Endeffekt hat aber die "rohe" Variante am meisten überzeugt.
Beim finalen probehören gab's deswegen keine Überraschungen mehr, und das Endergebnis war natürlich zufriedenstellend; wenn der Umbau keinen Sinn gemacht hätte, hätte man das während eines oder mehrerer Teilschritte gemerkt, und das Projekt wäre verworfen worden.

Die SM 155 in vollaktiv klingt nun wie erwartet ein Eck neutraler als das Original. Sie ist bei keiner Musikrichtung auf dem falschen Fuss zu erwischen. Sie klingt klar und präzise, ohne auch nur annähernd langweilig oder steril zu wirken. Der charmante Klangcharakter des Originals ist erhalten geblieben, und hat sich wenn dann noch verbessert / verfeinert.
Ebenfalls würd ich die vollaktive Variante nun auch als durchsetzungsstärker bezeichnen - kann sein, dass an der ein oder anderen Stelle noch ein dB Maximalpegel herausgeholt wurde.


Limiter wurden gesetzt. Wie hier zu sehen muss man ein bischen mit den Reaktionszeiten aufpassen, damit der Limiter die Wellenform nicht beinträchtigt - sonst sieht das so aus bzw hört sich so an -> Limiter spektral. Die Ansprechzeit wurde daher nicht zu knapp gesetzt - beim Tiefmitteltöner 5 ms (bis 50 Hz unbeeinträchtigt), bei den Mitteltönern 2 ms (bis 125 Hz ok), und der Hochtöner hat mit den am Xilica minimal möglichen 0,3 ms kein Problem.
Insgesamt wurde der (Peak-)Limiter eher konservativ gesetzt, als Schadensschutz vor ungewollten plötzlichen lauten Signalen wie Nadelhüpfern o.ä.
Wenn der Limiter leicht eingreift (~1-3 dB) merkt man das nicht - hier werden wirklich nur die wenigen obersten Signalspitzen abgefangen, die nur einen kleinen Teil der Gesamtenergie des Signals ausmachen, und die somit nicht hörbar fehlen.


Bilder vom Umbau:

Ein paar Strebchen wurden nachträglich reingeleimt. Am ersten Bild sieht man auch das BR-Rohr, was der Bereich ist, wo die Dämmwolle angebracht wurde (davon gibt's leider keine Fotos).

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Das originale Anschlussterminal wurde entfernt, und der Ausschnitt vergrössert, um Platz für ein Terminal mit Input und Output / Durchschleifmöglichkeit für 8polige Speakon-Stecker zu schaffen.

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In der Front ist original ein Element mit Pegelreglern (Potentiometer) für Mittel- und Hochtöner, an dessen Rückseite sich die originale passive Frequenzweiche befindet. Mit dem Umbau ist diese nun hinfällig und kann entfernt werden. Wir haben uns entschieden das Loch einfach mit einem Holzplättchen zu überdecken.

So sieht nun also das Endresultat von vorne aus:

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stoneeh
Inventar
#2 erstellt: 15. Jul 2020, 19:28
Teil 2 - Einsatz als Linienstrahler zur Beschallung:

Anlass / Motivation: "HiFi-Standboxen, Linienstrahler, PA-Subwoofer, Beschallung" - wie passt das zusammen, mag sich mancher schon eingangs gefragt haben. Vll. wird es überraschen, wenn ich offenbare, dass es rein pragmatische Entscheidigungen bzw. Notwendigkeit waren, nicht etwa der exzentrische Wunsch nach etwas aussergewöhnlichem o.ä., die zu der Tonanlage in der heutigen Form geführt haben.
Ich werde an dieser Stelle kurz die Entstehungsgeschichte erzählen.

