Erklärung Gegenphase

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Tharsus
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 27. Feb 2006, 12:09
Servus liebe Klangfetischisten,
nachdem ich jahrelang ausschließlich am Klang meiner Anlagen interessiert war, beginne ich mich jetzt auch für die technische Seite zu interessieren.

Was ist eigentlich die Gegenphase im Schallsignal?
Habe die Suchfunktion benutzt aber keine Erklärung gefunden. der Begriff wird , vor allem bei Dipol und Biopol-LS, recht häufig verwendet.

Es ist wirklich störend wenn alle von etwas reden und man selbst hat keine Ahnung worum es da geht, kommt man sich wieder vor wie früher im Mathe-Unterricht.

Also wenn mir ein Technikfreak dies in einfachen Worten (so ungefähr Grundschulniveau) erklären kann wäre ich höchst erfreut und extrem dankbar.

Gruß
Udo


[Beitrag von Tharsus am 27. Feb 2006, 12:19 bearbeitet]
Tantris
Hat sich gelöscht
#2 erstellt: 28. Feb 2006, 17:01
Hallo Tharsus,

Du meinst eine Verpolung oder Invertierung des Signals?

Vereinfacht ausgedrückt, besteht Schall aus sog. "negativen und positiven Halbwellen" - ein Lautsprecher drückt entweder Luft zusammen oder er zieht sie auseinander, erzeugt als einmal über- und einmal Unterdruck, und das ständig im Wechsel.

Eine Verpolung oder Phaseninvertierung ist nun nichts anderes, als die Schwingungsrichtung und damit die Bewegung umzukehren: Wo eigentlich der Lautsprecher Überdruck erzeugen sollte, erzeugt er nun Unterdruck und umgekehrt.

Dipol-LS bestehen aus 2 invertierten Schallquellen, d.h. eine erzeugt eine Druckwelle, während die andere gleichzeitig eine Unterdruckwelle erzeugt (kann auch vorder- und Rückseite ein und derselben Membran sein). Im Idealfall löscht sich der Schall nun auf 90Grad seitlich völlig aus, weil er ja invertiert ist.

Ein Bipol besteht hingegen aus 2 phasengleich spielenden Schallquellen, im Idealfall (bei annähernden Kugelstrahlern) addiert sich der Schall auf 90 Grad.

Gruß, T.
Tharsus
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 28. Feb 2006, 17:17
Hallo Tantris,
klasse, vielen Dank, jetzt bin ich dem Ganzen schon mal ein gutes Stück näher. Entstanden ist bei mir die Frage dadurch, dass es in Bezug auf analoges Dolby Surround immer heißt, dass im Stereosignal gegenphasige Signale "versteckt" sind, die dann vom Decoder herausgerechnet werden und auf die hinteren Kanäle gelegt werden. Darunter kann ich mir überhaupt nichts vorstellen. Auch wenn analoges Surround nicht mehr so wichtig ist, hat es mich interessiert wie in der Stereoinformation Signale "versteckt" sind.
Bislang war ich der Meinung, dass ein LS immer nur Druck erzeugt. Man lernt halt nie aus.

Merci
Udo
Tantris
Hat sich gelöscht
#4 erstellt: 28. Feb 2006, 17:38
Hallo Tharsus,

Bei analogen Dolby Surround Prologic handelt es sich um ein sog. Matrix-Verfahren, d.h. 4 bzw. 5 Kanäle werden so zusammengemischt, daß sie in 2 Kanäle "passen". Im Decoder/Receiver muß wieder auseinanderklamüsert werden, und zwar folgendermaßen:

- Phasengleiche Signale in Links und Rechts gehen an den Center
- Signale ohne Phasenbeziehungen (fachwort: dekorreliert) verbleiben bei Links und Rechts
- Phaseninvertierte (verpolte) Signale werden an die Rears (in Mono!) geleitet, und zwar ohne die Höhen
- evtl. noch Abtrennung der Tiefen an den Subwoofer

Eine Schwingung besteht i.A. immer aus positiver und negativer Halbwelle, d.h. Druck und Unterdruck.

Gruß, T.
Tharsus
Hat sich gelöscht
#5 erstellt: 28. Feb 2006, 21:54
Hallo Tantris,
P E R F E K T !!!
ich lese mir deine Erklärungen noch ein paar mal durch bis mein Hirn das nachvollziehen kann, hab`s aber begriffen.
Ein begeistertes Dankeschön von mir.

Gruß
Udo
richi44
Hat sich gelöscht
#6 erstellt: 01. Mrz 2006, 14:18
Man kann das auch mit der Aufnahmetechnik noch etwas verdeutlichen. Zuerst die übliche Stereotechnik XY mit zwei Richtmikrofonen.

Hier ist die Phasenlage bei beiden Mikrofonen gleich. Jede Luftdruckerhöhung vor der Membrane (Pfeilspitze) erzeugt ein positives elektrisches Signal.
Jedes elektrische Signal wird verstärkt und über einen eigenen Lautsprecher (L/R) wiedergegeben.
Ein Signal in der Mitte wird von beiden Mikrofonen gleich stark und mit gleicher Phase aufgenommen und somit auch mit gleicher Stärke wiedergegeben.
Die zweite Möglichkeit ist die MS-Stereofonie, die man auch für Surround nützen könnte.

