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ECM, die Edition of Contemporary Music und ihre Platten

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Mr._Lovegrove
Inventar
#451 erstellt: 03. Dez 2019, 14:34
Zu meiner liebsten Scheibe des Bassisten schrieb ich schon im Jazz--Thread folgendes:

R-2241283-1340531906-4978.jpeg
Miroslav Vitous
Journey´s End ECM 1983

Baritone Saxophone, Soprano Saxophone, Bass Clarinet – John Surman
Bass – Miroslav Vitous
Drums – Jon Christensen
Piano – John Taylor

Nun, bei der Besetzung kann nur etwas wirklich tiefgründig- zauberhaftes herauskommen; und das tut es auch. Die zumeist vom Bassisten stammenden Kompositionen sind Oasen innerer Ruhe und vereinnahmen den Hörer mit zeitloser Schönheit und bildhaften Charakteren. Über sein Bassspiel braucht es keine Worte mehr zu verlieren. Der Tscheche zählt mit seinem eher düsteren und abründigen Tongebung zu den größten seines Faches. Surman ist hier ein sensibler und wie immer abstrakter Gestalter, der unglaublich intensiv aufspielt und dabei ein feinfühliger Seismograph ist. John Taylors lichte, offene, ja fast schon romantische Pianotupfer und repetitiven Muster sind hier genau der richtige Gegenpol. Sein Spiel hat mich schon bei Jan Garbareks "Photo with...." absolut fasziniert und hier spielt er seine Fähigkeiten als Erschaffer wunderschöner Pastelltöne vollends aus. Und Jon Christensen ist halt Jon Christensen - einer der flexibelsten und universellsten Drummer des Planeten.
Hier treffen vier wahre Meister aufeinander, lassen all das Angeberische weit hinter sich, kehren in sich und halten diese schnelle und hitzige Welt mit diesem Meisterwerk von fast schon meditativer Kraft für einen Moment an.
Auch klanglich ist das ein wahrer Genuss mit dieser typischen Durchsichtigkeit, die Manfred Eicher und Jan Erik Kongshaug gerade in den frühen 80ern ziemlich perfekt produziert haben.
andreas3
Inventar
#452 erstellt: 03. Dez 2019, 16:23
Nun, die Music Of Weather Report empfand ich als schwer zugänglich, die Stücke sind meist erst auf den zweiten (oder dritten..) Blick zu erkennen.
Aber inzwischen mag ich sie sehr.

Volle Zustimmung auch zu Journey´s End, da möchte ich noch den Vorgänger empfehlen:

m. vitous group

Miroslav Vitous Group
ECM 1185 (1981)

Gleiche Besetzung bis auf den Pianisten: Hier spielt Kenny Kirkland, etwas spröder als Taylor aber ebenso tragend , eher sparsam und geschmackvoll. Musikalisch und klanglich ist das von Michael zu Journey´s End gesagte meiner Meinung nach hier gleich zutreffend.

Grüße!
dietmar_
Inventar
#453 erstellt: 04. Dez 2019, 00:04
satu

Edward Vesala - Satu
1977, ECM Records

Auf der CD gibt es für (P)+(C) jeweils die Angabe 1977, keine Ahnung, wann die CD erschienen ist? Discogs sagt, 2000 gab es die einzige CD-Version.
Die CD fiel mir vor mindestens 18 Jahren auf einem Grabbeltisch für sehr kleines Geld in die Hände. Oft gehört habe ich sie nicht. Dabei gibt es hier eine ganze Menge an bekannten Musikern [neben dem Leader u.a. Tomasz Stanko (eine Art Co-Leader), Palle Mikkelborg, Juhanni Aaltonen, Tomasz Szukalski, Terje Rypdal, Palle Danielsson]. Wahrscheinlich ist das auch der Grund meines seltenen Hörens, die recht große Musikerzahl in unterschiedlichen Besetzungen? All das ist durchaus hörenswert und schön, aber nicht so ganz mein Interesse.

edward v.
andreas3
Inventar
#454 erstellt: 04. Dez 2019, 00:50
Ich denke zu Miroslav Vitous gibts noch mehr, aber warum nicht ein kleiner Exkurs, bietet sich jetzt an:

nan madol

Edward Vesala - Nan Madol
ECM 1077 (1974)

Wie auf der von Dietmar vorgestellten Satu wechselt auch hier die Bestzung von Stück zu Stück, Vesala hat die Stücke wohl für diese Besetzungen geschrieben. Der finnische Schlagzeuger öffnet Klangwelten, die sich nur schwer erschließen lassen, die Grundstimmung ist getragen, Streicher und Bläser bilden teils bedrohlich wirkende Hintergründe für ein expressives Trommelsolo, häufig wirkt die Musik tastend, suchend, greifbare Strukturen werden vermieden. Auch bei mir läuft Vesala nicht oft, aber gerade spüre ich doch eine gewisse Faszination für diese Musik.

Grüße!
Mr._Lovegrove
Inventar
#455 erstellt: 04. Dez 2019, 10:56
Den Vesala werde ich mir bei Gelegenheit mal geben. Mit dem habe ich mich noch gar nicht auseinandergesetzt.
Aber zu Vitous habe ich natürlich noch was zu sagen, und da natürlich zu einer Platte mit meinem Lieblingssaxophonisten:
amazon.de
Miroslav Vitous/Jan Garbarek
Atmos
ECM 1475, 1993

Diese Platte hat mit StAR (ECM 1444, 1991) quasi einen Vorgänger, der unter Garbareks Flagge lief und auf dem neben den beiden noch Peter Erskine mitspielt. Diese Platte ist eine vorallem für die Garbarek- Verhältnisse dieser Zeit teils recht freie und expressive Angelegenheit, die aber auch schon aufzeigt, in welche Richtung "Atmos" geht.
Dieses Duoalbum wiederum rückt die beiden Spielpartner in ein konzentriert gerichtetes und extrem dichtes Licht. Vorallem Vitous umfangreiches Talent sowie seinem Hang zu düsteren Sounds kommt man hier wie auf kaum einer anderen Platte auf die Spur. Er ist ein Meister von schattenreichen Farbskalierungen und abgründigen Tiefen. Garbareks Saxophonpathos erklingt als rechter Kontrast, ja eher als kommentierender Konterpart, denn als zweiter Solist. Wer Garbarek so gar nicht mag, der darf diese Platte ganz sicher nicht hören, denn sie präsentiert auch ihn in extrem reiner Form. Doch der Hauptprotagonist ist der tschechische Bassist, der sein Instrument oft auch als Percussion benutzt, sein Holz klopfend und hämmernd bearbeitet (ohne Overdubs, wie das Booklet betont). In den beiden Teilen von "Time Out" erklingen zudem Samples aus Vitous eigener "Symphony Orchestra Sound Library", die er ja dann auch später wieder einsetzte. "Atmos" ist insgesamt ein ebenso faszinierendes wie polarisierendes Album, das aber in jedem Falle exquisit aufgezeichnet wurde.


Zur von Andreas genannten "Miroslav Vitous Group" gibt es übrigens in der Tat auch einen Vorgänger.
1
Miroslav Vitous
First Meeting
ECM 1145, 1980

Miroslav Vitous Bass
John Surman Soprano Saxophone, Bass Clarinet
Kenny Kirkland Piano
Jon Christensen Drums

Das erste Album dieses Quartetts ist, genau wie seine Nachfolger, eine dicht gewobene Angelegenheit. Doch hier wird noch etwas mehr aufs Gaspedal gedrückt und Christensen darf sich hier auch mal austoben und kräftiger swingen. Ansonsten gelten die Worte, die Andreas und Ich für die Nachfolger gewählt haben im Grunde auch für dieses tolle Album. Da erspare ich mir lange Exkurse und weise allenfalls noch auf das Erscheinungsdatum hin, das ECM mit 01.01.1980 angibt, was ich recht amüsant finde.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 04. Dez 2019, 10:57 bearbeitet]
andreas3
Inventar
#456 erstellt: 04. Dez 2019, 17:46
Zustimmung zu Atmos, Firts Meeting kenne ich (noch!) nicht. Aber unbedingt noch erwähnen möchte ich diese hier:

universal syncopations

Miroslav Vitous - Universal Syncopations
ECM 1863 (2003)

Miroslav Vitous - bass
Chick Corea - piano
Jan Garbarek - tenor sax
John McLaughlin - guitar
Jack DeJohnette - drums

Allein das erste Stück Bamboo Forest lohnt schon den Kauf, und es geht beschwingt und recht freizügig weiter. Auch so ein Traumquintett..