Von ca. 2010 bis 2015 war eine kleine Gruppe motivierter, junggebliebener Personen in der Eventplanung involviert. Neben dem rechtlichen, organisatorischen etc. haben wir auch die nötige Tontechnik recherchiert.
Von Mittelklasse bis Referenz (L'Acoustics, Lambda Labs, d&b, Alcons Audio, TW Audio, KV2, JBL, RCF, Electrovoice, ...) wurde alles gehört, was der Markt zu bieten gehabt hat. Subs waren etliche brauchbare bis sehr gute dabei, aber bei den Tops hat kein einziges wirklich überzeugen wollen - wir waren ja bereit, gewisse Kompromisse in Signaltreue / Klangqualität einzugehen, aber das meiste gehörte war deutlich unter unseren Mindestanforderungen. Einzig die 4 Wege DIY Anlage mit hochwertiger 18Sound / RCF-Bestückung eines Forenmitglieds / Veranstaltungsdienstleisters aus der Nähe hatte uns relativ gut gefallen - aber Miete war nicht unser Plan.

Unsere Privatparties hatten wir zu dem Zeitpunkt mit einem Paar Infinity SM 155 beschallt, welche wir klanglich, zmd. Outdoor, als recht gut befanden - nicht ganz High-End HiFi-Niveau, aber auch keine klaren Schwächen. Pegel war über üblichem HiFi-Niveau, aber auch nicht ganz PA-Niveau. Das Paar hatte zudem viele dutzend Wochenenden (Einsatz und Transport) unbeschadet überstanden.
Irgendwann ergab sich dann der Gedanke "kann man zur Erhöhung der Lautstärke nicht einfach mehr von denen aufstellen?". Zwar 1-2 Jahrzehnte HiFi-Erfahrung vorhanden, aber in einem Grossteil der Akustik-Theorie zu diesem Zeitpunkt noch unbewandert, wurde einfach nach Trial & Error agiert. Zuerst wurden zwei Boxen stehend übereinander probiert, mit relativ enttäuschendem Ergebnis. Dann sah man irgendwo einen Hackstock (ca. Hüfthöhe) herumstehen, und hat die zwei Boxen liegend übereinander gepackt. Das war der Hallelujah-Moment, an den ich mich heute noch lebhaft erinnere. Das Ergebnis war beeindruckend - Kickdrums waren auf einmal auf 20, 30m spürbar; insgesamt war der Pegelgewinn, insb. auf Entfernung, beeindruckend.
Es wurde klar: so, bzw. insb. wenn man um weitere Stück ergänzt, kann man Events beschallen. Die sowohl punkto Klang, als auch Pegel, akzeptable Lösung wurde somit gefunden.

Für den Tiefgang brauchte es Subwoofer, welche (ebenfalls nach sehr viel hören & probieren) als erstes zwei Stück 18Sound 18NLW9600 in BR wurden, in einem Formfaktor, der als Basis für ein Stack SM 155 dienen konnte. Amping, analoge aktive Frequenzweiche, und noch zwei Paar SM 155 (gibt's günstig und wie Sand am Meer) wurden gekauft, das erste Event damit beschallt, und es hat absolut hervorragend funktioniert.

Irgendwann musste (da ein EQ benötigt wurde, um diverse Problemfrequenzen, die im Eventbetrieb Turntable-Feedback verursacht haben, abzuschwächen) ein DSP angeschafft werden. Aufgrund des geringen Preisunterschieds zu den kleineren Varianten wurde gleich zu einem 4x In, 8x Out Gerät gegriffen - mit dem Bewusstsein, dass selbst wenn sie nicht sofort braucht, man mit der Konnektivität einfach in Zukunft deutlich mehr Optionen hat.

Etwas später, als ebenfalls Messtechnik angeschafft wurde, und damit Erfahrungen gesammelt wurden, kam die Erleuchtung: "hey, wieso nicht die Anlage gleich als 4 Wege vollaktiv ausführen?"
Dem Arbeitsaufwand und den Mehrkosten für Amping und Peripherie stand eine Verbesserung der Klangqualität / Signaltreue, mehr Flexibilität, eigene Limiter für die einzelnen Wege, höhere Effizienz etc. entgegen. Die positive Entscheidung wurde bald getroffen, und mit dieser befinden wir uns am Ende der Vorgeschichte und chronologisch am Stand der in diesem Thread beschriebenen Umbauten.


