Klassik für Einsteiger - Wagner?

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ovosskamp
Ist häufiger hier
#1 erstellt: 09. Nov 2008, 10:59
Guten Morgen,

ich wollte mal in die Klassik reinschnuppern.
Auf jpc habe ich mir mal Wagners Nibelungen angeschaut.
Leider gibt es x Fassungen...

Welche Fassung ist auch klanglich zu empfehlen?
So eine Art Best of... wäre hilfreich.

Vielen Dank!
Martin2
Inventar
#2 erstellt: 09. Nov 2008, 11:47
Hallo!

Schön, daß Du in die Klassik reinschnuppern willst, aber der Ring des Nibelungen ist für den Einstieg wirklich nicht zu empfehlen ( auch wenns da tolle Musik gibt). Mir zumindestens sagt dieses Werk über weite Strecken nichts und ich höre viel und lange klassische Musik.

Einen guten Klang hat Wagners Fliegender Holländer ( ein zum Einstieg wesentlich empfehlenswerteres Werk) auf Naxos.

Sonst wurde neulich eine CD Wagners symphonische Synthesen, ebenfalls auf Naxos, einem Einsteiger empfohlen.

Gruß Martin
arnaoutchot
Moderator
#3 erstellt: 09. Nov 2008, 17:13
Nimm diese hier als Einstieg:



Klanglich sehr gut, nicht viel teurer als eine Naxos und meines Erachtens ein perfekter Überblick. Das stundenlange affektierte Gekreische kann man sich dann getrost sparen .

Grüße Michael
Kings.Singer
Inventar
#4 erstellt: 09. Nov 2008, 17:31
Hi.

Der Thread trifft sich ganz gut für mich. Ich habe heute beschlossen, dass ich versuchen werde mich Wagner zunächst über seine Symphonik und hoffentlich dann bis hin zu den Opern zu nähern. Hoffe der Beschluss ist weise.

So habe ich dann auch gleich nach Aufnahmen seiner "eineinhalb" Symphonien gesucht und wurde nicht wirklich fündig. Von seiner vollendeten Symphonie in C listet JPC nur eine Aufnahme, die mir wirklich auf den ersten Blick vertrauenswürdig erscheint:




Hein Rögner dirigiert das RSO Berlin. In der Kooperation habe ich einen ganz schönen Bruckner in Erinnerung.

Kann jemand diese CD beurteilen? Gibt es nennenswerte Alternativen?


Vielen Dank und viele Grüße,
Alex.
AladdinWunderlampe
Stammgast
#5 erstellt: 09. Nov 2008, 19:03
Liebe Wagner-Entdecker,

warnend sei gesagt, dass die "Symphonik" Wagners noch relativ wenig echten Wagner, dafür aber um so mehr ins Lange und Breite ausgetretenen Carl Maria von Weber enthält und insofern nicht sehr repräsentativ ist.

Das Siegfried-Idyll repräsentiert natürlich durchaus das handwerkliche Niveau des "reifen" Wagner, stellt aber als rein instrumentales Kammermusikwerk trotz des musikalischen Materials, das dem Siegfried entnommen ist, eigentlich ein Ausnahme-Stück dar.

Und ich bin mir auch nicht sicher, ob man durch die ganzen "Ring-ohne-Worte"- oder The-best-of-Kompilationen wirklich einen besseren Zugang zu Wagner bekommt, oder ob diese Art der Annäherung nicht dazu führt, dass man später beim Hören der Wagnerschen Musikdramen immer nur auf die "schönen Stellen" und die orchestralen Feuerwerke wartet und sich unterdessen über das "affektierte Gekreische" vermeintlich trostloser Rezitative zu Tode langweilt. Insgesamt bin ich ein wenig skeptisch gegenüber einer schonenden Pädagogik, die Schwierigkeiten, die zur Sache selbst gehören, aus Gründen vermeintlicher Leichtverdaulichkeit ausblendet. Mir selbst ist es jedenfalls oft genug so gegangen, dass ich zum vorgeblich "Schweren" oder "Unverdaulichen" den Zugang leichter und selbstverständlicher gefunden habe als zu den Stücken, von denen manch einer irrtümlich annimmt, dass jeder sie lieben müsste.