Grüße!

Edit: Ganz vergessen, auf zwei Stücken ist die Besetzung erweitert um Wayne Bergeron (trumpet), Valery Polonarev (trumpet, fluegelhorn) und Isaac Smith (trombone).


[Beitrag von andreas3 am 04. Dez 2019, 17:51 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#457 erstellt: 04. Dez 2019, 22:33
In der Tat war das Album nicht nur ein großer Erfolg für ECM, sondern wurde zu einem modernen Klassiker des Labels.
Was nichts daran ändert, dass ich der Scheibe kaum etwas abgewinnen kann. Ich halte McLaughlin und Corea hier für eine Fehlbesetzung. Die beiden machen ihr Ding ohne sich sinnvoll in den Kontext einzufügen. Ein schlüssiges Zusammenspiel entsteht hier kaum. Weshalb der Opener in der Tat das große Highlight des Albums ist; und leider auch das einzige.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 04. Dez 2019, 22:34 bearbeitet]
andreas3
Inventar
#458 erstellt: 05. Dez 2019, 00:54
Gut, die Verschmäcker sind geschieden..

Trotzdem möchte ich einwenden, dass Corea und McLaughlin auf etlichen Stücken gar nicht mitspielen, und es finden sich mit den tr. 2,3,5,7 und 9 doch noch durchaus hörenswerte Stücke. Anspieltipps der Tramp Blues sowie Brazil Waves, jeweils Trios mit Garbarek und DeJohnette. Die beiden solltest du noch mal lauschen!

Grüße!
arnaoutchot
Moderator
#459 erstellt: 05. Dez 2019, 14:11
Hi, ihr legt ja ordentlich vor. Ich komme leider im Moment mal wieder so gar nicht zu diesem Thread, vielleicht heute Abend oder am Wochenende.

Von Vitous hab ich ein paar der schon vorgestellten, u.a. auch Universal Syncopations. Muss ich nochmals hören, bevor ich urteile. Ich hab auf jeden Fall auch noch eine Bass-Solo-Platte von ihm auf ECM.

Des weiteren habe ich noch was von Colin Vallon Trio und Nana Vasconcelos. Von Glauco Venier habe ich zwar eine, aber nichts auf ECM, ich glaube Dietmar hatte eine. Vesala ging nicht an mich, das fand ich alles etwas merkwürdig.

Was ist denn mit den adeligen Herren ? Von Tom van der Geld habe ich etwas und Alexander von Schlippenbach hab ich mit dem Berlin Contemporary Jazz Orchestra schon vorgestellt, da gäbe es noch Globe-Unity-Platten auch JAPO. Na gut, geht vielleicht etwas weit.
Mr._Lovegrove
Inventar
#460 erstellt: 05. Dez 2019, 14:14
Zu van der Geld kann ich später was sagen.
arnaoutchot
Moderator
#461 erstellt: 05. Dez 2019, 14:26
Es gab mehrere Platten von van der Geld. Ich habe die Path (ECM 1134, 1979), die es nur auf LP gab (und jetzt als 2019 HR-Download). Habe ich als Kleinod in Erinnerung. Vielleicht hast Du ja eine andere, Michael ?
Mr._Lovegrove
Inventar
#462 erstellt: 05. Dez 2019, 14:48
Nein, leider nicht. Kenne auch nur genau dieses Album.
andreas3
Inventar
#463 erstellt: 06. Dez 2019, 00:10
Guten Abend!

Noch so eine Platte, die mich seit langem fasziniert:

Ich war noch recht jung, hatte einem Bekannten Geld geliehen, und da er es nicht zurückzahlen konnte gabs ne DoLP, mit der ich als fortgeschrittener Rockfan wenig anfangen konnte: Weather Report Live in Tokyo, japanische Pressung. Ich hörte sie natürlich trotzdem, und was mich auf Anhieb faszinierte war der Perkussionist Dom Um Romao, speziell auf der Berimbau. Der Klang diese einsaitigen, mit einem Stöckchen angeschlagenen und einem Flachen Stein in der Tonhöhe variierten Instruments, das aus einem einfachen Flitschebogen mit Stahldraht und einer daran befestigten Kalebasse besteht, hat mich derart fasziniert, dass ich Ausschau nach weiteren Platten hielt und mir später auch selbst eine Berimbau kaufte, mir ein paar Grundbegriffe anschaffte und hin und wieder fröhlich spielte.

saudades

Nana Vasconcelos - Saudades
ECM 1147 (1980)

Nana Vasconcelos - Berimbau, Tabla, Percussion, Voice, Gongs
Egberto Gismonti - Super 8-string guitar
Members of the Radio Symphonie Orchestra Stuttgart

Eigenwillig wie urtümlich ist die Musik von Nana Vasconcelos. Sein Freund Egberto Gismonti spielt auf einem der fünf Stücke mit und hat es auch komponiert, außerdem hat er die Streicherarrangements geschrieben. Herausgekommen ist ein Werk, dass seine Wurzeln tief im brasilianischen Erbe hat, aber sich weltoffen auch der musikalischen Tradition anderer Kulturen bedient. Für mich Höhepunkt war damals das knapp 19- minütige O Berimbau, aber die ganze Platte ist imho eine Hörerfahrung der besonderen Art..

Grüße!


[Beitrag von andreas3 am 06. Dez 2019, 00:13 bearbeitet]
arnaoutchot
Moderator
#464 erstellt: 06. Dez 2019, 10:06
Danke für Deine interessante Beschreibung. Ich habe und schätze die Platte von Vasconcelos auch sehr, allerdings muss ich zugeben, dass mich das lange Stück auf der Berimbau auf Dauer etwas nervt. Ich finde hingegen die andere Seite der Original-LP hochfaszinierend mit Ondas, wo symphonische Wellen (Ondas) gegen Vasconcelos' Percussion schlagen, und Cego Aderaldo mit Egberto Gismonti. Mit letzterem hat Vasconcelos ja auch einige Kollaborationen unter dessen Namen gemacht, siehe in unserem Thread hier bei G.
arnaoutchot
Moderator
#465 erstellt: 08. Dez 2019, 11:35
So, nun also mal wieder von meiner Seite ein paar Worte.

Bei Vitous / Universal Syncopations teile ich Michaels Meinung. Das plätschert so nebeneinander her, ich finde sogar den Opener Bamboo Forest schon süsslich. Das war aus meiner Sicht reines Name Dropping, Vitous hat es offensichtlich geschafft, hier alte Weggefährten auf einer Platte zu vereinen und mit ihnen mehr oder weniger sinnvoll Musik zu machen. 2007 gab es ja sogar noch ein Sequel Universal Syncopations II, allerdings mit anderen Musikern. Das berührt jedenfalls mich alles nicht sehr.

Viel besser von Miroslav Vitous gefällt mir die Emergence (ECM 1312, 1986), eine reine Bass-Solo-Platte ohne Overdubs. Die habe ich gestern mal wieder mit grossem Vergnügen gehört. Vitous ist kein Free Jazzer, alles bleibt harmonisch im Rahmen, er wechselt zwischen teilweise hochvirtuosem Pizzicato und gestrichenen Passagen. Inhaltlich streift er durch "seine" Jazz-Welt und endet mit einer sehr schönen Hommage an Miles Davis' Sketches of Spain. Klanglich ist die Digitalaufnahme blitzsauber. Ich weiss, Bass-Solo-Platten sind nicht jedermanns Sache, aber diese ist ein guter Einstieg in das Genre !

R-2217000-1514822725-9401.jpeg
https://www.discogs.com/Miroslav-Vitous-Emergence/release/2217000
arnaoutchot
Moderator
#466 erstellt: 08. Dez 2019, 12:01
... und weil ich gerade in Fahrt bin, gleich weiter mit dem Colin Vallon Trio. Der junge Schweizer Vallon (*1980) aus Lausanne hat für mich mit seinem Album Le Vent (ECM 2347, 2014) eines der schönsten Trioalben auf ECM geschaffen. Diesem Album geht vor das noch minimal unausgegorenere Rruga (ECM 2185, 2011) und folgt nach das Le Vent ziemlich ähnliche Danse (ECM 2517, 2017), aber für mich bleibt Le Vent das (bisherige) Meisterwerk. Wie Vallon (p) hier mit seinen kongenialen Begleitern Patrice Moret (b) und Julian Sartorius (dr) Harmonik und Rhythmik subtil verschiebt, ist hervorragend. Anspieltipp zB das traumhafte Immobile auf der Le Vent. Klanglich habe ich von Le Vent aufgenommen in den Rainbow Studios die CD und HR-Download, beide klingen prachtvoll. Die "lebensbejahenden" Covergestaltungen bleiben Geschmackssache ...

