Jan Garbarek, ein streitbarer Musiker?

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Mr._Lovegrove
Inventar
#1 erstellt: 13. Sep 2008, 09:17
Ich fand die Idee von Dualplattenspieler gar nicht schlecht. Und möchte hiermit alle interessierten User einladen, ausführlich über den für den europäischen Jazz sehr wichtigen Norweger zu diskutieren. Wem gefällt was und was nicht und warum.
Ich als jemand, der schon seit 15 Jahren massivster Fan von Garbarek ist, kann, um mal zu beginnen, die grundlegende Ablehnung ggü Garbarek nicht verstehen. Sicher, die letzten Platten sind doch arg von Pathos durchzogen, aber seine Schaffensphase von 1970-1987 ist schon durchweg von Meisterwerken durchzogen.....
Micha_L
Stammgast
#2 erstellt: 13. Sep 2008, 12:39
...Du meinst wohl umstrittener Musiker.

Streitbar ist der Klangästhet musikalisch nicht, eher harmoniebedürftig.
Einige seiner Platten mag ich sehr.

Gruß

Micha
arnaoutchot
Moderator
#3 erstellt: 14. Sep 2008, 18:18

Mr._Lovegrove schrieb:
Wem gefällt was und was nicht und warum.


Ich konzentriere mich absichtlich mal auf die 70er Jahre und damit die ersten 10 Jahre von JGs Karriere. Nicht zu Unrecht halten diese viele für die beste Zeit von JG. Danach ging es steil bergab.

Aus meiner Sicht gelungene Projekte:

JG: "Afric Pepperbird" (ECM 1970)
Eine der besten frühen skandinavischen Free-Jazz-Platten, JG auch am Bass-Saxophon !!!

Garbarek/Stenson/Danielsson/Christensen: "Witchi-Tai-To" (ECM 1973)
auf gleichem Niveau spielen:
Garbarek/Jarrett/Danielsson/Christensen: "Belonging" (ECM 1974)
Towner/Garbarek/Weber/Christensen: "Solstice" (ECM 1974) und
Garbarek/Stenson/Danielsson/Christensen: "Dansere" (ECM 1975)
Das sind alles Sternstunden des typischen 70er Jahre ECM-Jazz. Fein ziseliertes Zusammenspiel individueller Musiker.

Mit gemischten Gefühlen stehe ich bereits der Kollaboration Haden/Garbarek/Gismonti auf den beiden Platten "Magico" und "Folk Songs" (beide ECM 1979) gegenüber. Ich bin ein großer Fan von Haden und Gismonti und der Musik dieser Platten, aber mich wundert es nicht, daß die beiden danach JG nicht mehr zu weiteren Projekten eingeladen haben

Misslungene Projekte:

Völlig daneben ist erstmals JGs Auftritt auf Gary Peacock: "December Poems" (ECM 1977)
Ich habe nur die Vinyl-LP und kann nur mit manueller Mühe die zwei Stücke überspringen, auf denen JG mit seinem schrillen Getröte die sonst meditative Ruhe des Solo-Basses von GP stört.

JG "Dis" und "Aftenland" (ECM 1976 & 1979)
Auf "Dis" bläst JG meistenteils gegen eine Windharfe an. Naja. "Aftenland " wurde mal treffend als "Soundtrack für Ihren nächsten Selbstmordversuch" betitelt. Die Kombination Kirchenorgel und JG ist tatsächlich nur was für stabile Psychen.

JG "Eventyr" (ECM 1980) deutet dann schon an, in welche Richtung es in den 80er Jahren weitergehen sollte: Immer mehr esoterisch mäandernd-ausufernde Schönklang-Improvisationen (meist auf dem von JG quälend nasal intonierten Alt- oder Sopransaxophon), ob es auf den Background passen wollte oder auch nicht.

Den vorläufigen Höhepunkt erreichte das dann mit "Officium" (ECM 1994). Nach einem kurzen Überraschungseffekt stellt sich sehr schnell Ernüchterung ein und man sucht gerne den Track des Titelstücks "Parce mihi domine" auf, auf dem JG nicht spielt und nur das wunderbare Hilliard-Ensemble zu hören ist.