Ist-Zustand bzw. Umbau der gesamten Anlage:

Aktuell besitzen wir an Lautsprechern vier Bassreflexe mit 18Sound 18NTLW5000 als Subwoofer und vier Paare Infinity SM 155 als Tops.
Das Amping für die Subwoofer sind zwei gebrückte Crest Pro 8200, die jeden Subwoofer mit 2,25 kW RMS befeuern. Das Amping für die Tops ist eine t.amp TSA 4-1300 für die Tiefmitteltöner, und je eine t.amp E4-250 für die Mittel- und Hochtöner.
Das Controlling übernimmt ein Xilica XP-4080.

Mit dem Umbau fiel einiges an neuer Verkabelung an. XLRs von Controller zu Amp werden ein Haufen notwendig. Das ganze wird natürlich zwecks Übersichtlichkeit farblich gekennzeichnet:

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Von den Amps geht's mit 2/4poligen Speakons an Rackblenden mit 8poligen Speakon Buchsen, und somit 8polig (von welchen jeweils sechs Adern verwendet werden - zwei pro Weg) an die Tops weiter:

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Das Rack:

27 28


Nach der "Aktivierung" der SM 155 wurde die Trennung zu den Subs eingemessen. Das geht auch mit einzelnen Boxen, die Settings können für die gesamte Anlage übernommen werden.

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Messergebnis. Getrennt wird bei 80 Hz. Grün mit verpoltem Tiefmitteltöner, gelb Gesamtfrequenzgang. Interessant ist hier eigtl. nur die Trennung von Sub zu Top, bestenfalls noch die von Tiefmitteltöner zu Mitteltöner - im Rest des Frequenzbereichs ist GPM (Ground Plane Measurement) nicht aussagekräftig.

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Wie man sieht, die Subs spielen ab etwas unter 40 Hz, und können problemlos linear an die Tops angekoppelt werden.


Gesamtsetup:

So sieht's während des Soundchecks / des einmessens für den Eventbetrieb aus.

Unbenannt


Setup / Abstrahlung / Linearität: die Messungen der einzelnen Boxen sollten ein gutes erstes Indiz darstellen; 1:1 aufs Gesamtsetup übertragen kann man diese jedoch natürlich nicht.
Wie sich die Subwoofer in Zahnlücke mit ~1m Abstand bis 80 Hz tun muss man nicht besprechen - diese Aufstellung wurde in einschlägigen Artikeln und Foren vielmals erörtert. Kurz: es findet, zmd. ab normalem Hörabstand (im Publikum) eine perfekte Addition statt.
Wie klappt das mit den Tops in (Quasi-)Linienstrahler-Anordnung in Stereoaufstellung? Heute weiss ich ja, dass die Abstände zwischen den Schallquellen insb. im Hochton deutlich zu gross sein sollten, um eine vernünftige Addition zu gewährleisten. Haben uns unsere Ohren also damals beim Trial & Error angelogen, oder wie bzw. wieso funktioniert das trotzdem?
An diesem Punkt könnte man lang und breit schwurbeln - aber stattdessen stell ich einfach eine Messung ein.

32

Dies ist die Spektralanalyse, RMS-Wert, von 20 Sekunden eines Musikstücks. Die obere Kurve stellt die Quelldatei dar. Die untere Kurve stammt von einer Aufnahme während eines Soundchecks, in der über die Anlage genau die gleiche Sequenz des Musikstücks abgespielt wurde; während der Aufnahme bin ich den oben zu sehenden Dancefloor von ganz hinten (14m Entfernung) bis direkt vor der Anlage (ca. 1m) mittig abgegangen; Audio wurde über externes Mikrofon (Takstar SGC-698; linear bis 10 kHz), ohne Kompressor oder Filtern auf dem Aufnahmegerät, aufgezeichnet.
Beim zuvor getätigten einmessen wurde nur eine Raumresonanz im Tiefbass (~30, 40 Hz) moderat abgeschwächt; ansonsten spielte die Anlage während der Aufnahme flat, ohne Einsatz von EQ.