Ich darf ausnahmsweise mal die Kritik aus dem Stereoplay für Le Vent zitieren, die ich voll unterschreiben kann (insbesondere mit Blick auf die genannten Pop-Experimente der anderen Piano-Ensembles) ...


„Geht's noch schöner, noch feinsinniger, noch delikater? Wohl kaum. Der Pianist Colin Vallon setzt mit seinen ECM-Trioaufnahmen einen beeindruckenden Kontrapunkt zu den Pop-Experimenten und dem virtuosen Schaulaufen vieler moderner europäischer Piano-Ensembles. (...) Auch regietechnisch ist dies ECM-Premiumqualität: von Manfred Eicher produziert und von Jan Erik Kongshaug im Osloer Rainbow Studio wunderbar audiophil aufgezeichnet.“ (stereoplay, April 2014)


jpc.de jpc.de jpc.de


[Beitrag von arnaoutchot am 08. Dez 2019, 12:12 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#467 erstellt: 10. Dez 2019, 10:48
Ich bringe dann zum scheinbaren Abschluß des V noch Tom van der Geld mit ins Boot. Ich kenne, so wie Michael, nur diese hier:
1
Tom van der Geld
Path
ECM 1134, 1979

Tom van der Geld - Vibraharp
Bill Connors - Guitar
Roger Jannotta - Flute, Soprano Saxophone, Oboe

Das Wort "Kleinod" ist ein druchaus treffendes. "Path" ist eine wunderschöne, fast schon aquarellhafte Trioplatte, die aus diesem Pool naturbehafteter Platten stammt, den Manfred Eicher zu dieser Zeit forciert betrieb. Und das Trio um den Vibraphonisten führt diese Idee schon fast an den Rand gewisser Extreme, so malerisch und fast schöngeistig wirkt ihre Musik. Es ist zwar wunderbare Musik voller Eleganz, aber doch erklingt ein schmaler Grat, den die drei exzellenten Musiker hier begehen. Manchmal wirken die so eingängigen Stücke nämlich doch fast zu unverbindlich und zu ästhetisch. Manchmal jedoch gelingt ihnen eine faszinierende Reise in die Abgründe hinter der reinen Schönheit; dann erklingen mollige Untertöne, so fein zieseliert wie Spinnenweben im Morgentau. Auch wenn van der Geld der Leader ist, die treibende Kraft hinter diesen klängen aber ist Bill Connors, der das Trio auf genau diesem eben genannten schmalen Grat virtuos bis zum Schluß führt ohne abzustürzen.
Für Freunde des Trios Garbarek/Haden/Gismonti kann sich das hier aber auf jeden Fall zu einer tollen Erweiterung des Spektrums entwickeln.
arnaoutchot
Moderator
#468 erstellt: 10. Dez 2019, 12:06
Ja, so ähnlich höre ich das auch. Ich habe ansonsten nichts mehr zu V, dann hinein in den letzten grossen Buchstaben des ECM-Alphabets, das W ...


[Beitrag von arnaoutchot am 10. Dez 2019, 12:08 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#469 erstellt: 10. Dez 2019, 13:05
Screenshot_20191210_110350

Hier wird es ja zum guten Schluss nochmal richtig spannend und umfangreich.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 10. Dez 2019, 13:06 bearbeitet]
arnaoutchot
Moderator
#470 erstellt: 10. Dez 2019, 22:14
Danke für die Listung der W-Artisten. Auf den ersten Blick fehlt das Gitarrenduo Weber/Ingenbold, das ich hier gerne noch erwähnen würde.

Ansonsten habe ich diverses von Walcott, Wasilewski, Watts, Weber, Wheeler und Willemark. Und natürlich die ECM-Platte schlechthin ... ECM 1001, 1969 von Mal Waldron ... Free at Last. Da kann ich es mir einfach machen, die hab ich in der brandneuen 50th Anniversary Edition erst vor ein paar Tagen im Jazz-Thread besprochen.


Hier gerade noch passend zum Jubiläum: Mal Waldron - Free at Last - ECM 1969 (ECM 1001) - Extended 50th Anniversary Edition. Die erste ECM-Platte wurde tatsächlich am 24. November 1969 aufgenommen und ist damit ziemlich genau 50 Jahre alt. Den Inhalt setze ich mal als bekannt voraus. Perkussiver, leicht derber Piano Jazz mit Freiräumen für Isla Eckinger (b) und Clarence Becton (dr). Kein Free Jazz, sondern aus heutiger Sicht eher in die R&B-Richtung gehend. Vielleicht nicht die beste und rundeste ECM-Platte, aber doch ein starker Auftakt.

Die Jubiläumsausgabe finde ich mehr als gelungen. Sehr saubere Pressung, alles wertig und schwer mit einem schönen kleinen Foto-Heft dabei. Klanglich etwas ruppig, aber authentisch. Ohne es jetzt verglichen zu haben besser als die etwas mager klingende CD. Jeder der mit ECM und LPs etwas anfangen kann, kann sich hier einen Schatz nach Hause holen, der sicherlich nicht ewig erhältlich sein wird (es gibt nur eine Vinylausgabe !)

Edit: Die originale Langversion von Willow Weep For Me auf der zweiten Platte ist grandios (das Stück wurde für die Original-LP geschnitten).

IMG_0310
HansFehr
Inventar
#471 erstellt: 11. Dez 2019, 16:34
In Vinyl habe ich dieses Album damals gekauft, nachdem ich Charlie Mariano bei einem seiner regelmäßigen Auftritte in Zürich live gehört hatte. Jetzt spiele ich die Aufnahme gerade wieder mal. Allerdings nicht die Vinyl, sondern HiFi-Streaming. Für mich ganz feine Musik.



Eberhard Weber
Yellow Fields
ECM 1066, 1976

Eberhard Weber- Bass
Charlie Mariano - Sopransax und diverse
Rainer Brünninghaus - Piano, Synthesizer
Jon Christensen - Schlagzeug


[Beitrag von HansFehr am 12. Dez 2019, 00:05 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#472 erstellt: 11. Dez 2019, 16:55
Danke Hans für den Start mit Eberhard Weber. Da komme ich auch noch zu. Doch vorher wollte ich noch kurz für die CD Käufer die bis zuletzt erhältliche CD Variante von ECM 1001 zeigen. Es ist schon etwas seltsam und doch auch bezeichnend, daß Eicher das Album zum Jubiläum als LP und HiRes Download/Stream anbietet, aber nicht als CD.
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arnaoutchot
Moderator
#473 erstellt: 11. Dez 2019, 23:40
Dann bleiben wir mal bei Eberhard Weber. Generell fand ich auch die frühen ECM-Platten von ihm am besten, u.a. die gezeigte Yellow Fields. Meine Lieblingsplatte von ihm wird aber vermutlich sein Erstlingswerk auf ECM The Colours of Chloë (ECM 1942, 1974) bleiben. Dieses eher zeitgenössisch-impressionistische Werk denn wirklicher Jazz bietet eine unglaubliche Palette an Farben und Stimmungen. Es war eine meiner ersten ECM-Platten überhaupt, und beim Kauf in den späten 1970ern konnte ich erst mal nicht sehr viel damit anfangen ... Mit dabei sind Rainer Brüninghaus an den Keyboards, Peter Giger an den Drums und Ack van Rooyen am Flügelhorn (nur auf einem Stück) und Mitglieder des Südfunk-Symphonieorchesters. Ein ebenso ehrgeiziges wie gelungenes Debut auf ECM !