Wenn schon Wagner, dann also nach meiner Meinung besser ganz: ein komplettes Werk hören (oder vielleicht per DVD sehen), vorher eine vernünftige Inhaltsangabe (also eine, die ausführlich genug ist, die Handlungsmotive der Personen zu verstehen) lesen und auch beim Musikhören den Text verfolgen.

Wagners Musik ist immer - auch da, wo sie sinfonische Züge annimmt - dramatisch motiviert. Wenn man davor die Augen verschließt, wird man über die orchestralen Schlachtrosse nie hinauskommen. Wenn man sich aber einmal auf die dramatische Grundausrichtung der Musik und auch auf Wagners spezifisches Erzählprinzip - die Leitmotiv-Technik bringt gemessen an den Kriterien der konventionellen Operndramaturgie notwendigerweise eine bestimmte "Umständlichkeit" mit sich, die aber um so mehr Sinn macht, je besser man das szenische Geschehen durchschaut - einlässt, entwickeln auch und gerade vermeintlich langatmige Passagen (z. B. der vielgeschmähte Beginn des zweiten Aktes der Walküre) ein ungeheueres Spannungspotential. (Ich persönlich finde jedenfalls das Gespräch zwischen Wotan und Brünnhilde, das in Wirklichkeit ein Selbstgespräch des mit sich uneinen Gottes ist, und Brünnhildes Todesverkündigung an Siegmund musikalisch wie dramaturgisch weitaus atemberaubender als das lärmende "Hojotoho" des Walküren-Rittes...)

Womit soll man anfangen? An ein Patentrezept glaube ich aus den oben genannten Gründen nicht. Vielleicht ist der Fliegende Holländer mit seinen überschaubaren Dimensionen und seiner verhältnismäßig einfachen, aber wirkungsvollen Tonsprache wirklich ein guter Einstieg. Für mich persönlich muss ich aber sagen, dass der Tristan die Einstiegsdroge gewesen ist, von dem aus ich mir mit wachsender Begeisterung den Ring und den Parsifal erobert habe; manches Frühere (Tannhäuser und Lohengrin) finde ich demgegenüber auch heute noch eher uninteressant.

Aber hier sind die Geschmäcker sicherlich verschieden. Daher: Mut zur Länge haben! Und: Probieren geht über Studieren!


Herzliche Grüße
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 10. Nov 2008, 01:53 bearbeitet]
cr
Inventar
#6 erstellt: 10. Nov 2008, 03:59
Mir hat zB immer Parsifal am besten gefallen (und tut es immer noch).

Als Einstieg in Wagner könnte man ev. CDs mit den Ouvertüren empfehlen, oder die 3. Symphonie Bruckners in der ungekürzten Originalfassung (zB unter Inbal), die nicht umsonst "Die Wagnerische" heißt. Bei den späteren Fassungen sind die Wagner-Zitate arg gekürzt bzw. eliminiert. Aufnahmetechnisch ist Inbal nicht das Gelbe vom Ei, vielleicht kennt wer bessere CDs mit der Originalfassung?


[Beitrag von cr am 10. Nov 2008, 12:18 bearbeitet]
Joachim49
Inventar
#7 erstellt: 10. Nov 2008, 07:29

cr schrieb:

Als Einstieg in Wagner könnte man ev. CDs mit den Ouvertüren empfehlen, oder die 3. Symphonie Bruckners in der ungekürzten Originalfassung (zB unter Inbal), die nicht umsonst "Die Wagnerische" heißt.


Ich glaube nicht, dass Wagner und Bruckner soviel gemeinsam haben, dass man Bruckner als "Leiter" zu einem besseren Wagnerverständnis verwenden kann (selbst nicht als Geduldsprobe). Der "Wagnervergleich" hat Bruckner ohnehin mehr geschadet als geholfen.
Freundliche Grüsse
Joachim
Kings.Singer
Inventar
#8 erstellt: 10. Nov 2008, 10:23
Hi.

Also werde ich doch die Decca Wagner-Box für Weihnachten ins Visier nehmen. Sawallisch äußert sich in seiner Autobiographie unheimlich zufrieden über seinen 61er Holländer (mit Crass und Silja, eine seiner liebsten Wagner-Sängerinnen, wegen der er sich am Ende mit den Wagners verkrachte) und der ist momentan kaum anders und billiger zu haben.
So kann ich dann auch gleich anderen Opern in halbwegs vernünftigen Aufnahmen ihre Chance geben, auch wenn Wagner über die Feiertage wohl etwas deplaziert ist.