Es zeigt sich eine perfekte Übereinstimmung der Frequenzgänge vom Infraschall bis 1,5 kHz. Darüber eine moderate Senke bis zum Hochton, die fast zu erwarten ist, da teilweise in sehr grossem Winkel zu den Schallquellen aufgenommen wurde; die aber auch (mit) andere Gründe haben kann. Über 10 kHz fällt dann wie gesagt das Mikro sehr stark ab.
Egal ob PA, HiFi, oder gar Studio-Setups - ein derartig lineares Ergebnis im Raum wird man selten zu Gesicht bekommen. Das Konzept, wenn auch ursprünglich rein per Ohr erarbeitet, funktioniert wie man sieht also auch messtechnisch belegbar sehr gut.


Klang, subjektiv: das System spielt einfach wie zwei wirklich grosse HiFi-Standboxen. Leise unspektakulär, nicht dröhnig - einfach nur ein rundes, neutrales, angenehmes Klangbild. Mit Pegelsteigerung ändert sich an der Charakteristik wenig, ausser dass der Effekt zunehmend körperlich wird.
Angenehm ist zudem die geringe Lautstärkeänderung auf Distanz. Das typische PA-Top brüllt einen auf die Nähe nieder, und in 10, 15m Entfernung ist dann mitunter schon Ende im Gelände. Unser System ist in der Nähe nicht erdrückend laut, ist aber auch auf 10m noch laut, und auch auf 20m nur minimal weniger, usw.
Ein gewisses Phasing ist bei Positionsänderung wahrzunehmen, aber bei weitem nicht so stark, wie man sich das vll. vorstellen mag - vll. hilft es an dieser Stelle, sich bewusst zu machen, dass selbst zwei Punktschallquellen in Stereo-Aufstellung in hohen Frequenzen deutliches Phasing haben, wenn man sich nicht millimetergenau im Stereodreieck befindet. In jedem Fall überwiegen die grundsätzlichen Wiedergabequalitäten des Systems bei weitem die konstruktionsbedingten Nachteile.


Pegel: ein ausreichendes Indiz sollte bereits die Klirr-Messung am Ende von Beitrag #1 darstellen - wenn zwei 4"-HiFi-Mitteltöner und ein 1"-Hochtöner den gleichen SPL @ THD eines 15"-PA-Tiefmitteltöners (mehr dazu gleich im nächsten Punkt) schaffen, sollte das ausreichend Aufschluss geben.

Trotz dessen hier noch ein Video während eines Soundchecks, mit Pegelmessgerät; Aufnahme-/Messposition Mitte des Dancefloors, Distanz zu den Lautsprechern 6-8m.


Den Bassbereich lassen wir mal unkommentiert - die 18NTLW5000 sind schlicht die potentesten Tieftöner, die es derzeit in der Beschallung gibt.
Aber bis Sekunde 10 beschränkt sich das Signal auf Mittelhochton, wird also nur von den HiFi-Lautsprecherchassis wiedergegeben. Der hier maximal erreichte Pegel beträgt 116 dB. Das übersteigt bereits, was in den meisten Ländern in diesem Frequenzbereich (Stichwort "A-Bewertung") an Schalldruck auf Veranstaltungen zugelassen ist. Und das war jetzt einfach nur ein random Soundcheck Video, nicht ein wirklicher Maximalpegel-Test - der hier gemessene Pegel ist noch nicht das Limit der Anlage.
Noch Fragen?

Erwähnenswert: nach der akustischen Gegebenheit "pro Entfernungsverdopplung 6 dB Schalldruckabfall" entsprechen die 116 dB auf 6-8m einer einzelnen Schallquelle in 1m Entfernung mit 131,5-134 dB SPL.