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[Beitrag von arnaoutchot am 11. Dez 2019, 23:43 bearbeitet]
andreas3
Inventar
#474 erstellt: 12. Dez 2019, 02:15
Guten Abend,

auf Weber habe ich mich auch schon gefreut, Colours of Chloe und Yellow Fields sind genannt, da darf diese nicht fehlen:

Silent Feet

Eberhard Weber Colours - Silent Feet
ECM 1107 (1978)

Wieder mit Carlie Mariano am Sopran und Rainer Brüninghaus am Piano, hier trommelt jedoch John Marshall, der mit Softmachine einen äußerst kraftvollen und präzisent, stärker als Christensen treibenden Stil entwickelte und der dem Nachfolger von Yellow Fields etwas mehr Pfeffer verleiht. Die beiden sind mir nach wie vor die liebsten Weber- Alben, das Gruppenspiel erreicht eine unheimliche Tiefe, Marianos Sax und Webers außergewöhnlich klingender Elektrobass ergänzen sich perfekt, Brüninghaus zeigt sich geschmackvoll und versiert, und beide Drummer tragen das Ganze souverän. Ich kann nicht sagen welche mir lieber ist, Colours of Chloe lernte ich auch erst im Lauf der Zeit schätzen und genießen.

Grüße!
Mr._Lovegrove
Inventar
#475 erstellt: 12. Dez 2019, 10:52
Auch ich schwanke immer wieder zwischen "Silent Feet" und "The Colours of Chloé", letztlich ist es ein Patt.
Aber es gibt aus der Zeit ja auch noch diese einfach fantastische Platte des Bassisten:

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Eberhard Weber
Fluid Rustle
ECM 1137, 1979

Bass, Percussion [Tarahg] – Eberhard Weber
Guitar, Balalaika – Bill Frisell
Vibraphone, Marimba – Gary Burton
Voice – Bonnie Herman, Norma Winstone

Der Albumtitel ( zu deutsch "fließendes Rauschen") ist durchaus ein passender. Es rauscht zwar nicht im musikalischen Sinne, höchstens das Bandgerät fügt etwas hinzu, aber fließender kann Musik kaum Klingen. Womöglich spielt Weber mit dem Rauschen auf seine faszinierende Idee an, Parts für zwei Sängerinnen einzubauen, die eben keine Worte singen, sondern nur Laute. Bonnie Herman und die große Norma Winstone verleihen dieser eh schon wunderschönen Musik eine so unfassbar faszinierende und schwebende Komponente; es ist wie eine Art Sirenengesang. Man wird magisch angezogen von diesen hypnotisierenden Stimmen und muß unweigerlich bis zum Schluß zuhören.
Dabei nimmt Weber sich als Bassist enorm zurück und nur selten spielt er großartige Dinge auf seinem Spezialbass. Er profiliert sich hier im Speziellen als Komponist einer räumlichen, weittragenden und auch folkloristischen Musik voller Dreidimensionalität und Farbigkeit.
Gary Burton trumpft als kongenialer Partner auch hier ganz groß auf, während der brillante Bill Frisell seine stets eigenwilligen Soundscapes passgenau einbaut und im hinteren Teil vom Opener "Quiet Departures" auch mal zur Balalaika greift, um damit eine Harmoniebasis zu bauen, die so schön wie rauh ist.
Diese Platte klingt anders, als alle anderen Weber- Alben und wird nicht jedem Jazzfan gefallen, da sie kaum Jazz ist, aber dafür umso mehr Herz und Seele berührt. Für mich ist das ein Meisterwerk.
Mr._Lovegrove
Inventar
#476 erstellt: 12. Dez 2019, 11:34
1980 dann nahm Weber mit seinen "Colours" noch ein Album auf, das sich nahtlos in das großartige Werk einreiht:
1
Eberhard Weber Colours
Little Movements
ECM 1186, 1980

Eberhard Weber Bass
Charlie Mariano Soprano Saxophone, Flute
Rainer Brüninghaus Piano, Synthesizer
John Marshall Drums, Percussion

Auch wenn dieses Album etwas im Schatten seiner Vorgänger steht, so ist es keinen Deut schlechter. Webers Kompositionen schwanken wieder zwischen weiträumig- ausschweifenden Titeln und druckvollerem Material. Der Opener "The last stage of a long journey" ist ein langsam erwachendes und bis zum Ende hin getragenes Stück voller Wehmut. Man hört Weber auf einem Kontrabass (!!!!) solieren und einen brillanten Rainer Brüninghaus mit seinen gar schon epischen Klavierlinien. Charlie Mariano verleiht dem Stück eine fast verträumte Note.
"Bali" wiederum ist, nach einem 3-minütigen Intro, Druck pur. John Marshall drückt aufs Drummerpedal und treibt die Truppe voran. Brüninghaus´ gleitet mit seinen großen Harmonien auf diesem Beat und bildet einen schönen Rahmen für Weber und Mariano, die sich prächtig unterhalten.
"Dark Spell" ist zugänglich angelegt mit einem simplen Thema, das der Ausgang für ein wunderschönes Stück Jazzmusik ist und in dem am Ende wieder Druck aufgebaut wird.
"Little Movements" ist eine zweigeteilte Angelegenheit, die zunächst von Mariano und Brüninghaus und einem minimalistischen Thema beherrscht wird. Nach etwa der Hälfte zerbricht Marshall mit einem harten Solo diese Szenerie und bereitet so Webers Einsatz vor. Man bringt das Stück dann in einträchtiger Harmonie zu Ende.
"No Trees? He said" fast noch mal all die Fähigkeiten Webers und den Colours zusammen und setzt so einen tollen Endpunkt unter eine wunderbare Platte.
arnaoutchot
Moderator
#477 erstellt: 12. Dez 2019, 22:15
Ich will den Eberhard-Weber-Rausch von meiner Seite noch mit zwei Platten beenden. Ich hab all die bislang gezeigten and some (Discogs wirft mir insgesamt sogar 35 Platten mit Eberhard Webers Beteiligung in der Sammlung aus, darunter allerdings auch Kollaborationen mit Kate Bush etc.). Ich habe unter seinem Namen zB noch die Later That Evening, die ich aber etwas glatt in Erinnerung habe (müsste ich aber mal wieder auflegen).

Aber noch zwei, die ich sehr gut finde, in reduzierter Besetzung: The Following Morning (ECM 1084, 1977) nur mit Rainer Brüninghaus am Klavier und teilweise der Untermalung von Mitgliedern des Philharmonischen Orchesters Oslo. Gut, die Platte tendiert manchmal fast ein bisschen sehr zum Schönklang, aber ich mochte sie schon seit Erscheinen sehr gerne und überprüfe das gerade mit positivem Ergebnis.

Zum anderen (natürlich bei mir ) Webers Bass-Solo-Platte Pendulum (ECM 1518, 1993). Das ist natürlich keine reine Bass-Solo-Platte, sondern Weber verstärkt seine Linien im Overdubbing teilweise zu nahezu orchestralen Strukturen. Aber macht er gut.

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arnaoutchot
Moderator
#478 erstellt: 13. Dez 2019, 09:31
Und weil es hier gerade draussen so hübsch schneit, passt diese hier als kleines Intermezzo: Hajo Weber / Ulrich Ingenbold - Winterreise (ECM 1235, 1982). Ein weiteres "Kleinod" aus der ECM-Sammlung. Die beiden haben nur diese eine Platte veröffentlicht, die bis zur HR-Veröffentlichungsrunde dieses Jahr auch nur als Original-LP veröffentlicht blieb und nie auf CD erschien. Ein Gitarrenduo, Ingenbold ist auch an der Querflöte zu hören. Ätherisch-atmosphärisch fliessende Stücke, die Namen verraten schon, wo die Reise hingeht: Sommerregen, Drehung in der Luft, Karussell oder das Titelstück Winterreise. Sicherlich kein Must Have, aber Freunde von Eliovson, den Metheny-Soloalben oder Kolbe & Illenberger (letztere nicht auf ECM) mögen Gefallen daran finden. Kann man auch streamen.

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Mr._Lovegrove
Inventar
#479 erstellt: 13. Dez 2019, 11:25

arnaoutchot (Beitrag #477) schrieb:
Ich will den Eberhard-Weber-Rausch von meiner Seite noch mit zwei Platten beenden.

Ich bin noch nicht fertig mit ihm
Ich habe noch folgende im Angebot:
lae
Eberhard Weber
Later that evening
ECM 1231, 1982

Eberhard Weber - Bass
Paul McCandless - Soprano Saxophone, Oboe, English Horn, Bass Clarinet
Bill Frisell - Guitar
Lyle Mays - Piano
Michael DiPasqua - Drums, Percussion

Glatt ist hier nicht ganz das richtige Wort, eher etwas zu schöngeistig und mit wenig wirklichen Spannungspunkten kommt diese hervorragend besetzte Platte daher. Weber maximiert hier seine bilderhafte und teils minimalistische Kompositionssprache bis an die Grenze des Greifbaren. Lange, ausufernde Sequenzen sind die Folge, die zwar den Solisten Platz lassen (allen voran der Magier der atrmosphärischen Gitarre Bill Frisell), gleichzeitig aber eher wie tupferhafte Soundscapes wirken. Irgendwie kann das faszinierend sein, ist aber kein Must- Have.