Fazit: Mein Hauptvorwurf an JG ist seine enorm geringe Wandlungsbreite. Im Grunde hat er sein Spiel und seinen Ton seit Beginn der 70er Jahre nicht geändert, er hat nur immer die "Leinwand" dahinter ausgetauscht. Das hat er zugegeben so geschickt und vielfältig gemacht, daß er relativ viele Variationsmöglichkeiten für seinen immergleichen Sound vortäuscht.

Grüße Michael
Dualplattenspieler
Inventar
#4 erstellt: 16. Sep 2008, 22:57

Im Grunde hat er sein Spiel und seinen Ton seit Beginn der 70er Jahre nicht geändert, er hat nur immer die "Leinwand" dahinter ausgetauscht.


..enough said...., I second this
poubelle
Inventar
#5 erstellt: 17. Sep 2008, 14:39
ich habe im laufe der zeit noch 2 platten von Garbarek behalten.
einmal die Witchi-Tai-To weil es mMn seine beste scheibe ist, und ich ihn in dieser besetzung damals live gesehen habe .
und die Red Lanta mit Art Lande auf der seine 'ruhigere' spielweise vertreten ist, und er auch außer dem soprano, bass sax und flöte spielt.
snark
Inventar
#6 erstellt: 17. Sep 2008, 21:06
Ich mag seine CDs, war aber live ziemlich enttäuscht, nicht nur, dass keinerlei Funke vom ihm zum Publikum übersprang (im Gegensatz zu seinem hervorragenden Ensemble), vor allem war er so distanziert, dass es schon gelangweilt wirkte. Er verbrachte keine unnötige Minute sichtbar auf der Bühne, 2 sec. nach dem letzten Ton seines Einsatzes war er direkt hinter der Bühne verschwunden..

Dass es keinerlei Zugaben gab passte ins Bild.

so long
snark


[Beitrag von snark am 17. Sep 2008, 21:07 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#7 erstellt: 17. Sep 2008, 21:35

snark schrieb:
Ich mag seine CDs, war aber live ziemlich enttäuscht, nicht nur, dass keinerlei Funke vom ihm zum Publikum übersprang (im Gegensatz zu seinem hervorragenden Ensemble), vor allem war er so distanziert, dass es schon gelangweilt wirkte. Er verbrachte keine unnötige Minute sichtbar auf der Bühne, 2 sec. nach dem letzten Ton seines Einsatzes war er direkt hinter der Bühne verschwunden..

Dass es keinerlei Zugaben gab passte ins Bild.

so long
snark


Hab ihn zweimal live gesehen. Abgesehen davon, daß es bei ihm mittlerweile normal ist, sofort zu verschwinden, muß man halt mir seiner Distanziertheit klarkommen. Garbarek schein halt nicht offensichtlich für die Leute zu spielen. Natürlich ist auch eine gewisse Routine nicht zu übersehen. Das aber auch bei den Herren Weber und Brüninghaus. Und dennoch ist man ganz gebannt von der Intensität dieser gestandenen alten Herren, die es selbst bei eher routinierten Einsätzen wissen, wie man emotionale Musik macht.
Mr._Lovegrove
Inventar
#8 erstellt: 26. Sep 2008, 08:19
Habe jetzt meine bei ebay günstig ersteigerte "In praise of dreams" auf dem HD 590 laufen. Es bestätigt sich mein damalig erster Eindruck, daß dies mit Abstand Garbareks schlechtestes Album ist. Also, den volen Preis würde ich dafür auch weiterhin nicht bezahlen
Hier zeigt sich nämlich auch, daß sein Ton sich über die Jahrezehnte hinweg sehrwohl verändert hat. Heute spielt er niczht mehr aggressiv, es ist kaum noch forsches zu spüren, sondern gerade auf diesem Album ertränkt er alles in seiner überschwenglichen Wohlklangsülze.
Live hingegen ist der Mann immer noch viel besser....
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