Wir hatten ebenfalls die Möglichkeit einen Hörvergleich mit der Hausanlage der Location, zwei Sirus PS 1222 Doppel-12" Tops pro Seite (sieht man auf den Pics eh jeweils auf Höhe Oberkante unserer Groundstacks geflogen), und an der gleichen Location ebenfalls mit JBL SRX835P, TW Audio T24, und einem Setup mit insg. vier amtlichen Doppel-12"-LA-Modulen durchzuführen. Die ersten beiden werden klar deklassiert. Die TW und die LA Module schaffen in den Lowmids weniger, im Mittelhochton etwas mehr Pegel.
In jedem Fall befinden wir uns auch im Mittelhochton auf einem Level, wo man, insb. auf Distanz, schon die härteren Geschütze im PA auffahren muss, um mithalten zu können.

Ich möchte an diesem Punkt noch auf die Anzahl der Tiefmitteltöner eingehen. Braucht man tatsächlich acht 15Zöller im Tiefmittelton, um mit vier 18"-Subs mithalten zu können?
Hier nun der simulierte Maximalpegel von unseren vier Subs (rot) vs. den acht TMT (blau). Wie man sieht, das Verhältnis passt ganz genau:

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Haltbarkeit: wie bereits angeschnitten, ein Paar SM 155 diente uns lange Zeit als Beschallung für Privatparties. Gemeint sind damit hunderte Wochenenden, an denen dieses Paar jeweils ein paar Stunden nahe Vollgas gelaufen ist. Nun seit 2016 liefen zuerst drei, nun vier Paar insg. dutzende Wochenenden in der Eventbeschallung.

Kaputt gegangen ist in all den Jahren folgendes: einmal ein Hochtöner, als dank einem übersensiblen Laptop-Touchpad der Windows-Lautstärkerregler von 20 auf 100% gehüpft ist, und in Folge dementsprechend zuviel Leistung in die Lautsprecher geflossen ist. Und einmal im Eventbetrieb sind, da uns ein teildefekter DJ-Mixer geliefert wurde, der ein geclipptes Signal ausgegeben hat, drei von acht Tieftönern kaputt gegangen; das war eine sehr unglückliche Situation, da wir auf die schnelle keinen anderen Mixer als Ersatz bekommen konnten, das Event abzusagen keine Option war, und wir dieses Event dann wissentlich mit halbdefektem Material bestreiten und unsere Anlage quälen mussten. Da es keine originalen Zentrierspinnen mehr für's reconen gab und auf die schnelle auch keine originalen Ersatzlautsprecher gefunden wurden hat ein Kollege, der Mitbesitzer der Anlage ist, einfach kurzerhand (vll. ist es jemand anhand der Fotos zuvor bereits aufgefallen) acht Stück the box Speaker 15-300/8-A gekauft, gegen welche getauscht wurde.

Im normalen Musikbetrieb, abseits von Equipmentdefekten in der Peripherie, gab's nie einen Defekt - und nun seit 2018, seit die Anlage vollaktiv betrieben und via Limitern geschützt ist, gab's unabhängig von Ursache gar keinen Defekt mehr.

An diesem Punkt endet der Bericht. Hallo und Gruss an alle, die bis jetzt drangeblieben sind

Ich wollte zum Abschluss noch etliche Videos im Eventbetrieb mit vollem Dancefloor einstellen. Hab aber leider feststellen müssen, dass es keine Videos von Events mit der vollaktiven Variante mit nicht zmd. teilweise übersteuerter Aufnahme gibt :/ Das würde dann mMn der Anlage dann doch nicht gerecht werden.

Aber hier zmd. noch zwei Pics für euch. Das erste von kurz vorm "Go!" von einem unserer Events; das zweite während des Events, von der Bühne aus, mit einer feierwütigen Meute vorm Stack :

34 35

Ich hoffe es hat gefallen, war aufschlussreich, oder was auch immer in sonstiger Sicht positives. Falls es fachlich ein bischen zu dicht war, beantworte ich gerne Fragen. Und alles andere sowieso auch

Wer zufällig aus Wien / NÖ kommt und Interesse hat die Anlage zu hören, der möge mir eine PN schreiben, und ich kann ihn vll. auf ein Event verweisen, wo das Setup in absehbarer Zeit steht.


Alles beste
Stoneeh
MarsianC#
Inventar
#3 erstellt: 10. Aug 2020, 16:59
Natürlich verpasst man das gute Zeug, wie üblich. Das Abstrahlverhalten muss jedoch fast zwingend seltsam aussehen.