Ich habe hier zwei Mikrofone mit Acht-Charakteristik gezeichnet. Das eine ist schwarz/grün, das andere rot/blau.
Das schwarze zeichnet mit richtiger Phase alle Signale auf, die sich vor dem Mik in der Mitte befinden. Signale hinter dem Mik würden mit negativer Phasenlage aufgezeichnet, was im Moment noch nicht interessiert. Dieses Mik ist das M = Mitte oder Mono.
Das zweite Mik zeichnet keine Mittensignale auf, da ist es "taub". Es zeichnet nur Signale von der Seite auf und zwar links (blau) mit positiver Phase, rechts (rot) mit negativer Phase. Man nennt es das S-Mik (S = Seite).

Eine Stereowiedergabe ist direkt mit diesen beiden Miks nicht möglich. Dazu muss erst etwas (elektrisch) gerechnet werden. Und zwar wird zum M-Signal das S-Signal addiert. Und dies gleich zweimal. Einmal M+S, einmal M-S.
Ein Ereignis beim Pfeil L ergibt einen Anteil M und einen +S. Ein Ereignis R ergibt M und einen Anteil -S.
Das bedeutet, dass L aus M plus (+S) gebildet wird, R aus M plus (-S). Solange sich die Schallereignisse innerhalb dem Frontbogen von L/M/R bewegen, ist M immer gleich oder grösser als S.
Wenn nun aber ein Schallereignis weiter aussen wäre, also mehr als 45 Grad von M abweicht, so wäre S grösser, im Extremfall gäbe es nur noch S, weil ja M bei 90 Grad "taub" ist.

Mit dieser Anordnung könnte man also Signale erzeugen, die eigentlich im Stereosignal eine Phasendrehung aufweisen, was mit der reinen XY-Anordnung nur an wenigen Extremstellen möglich wäre.

Natürlich macht eine Invertierung bei Stereo keinen Sinn, aber man kann eben diesen Trick dazu verwenden, dass Signale "gekennzeichnet" werden, also später als Effekt auf den Rückseit-Boxen erscheinen.

Wenn wir also diese Miktechnik nochmals anschauen, so haben wir das M-Signal, das vom einen "schwarzen" Mik stammt und somit nur einen Pegel und eine Phase aufweist. Bei Surround wird im Decoder des Surroundverstärkers das Stereosignal, das wir aus M und S zusammengerechnet (gemischt) haben, zusätzlich wieder zerlegt und in M und S zurückgerechnet. Dann, wenn wir momentan ein M-Signal haben, aber kein S-Signal, handelt es sich um ein Mitten-Ereignis (Mono, also Phase UND Pegel identisch), das wir über den Centerkanal abspielen.
Haben wir M und S, aber M grösser als S, so handelt es sich um ein Stereosignal, sodass wir (M und S dienen nur als Steuersignale) den Center stumm schalten und die Wiedergabe über die Hauptlautsprecher abspielen.
Ist S grösser als M, handelt es sich um ein Signal ausserhalb des Frontbogens und damit um ein Effektsignal, das rückseitig wiederzugeben ist. Folglich ist der Center stumm und die Hauptlautsprecher ganz leicht abgedämpft, dafür die Rücklautsprecher eingeschaltet.

Aus dieser Auflistung geht hervor, dass es unmöglich ist, gleichzeitig etwas über den Centerlautsprecher UND die Rücklautsprecher wiederzugeben. Der Center verlangt nach gleichem Pegel und Phasenrichtigkeit (nur M), die Rücklautsprecher nach falscher Phase (S grösser als M).

Nur bei richtig 5kanalig aufgenommener Technik (DVD) ohne Matrixtechnik ist es möglich, alle Lautsprecher gleichzeitig und unabhängig anzusteuern.
Tharsus
Hat sich gelöscht
#7 erstellt: 02. Mrz 2006, 02:50
Servus richi44,
Spitze, bist du haupt- oder nebenberuflich Toninginieur? Sehr anschaulich und auch für extreme Techniklaien wie mich gut zu verstehen. Werde mir die Ausführungen von Tantris und dir ausdrucken.
mordsmäßiges Dankeschön
Gruß
Udo
richi44
Hat sich gelöscht
#8 erstellt: 02. Mrz 2006, 12:03
war. Bin mittlerweile in Rente. Aber solange das Hirn noch mitspielt, versuche ich das Gelernte und Erfahrene weiter zu geben. Und bisher ist mir das recht gut gelungen
Gruss
Richi
Tharsus
Hat sich gelöscht
#9 erstellt: 02. Mrz 2006, 13:08
Genial,
ein echter Traumberuf. Hätte mich auch gereizt, allerdings bin ich als "Technikdepp" einfach für sowas nicht geeignet.
Gruß
Udo
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