Viele Grüße,
Alex.


P.S. Für ovosskamp: Gemeint ist folgende Box.



[Beitrag von Kings.Singer am 10. Nov 2008, 10:27 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#9 erstellt: 16. Nov 2008, 19:48
Hallo Alex,

die Deccabox ist gut ( obwohl es zum Haareausraufen ist, daß bei dem von Dir angesprochenen eigentlich guten Holländer die berühmte Ballade der Senta zwischen zwei CDs aufgeteilt wird - vollkommen dämlich und unnötig).

Aber einem Einsteiger gleich die volle Dröhnung Wagner an den Kopf zu knallen, ist doch eher fragwürdig. Aber das lag sicher nicht in Deiner Absicht.

Gruß Martin
Kings.Singer
Inventar
#10 erstellt: 16. Nov 2008, 21:42
Hi.

Stimmt voll und ganz. Wollte nur, dass der Threadersteller auch weiß, von welcher Box da die Rede ist.

Gruß.
Thomas228
Stammgast
#11 erstellt: 17. Nov 2008, 22:17
Hallo ovosskamp,

du siehst, es ist nicht ganz einfach mit den Klassikfreunden. Du fragst nach Wagners Ring des Nibelungen ... und empfohlen wird dir Bruckners Dritte.

Martin hat es oben bereits gesagt: Der Ring ist als Einstieg in die Welt der Klassik eher ungewöhnlich. Vielleicht magst du präzisieren, wonach du suchst. Suchst du aus bestimmen Gründen eine Aufnahme gerade des Rings? Suchst du nach einem Einstieg in die Opern Wagners? Oder suchst du einen Einstieg in die Klassikwelt insgesamt mithilfe einer Oper?

Falls es dir um eine Aufnahme des Rings oder speziell um die Musik Wagners geht: Klicke bitte auf das Unterforum Vokalaufnahmen und dort auf "Thema". Die Themen werden dann alphabetisch sortiert. Auf Seite 13 f. unter "W" findest du diverse Threads zu Wagners Opern, auch speziell zum Ring.

Falls es dir um den Einstieg in die Klassik/Opernwelt insgesamt geht, wären konkretere Angaben zu deinen Vorstellungen hilfreich, wenn auch die typischen deutschsprachigen Opern ohnehin ein guter Einstieg in die Opernwelt sind, also Wagner: Holländer, Tannhäuser, Tristan (anfangs eher nicht Parsifal, Ring - beim Ring ist allerdings der erste Akt der Walküre wieder eine kleine Oper für sich, und zwar eine fantastische). Weber: Freischütz. Mozart: Zauberflöte.

Viele Grüße
Thomas
killnoizer
Inventar
#12 erstellt: 17. Nov 2008, 22:24
Wagner kann selbst für fortgeschrittene Hörer ziemlich lang sein ..

Such dir einen regionalen Radiosender der Klassik spielt , Frequenzen findest du im Netz !! Geht natürlich auch über Kabel oder Schüssel .

Da kannst du dir meist ziemlich versch. Programme anhören , NDR Kultur bietet dann zB. auch den Service das gespielte im Netz zu finden , so kannst du dir dann gezielt das gehörte Stück zukaufen .

so habe ich auch manche Komposition kennegelernt , und manchmal gibts auch Hintergrundinfos dazu .

Gerrit
cr
Inventar
#13 erstellt: 18. Nov 2008, 00:00
Nachdem die Nähe zwischen Wagners und Bruckners Musik nicht erkannt wird (was mich schon sehr wundert), noch ein paar kleine Referenzen:

ANTON BRUCKNER - SYMPHONIE NR. 3 (FASSUNG VON 1889). Es ist bekannt, daß Anton Bruckner auchnach ihrer Veröffentlichung die Arbeit an seinen Symphonien gerne nochmals aufnahm und revidierteFassungen herausgab von der ursprünglich 1873 komponierten Dritten sind inzwischen neun Fassungenbekannt; die offiziell endgültige ist die hier aufgeführte Version von 1889. Das Werk war ursprünglich dembewunderten Kollegen Richard Wagner gewidmet, und man kann die Atmosphäre des Tannhäuser, desLohengrin und sogar des Rings hier tatsächlich immer wieder spüren. Bei vorliegender Einspielung handelt essich um eine der letzten Aufnahmen des großen deutschen (1942 in die Schweiz emigrierten) Dirigenten CarlSchuricht, der gegen Ende seines Lebens für EMI einige der besten Bruckner-Interpretationen derSchallplattengeschichte aufnahm. Man könnte ihn sogar noch als Bruckner-Zeitgenossen bezeichnen (er war16, als der Komponist 1896 starb); doch seine Liebe zur deutschen Romantik kam spät: Schurichts Favoritenin der Vorkriegszeit hießen etwa Ravel, Strawinsky oder Schönberg. Dieser Umweg läßt sich nachvollziehen:Selten klingt Bruckner so durchsichtig, manchmal fast leicht ohne an dramatischer Wirkung einzubüßen. Auch klanglich sehr überzeugende Reissue aus dem Hause Testament. (1966/2007)

http://209.85.135.10...e&ct=clnk&cd=2&gl=de


sowie
http://de.wikipedia.org/wiki/3._Sinfonie_(Bruckner)

Die große Affinität zu Wagner kommt auch in der 7. Sym. zum Ausdruck

http://www.berliner-...ne-wagner-symphonie/

Eine »Wagner-Symphonie«
von Constantin Floros

Bruckners Siebte Symphonie
........

Neben den musikalischen Qualitäten der Siebten trugen zum Erfolg der Münchner Aufführung noch andere Faktoren bei: Die bayerische Hauptstadt galt damals als eine Hochburg des Wagnerismus und Hermann Levi als der engagierteste Wagner-Dirigent. Bruckner war bekannt als fanatischer Wagnerianer, und es hatte sich herumgesprochen, dass er das feierliche Adagio als Epitaph auf den geliebten Meister komponiert hatte.
..................

Die »Trauermusik« zeigt in Konzeption, Struktur und Ausdruck aufschlussreiche Analogien zu Wagners Trauermarsch beim Tode Siegfrieds im dritten Aufzug der Götterdämmerung. Bruckner überschrieb das Adagio mit Sehr feierlich und sehr langsam, und auch Wagner wollte besagten Trauermarsch feierlich vorgetragen wissen. Bemerkenswert ist die Parallelität der musikalischen Verläufe; beiden Kompositionen gibt der Tubenklang das eigentümliche Gepräge. Das Adagio sowie das Finale der Siebten sind die ersten Sätze Bruckners, für die er vier Wagner-Tuben und eine Kontrabasstuba vorgeschrieben hat. Bezeichnenderweise wollte und konnte er auf diese »wagnerisch« gefärbten Instrumente auch in seinen folgenden Symphonien, der Achten und der Neunten, nicht verzichten.
Bruckner liebte es, in seinen Symphonien auf Motive Wagners anzuspielen. So intonieren die Hörner im Adagio der Achten eine Variante des Siegfried-Motivs, über das er auf der Orgel gern improvisierte. Über dieses Zitat sagte er ausdrücklich, er habe es »zur Erinnerung an den Meister« aufgenommen. Auch scheinen manche Wagner-Anklänge im Kopfsatz der Siebten keineswegs zufällig zu sein, sondern der Absicht zu dienen, dem heißgeliebten Meister zu huldigen. So erklingt mehrfach das Liebestod-Motiv aus Tristan und Isolde, und zwar als kontrapunktische Gegenstimme zu einem Motiv des Hauptthemas. In der Coda des Satzes »zitieren« dann in den Takten 417 bis 420 die beiden Flöten und die erste Oboe fast tongetreu das Schlummermotiv aus der Walküre. Der Anklang verdient nicht zuletzt deshalb Beachtung, als sowohl dieser Satz Bruckners wie der Schluss der Walküre in E-Dur stehen.
......
Heinrich Porges, der Musikkritiker der Münchner Neuesten Nachrichten, lobte ihn in einer längeren Rezension vom 12. März als einen Komponisten, der große Resultate errungen habe, »weil er sich der Entwicklung, welche die moderne Musik in erster Linie durch Richard Wagner, aber auch durch Berlioz und Liszt genommen hat, nicht engherzig verschloß, sondern dieselbe in sich aufnahm und mit seiner tief angelegten musikalischen Natur zu verschmelzen verstand«.