PS: Sollte ich mich wieder mal über den Wechsel wagen melde ich mich


[Beitrag von MarsianC# am 10. Aug 2020, 17:02 bearbeitet]
stoneeh
Inventar
#4 erstellt: 19. Aug 2020, 17:58
Servus Marsian. Ui, hat sich doch noch wer was schreiben getraut

Die Indoor-Messung des Energiefrequenzgangs inkludiert bereits die Abstrahlung, da wie gesagt während der Messung der Dancefloor mittig von vorne bis hinten abgegangen wurde, und die Messung somit annähernd 0-180° abdeckt. Was man in der Messung sieht ist also wirklich das, was das Publikum im Schnitt hört.

Immer gerne! Wenn das System grad nicht auf ner PA steht, ist es betriebsbereit in einer Privatlocation von uns aufgebaut. Ist zwar ein kleinerer Raum.. aber grrrob erahnen kann man anhand dessen schon, was das System kann, wenn es "von der Leine gelassen wird".
kboe
Inventar
#5 erstellt: 04. Jan 2022, 22:06

MarsianC# (Beitrag #3) schrieb:

PS: Sollte ich mich wieder mal über den Wechsel wagen melde ich mich :D


Das könnte man gemeinsam mit den Moppetten in Angriff nehmen...
Apalone
Inventar
#6 erstellt: 04. Jan 2022, 23:38

stoneeh (Beitrag #2) schrieb:
.....Wer zufällig aus Wien / NÖ kommt und Interesse hat die Anlage zu hören....


Sehr herzlichen Dank für die arbeitsintensive Vorstellung!

Leider, leider wegen der Entfernung f mich nicht realisierbar...
stoneeh
Inventar
#7 erstellt: 05. Jan 2022, 01:40
Hey an die verspäteten Neuankömmlinge Thx für die netten Worte, bzw. gerne.

Wenn ein paar Leute zusammenkommen, die vll. auch noch "tragende Tätigkeiten" übernehmen (d.h. wortwörtlich beim tragen der Lautsprecher helfen) , wär jederzeit die Möglichkeit da die Anlage Outdoor aufzustellen und probezuhören. Indoor im Lagerraum geht's auch, offenbart aber quantitativ wie qualitativ nur einen Bruchteil der Performance - die Mittelhochtonsektion wird auf Distanz erst richtig gut.


Ich nutze an dieser Stelle die Gelegenheit des hochgeholten Threads, um neue Messdaten einzustellen.

Anbei Verzerrungswerte im Hochton rechts eines DB Technologies X15 (modernes PA-Tops der oberen Mittelklasse mit 1,4" Kompressionstreiber am 60x40° Horn), links eines der in den Infinity SM verbauten 1" Polycell-Domhochtöner; beide Probanden bei im Schnitt 100 dB @ 2m Messdistanz, auf Achse, mit Isemcon EMX-7150 (135 dB @ 1% THD) gemessen:

Unbenannt3 Unbenannt4

Ebenfalls eine Wirkungsgradmessung auf Stativ, 1m, 2,83V = 1 Watt, in schwarz eines Polycells; in türkis zum Vergleich eine "normale" 1" Kalotte (Audax AW025M3):

Unbenannt


Mit der Zeit zeichnet sich auch am Papier ein immer klareres Bild, warum die Sache so gut funktioniert. Der Hochtöner ist schlicht in Sachen Wirkungsgrad ein Unikum - im Schnitt 100 dB / 1W / 1m gibt's sonst unter den Kalotten nicht. Bei 10 Watt stehen schon 110 dB an, was, indiziert von den Verzerrungswerten, auch mechanisch geht. Das 4mal pro Seite bedeutet: (klar &) laut
herr_der_ringe
Inventar
#8 erstellt: 12. Jan 2022, 00:32

kboe (Beitrag #5) schrieb:
Das könnte man gemeinsam mit den Moppetten in Angriff nehmen...

ihr habt mich gerufen?
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