Drei Jahre später folgt dann das einzige Studioalbum unter Webers Flagge mit Jan Garbarek an Bord.
ch
Eberhard Weber
Chorus
ECM 1288, 1985

Eberhard Weber - Bass, Synthesizer
Jan Garbarek - Soprano Saxophone, Tenor Saxophone
Ralf-R. Hübner - Drums

Hier passt wieder alles zusammen; ein virtuoser Drummer und zwei Musiker, die sich schon damals blind verstanden und die schon damals zusammengehörten, wie Michael Knight und K.I.T.T.
Das Album hat Weber einfach in sieben Teile (III und IV bilden einen Track) unterteilt und lässt es so wie eine Suite erscheinen. Dabei hat der Bassist die Musik ganz auf sich und vorallem Garbarek zugeschnitten, der ausufernd solieren darf, dem die Themen und Chorusse aber auch auf den Leib geschneidert wurden. Auch hier erleben wir Eberhard Weber wieder als Komponisten ätherischer und atmosphärischer Stücke, die viel Anlauf bekommen. Aber hier im Trioformat mit einem agilen Ralf-R. Hübner erklingt auch ein einmaliger Basssolist, der alles aus seinem korpuslosen E-Kontrabass rausholt und sich in Stücken wie "Part VI" auch mal mit Garbarek auf freierem Terrain bewegt. Die ist nicht nur für Garbarek- Fans einen Kauf wert.

Zu zwei letzten Platten komme ich später. Es wären "Endless Days" und "Stages of a long journey". Wenn jemand anders will, dem lasse ich gerne den Vortritt.
arnaoutchot
Moderator
#480 erstellt: 13. Dez 2019, 13:35

Mr._Lovegrove (Beitrag #479) schrieb:

arnaoutchot (Beitrag #477) schrieb:
Ich will den Eberhard-Weber-Rausch von meiner Seite noch mit zwei Platten beenden.

Ich bin noch nicht fertig mit ihm


Kein Problem, ich sagte ja auch von meiner Seite. Die beiden noch offenen habe ich nicht. Die Chorus mit dem Tröter auch nicht

Die Cover der Eberhard-Weber-Platten mögen aus heutiger Sicht etwas betulich und 1970er Jahre wirken, aber sie gefallen mit unverändert Meilen besser als die heutigen unscharfen Schwarz-Weiss-Orgien.
Mr._Lovegrove
Inventar
#481 erstellt: 13. Dez 2019, 14:04

arnaoutchot (Beitrag #480) schrieb:

Die Cover der Eberhard-Weber-Platten mögen aus heutiger Sicht etwas betulich und 1970er Jahre wirken, aber sie gefallen mit unverändert Meilen besser als die heutigen unscharfen Schwarz-Weiss-Orgien. :L

Mir auch! Maja Webers Bilder passen auch allesamt irgendwie immer zur Musik der jeweiligen Platte. Da bestand dann auch nie Verwechslungsgefahr, so wie es heute der Fall ist.
andreas3
Inventar
#482 erstellt: 14. Dez 2019, 01:17
Guten Abend,

die Cover von Maja Weber haben mich damals auch spontan begeistert, überhaupt haben wir ja hier einen schönen Überblick über die ECM- Coverkunst bekommen, und ich kann ebenfalls bestätigen, dass mir die des letzten Jahrtausends besser gefallen.

Zu Eberhard Weber liegen bei mir noch Later That Evening (hatten wir ja bereits) sowie Endless Days bereit. Beide schätze ich sehr, vor allem die letztgenannte. Allein der Titel erinnert mich an ein Lebensgefühl, was sich in der Musik schön wiederspiegelt und was ich zuweilen vermisse. Da ich sehr auf Michaels Rezension gespannt bin überlasse ich sie gerne Mr._Lovegrove und stelle noch diese hier vor:

Résumé

Eberhard Weber - Résumé
ECM 2051 (2012)

Von 1990 bis 2007 war Eberhard Weber Bassist der Jan Garbarek Group, und bei Live- Konzerten spielte Weber häufig ungegleitete Solos als Überleitungen zwischen zwei Stücken, wobei er auf geniale Weise bruchlos Melodie, Rhythmus und Tonart wechselte und damit das neue Stück einleitete. Die zwölf aus Webers Sicht gelungensten dieser Übergänge (aus ca. 100 auf 15 Stunden Bandmaterial) präsentiert er hier, namensgebend sind die Städte, in denen er sie spielte. Auf zwei Stücken ist Michael DiPasqua, auf dreien Garbarek dabei, zentral sind aber die schwebenden, teils elektronisch bearbeiteten Klänge, die er auf seinem Bass spielt, und das ist einfach großartig.

Grüße!
Mr._Lovegrove
Inventar
#483 erstellt: 14. Dez 2019, 11:22
Wer diese Soli mal live erlebt hat, weiß, wie faszinierend diese Intermezzi waren. Weber alleine mit seinem Bass und seinen Pedalen, seinen Livesamplern, das war wirklich spannend und einzigartig.

Und da Andreas mich um meine Sicht auf sie gebeten hat, komme ich gerne dazu.
ed
Eberhard Weber
Endless Days
ECM 1748, 2001

Eberhard Weber - Bass
Paul McCandless - Oboe, English Horn, Bass Clarinet, Soprano Saxophone
Rainer Brüninghaus - Piano, Keyboards
Michael DiPasqua - Drums, Percussion

Mit angestammten Musikers, die allesamt schon ewig mit Weber zu tun hatten, ging der Bassist anno 2000 ins Rainbow Studio, um ein Album aufzunehmen, welches vetraute Klänge bot und doch teils ganz anders war. Die oftmals so schöne Eleganz und Weite, das Ätherisch- harmonische wich deutlich molligeren Tönen, wich gerade zu Beginn Themen voller entrückter Hoffnung und aufwühlenderer Fürbitte. "Concerto for Bass" erdrückt den Hörer fast mit übergroßer Geste und Fragestellung, "French Diary" erwirkt einen großen Pathos, der aber nicht schwülstig, sondern teifgreifend ankommt.
Dann schwenkt Weber wieder zu deutlich vertrauteren Klängen. Ab "Nuite Blanche" schenkt uns Webererneut diese einfachen wie lieblich- eleganten Themen, die Rainer Brüninghaus und Paul McCandless so sensibel und mit feiner Hand umsetzen. Da ist sie dann wieder, diese weite und endlose Klanglandschaft voller Details und Artefakte am Wegesrand. Im übrigen ist es wieder auch Michael DiPasqua, der mit straffen Händen einen immer angespannten Rhythmusbogen im Anschlag hat und wieder als einer der besten Drummer seiner Generation glänzt.
Weber schenkt dem Hörer zusätzlich nicht nur zwei Stücke für Solobass, sondern eine Neuinterpretation von "The Last Stage Of A Long Journey", im Original auf der "Little Movements" zu finden. Die völlig andere Besetzung und eine geänderte Sichtweise zeigen auf wie stark das Stück ist, denn trotz ähnlicher Lauflänge (9:44 alt zu 9:19 neu) vermittelt die neue Variante einen deutlich wehmütigeren Eindruck, wirkt schwerer und emotional größer. Aber die Grundqualität des Stückes wird vergleichbar stark aufgezeigt.
Faszinierend ist aber auch die veränderte Klangcharakteristik durch den Einsatz digitaler Synthesizer und Keyboards, die hier eine wesentliche Rolle für den Gesamteindruck machen und gegenüber ihren analogen Kollegen der 1970er den Grundduktus der Musik radikal verändern.
Klanglich ist die Platte gemäß ihrer Herkunft ein Genuß ohne Gleichen mit der typischen Transparenz und Luft, mit enormer Dynamik und Klarheit und einer gewissen epischen Größe.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 14. Dez 2019, 13:07 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#484 erstellt: 15. Dez 2019, 11:05
Das beste kommt immer zum Schluß und deshalb kommt von meiner Seite aus diese Weber hier als letzte:
stag
Eberhard Weber
Stages of a long journey
ECM 1920, 2007