[Beitrag von cr am 18. Nov 2008, 00:00 bearbeitet]
Joachim49
Inventar
#14 erstellt: 18. Nov 2008, 01:21
Hallo cr,
so richtig kann mich das Plädoyer für die Verwandschaft Bruckner-Wagner nicht überzeugen. Der auffälligste Unterschied dürfte wohl sein, dass Bruckner die Oper völlig wurscht war - er hat sich wohl nie mit dem Gedanken getragen je eine zu schreiben - , während Wagner, zumindest dem reifen, das Musikdrama alles bedeutete, während er als Symphoniker nur ein unbedeutendes Jugendwerk hinterlassen hat. Das scheint mir eher für Entfernung und nicht für Nähe zu sprechen.

Richtig ist, dass Bruckner Wagner bewunderte (umgekehrt spricht nichts dafür; es war dem Bayreuther meister völlig gleichgültig welches Werk Bruckner ihm widmen wollte - es war natürlich auch eine blöde Frage, ob er lieber die 2. oder 3. gewidmet haben wollte. Richtig ist auch, dass sich Bruckner der harmonischen NeuerungenWagners bedient. Aber damit hörts auch auf. Bruckner steht ansonsten ganz in der Tradition der deutsch-österreichischen Symphonik (4 sätze, ein langsamer, ein Scherzo etc.), die er natürlich weiterentwickelte. Aber die Weiterentwicklung der Symphonie war Wagner völlig gleichgültig.

Dass Bruckner Wagnerstellen zitiert ist für eine enge Verwandschaft völlig unbedeutend. Hindemith zitiert Wagner manchmal auch. Das hat keinerlei Beweislast. Es ist perfekt denkbar, dass jemand Brucknert über alles schätzt und Wagner verabscheut - und vice versa. Also ich bleibe dabei - der Abstand ist viel grösser als gemeinhin angenommen wird.

Freundliche Grüsse
Joachim
cr
Inventar
#15 erstellt: 18. Nov 2008, 04:16
Ich empfinde die Musik als verwandt, sie hat einfach viele Ähnlichkeiten, von der Orchestrierung her sowieso. Daß Wagner kaum Symphonik, Bruckner keine Opern geschrieben hat, ist nicht unbedingt relevant (ist natürlich nur meine persönliche Meinung).


dass jemand Brucknert über alles schätzt und Wagner verabscheut - und vice versa.


Hier wäre ev. auch zu hinterfragen, ob das
a) nicht ideologische Gründe hat
b) es einfach auch Opern-Liebhaber gibt, die mit Symphonik abslout nichts anfangen können und umgekehrt (kenne für beides einige Leute).
Joachim49
Inventar
#16 erstellt: 18. Nov 2008, 12:59
Unsere Meinungsverschiedenheit ist gar nicht so gross, wie es scheint. Bei allen unbestrittenen Ähnlichkeiten gibt es einen recht deutlichen Unterschied in der musikalischen Formsprache. Je nachdem, welches Gewicht man diesem Aspekt zubilligt, erscheint der Unterschied grösser oder kleiner.
Joachim
cr
Inventar
#17 erstellt: 18. Nov 2008, 13:04
Kreisler_jun.
Inventar
#18 erstellt: 18. Nov 2008, 13:57

Joachim49 schrieb:

Richtig ist, dass Bruckner Wagner bewunderte (umgekehrt spricht nichts dafür; es war dem Bayreuther meister völlig gleichgültig welches Werk Bruckner ihm widmen wollte - es war natürlich auch eine blöde Frage, ob er lieber die 2. oder 3. gewidmet haben wollte. Richtig ist auch, dass sich Bruckner der harmonischen Neuerungen Wagners bedient. Aber damit hörts auch auf. Bruckner steht ansonsten ganz in der Tradition der deutsch-österreichischen Symphonik (4 sätze, ein langsamer, ein Scherzo etc.), die er natürlich weiterentwickelte. Aber die Weiterentwicklung der Symphonie war Wagner völlig gleichgültig.