Eberhard Weber - Bass
Gary Burton - Vibraphone
Jan Garbarek - Soprano Saxophone, Tenor Saxophone
Rainer Brüninghaus - Piano
Marilyn Mazur - Percussion
Wolfgang Dauner - Piano
Nino G. - Beat Box
Reto Weber - Hang
SWR Stuttgart Radio Symphony Orchestra
Roland Kluttig - Conductor

Auf Betreiben des Martin Mühlheis, dem damaligen Betreiber der Stuttgarter Theaterhaus Jazztage kamen am 23. und 24.03.2005 nicht nur eine Schar von Jazzstars sondern auch das vollständige SWR Stuttgart Radio Sinfonie Orchester auf die Bühne des Theaterhauses, um zusammen mit Eberhard Weber dessen 65. Geburtstag nachzufeiern (Weber wurde am 22.01.1940 geboren). Diese einmalige Konstellation brachte eine ebenso einmalige Liveaufnahme hervor, die man nicht hoch genug in den Himmel heben kann. Weber liefert mit dem Allstarensemble und dem Orchester nicht nur einen representativen Querschnitt seiner bekanntesten und schönsten Stücke, sondern zusammen zelebriert man diese Titel regelrecht. Alle Beteiligten und dort allen voran natürlich Jan Garbarek, Marilyn Mazur, Gary Burton und Rainer Brüninghaus spielen absolut leidenschaftlich und erteilen "ihrem" Sideman mehr als gebühren die Ehre. Die orchestrale Fassung von "The Colours of Chloé" stellt mit ihrer nie zu opulent wirkenden Größe das Original sogar schon fast in den Schatten. Aus "Yellow Fields" holen die Musiker noch allen Swing heraus und Gary Burton zeigt hier seine ganze Größe. Doch auch der Rest der Arrangements überzeugt vollends. Ein besseres Geburtstagsgeschenk kann es gar nicht geben
Produktionstechnisch lasse ich nichts auf dieses Album kommen, denn es bietet einen transparenten, perfekt ausbalancierten und tief in die Bühne blickenden Livesound allererster Güte.
Weber ist ja der einzige Künstler auf ECM, der mit gleich zwei Liveaufnahmen geehrt wurde. Neben dieser hier, an der er aktiv beteiligt war, gibt es ja noch die "Hommage à Eberhard Weber" (ECM 2463, 2015), auf der eine weitere Allstarkombo ihn feiert, auf der aber ja wegen seines Schlaganfalles und dessen Folgen nicht mehr mitspielen konnte. Er taucht da ja quasi per Zuschaltung von früher aufgenommenen Soli als virtueller Musiker auf. Allerdings kenne ich das Album nicht.
Jetzt bin auch ich mit Weber durch...
,


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 15. Dez 2019, 11:06 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#485 erstellt: 15. Dez 2019, 11:10
Und ich sehe gerade, dass wir bald auch ganz durch sind. Im W ist noch was zu tun, im Y ist nur noch Jacob Young am Start und im Z ist gar nix zu holen. Ausser bei JAPO vielleicht, das habe ich jetzt nicht auf dem Schirm.
arnaoutchot
Moderator
#486 erstellt: 15. Dez 2019, 12:31

Mr._Lovegrove (Beitrag #485) schrieb:
Und ich sehe gerade, dass wir bald auch ganz durch sind ... und im Z ist gar nix zu holen.


Nur gemach, mein Lieber. Auch im Z gibt es auf ECM noch eine wunderbare Duo-Platte eines amerikanischen Pianisten mit einem von mir sehr geschätzten Bassisten ... Aber wir müssen ja nicht eilen, oder willst Du noch dieses Jahr fertig werden ?

Dann will ich kurz etwas zu Marcin Wasilewski und seinem zuerst Simple Acoustic Trio genannten, aber heute eher als Marcin Wasilewski Trio bekannten Gruppierung sagen. Wasilewski (p) und seine Kollegen Slawomir Kurkiewicz (b) und Michal Miskiewicz (dr) sind zuerst bei Tomasz Stanko zusammengekommen, ich hatte die Aufnahmen Soul of Things und Suspended Night mit ihnen bei Stanko erwähnt. Auch bei Katché sind Wasilewski und Kurkiewicz dabei.

2005 erschien dann das schlicht mit Trio (ECM 1891, 2005) betitelte Debut. Eine hörbar neue Generation von Musikern war hier am Start, die auch Einflüsse ausserhalb der reinen Jazz-Lehre einbezog (Anspieltipp: Hyperballad von Björk), ohne jedoch auf elektronische Krücken zugreifen zu müssen wie manch andere zeitgenössische Trios. Mit January (ECM 2019, 2008) erschien der Nachfolger, der von der Kritik ein wenig verhaltener aufgenommen wurde, ja gar als ein wenig langweilig verrissen wurde. Das stimmt für mich gar nicht, ich fand den Nachfolger sogar noch besser als den Erstling. Wenige Platten kenne ich, in die ich so versinken kann, wie in diese Musik ! Der dritte Streich Faithful (ECM 2258, 2011) hielt das hohe Niveau, konnte aber die wunderbare January bei mir nicht übertreffen. 2018 erschien eine Live-Aufnahme aus Middelheim, die ich aber noch nicht kenne (Anmerkung an mich: Anhören ! ). Ich hatte das Trio aber 2016 (wenn ich nicht irre) mal in Wien im Porgy & Bess live gesehen, das war ein toller Abend.

jpc.de jpc.de jpc.de


[Beitrag von arnaoutchot am 15. Dez 2019, 13:06 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#487 erstellt: 15. Dez 2019, 13:58

arnaoutchot (Beitrag #486) schrieb:

Nur gemach, mein Lieber. Auch im Z gibt es auf ECM noch eine wunderbare Duo-Platte eines amerikanischen Pianisten mit einem von mir sehr geschätzten Bassisten ... Aber wir müssen ja nicht eilen, oder willst Du noch dieses Jahr fertig werden ?

Nein nein, das war nur eine Feststellung, keine Aufforderung schneller zu machen ;). Ich hatte das nur gesehen und mir dann gedacht, dass dieser Spaß leider bald zu Ende ist.
andreas3
Inventar
#488 erstellt: 15. Dez 2019, 21:12
Guten Abend,

zu Weber hab ich jetzt auch nichts mehr, aber es sind einige auf meiner Liste gelandet.

Hier geht gerade die Post ab und der Bär tanzt:

a wider embrace

Trevor Watts / Moiré Music Drum Orchestra - A Wider Embrace
ECM 1449 (1994)

Trevor Watts - alto and soprano saxes
Colin McKenzie - bass guitar
Moiré Music Drum Orchstra - drums, percussion, flutes, vocals

Das fünfköpfige Orchester ist komplett mit Afrikanern besetzt und wurde hier hervorragend aufgenommen: Eine ähnliche Wucht, enorme Dynamiksprünge und innere Verbindung der Musiker habe ich bisher noch bei den Kodotrommlern gehört, aber sonst? Der Bass ist fett zu nennen, und Trevor Watts begeistert mich mit grandiosen Höhenflügen, hervorragend auch der Blues The Rocky Road To Dublin, nach einem Bassintro gehts verhalten los, und steigert sich über zehn Minuten. Ein grandioses und einzigartiges Album, wenns denn gefällt..

Grüße!


[Beitrag von andreas3 am 15. Dez 2019, 21:14 bearbeitet]
arnaoutchot
Moderator
#489 erstellt: 15. Dez 2019, 21:29
Gute Erinnerung, Andreas, mit der wollte ich mich auch schon immer mal befassen.

Ich hab auch noch was mit Trevor Watts, auch wenn ich gerade sehe, dass die weibliche Kollegin hier sogar erstgenannt ist: Katrina Krimsky & Trevor Watts - Stella Malu - ECM 1199, 1981. Ein Piano / Sax-Duo, ich habe es als innovativ in Erinnerung, muss aber nochmals nachhören.

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andreas3
Inventar
#490 erstellt: 15. Dez 2019, 23:54
Von Watts gibts noch eine Konzertaufnahme mit dem Drumorchester, da werde ich mich mal ranmachen. Unglaublich was ich über diesen Faden an Schätzen in meiner kleinen Sammlung wiedergefunden habe, vielleicht sollte man gar keine neuen Tonträger mehr kaufen, sondern sich die vorhandenen gönnen..