Nicht ganz. Er war ja der Ansicht, daß er am besten verstanden hatte, was aus der Tradition, deren Höhepunkt er in Beethovens 9. sah, für Konsequenzen zu ziehen wären. Nämlich gar keine rein instrumentalen Sinfonien mehr schreiben, sondern Musikdramen oder vielleicht sinfonische Dichtungen. Wagner steht also im Grunde ebenfalls in der Tradition der deutschsprachigen Sinfonik (auch wenn es selbstverständlich auch musikdramatische Traditionen gibt, in denen er steht).
Und zweifellos war Bruckner ein Wagnerianer und andere prominente damalige Wagneranhänger (wie Hugo Wolf) traten für Bruckner ein. Es ist also keine grobe Verzeichnung, wenn man Bruckner cum grano salis als den maßgeblichen Sinfoniker des Wagner-Umfeldes sieht, selbst wenn dort ebenfalls die Auffassung herrschte, daß trad. Sinfonien im Grunde nicht mehr zeitgemäß seien.



Dass Bruckner Wagnerstellen zitiert ist für eine enge Verwandschaft völlig unbedeutend. Hindemith zitiert Wagner manchmal auch. Das hat keinerlei Beweislast. Es ist perfekt denkbar, dass jemand Bruckner über alles schätzt und Wagner verabscheut - und vice versa. Also ich bleibe dabei - der Abstand ist viel grösser als gemeinhin angenommen wird.


Daß jemand A verabscheuen und B schätzen kann, ist m.E. kein brauchbares Argument in diesem Zusammenhang (sogar wenn es nicht nur denkbar ist, sondern es tatsächlich solche Fälle gibt ;)). Man kann Bruckner für eine lächerliche vorübergehende Erscheinung halten, obwohl man weitgehend in derselben Tradition steht (das war Brahms' Auffassung) und man könnte das heute auch immer noch so sehen. Oder gerade umgekehrt, Brahms als Schumann-Epigonen und Bruckner als Ausnahmeerscheinung.

Ich stimme aber zu, daß es eine fragwürdige Idee ist, Bruckner-Sinfonien als Wagner-Propädeutik zu hören. Abgesehen davon, daß in den verbreiteten Fassungen der 3. keines der Zitate mehr vorhanden ist und diese ebenso wie auch die Anklänge in der "Totenklage" der 7. eher was für Kenner sind, die mit beiden Komponisten schon vertraut sind.

Wie oben schon gesagt wurde, sind die üblichen Vorspiele und orchestralen Auszüge, sicher eine Möglichkeit, sich Wagner zu nähern. Ich sehe es aber ähnlich, daß man damit wesentliches verpaßt und letztlich nicht im Planschbecken schwimmen lernen kann.
Da ich die früheren Opern weniger interessant finde, würde ich wie Aladdin vorgeschlagen hat, wenn denn ernsthaftes Interesse besteht, gleich ins kalte Wasser. Am eingängigsten ist m.E. der erste Akt der Walküre. Wenn man mit dem vertraut ist, kann man sich an den Rest dieser Oper, dann an die anderen aus dem Ring oder Tristan machen. Es spricht gewiß nichts dagegen, den Holländer dazwischen zu schieben. Aber die "Vorbereitung" die der Holländer für den Tristan bietet, ist ähnlich zweifelhaft wie die einer Bruckner-Sinfonie...

viele Grüße

JK jr.
Thomas133
Hat sich gelöscht
#19 erstellt: 18. Nov 2008, 17:13
Ich bin zugegebenermaßen alles Andere als ein Wagner-Kenner, aber ich habe in einem booklet Bruckners gelesen das Wagner mal gesagt haben soll "Bruckner, das ist mein Mann!" und eher von gegenseitiger Wertschätzung gesprochen wurde...inwieweit das natürlich jetzt nicht irgendwie eine persönliche Deutung und Interpretation des Autors war kann ich nicht sagen. Glaube aber schon das Bruckner Wagner mehr wahrgenommen hat wie umgekehrt, Zweiterer war ja natürlich damals um wesentlich mehr populärer und die Zuneigung Bruckners erinnert mich ganz grob oberflächlich gesehn an diejenige wie Schubert Beethoven verehrte, wobei dieser natürlich etwas zurückhaltender vorging.

gruß
Thomas
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