Jetzt noch was unvergleichlich Einzigartiges:

trommelgeflüster
Harald Weiss - Trommelgeflüster
ECM 1249 (1982)

Harald Weiss - Percussion und Stimme

Ein Zaungast hatte sie ja schon mal gepostet, hier gehört sie hin. Auch eine Platte die ich schon ewig habe und seit langem nicht gehört. Harald Weiss hat unter anderem klassische Komposition studiert und Werke in der Sparte Musiktheater geschaffen, aber er studierte auch Schlagwerk, und hier schuf er ein "durchkomponiertes Schlagzeugritual".
Das Werk ist durchaus als skurril zu bezeichnen und verarbeitet unter anderem asiatische Einflüsse, was sich auch im Instrumentarium wiederspiegelt. Musikalisch ein sich wandelnder Fluss mit teils überraschenden Wendungen. Weiss zeigt sich als wieselflinker Trommler, der schlafwandlerisch durch Metren und Tempi marschiert und äußerst fantasiereich sein Arsenal einsetzt. Bemerkenswert ist seine Stimme, er singt nicht sondern benutzt sie als Rhythmus- oder Effektgerät.

Grüße!
arnaoutchot
Moderator
#491 erstellt: 16. Dez 2019, 00:30

andreas3 (Beitrag #490) schrieb:
... vielleicht sollte man gar keine neuen Tonträger mehr kaufen, sondern sich die vorhandenen gönnen..


Wem sagst Du das ! Aber der Thread hier war in dieser Hinsicht gut, ich habe viele Platten wieder ausgegraben, die ich lange nicht gehört hatte.

Noch ein absoluter Klassiker des Labels zum Abschluss des Wochenendes: Kenny Wheeler - Gnu High - ECM 1069, 1976. Es war Kenny Wheeler's erste Session für ECM und Jarrett's letzte als Sideman. Daneben Dave Holland und Jack DeJohnette. Wheeler hat viele gute Platten für ECM gemacht, aber diese hier hat eine spezielle Aura. Es sind nur drei Stücke auf der Platte, Heyoke auf der A-Seite der LP ist knapp 22 Minuten lang. Trotzdem die Themen eher abstrakt sind (Wheeler kam eigentlich aus dem Free Jazz und arbeitete mit Schlippenbach, Braxton, Brötzmann und solchen Schwergewichten), entwickeln sich darüber melodisch interessante Improvisationen. Die Platte gehört zu den Musterbeispielen, für was ECM speziell in den 1970er Jahren stand.

Den Nachfolger Deer Wan lasse ich gerne jemanden besprechen, der eine Affinität zum mitwirkenden Jan vom Fjord hat ...

jpc.de
andreas3
Inventar
#492 erstellt: 16. Dez 2019, 00:37
Und jetzt läuft eine Perle:

walcott works

Collin Walcott - Works
ECM 837 276-1/2

Collin Walcott hat nur zwei Platten auf ECM veröffentlicht, Cloud Dance und Grazing Dreams. Auf dieser Works finden sich daneben noch Aufnahmen aus der Codona- Trilogie, und die Stücke wurden so geschickt plaziert, dass sich keine "Best of", sondern ein in sich schlüssigen Album ergab, welchen die ganze Bandbreite von Walcotts Schaffen aufzeigt. Walcott war immer einer meiner Lieblingsmusiker, mit Oregon spielte er zahlreiche (tolle!) Alben ein. World Jazz at its best!


Edit: Versehentlich unterschlagen: Es findet sich auch ein Stück mit Steve Eliovsen!


[Beitrag von andreas3 am 16. Dez 2019, 00:41 bearbeitet]
arnaoutchot
Moderator
#493 erstellt: 16. Dez 2019, 01:00

andreas3 (Beitrag #492) schrieb:
Und jetzt läuft eine Perle ... Walcott war immer einer meiner Lieblingsmusiker ...


Oh, das schmerzt mich aber etwas, dass einer Deiner Lieblingsmusiker nur mit einer Best of abgehandelt wird ...

Die Cloud Dance (ECM 1062, 1976) mit dem superben Saiten-Trio Walcott (sitar), Abercrombie (e-g) und Holland (b) auf dem Drum-Teppich von DeJohnette sind ein ideales Gespann. Eine von mir sehr geschätzte Platte. Der Nachfolger Grazing Dreams (ECM 1096, 1977) ist etwas anders, zwar sind noch Abercrombie und neu Palle Danielsson am Bass dabei, aber mit Don Cherry und Dom Um Romao wird das ganze noch stärker in die Weltmusik einer Codona geführt. Die Works macht Sinn, wenn man einen Überblick über Walcotts Schaffen auf ECM bekommen will, aber zumindest die Cloud Dance sollte man auf jeden Fall auch komplett berücksichtigen. Ich gehe aber fest davon aus, Andreas, dass Du sie auch hast - ?

Die Platte erinnert mich auch wieder an den tragisch frühen Tod von Walcott bei einem Unfall auf der Transit-Autobahn 1984 in der DDR. Er wurde nur 39 Jahre alt. Was hätte noch an Potential in dem Musiker gesteckt !

jpc.de


[Beitrag von arnaoutchot am 16. Dez 2019, 01:07 bearbeitet]
andreas3
Inventar
#494 erstellt: 16. Dez 2019, 01:12
Ja natürlich, ich habe beide und würde sie auch mit auf die Insel nehmen, aber wie oben erwähnt bietet mir Works mehr als eine Werkschau, eher ein Konzeptalbum, das ist Eicher sehr gut gelungen. Und ich gebe dir Recht, "Walcott für Einsteiger" durchaus.
Mr._Lovegrove
Inventar
#495 erstellt: 16. Dez 2019, 12:04

arnaoutchot (Beitrag #491) schrieb:

Den Nachfolger Deer Wan lasse ich gerne jemanden besprechen, der eine Affinität zum mitwirkenden Jan vom Fjord hat ...

Hmm, wer das wohl ist?!? Nun bevor ich zu diesem Album kommen, sei noch gesagt, dass "Gnu High" die einzige Scheibe ist, die ich nicht nur trotz sondern auch wegen Keith Jarrett genießen kann. Kein Gesinge, kein Pathos, kein Kaputtspielen, kein Ego, sondern eine famose, intelligente und universelle (Beg)leitfigur ist Jarrett auf diesem Album.

Doch kommen wir zum von Michael angesprochenen Album:
1
Kenny Wheeler
Deer Wan
ECM 1102, 1978

Kenny Wheeler - Trumpet, Flugelhorn
Jan Garbarek - Tenor Saxophone, Soprano Saxophone
John Abercrombie - Electric Guitar, Electric Mandolin
Dave Holland - Double-Bass
Jack DeJohnette - Drums
Ralph Towner - 12-String Guitar

Fast glaubt man im Opener “Peace for fire” eine ganze Big Band zu hören und doch sind es nur Jan Garbarek und Flügelhornvirtuose Kenny Wheeler, die die Bläsersätze beisteuern. Beide jedoch schmettern diese schmissige Melodie mit enormem Drive und Antrieb. Das viertelstündige Spektakel zeigt alle Beteiligten in einer großartigen Form. Und auch wenn es recht rasant zur Sache geht, so hört man doch Wheelers scheinbare Cool- und Westcoast- Einflüsse in der Rhythmik, Harmonieführung und Melodik. In “¾ in the afternoon” überträgt er diese auch sehr deutlich auf sein sehnsüchtiges und sensibles Instrumentenspiel. Und hält Garbarek sich in den ersten beiden Stücken eher zurück, so ist der “Sumother Song” sein Lied. Auf der schwebenden Begleitung von John Abercrombie, Dave Holland und Jack DeJohnette gleitet sein Solo flüssig und doch entrückt genug über diese Schönheit. Wheelers perfektes Flügelhorn, das nur wenig von der Romantisierung dieses Instrumentes hat, ist dabei immer prägnant und doch nie dominant zu vernehmen. Im abschließenden Titelstück dann zeigt das Ensemble nochmal seine große Klasse. DeJohnette forciert mit treibenden Becken und scharfen Snares die Szenerie, während Hollands Bass schon fast wie ein elektrischer erklingt. Und auch Garbafrek, Abercrombie und Wheeler selbst packen ihr ganzes Können aus ihren Koffern.
Das Album zählt summiert zu den ganz großen ECMs, weil erstens die Besetzung stimmt, zweitens Wheeler als Leader und Komponist vierer teils längerer Stücke seinen Sidemen ausufernd viel Luft lässt. Und da jeder dieser Herren ein Hauptprotagonist des Labels war und teils noch ist, bekommt ein hervorragendes Gefühl für einen prägenden Sound und auch für Eichers Ansichten.
.
Mr._Lovegrove
Inventar
#496 erstellt: 16. Dez 2019, 12:08
Apropos "Works" Serie: Im Anschluß an die reguläre Runde würde ich die Themen "Works" und "Ra:rum" gerne separat behandeln. Beide Serien sind so interessant, dass ich sie nicht unter den Teppich kehren will und gerne sogar näher darauf eingehen möchte. Ich bin ja überhaupt kein Fan von Compilations und Best- Ofs im Jazz, aber auch und gerade für Einsteiger sind diese CDs schon wirklich schön.
andreas3
Inventar
#497 erstellt: 16. Dez 2019, 17:19
Mr._Lovegrove schrieb:


Und ich sehe gerade, dass wir bald auch ganz durch sind. Im W ist noch was zu tun, im Y ist nur noch Jacob Young am Start und im Z ist gar nix zu holen. Ausser bei JAPO vielleicht, das habe ich jetzt nicht auf dem Schirm.


Nein, bei JAPO fällt nichts mehr an. JAPO hat zwischen 1971 und 1985 gesamt 41 Alben veröffentlicht, hier ist mal eine Liste:

JAPO Records Catalog: 60000 series - album index
JAPO 60000 series (12 inch LP)

•JAPO 60001 Mal Waldron, Jimmy Jackson, Eberhard Weber, Fred Braceful - The Call 1971
•JAPO 60002 Dollar Brand - African Piano 1973
•JAPO 60003 Barre Phillips - For All It Is 1973
•JAPO 60004 Herbert Joos - The Philosophy Of The Fluegelhorn 1974
•JAPO 60005 Dollar Brand - Ancient Africa 1974
•JAPO 60006 Bobby Naughton Units - Understanding 1973
•JAPO 60007 Edward Vesala - Nan Madol 1974
•JAPO 60008 Jiri Stivin, Rudolf Dasek - System Tandem 1975
•JAPO 60009 Children At Play 1975
•JAPO 60010 Rava - Quotation Marks 1976
•JAPO 60011 Magog 1976
•JAPO 60012 OM - Kirikuki 1976
•JAPO 60013 Manfred Schoof Quintet - Scales 1976
•JAPO 60014 Larry Karush, Glen Moore - May 24, 1976 1976
•JAPO 60015 Herbert Joos - Daybreak 1977
•JAPO 60016 OM - Rautionaha 1977
•JAPO 60017 Stephan Micus - Implosions 1977
•JAPO 60018 Ken Hyder's Talisker - Land Of Stone 1977
•JAPO 60019 Manfred Schoof Quintet - Light Lines 1978
•JAPO 60020 Rena Rama - Landscapes 1977
•JAPO 60021 Globe Unity - Improvisations 1978
•JAPO 60022 OM With Dom Um Romao 1978
•JAPO 60023 Lennart Aberg - Partial Solar Eclipse 1977
•JAPO 60024 Contact Trio - New Marks 1978
•JAPO 60025 Jack DeJohnette, Pierre Favre, Fredy Studer, Dom Um Romao, David Friedman, George Gruntz - Percussion Profiles 1978
•JAPO 60026 Stephan Micus - Till The End Of Time 1978
•JAPO 60027 Globe Unity - Compositions 1980
•JAPO 60028 Barry Guy, Howard Riley, John Stevens, Trevor Watts - Endgame 1979
•JAPO 60029 TOK - Paradox 1979
•JAPO 60030 Manfred Schoof Quintet - Horizons 1980
•JAPO 60031 AMM III - It Had Been An Ordinary Enough Day In Pueblo, Colorado 1980
•JAPO 60032 OM - Cerberus 1980
•JAPO 60033 Elton Dean Quintet - Boundaries 1980
•JAPO 60034 Peter Warren - Solidarity 1982
•JAPO 60035 Tom Van Der Geld, Children At Play - Out Patients 1980
•JAPO 60036 Contact Trio - Musik 1981
•JAPO 60037 Es Herrscht Uhu Im Land 1981
•JAPO 60038 Stephan Micus - Wings Over Water 1982
•JAPO 60039 The Globe Unity Orchestra - Intergalactic Blow 1983
•JAPO 60040 Stephan Micus - Listen To The Rain 1983
•JAPO 60041 Stephan Micus - East Of The Night 1985

Mr._Lovegrove schrieb:


Apropos "Works" Serie: Im Anschluß an die reguläre Runde würde ich die Themen "Works" und "Ra:rum" gerne separat behandeln


Das interessiert mich sehr, da bin ich alles andere als gut sortiert.. Walcotts Works ist meine Einzige, Rarum ist gar nicht vertreten

Grüße!
HansFehr
Inventar
#498 erstellt: 16. Dez 2019, 18:59
Noch eine Anmerkung von mir zu Collin Walcott. Den kannte ich mit seinen Alben gar nicht. Sehr gut. Danke für die Hinweise.

Dabei höre ich ihn seit 1972 bei Miles Davis' On the Corner. Da geht er natürlich etwas unter. Jetzt aber habe ich mal genau auf ihn geachtet.
andreas3
Inventar
#499 erstellt: 16. Dez 2019, 20:49
Die meisten Aufnahmen hat er mit Oregon eingespielt, auf den ersten 13 Alben (1970 - 1984) ist er beteiligt.

grazing dreams

Collin Walcott - Grazing Dreams
ECM 1096 (1977)

Collin Walcott - sitar, tabla
Jon Abercrombie - el. and ac. guitars, el. mandolin
Don Cherry - trumpet, wood flute, doussn´gouni
Palle Danielsson - bass
Dom Um Romao - berimbau, chica, tambourine, percussion

Glasklar, doch auch atmosphärisch dicht hat Meister Kongshaug hier ebenfalls ein Referenzwerk geschaffen. Walcott sitzt einem mit der Sitar direkt gegenüber, Abercrombie stimmt mit ein, Romao würzt das Ganze, Danielsson steht felsenfest in der Brandung, und Cherry setzt in bester Manier seine Spitzen.

Grüße!
arnaoutchot
Moderator
#500 erstellt: 16. Dez 2019, 22:47
Ich muss nochmals auf Kenny Wheeler zurückkommen. Ein ganz grossartiges Album habe ich fast übersehen: Angel Song (ECM 1607, 1997). Wheeler mit Lee Konitz (as), Bill Frisell (g) und Dave Holland (b). Kein Drummer. Vier Altmeister (wenn man den jüngsten der Gruppe, Frisell, auch so bezeichnen darf ... ) in einer wunderbaren Late-Night-Session. Wurde bei Erscheinen auch von der Kritik in den höchsten Tönen gelobt.

Sonst hat niemand mehr was von Wheeler ? Ich komme noch zu Lena Willemark, aber die muss ich erst nochmals hören.

jpc.de


[Beitrag von arnaoutchot am 16. Dez 2019, 22:48 bearbeitet]
andreas3
Inventar
#501 erstellt: 16. Dez 2019, 23:50
Also ich habe fertig, das Pulver ist verschossen, Harald Weiss steht am Ende des Alphabets.

Mr._Lovegrove schrieb:


Ich hatte das nur gesehen und mir dann gedacht, dass dieser Spaß leider bald zu Ende ist.


Der Gedanke hat mich auch schon bewegt, und ich schlage vor dass wir diesen Fred weiterleben lassen, indem wir hier in Zukunft auf Neuzugänge oder auch wiederhervorgekramtes ECM- Material hinweisen, ohne Rücksicht aufs Alphabet. Irgendwie würde mich ja auch ECM New Series interessieren, das wurde hier gar nicht erwähnt.

Ansonsten kann ich sagen, das mir der Spaß einen Heiden- Selbigen gemacht hat, sowohl beim Lesen wie auch beim Schreiben, und ich finde unseren Thread informativ, inspirierend, horizonterweiternd, etliches ist auf meiner Einkaufsliste gelandet. Daher ein Dankeschön an alle Beteiligten! Und natürlich auch an die Leser.

Grüße!
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eltom am 13.01.2005  –  Letzte Antwort am 18.04.2008  –  44 Beiträge

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